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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.01.2023, RV/2100577/2022

Nichtabfuhr von ImmoESt durch Rechtsanwaltskanzlei

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** über die Beschwerde des X, Adresse, vertreten durch V, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer S, über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich gegen den Beschwerdeführer (Bf.) einen ersten Säumniszuschlag in der Höhe von 8.452,88 Euro mit der Begründung fest, die Immobilienertragsteuer 12/2021 in der Höhe von 422.644 Euro sei nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden.

In der gegen diesen Bescheid am eingebrachten Beschwerde wird ausgeführt:
Mit dem bekämpften Bescheid vom , welcher seinem gesamten Inhalt nach angefochten wird, wurde ein erster Säumniszuschlag von der Immobilienertragsteuer für den Monat 12/2021 i.H.v. 2% der Steuerschuld, das sind EUR 8.452,88, festgesetzt. Die Fälligkeit der Steuerschuld war per gegeben, die Überweisung ist am vorgenommen worden.

Die Immobilienertragsteuer resultiert aus dem Verkauf des Hälfteanteils des Beschwerdeführers an der Liegenschaft EZ N Katastralgemeinde KG Y mit Kaufvertrag vom . Die Vertragserrichterin und Treuhänderin, V, wurde von sämtlichen Vertragsparteien beauftragt und bevollmächtigt, eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer und der Grundbucheintragungsgebühr und im Zuge dessen auch derImmobilienertragsteuer vorzunehmen. Die Immobilienertragsteuer sollte dementsprechend bei Weiterleitung des Kaufpreises zurückbehalten und von der Vertragserrichterin bei Fälligkeit an das Finanzamt abgeführt werden.

Die Selbstberechnung wurde zu Erfassungsnummer E vorgenommen. Nachdem die Käufer die Grunderwerbsteuer und die Eintragungsgebühr überwiesen hatten und sämtliche zur grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrages erforderlichen Unterlagen vorlagen, hat die Vertragserrichterin den Geschäftsfall über FinanzOnline als Selbstberechnung abgeschlossen und daraufhin die zur grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrages erforderlichen Vorgangsnummern erhalten.

Das Grundbuchsgesuch wurde am beim Bezirksgericht Kitzbühel eingebracht, der Grundbuchsbeschluss zu Tz, welcher ohne Bekanntgabe der Vorgangsnummern nicht hätte erlassen werden können, datiert vom .

Die Vertragserrichterin war davon ausgegangen, dass der Geschäftsfall nach dem nachweislich erfolgten Abschluss automatisch auf die Liste der anzumeldenden Geschäftsfälle gelangen würde und somit die Immobilienertragsteuer des Beschwerdeführers nach Anmeldung des Monats Dezember 2021 auch auf der über FinanzOnline zugestellten Anmeldung der Immobilienertragsteuer mit Fälligkeit aufscheinen würde.

Wie von der Tiroler Rechtsanwaltskammer empfohlen, finden in der Kanzlei der Vertragserrichterin in regelmäßigen Abständen von 2 bis 3 Monaten standardmäßige Überprüfungen der Fremdgelder statt. Im Zuge einer solchen Überprüfung am ist aufgefallen, dass die eigentlich per zu entrichtende Immobilienertragsteuer des X tatsächlich noch auf dem allgemeinen Fremdgeldkonto erlag. Die Vertragserrichterin hat sogleich bei FinanzOnline nachgesehen, dabei hat sich herausgestellt, dass der Geschäftsfall, obwohl er bereits abgeschlossen worden war, auf der Liste der offenen Geschäftsfälle aufschien. Die Selbstberechnung wurde sofort erneut abgeschlossen, am selben Tag, also am , wurde dann über FinanzOnline die Anmeldung der Immobilienertragsteuer mit Fälligkeit zugestellt und ist umgehend die Überweisung erfolgt.

Die Vertragserrichterin konnte sich nicht erklären, wie ein bereits als Selbstberechnung abgeschlossener Geschäftsfall plötzlich wieder auf die Liste der offenen Geschäftsfälle gelangen konnte. Es wurde Kontakt mit der für Rechtsanwälte und Notare zuständigen Hotline beim Finanzamt (050 233 518 001) aufgenommen. Die Dame, die bei der Hotline den Anruf entgegengenommen hat, konnte darüber zunächst auch keine Auskunft erteilen. Sie musste erst mit dem Fachbereich für die Grunderwerbsteuer Rücksprache halten, welcher dann die Erklärung parat hatte - offenbar ist es bei FinanzOnline technisch so, dass, wenn man in einen bereits abgeschlossenen Geschäftsfall noch einmal einsteigt, dies dazu führt, dass der Geschäftsfall wieder auf die Liste der offenen Geschäftsfälle "rutscht", und zwar auch dann,wenn keinerlei Änderungen am Geschäftsfall vorgenommen werden, sondern beispielsweise nur etwas nachgeschaut wird. Dies muss gegenständlich der Fall gewesen sein. In der Kanzlei der Vertragserrichterin ist es noch nie zu einem derartigen Vorfall gekommen, weshalb diese auch nicht wusste, dass ein bereits abgeschlossener und danach wieder geöffneter Geschäftsfall erneut abgeschlossen werden muss, um auch tatsächlich angemeldet werden zu können. Insofern hat die Vertragserrichterin darauf vertraut,, dass mit Abschluss des Geschäftsfalls und darauf folgender Bekanntgabe der Vorgangsnummer die Selbstberechnung auch tatsächlich und endgültig abgeschlossen war und die Anmeldung zur ImmoEst- nach Erhalt derselben in der Kanzlei der Vertragserrichterin die monatlichen Steuerzahlungen jeweils in Auftrag gegeben werden - auch für diesen Geschäftsfall automatisch fristgerecht über FinanzOnline zugestellt werden würde.

Den Beschwerdeführer selbst trifft keinerlei Verschulden an der verspäteten Zahlung der Immobilienertragsteuer, er hatte die Vertragserrichterin damit beauftragt, die Immobilienertragsteuer aus dem Kaufpreis zurückzubehalten und diese fristgerecht abzuführen und konnte darauf vertrauen, dass dies auch geschehen würde. Ebenso wenig trifft die Vertragserrichterin an der verspäteten Zahlung ein grobes Verschulden, zumal ein derartiger Vorfall (also dass eine bereits abgeschlossene Selbstberechnung wieder zurück auf die Liste der anzumeldenden Geschäftsfälle gerutscht ist und dadurch versehentlich nicht angemeldet wurde) in ihrer Kanzlei zuvor noch nie eingetreten war. Sie hat vielmehr die gebotene Sorgfalt dadurch eingehalten, dass in ihrer Kanzlei regelmäßig Überprüfungen stattfinden, ob sämtliche Fremdgelder fristgerecht überwiesen wurden. Im Zuge einer solchen Überprüfung ist sie 2 Monate nach der Fälligkeit auf die Säumnis gestoßen und hat sofort reagiert.

Insofern wird gemäß § 217 Abs. 7 BAO der Antrag gestellt, den Bescheid aufzuheben und keinen Säumniszuschlag festzusetzen. …..

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Entscheidend für die Festsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 1 BAO sei, dass eine Abgabe nicht rechtzeitig, d.h. nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, seien - ebenso wie die Dauer des Verzuges - grundsätzlich unbeachtlich.
Der Säumniszuschlag sei vorgeschrieben worden, weil die Immobilien-Ertragsteuer nicht fristgerecht am entrichtet worden sei.

Mit dem Schriftsatz vom beantragte die Vertreterin des Bf., die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Im Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht vom führte das Finanzamt ergänzend aus, wenn die Überprüfung der Fremdgelder nur alle zwei bis drei Monate erfolge, sei es geradezu wahrscheinlich, dass die Zahlungsfristen der Abgaben - die im Übrigen deutlich kürzer als zwei Monate seien - nicht wahrgenommen werden. Ein adäquates Kontrollsystem liege bei der Vertreterin des Bf. daher nicht vor, weshalb von grobem Verschulden auszugehen sei. Das Verschulden der Vertreterin sei dem Abgabepflichtigen zuzurechnen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 217 Abs. 1 BAO ist, sofern eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, ein Säumniszuschlag zu entrichten.
Der erste Säumniszuschlag beträgt gemäß § 217 Abs. 2 BAO 2% der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabe.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Herabsetzung oder Unterlassung der Festsetzung eines Säumniszuschlages auf die Umstände der konkreten Säumnis an ().
Entscheidend ist, ob den Bf. an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft, wobei das (grobe) Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten ist (vgl. -0008).
Dass einem Arbeitnehmer der Partei (oder des Parteienvertreters) ein (grobes) Verschulden anzulasten ist, das dem Bf. nach der oben zitierten Judikatur des VwGH nicht zuzurechnen wäre, wird nicht vorgebracht.

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().

Im vorliegenden Fall ist daher entscheidend, ob der Partei selbst (bzw. ihrer Vertreterin) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist (vgl. hiezu Ritz, BAO6, § 217, Tz 46, mit Verweis auf Stoll, BAO, zu § 308, 2985 ff.).

Nach dem Vorbringen in den Schriftsätzen kann dem (im Ausland wohnhaften) Bf. ein Verschulden an der Säumnis nicht angelastet werden, weil dieser die Vertragserrichterin mit der Entrichtung der Immobilien-Ertragsteuer durch Abzug des Betrages vom hinterlegten Kaufpreis beauftragt hat und keine Hinweise vorlagen, dass die Entrichtung durch die Vertreterin nicht zum Fälligkeitszeitpunkt erfolgen werde.

Ein bevollmächtigter Parteienvertreter hat die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsenden Aufgaben auch insoweit als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als Hilfsapparat bedient, unter den Gesichtspunkten des § 308 BAO zu erfüllen und gegenüber diesem Apparat alle Vorsorgen und Kontrollen zu treffen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleistet, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Vertreter diese Maßnahmen nicht in der Art und in dem Maß getroffen hat, wie es von ihm nach den Umständen zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht (etwa ). Dabei ist an berufsmäßige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen, als an rechtsunkundige oder bisher nicht an einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren beteiligte Personen.

Bei einem Antrag nach § 217 Abs. 7 BAO besteht eine erhöhte Behauptungs- und Beweislast des Antragstellers (Ritz, BAO6, § 217 Tz 49 mwN). Dabei tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Bf. in den Hintergrund. Wer die Begünstigung in Anspruch nehmen will, hat daher einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.

Nach dem Vorbringen der Vertreterin im Schriftsatz vom hat diese nicht bemerkt, dass ein bereits abgeschlossener Geschäftsfall durch neuerliches Öffnen ohne Änderung der Daten wieder in die Liste der offenen Geschäftsfälle aufgenommen wird, wenn der Fall nicht erneut abgeschlossen wird, weshalb die Selbstberechnung der Immobilien-Ertragsteuer im System nicht abgeschlossen war und die entsprechende Überweisung am Fälligkeitstag nicht erfolgte.
Da in der Kanzlei ein entsprechendes internes Kontrollsystem hinsichtlich der Fremdgelder eingerichtet ist und in Abständen von 2 bis 3 Monaten die Fremdgelder überprüft werden, entdeckte die Vertreterin den Fehler noch vor der Erlassung des Säumniszuschlagsbescheides und veranlasste die sofortige Entrichtung der Immobilienertragsteuer am .

Den diesbezüglichen Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht, wonach es eine Überprüfung der Gelder alle zwei bis drei Monate geradezu wahrscheinlich erscheinen lässt, dass die Zahlungsfristen der Abgaben, die im Allgemeinen deutlich kürzer als zwei Monate sind, nicht wahrgenommen werden, ist zuzustimmen. Gegenstand der Überprüfung der Fremdgelder ist, ob beim Rechtsvertreter eingegangene fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weitergeleitet wurden. Eine Überprüfung der Fremdgelder soll zur Aufdeckung von Geldern führen, die nicht bestimmungsgemäß (sei es an die Abgabenbehörde, sei es an andere Vertragsparteien) überwiesen wurden. Die Säumnis der Abgabe ist im Fall liegen gebliebener Gelder zumeist bereits eingetreten. Wird die Überprüfung, wie vorgebracht, alle zwei bis drei Monate durchgeführt, kann die Säumnis von Abgaben, die im Regelfall binnen Monatsfrist fällig werden, nicht verhindert werden.

Die Vertreterin der Bf. hat nicht dargelegt, welche Vorkehrungen in ihrem Kanzleibetrieb getroffen wurden, um die Fristen zur Abgabenentrichtung vorzumerken und welche Kontrollen vorgenommen werden, sodass Unzulänglichkeiten im Hinblick auf die ihr übertragene Entrichtung von Abgaben zufolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind.

Der Vertreterin des Bf. (und damit dem Bf.) ist angesichts dieses Mangels in der Organisation des Kanzleibetriebes ein grobes Verschulden zuzurechnen. Der angefochtene Bescheid erging rechtmäßig; die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht zu lösen. Die Entscheidung wurde auf das Vorbringen des Bf. und die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung gestützt, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100577.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
PAAAC-32364