Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.11.2022, RV/6100463/2014

Zurückweisung wegen Verspätung - Einstellen in die Databox bewirkt Zustellung, wenn nicht auf elektronische Zustellung verzichtet wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Zwilling in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See (nun Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2012 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) brachte mit Schriftsatz vom Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom ein.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß § 98 Abs. 2 BAO elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt gelten, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt seien. Die Beschwerdefrist beginne daher mit Einlangen des Umsatzsteuerbescheides 2012 in die Databox am zu laufen und betrage einen Monat. Unzulänglichkeiten im EDV-Bereich des Empfängers, zB. vergessene oder verlorene Zugriffscodes, würden die gültige Zustellung über Finanzonline nicht hindern. Vom Infocenter des Finanzamtes habe der Bf am eine Information zur Problemlösung bei veränderten Zugangsdaten zu FinanzOnline erhalten. Die am eingelangte Beschwerde sei daher verspätet.

Am brachte der Bf ein Schreiben mit dem Titel "Eingabe" beim Finanzamt ein. In diesem Schreiben führte er aus, dass er am vom Finanzamt über die Zuteilung einer neuen Steuernummer informiert worden sei. Unter der neuen Steuernummer sei jedoch ein Zugang zu Finanzonline nicht möglich gewesen. Dies habe er dem Finanzamt bereits mit E-Mail vom mitgeteilt, welche jedoch unbeantwortet geblieben sei. Mit E-Mail vom habe er abermals mitgeteilt, dass seine Zugangsdaten gesperrt seien. Daraufhin habe ihm das Finanzamt mit E-Mail vom erstmals die Möglichkeiten zur Problemlösung zugesandt. Den Umsatzsteuerbescheid 2012 habe er ebenfalls im Zuge dieser E-Mail erhalten. Fristgerecht habe er daher innerhalb eines Monats Beschwerde eingebracht.

In der Folge beantrage die Bf fristgerecht mittels Vorlageantrag vom , dass die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt werde. Diesen Antrag begründete er ebenfalls damit, dass der gesperrte Zugang zu FinanzOnline nicht sein Verschulden gewesen sei.

Das Finanzamt legte am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte in seiner Stellungnahme zusammengefasst aus, dass der Bf umgehend mittels E-Mail von der Zustellung des Bescheides in die Databox informiert worden sei. Mit E-Mail vom sei der Bf auch über die Möglichkeiten zur Problemlösung informiert worden. Der Bf habe jedoch davon keinen Gebrauch gemacht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Der Bf nahm im beschwerdegegenständlichen Zeitraum an FinanzOnline teil und stimmte der Zustellung von Schriftstücken in die Databox zu.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2012 wurde am über FinanzOnline in die Databox eingebracht und der Bf darüber per E-Mail verständigt.

Mit E-Mail vom teilte der Bf dem Finanzamt mit, dass er eine E-Mail-Benachrichtigung über den Eingang des Umsatzsteuerbescheides in die Databox erhalten habe, er sich jedoch aus Gründen der veränderten Zugangsdaten dort nicht anmelden könne.

Am wurde dem Bf vom Finanzamt eine Kopie des Umsatzsteuerbescheides 2012 per E-Mail übermittelt und darauf hingewiesen, dass die Zustellung am elektronisch in die Databox erfolgt sei.

Mit einer weiteren E-Mail, ebenfalls vom , wurden dem Bf die folgenden Möglichkeiten zur Problemlösung bei veränderten Zugangsdaten zu FinanzOnline genannt:

"1. Rücksetzen auf Start-PIN bzw. Start-Supervisor über online: https://siqnon.portal.at/fon/HilfeDispatcher?TARGET=hilfeframesetNeu&NAMESrTE=INFO&MENUSITE=Hauptmenü8JAHR=&reqkev=BqPpYYsEwJhuebOSOWICpQL&

2. Rücksetzen auf Start-PIN bzw. Start-Supervisor persönlich bei einem Finanzamt in Österreich:
https://www.bmf.gv.at/Service/Anwend/FormDB/start.asp"

Der Bf hat davon keinen Gebrauch gemacht.

Zuvor versandte der Bf bereits am eine E-Mail bezüglich eines Ergänzungsersuchens an das Finanzamt mit folgendem Inhalt:

"….unten stehende E-Mail wurde durch das FinanzOnline-Portal, vermutlich durch Ihre Eingabe, automatisch generiert.
Erscheint es möglich, dass durch die Vergabe einer neuen Steuernummer sogleich die Zugangskennungen zu dem Online-Portal geändert werden?
Mir ist der Zugang zu Ihrer Hinterlegung leider nicht möglich. Nachdem in der generierten E-Mail die Zustellung eines Ergänzungsansuchen benannt wird, bitte ich Sie freundlich, mir selbiges per E-Mail zukommen zu lassen, um Ihrer Aufforderung nachkommen zu können..."

Mit E-Mail vom antwortete das Finanzamt wie folgt:

"…In der Anlage wird ihnen das gegenständliche Ergänzungsersuchen zur Kenntnis gebracht. Über FinanzOnline unter Eingaben und Auswahl, Ergänzungsersuchen, lässt sich unter Eingabe der Steuernummer ***1*** und anklicken auf Abfragen, das Ergänzungsersuchen beantworten, bzw. sind die Ergänzungspunkte einsehbar…"

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

Die Teilnahme an FinanzOnline, die Zustimmung zur Zustellung in die Databox sowie die nicht erfolgte Zurücksetzung der Zugangscodes ergeben sich aus der Abfrage des Finanzamtes vom .

Der Bf hat entgegen seinem Vorbringen vom Finanzamt eine Antwort auf die E-Mail vom erhalten (siehe E-Mail vom ), mit der auf die Abfragemöglichkeiten bei FinanzOnline hingewiesen wurde.
Aufgrund seiner E-Mail vom ist davon auszugehen, dass dem Bf die Probleme mit den Zugangscodes spätestens ab diesem Zeitpunkt bekannt waren.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Der Zeitpunkt, in dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat (zB. ; Ritz/Koran, BAO7, § 98 Rz 4). Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen, Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an. Irrelevant ist auch das Datum der Information über die in die Databox erfolgte Zustellung (Ritz/Koran, BAO7, § 98 Rz 4).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Bf im beschwerdegegenständlichen Zeitraum an FinanzOnline teilnahm, er der Mitteilung von Erledigungen durch FinanzOnline zugestimmt, diese Zustimmung nicht widerrufen hat und der Umsatzsteuerbescheid 2012 in seine Databox eingebracht wurde.

Nach der Rsp des VwGH kann für die Wirksamkeit der (elektronischen) Zustellung nicht maßgebend sein, ob sich der Empfänger - mit oder ohne Hilfe geeignet verwahrter Aufzeichnungen - noch an die Zugangsdaten erinnern kann und wie gut oder schlecht die von ihm gerade "verwendete EDV-Systemumgebung" funktioniert und ist dies nicht anders zu beurteilen als der Verlust eines Briefkastenschlüssels oder ein technischer Defekt in einem Fax-Empfangsgerät (vgl. ).

Die Probleme mit den Zugangscodes waren dem Bf zumindest seit dem bekannt. In der Antwortmail vom ist das Finanzamt auch darauf eingegangen, indem es auf die Abfragemöglichkeiten in FinanzOnline hingewiesen hat. Dass der Bf trotzdem weiterhin keinen Zugang zu FinanzOnline hatte, konnte das Finanzamt nicht wissen. Es wäre daher am Bf gelegen gewesen weitere Schritte zu unternehmen um sich den Zugang zu verschaffen. Spätestens jedoch mit Erhalt der E-Mail über die Zustellung des Umsatzsteuerbescheides 2012 hätte der Bf sofort und nicht erst am tätig werden müssen. Wie aus der E-Mail des Finanzamtes vom hervorgeht wäre eine rasche Behebung des Problems auch leicht möglich gewesen. Es lag demnach in der Verantwortung des Bf, dass der Zugang zu Finanzonline (weiterhin) nicht möglich war und er hat insofern fahrlässig gehandelt. Fahrlässiges Handeln bewirkt nicht, dass in der FinanzOnline-Databox bereit gestellte Dokumente nicht rechtsgültig zugestellt sind (vgl. auch ).

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

Nach § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist oder

b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Die Beschwerdefrist beginnt mit Zustellung des Bescheides in die FinanzOnline-Databox am zu laufen.

Die Beschwerde vom ist daher als verspätet zurückzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur gegenständlichen Rechtsfrage existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100463.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at