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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.11.2022, RV/7103505/2017

Speisenzusteller („Pizzaboten") als Dienstnehmer

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 3507/2022 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.; Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0151.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7103505/2017-RS1
Haben sich Speisenzusteller nach einem vorab erstellten Dienstplan in der Filiale des Restaurantbetriebes einzufinden, dort bereitzuhalten und einlangende Bestellungen in einer vorgegebenen Reihenfolge auszuliefern, werden zudem Arbeitsmittel (z.B. Wärmetaschen, Arbeitskleidung) vom Restaurantbetreiber beigestellt und sind Sie verpflichtet, eine Dienstverhinderung (z.B. bei Krankheit) zu melden, ist von einer Weisungsunterworfenheit und Eingliederung der Speisenzusteller in den Restaurantbetrieb auszugehen. Sie sind daher nicht selbstständige Werkunternehmer, sondern Dienstnehmer i.S.d. § 47 EStG 1988.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. Gerald Pichler, Rechtsanwalt, Kremstalstraße 4, 4501 Neuhofen/Krems, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg (heute zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung für Lohnsteuer 2008, 2009 und 2010 sowie Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2008, 2009 und 2010, Steuernummer ***BFStNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen die Haftungsbescheide für Lohnsteuer 2009 und 2010 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die diesbezüglichen Bescheide werden dahingehend abgeändert, dass die Lohnsteuer, für deren Einbehaltung und Abfuhr die Beschwerdeführerin gemäß § 82 EStG 1988 haftet, für das Jahr 2009 mit € 41.386,46 und für das Jahr 2010 mit € 6.273,95 beträgt. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit insgesamt neun Bescheiden vom verfügte die belangte Behörde (damals: Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg) nach einer vorangegangenen gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben (GPLA) im Betrieb der Beschwerdeführerin (Verkauf von Speisen einschließlich Lieferservice) gemäß § 82 EStG 1988 die Haftung der Beschwerdeführerin für Lohnsteuer i.H.v. € 39.498,28 (2008), € 44.096,18 (2009) und € 6.593,56 (2010). Weiters setzte sie Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds (DB) und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag (DZ) fest, sodass sich für das Jahr 2008 Nachforderungen i.H.v. € 25.071,62 (DB) und € 2.005,73 (DZ), für das Jahr 2009 i.H.v. € 29.965,74 (DB) und € 2.397,27 (DZ) und für das Jahr 2010 i.H.v. € 2.853,18 (DB) und € 228,25 (DZ) ergaben. Die belangte Behörde ging davon aus, dass es sich bei den für die Beschwerdeführerin tätigen Speisenzustellern um Dienstnehmer handelt, für die entsprechend Lohnabgaben zu entrichten sind. Begründend verwiesen die Bescheide auf den Betriebsprüfungs-Bericht vom , in dem gegliedert nach Jahren sowie Zustellern mit SV-Daten ("Pauschale Nachrechnung Finanz"), Zustellern ohne SV-Daten ("Aushilfe") und drei namentlich angeführten Zustellern (***Z1***, ***Z2*** und ***Z3***) die jeweiligen Hinzurechnungsbeträge zur Bemessungsgrundlage sowie die sich daraus ergebenden Nachforderungen an LSt, DB und DZ wie folgt aufgeführt sind:


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2008
Hinzurechnung/BMG neu
Nachforderung
Pauschale Nachrechnung Finanz
LSt
280.766,54
33.102,38
DB
433.108,86
19.489,90
DZ
433.108,86
1.559,19
Aushilfe
LSt
35.106,55
3.535,23
DB
88.863,85
3.998,87
DZ
88.863,85
319,91
***Z1***
LSt
10.149,50
0,00
DB
10.149,50
456,73
DZ
10.149,50
36,54
***Z2***
LSt
15.688,89
2.116,51
***Z3***
LSt
9.336,00
744,16
***Z2*** u. ***Z3***
DB
25.024,89
1.126,12
DZ
25.024,89
90,09
2009
Hinzurechnung/BMG neu
Nachforderung
Pauschale Nachrechnung Finanz
LSt
383.650,79
38.365,08
DB
526.882,43
23.709,71
DZ
526.882,43
1.896,78
Aushilfe
LSt
36.578,45
3.021,38
DB
107.324,63
4.829,61
DZ
107.324,63
386,37
***Z1***
LSt
13.060,73
337,08
DB
13.060,73
587,73
DZ
13.060,73
47,02
***Z2***
LSt
18.637,60
2.372,64
DB
18.637,60
838,69
DZ
18.637,60
67,10
2010
Hinzurechnung/BMG neu
Nachforderung
Pauschale Nachrechnung Finanz
LSt
31.893,40
4.420,43
DB
48.205,79
2.169,26
DZ
48.205,79
173,54
Aushilfe
LSt
10.864,73
1.853,52
DB
12.299,63
553,48
DZ
12.299,63
44,28
***Z1***
LSt
1.191,71
65,80
DB
1.191,71
53,63
DZ
1.191,71
4,29
***Z2***
LSt
1.706,80
253,81
DB
1.706,80
76,81
DZ
1.706,80
6,14

Gegen diese Bescheide richtet sich die gegenständliche Beschwerde, in der auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde. Darin wird geltend gemacht, dass es sich bei den Speisenzustellern entgegen der Auffassung der belangten Behörde um selbstständige Unternehmer handle. Diesen stehe es frei, ob sie einen konkreten Zustellauftrag annehmen, hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort würden sie keinerlei Vorgaben unterliegen. Sie würden ihre Tätigkeit mit eigenen Betriebsmitteln (Kraftfahrzeugen) durchführen, ihre Entlohnung sei ausschließlich von der erbrachten Leistung abhängig. Da sie für fehlerhafte Zustellungen haften, würden sie auch ein unternehmerisches Risiko tragen. Zum Beweis hierfür beantragte die Beschwerdeführerin die zeugenschaftliche Einvernahme von insgesamt 73 Zustellern. Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sich den Bescheiden und dem Betriebsprüfungsbericht, auf den sie verweisen, nicht entnehmen lasse, wie sich die angenommenen Bemessungsgrundlagen zusammensetzen und wie aus diesen die vorgeschriebenen Abgaben errechnet wurden. Letztlich wendete sie ein, dass die Zusteller einkommensteuerpflichtig seien und die Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer insoweit entfällt, als einem Arbeitnehmer im Wege der Veranlagung Einkommensteuer vorgeschrieben und von diesem entrichtet worden sei. Darüber habe die Behörde keinerlei Beweise aufgenommen oder Feststellungen getroffen.

Herauf versandte die belangte Behörde Auskunftsersuchen an 26 der als Zeugen beantragten Zusteller, mit denen diesen verschiedenen Fragen zu Ihrer Tätigkeit gestellt wurden. Sechs dieser Fragebögen wurden beantwortet retourniert. Auch an die Beschwerdeführerin erging ein Auskunftsersuchen mit ergänzenden Fragen insbesondere zur Organisation des Betriebes der Beschwerdeführerin und der Zustelltätigkeit, welches diese mit Schriftsatz vom i.W. dahingehend beantwortete, dass sie auf die beantragten Zeugenvernehmungen verwies und ergänzend die Einvernahme ihrer Geschäftsführer und ihres Prokuristen beantragte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde ging nach wie vor davon aus, dass die Speisenzusteller in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin eingegliedert sind und deren Weisungen unterliegen, sodass es sich um unselbstständige Dienstnehmer handle. Zum Einwand, dass sich den Bescheiden und dem Betriebsprüfungsbericht nicht entnehmen lasse, wie sich die Bemessungsgrundlagen zusammensetzen und die Abgaben errechnen, führte die belangte Behörde aus, dass die Abgaben anhand der Buchhaltungskonten der Beschwerdeführerin berechnet wurden und verwies diesbezüglich auf Tabellen, die der Beschwerdevorentscheidung angeschlossen waren. Diese (umfangreichen) Excel-Tabellen listen die monatlich an jeden einzelnen Zusteller geflossenen Beträge und die hieraus berechneten Abgaben auf, wobei die Lohnsteuer laut Tarif mit dem Steuerberechnungsprogramm "cpulohn.express" berechnet wurde.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin schließlich den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht.

In der mündlichen Verhandlung vom wurde erörtert, dass jene sechs Antwortschreiben, die auf die von der belangten Behörde verschickten Fragebögen ergangen sind, darin übereinstimmen, dass die Zusteller eine einheitliche Arbeitskleidung zu tragen hatten, die getroffene Arbeitseinteilung grundsätzlich einzuhalten war und eine Vertretung nur durch andere Fahrer bzw. mit Zustimmung der Beschwerdeführerin möglich war, dass eine Dienstverhinderung bei der Beschwerdeführerin gemeldet werden musste, die Einnahmen namens der Beschwerdeführerin kassiert und an diese abgeliefert wurden, Betriebsmittel der Beschwerdeführerin (Wärmetasche, Werbeschild zur Montage am Fahrzeugdach) verwendet wurden, die Beschwerdeführerin Adressatin für allfällige Kundenbeschwerden war, grundsätzlich ein Konkurrenzverbot bestand und die Zusteller weder eigene Geschäftsräumlichkeiten noch eigene Dienstnehmer oder eine Homepage hatten. Nachdem der VwGH mit Erkenntnis vom , 2013/08/0153, einen in den Jahren 2003-2006 für die Beschwerdeführerin tätigen Speisenzusteller als Dienstnehmer i.S.d. ASVG und AlVG qualifiziert hat, wurde auch erörtert, dass von Bedeutung ist, ob und gegebenenfalls inwiefern sich die Betriebsorganisation/Speisenzustellung im hier gegenständlichen Zeitraum (2008-2010) gegenüber dem Zeitraum 2003-2006 geändert hat und dass seitens der Beschwerdeführerin in Reaktion auf einen diesbezüglichen Vorhalt der belangten Behörde lediglich auf die Einvernahme der beiden Geschäftsführer sowie des Prokuristen verwiesen wurde, ohne konkretes Vorbringen zu erstatten. Der Beschwerdeführerin wurde daher aufgetragen, binnen drei Wochen bekanntzugeben, ob bei bestimmten Speisezustellern eine andere Organisation der Tätigkeit vorlag, als bei jenen sechs Zustellern, welche die Fragebögen beantwortet haben, sowie gegebenenfalls um welche Personen es sich handelt und worin die Unterschiede bestehen, weiters ob, gegebenenfalls welche Änderungen hinsichtlich der Betriebsorganisation/Speisenzustellung sich im Prüfungszeitraum 2008-2010 gegenüber dem Zeitraum 2003-2006 ergeben haben.

Hierauf machte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom (neben dem Prokuristen) nur noch sechs Speisenzusteller exemplarisch für den überwiegenden Teil der Zusteller als Zeugen namhaft und führte aus, dass diese auch Aufträge ablehnen bzw. sich vertreten lassen konnten und die Zustellfahrten mit ihren eigenen Fahrzeugen durchgeführt haben. Diese insgesamt sechs Zeugen (auf einen hat die Beschwerdeführerin in der Folge verzichtet, da er mittlerweile an Demenz erkrankt ist und nicht sinnvoll befragt werden kann) wurden sodann - teils in der Verhandlung vom , teils schriftlich - einvernommen.

Anzumerken ist, dass mit sechs Bescheiden vom auch Säumniszuschläge (zur LSt und zum DB 2008-2010) festgesetzt wurden und die Beschwerde vom sich auch gegen diese Bescheide richtet. Hinsichtlich der Säumniszuschläge wurde über die Beschwerde in einem gesonderten Verfahren mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7103507/2017, entschieden und sind diese nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin bereitet an verschiedenen Standorten in Oberösterreich Speisen (hauptsächlich Pizzen) zu und liefert diese sowie Getränke über einen Zustellservice ("Pizzaboten") an ihre Kunden. Im streitgegenständlichen Zeitraum 2008-2010 waren insgesamt 75 Personen als Zusteller für die Beschwerdeführerin tätig. Diese haben mit der Beschwerdeführerin jeweils eine als "Werkvertrag" bezeichnete schriftliche Vereinbarung geschlossen, deren wesentlicher Inhalt sich zusammenfassen lässt wie folgt:

Die Zusteller übernehmen über jeweils gesonderten Auftrag der Beschwerdeführerin die zuzustellenden Speisen/Getränke von deren Geschäftslokal und transportieren sie zu dem von der Beschwerdeführerin namhaft gemachten Kunden, führen das Inkasso an Ort und Stelle durch und haben die einkassierten Geldbeträge nach Abschluss der Tätigkeit an die Beschwerdeführerin auszufolgen, wodurch der gesondert erteilte Auftrag erlischt. Die Zusteller haften für den ordentlichen Zustand der ausgefolgten Ware bis zur Übergabe an den Empfänger. Hat die Beschwerdeführerin dem Kunden eine Zeitgarantie gewährt, bei deren Überschreitung die Ware dem Kunden unentgeltlich auszufolgen ist, haben die Zusteller dafür zu sorgen, dass diese Garantie nach den gegebenen Möglichkeiten bzw. kaufmännischen Regeln eingehalten wird, ansonsten dieses Risiko auf sie übergeht. Die Zusteller haben keinen Anspruch darauf, von der Beschwerdeführerin ständig oder wiederholt mit Zustellfahrten beauftragt zu werden, und sind nicht verpflichtet, an sie im einzelnen herangetragene Zustellfahrten zu übernehmen (Pkt. 3. Der Vereinbarung). Die Zusteller sind an keinen Standort gebunden (Pkt. 4.) und unterliegen, soweit dies nicht durch die Natur des Auftrages vorgegeben ist, hinsichtlich Zeiteinteilung und Gestaltung des Tätigkeitsablaufes keinen Weisungen der Beschwerdeführerin (Pkt. 5.). Die Betriebsmittel - insbesondere Kraftfahrzeuge und Wärmetaschen - sind von den Zustellern beizustellen (Pkt. 6.). Das Entgelt der Zusteller beträgt € 2,00 pro durchgeführter Zustellfahrt (bei Fahrten vom Standort Union zzgl. € 1,61 pro angefahrener Adresse). Für bestimmte Zeiträume (i.W. an Arbeitstagen zwischen 11:00 und 16:00 bzw. 17:00 Uhr, je nach Standort) wird den Zustellern die Beauftragung mit drei Fahrten pro Stunde zugesichert (für den Standort Traun besteht eine solche Garantie - mit einer Fahrt pro Stunde - auch für die Nachtzeit sowie für Samstage, Sonntage und Feiertage). Die Abrechnung der Entgelte soll kalendermonatlich im Nachhinein mittels Rechnung erfolgen (Pkt. 8.). Letztlich wurde vereinbart, dass die Zusteller berechtigt sind, sich geeigneter Vertreter oder Hilfskräfte zu bedienen. Die Tatsache der Vertretung und die Person des Vertreters sind der Beschwerdeführerin bekanntzugeben und haben die Zusteller dafür Sorge zu tragen, dass ihre Vertreter die geforderten Qualitätsnormen einhalten (Pkt. 9.).

Die tatsächliche Handhabung erfolgte dergestalt, dass ein Dienstplan im Voraus erstellt wurde. Hierbei handelte es sich um eine Liste, in die sich jeder Zusteller für einen freien Zeitraum (mehrere Stunden) eintragen konnte. Die so getroffene Einteilung war von den Zustellern grundsätzlich einzuhalten. Eine Vertretung war nur durch andere Zusteller ("Diensttausch") bzw. mit Zustimmung der Beschwerdeführerin möglich. Teilweise wurden Zusteller (etwa wenn der Arbeitsanfall besonders hoch war) auch von der Beschwerdeführerin kontaktiert, ob Sie kurzfristig aushelfen und Zustellfahrten übernehmen können. Dies betraf hauptsächlich Personen, die in anderer Funktion (z.B. als Koch) für die Beschwerdeführerin tätig waren. Es kam vor, dass dergestalt kontaktierte Personen es abgelehnt haben, kurzfristig Zustellfahrten zu übernehmen. Von der Beschwerdeführerin wurde dann eine andere Person kontaktiert und i.d.R. auch gefunden. Eine Dienstverhinderung (z.B. bei Krankheit) war der Beschwerdeführerin mitzuteilen, die sodann Ersatz organisierte. Zu den übernommenen Diensten hatten sich die Zusteller an den jeweiligen Standorten (Filialen) einzufinden, bereitzuhalten und einlangende Bestellungen an Kunden auszuliefern. Hierbei galt die Regel, dass die Fahrer die Zustellfahrten grundsätzlich in der Reihenfolge ihres Eintreffens in der Filiale übernahmen, wobei Fahrten verbunden wurden, wenn dies örtlich günstig war. Teilweise wurden konkrete Zustellfahrten auch von der Kassakraft bzw. dem sog. "Koordinator" der Filiale eingeteilt. Gelegentlich ist es vorgekommen, dass Zusteller eine konkrete Lieferung nicht durchführen wollten, etwa wenn sie die Adresse nicht kannten. In derartigen Fällen wurde die Fahrt von einem anderen Zusteller durchgeführt, der sich dazu bereit erklärt hat oder von der Kassakraft eingeteilt wurde.

Die Zusteller haben den Preis für die abgelieferten Waren von den Kunden der Beschwerdeführerin einkassiert und, soweit es sich um Bargeld gehandelt hat, dieses noch am selben Tag der Beschwerdeführerin übergeben. Falls ein Kunde nicht angetroffen wurde oder die Annahme der Lieferung verweigert hat, behielten die Zusteller ihren Anspruch auf das vereinbarte Entgelt. Dies galt auch für den Fall, dass ein Kunde die gelieferte Ware nicht bezahlen musste, weil eine ihm gewährte Zeitgarantie nicht eingehalten werden konnte.

Während der Dienste hatten die Zusteller grundsätzlich eine einheitliche Arbeitskleidung zu tragen, zum Teil (dies betraf i.W. jene Zusteller, die kurzfristig ausgeholfen haben) wurde ihnen dies aber auch freigestellt. Manche Zusteller brachten ein Schild mit der Aufschrift "***Pizza***" (die Geschäftsbezeichnung der Beschwerdeführerin) auf den Fahrzeugen an und erhielten hierfür eine zusätzliche Zahlung (Werbebonus). Diese Schilder und die Wärmetaschen samt Wärmeplatten wurden (anders als im Vertrag vorgesehen) von der Beschwerdeführerin beigestellt. Bei den verwendeten Fahrzeugen handelte es sich um eigene Fahrzeuge der Zusteller. Die Zusteller verfügten über keine eigenen Betriebsräumlichkeiten. Sie beschäftigten keine Dienstnehmer und traten nicht werbend am Markt auf. Zum Teil unterlagen sie einem Konkurrenzverbot, zum Teil war dies nicht der Fall und waren einzelne Zusteller auch für andere Unternehmen tätig.

Die Beschwerdeführerin erfasste die an die Zusteller geleisteten Zahlungen in ihrer Buchhaltung unter Konto 5800, wobei nur für einen Teil der Zusteller die Sozialversicherungsnummer angeführt war. Bei den demnach geleisteten Zahlungen handelt es um die im Betriebsprüfungsbericht vom jeweils unter "Pauschale Nachrechnung Finanz" (an Zusteller mit bekannter SV-Nummer) bzw. "Aushilfe" (an Zusteller ohne bekannte SV-Nummer) angeführten Beträge ("Hinzurechnung" und "BMG neu"), wobei aus den Hinzurechnungsbeträgen bzgl. Bemessungsgrundlage für LSt jene Zahlungen an Zusteller ausgeschieden wurden, bei denen infolge Geringfügigkeit keine LSt anfällt. An die Zusteller ***Z1***, ***Z2*** und ***Z3*** wurden ebenfalls die im Betriebsprüfungsbericht angeführten Zahlungen geleistet, wobei ***Z1*** in den Jahren 2008-2010 und ***Z2*** in den Jahren 2009 und 2010 zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die übrigen Zusteller wurden nicht zur Einkommensteuer veranlagt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Tätigkeit der Beschwerdeführerin sowie zur Zahl der beschäftigten Personen ergeben sich aus der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO vom (Beilage Anmeldungen) sowie den Aufstellungen (Excel-Tabellen) über die geleisteten Zahlungen, jene zu den mit den Zustellern getroffenen schriftlichen Vereinbarungen aus dem "Werkvertrag" mit ***Z3***, der - wie die Parteien in der Verhandlung vom bestätigt haben - dem bei der Beschwerdeführerin gebräuchlichen Vertragsmuster entspricht.

Die Feststellungen zur tatsächlichen Handhabung der Tätigkeit ergeben sich aus den Aussagen der einvernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um die von der belangten Behörde schriftlich einvernommenen Zusteller ***Z1***, ***Z2***, ***Z4***, ***Z5***, ***Z6*** und ***Z7*** (dies sind jene sechs Personen, welche die von der belangten Behörde versandten Auskunftsersuchen beantwortet und retourniert haben) sowie die vor dem Bundesfinanzgericht einvernommenen Zusteller ***Z8***, ***Z9***, ***Z10***, ***Z11*** und ***Z12*** und den Prokuristen ***P***. Diese haben übereinstimmend angegeben, dass die Dienste nach einem im Voraus festgelegten Dienstplan versehen wurden (der Dienstplan für August 2008 liegt zudem vor), wobei es sich bei diesem Dienstplan um eine Liste gehandelt hat, in die sich die Zusteller für freie Zeiten eintragen konnten. Die Zeugen ***Z12***, ***Z11***, ***Z10*** und ***Z9*** haben angegeben, dass sie auch bzw. ausschließlich auf kurzfristige Anfrage seitens der Beschwerdeführerin, ob sie einspringen bzw. aushelfen können, tätig geworden sind und dass sie derartige Anfragen auch abgelehnt haben, wenn sie keine Zeit hatten. Auch dass der Dienstplan grundsätzlich einzuhalten war, haben die Zeugen übereinstimmend angegeben und ist für das Gericht auch nicht ersichtlich, wie der Betrieb der Beschwerdeführerin ohne verbindlichen Dienstplan funktionieren hätte sollen: Könnten die Zusteller nach eigenem Gutdünken zum Dienst erscheinen bzw. von einem eingeteilten Dienst fernbleiben, könnten sich für die Beschwerdeführerin immer wieder Situationen ergeben, in denen zu wenige Zusteller anwesend sind, um die einlangenden Aufträge auszuliefern, bzw. umgekehrt auch Situationen, in denen zu viele Zusteller anwesend sind und diese mit den einlangenden Aufträgen nicht ausreichend beschäftigt werden können, jedoch entsprechend der Vereinbarung über die zugesicherten Zustellungen pro Stunde bezahlt werden müssen. Unterschiedliche Angaben machten die Zeugen zur Vertretungsmöglichkeit. Während einige diese grundsätzlich verneinten (***Z1***, ***Z4***, ***Z8***, ***Z11***) und andere eine Vertretungsmöglichkeit durch andere Zusteller bejahten (***Z2***, ***Z12***, ***Z10***, ***Z9***, ***P***), gaben zwei Zeugen an, dass auch eine Vertretung durch Dritte ("Unternehmensfremde") möglich war (***Z5***, ***Z6***), dies allerdings nur ausnahmsweise und nur mit Zustimmung der Beschwerdeführerin. Das Gericht geht daher davon aus, dass eine Vertretung grundsätzlich nur durch andere Fahrer dergestalt möglich war, dass diese wechselseitig Dienste für andere übernommen bzw. getauscht haben und die Beschwerdeführerin Vertretungen durch betriebsfremde Personen nur in einzelnen Ausnahmefällen gestattet hat.

Dass sich die Zusteller zu Beginn der übernommenen Schicht in der jeweiligen Filiale der Beschwerdeführerin einzufinden hatten, haben die Zeugen übereinstimmend angegeben und ist dies auch insofern naheliegend, als die zuzustellenden Speisen von der Filiale abgeholt werden mussten. Auch dass sich die Reihenfolge der Zustellfahrten nach der Reihe des Eintreffens der jeweiligen Zusteller richtete, bzw. dass Zustellfahrten von der Kassakraft/dem "Koordinator" (um derartige Kassenkräfte dürfte es sich auch bei den in diesem Zusammenhang namentlich genannten Personen "***K1***" und "***K2***" handeln) angeordnet bzw. eingeteilt wurden, haben die Zeugen angegeben, wobei die Zeugen ***Z12***, ***Z8***, ***Z11***, ***Z10***, ***Z9*** und ***P*** auch angegeben haben, dass sie in Einzelfällen konkrete Zustellfahrten abgelehnt haben und diese dann von anderen Zustellern übernommen wurden.

In Bezug auf die Arbeitskleidung haben die von der belangten Behörde einvernommen Personen angegeben, dass diese verpflichtend zu tragen war, während die vor dem Bundesfinanzgericht einvernommenen Personen angegeben haben, dass dies optional war bzw. dass sie selbst keine besondere Arbeitskleidung trugen. Da die vor dem Bundesfinanzgericht einvernommenen Personen überwiegend nur fallweise (auf kurzfristige Anfrage bei erhöhtem Arbeitsanfall) Zustellfahrten für die Beschwerdeführerin durchgeführt haben, geht das Gericht davon aus, dass die Zusteller grundsätzlich eine Arbeitskleidung zu tragen hatten und es eher die Ausnahme war, dass diese in Privatkleidung gearbeitet haben. Auch auf die Frage, ob sie einem Konkurrenzverbot unterlagen, machten die Zeugen divergierende Angaben. Das Gericht geht daher davon aus, dass ein solches nur für einen Teil der Zusteller bestand. Dass Kfz-Schilder, Wärmetaschen und Wärmeplatten grundsätzlich von der Beschwerdeführerin beigestellt wurden, haben die einvernommenen Zusteller mehrheitlich sowie auch der Zeuge ***P*** (Prokurist) angegeben. Soweit einzelne Zusteller (***Z4***, ***Z6***) angegeben haben, dass keines der verwendeten Arbeitsmittel im Besitz der Beschwerdeführerin stand (Pkt 41. der von der belangten Behörde versandten Fragebögen) ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin - wie der Zeuge ***P*** angegeben hat - Arbeitsmittel zum Teil auch an Zusteller verkauft hat und es insofern erklärbar ist, dass ein von der Beschwerdeführerin beigestelltes Arbeitsmittel nicht (mehr) in ihrem Besitz ist. Der Zeuge ***Z6*** dürfte in diesem Zusammenhang zudem nicht an die Wärmetasche gedacht haben, da er diese bei den erforderlichen Arbeitsgeräten und Betriebsmitteln (Pkt 40. des Fragebogens) nicht angeführt hat. Dass die Zusteller über keine betriebliche Organisation (Räumlichkeiten, Dienstnehmer, Werbung) verfügten, wurde übereinstimmend angegeben.

Die Feststellungen zu den an die Zusteller geleisteten Zahlungen ergeben sich aus dem Betriebsprüfungsbericht vom , aus den der Beschwerdevorentscheidung angeschlossenen und mit Eingabe vom im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht nochmals vorgelegten Listen sowie aus der diesbezüglichen Erläuterung laut Stellungnahme der belangten Behörde vom . In dieser Erläuterung wurde auch bekannt gegeben, dass die Zusteller ***Z1*** und ***Z2*** zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Dass weitere Zusteller nicht zur Einkommensteuer veranlagt wurden, ergibt sich daraus, dass - wie der Vertreter der belangten Behörde in der Verhandlung vom angegeben hat - aufgrund einer dienstlichen Weisung vor Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß § 82 EStG 1988 routinemäßig überprüft wird, ob die betreffenden Dienstnehmer allenfalls bereits zur Einkommensteuer veranlagt wurden (in welchem Fall der Ausspruch einer Haftung unterbleibt) und dass daher davon auszugehen ist, dass dies auch im vorliegenden Fall geschehen ist. Auch soweit einzelne Zusteller als Zeugen einvernommen wurden, ist hierbei nicht hervorgekommen, dass diese zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Teilweise haben sie zwar angegeben, dass sie dem Finanzamt "etwas bekannt gegeben" bzw. "ein Formular ausgefüllt" hätten, doch konnten sie nicht angeben, ob es sich hierbei um eine Einkommensteuererklärung oder eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung gehandelt hat. Dass hinsichtlich der Zusteller ***Z1*** und ***Z2*** trotz Veranlagung die Haftung für Lohnsteuer ausgesprochen wurde, beruht - wie die belangte Behörde am telefonisch erläuterte - auf einem Versehen. Es liegen auch keine Hinweise dafür vor, dass bei anderen Zustellern ein solches Versehen unterlaufen wäre und für diese trotz Veranlagung eine Haftung für Lohnsteuer ausgesprochen worden wäre. Dass bzgl. ***Z1*** für das Jahr 2008 keine Haftung für Lohnsteuer ausgesprochen wurde, also die durchgeführte Veranlagung berücksichtigt wurde, spricht dafür, dass die aufgrund einer dienstlichen Weisung vorgesehene routinemäßige Überprüfung im vorliegenden Fall stattgefunden hat.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gemäß § 47 Abs. 1 EStG 1988 wird - sofern eine Betriebsstätte im Inland besteht - bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wobei der Arbeitgeber gemäß § 82 EStG 1988 dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer haftet und - wenn er seiner Abfuhrverpflichtung nicht nachkommt - mit Haftungsbescheid zur Zahlung verpflichtet werden kann. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit liegen gemäß § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG 1988 u.a. bei Bezügen und Vorteilen aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis vor. Ein Dienstverhältnis in diesem Sinne liegt nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 dann vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Die wesentlichen Merkmale eines Dienstverhältnisses sind daher die Weisungunterworfenheit und die Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers. Ist anhand dieser beiden Kriterien nicht klar abgrenzbar, ob eine Tätigkeit selbstständig oder nicht selbstständig ausgeübt wird, ist das Gesamtbild der Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbstständigkeit oder jene der Unselbstständigkeit überwiegen ( mwN) und ist hierbei auf weitere Abgrenzungsmerkmale wie etwa das Bestehen eines Unternehmerrisikos oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen (; , 2008/15/0103; , Ra 2018/13/0083, jeweils mwN) .

Gem. § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Dienstnehmer sind hierbei Personen, die in einem Dienstverhältnis i.S.d. § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen (§ 41 Abs. 2 FLAG). Der Dienstgeberbeitrag beträgt für die streitgegenständlichen Jahre 4,5 % der in einem Kalendermonat geleisteten Arbeitslöhne, unabhängig davon, ob diese der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (§ 41 Abs. 3 u. 5 FLAG). Gemäß § 122 Abs. 7 u. 8 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 153/2001 können die Landeskammern und die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft zur Bedeckung ihrer Aufwendungen festlegen, dass die Kammermitglieder eine Umlage zu entrichten haben, deren Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG bildet (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag). Die von den Landeskammern festzusetzende Umlage darf 0,29 %, die von der Bundeskammer festzusetzende Umlage 0,15 % der Beitragsgrundlage nicht übersteigen. Im hier gegenständlichen Zeitraum 2008-2010 betrug die von der oberösterreichischen Landeskammer (diese ist infolge der von der Beschwerdeführerin in Oberösterreich betriebenen Betriebsstätten zuständig: § 2 Abs. 5 WKG) festgesetzte Umlage 0,21 %, die von der Bundeskammer festgesetzte Umlage 0,15 %. Der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag belief sich daher im gegenständlichen Zeitraum auf insgesamt 0,36 % (https://www.wko.at/service/oe/Kammerumlagen-Hebesaetze.html#). Der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sind vom Dienstgeber monatlich an das für die Erhebung der Lohnsteuer zuständige Finanzamt zu entrichten (§ 43 FLAG, der auch auf die Umlagen i.S.d. § 122 Abs. 7 u. 8 WKG Anwendung findet; "Selbstbemessungsabgaben"). Wird kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben, kann die Festsetzung dieser Abgaben mit Bescheid erfolgen (§ 201 Abs. 2 Z. 3 BAO).

Im vorliegenden Fall hatten sich die Speisenzusteller der Beschwerdeführerin nach einem vorab erstellten Dienstplan zu den darin festgelegten Zeiten in den jeweiligen Filialen einzufinden, dort bereitzuhalten und anfallende Speisenzustellungen durchzuführen. Sie hatten die Speisen zu Zeiten, die durch die einlangenden Bestellungen vorgegeben waren von der Filiale zu den jeweiligen Kunden zu transportieren. Die Tätigkeit der Zusteller war daher sowohl zeitlich als auch örtlich gebunden (insofern erweist sich auch die Bestimmung in Pkt 4. des Vertragsmusters, wonach der Auftragnehmer an keinen Standort gebunden ist, als inhaltsleer) und sprechen derartige Vorgaben - ebenso wie die Beistellung der Wärmetaschen, der Wärmeplatten und der Arbeitskleidung (zumindest für einen Großteil der Zusteller) durch die Beschwerdeführerin sowie die Verpflichtung, eine Verhinderung im Krankheitsfall bekanntzugeben - für eine Eingliederung in den Betrieb der Beschwerdeführerin und damit für Dienstleistungen und nicht für individualisierte Werkleistungen. Insbesondere begründet das "Bereitstehen auf Abruf" eine besondere persönliche Abhängigkeit, die für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern eher typisch ist als für selbständige Unternehmer (). Dass bei der Diensteinteilung die Wünsche der Zusteller insofern berücksichtigt wurden, als diese sich nach Maßgabe der noch freien Zeiten in eine Liste eintragen konnten, steht dem nicht entgegen. Ebenso wenig steht der Annahme eines Dienstverhältnisses entgegen, dass die Zusteller ihre eigenen Fahrzeuge verwendet haben sowie dass einige von ihnen keinem Konkurrenzverbot unterlagen und teilweise auch für andere Gastronomiebetriebe Speisen zugestellt haben (in diesen Fällen ist von zwei Dienstverhältnissen zu unterschiedlichen Dienstgebern auszugehen). Auch dass Zusteller, die von der Beschwerdeführerin kontaktiert wurden, ob sie kurzfristig Zustellfahrten übernehmen können, derartige Anfragen mitunter abgelehnt haben, wenn sie keine Zeit hatten, spricht nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, sondern ergibt sich dies aus der Kurzfristigkeit der Anfrage, bei der naturgemäß nicht gewährleistet ist, dass die betreffende Person ad hoc tätig werden kann. Eine solche flexible Handhabung der Dienstzeiten ist vielmehr für Betriebe, in denen nicht alle Mitarbeiter gleichzeitig Dienst versehen, durchaus üblich. Die im Betrieb der Beschwerdeführerin eingeführte Regel, wonach die Zusteller in der Reihenfolge ihres Eintreffens in der Filiale die einlangenden Aufträge abzuarbeiten hatten, stellt eine (generelle) Weisung dar, zumal sich daraus ergibt, wer welche konkrete Zustellfahrt durchzuführen hat. Darüber hinaus wurden auch individuelle Weisungen erteilt, indem einzelne Zustellfahrten von einem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin (Kassakraft bzw. "Koordinator") angeordnet wurden. Dass Zusteller nicht gegen ihren Willen zum Dienst bzw. zu einer konkreten Zustellfahrt eingeteilt werden mussten, liegt daran, dass - zumindest nach den Wahrnehmungen der einvernommenen Zeugen - sich immer ein Ersatz fand, wenn ein Zusteller einen Dienst oder eine Zustellfahrt nicht übernehmen wollte, und nicht daran, dass die Beschwerdeführerin eine derartige Anordnung nicht treffen hätte können.

Es sprechen daher schon Kriterien der Eingliederung und der Weisungsunterworfenheit dafür, dass die Zusteller in einem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin stehen. Es sei daher bloß der Vollständigkeit halber festgehalten, dass noch weitere Kriterien hierfür ins Treffen zu führen sind. So hatten die Zusteller kein unternehmerisches Risiko zu tragen. Sie wurden pro Zustellfahrt mit einem bestimmten Betrag entlohnt. Diesen Betrag konnten sie nicht beeinflussen, insbesondere nicht aufgrund eigener Kalkulation festsetzen. Den Anspruch auf Bezahlung dieses Betrages behielten sie auch dann, wenn die Speisen nicht ausgeliefert werden konnten oder wenn der Kunde die Lieferung nicht bezahlen musste, weil eine gewährte Zeitgarantie überschritten wurde. Aufgrund der Regelung über die garantierten Fahrten zu bestimmten Zeiten hatten die Zusteller in gewissen Grenzen sogar Anspruch auf ein Mindestentgelt. Das unternehmerische Risiko lag daher eindeutig bei der Beschwerdeführerin. Weiters konnten sich die Zusteller nicht nach eigenem Gutdünken und beliebig vertreten lassen. Soweit sich einzelne Zusteller überhaupt vertreten lassen konnten, ohne hierfür die Zustimmung der Beschwerdeführerin einholen zu müssen, war der Kreis der möglichen Vertreter auf die anderen Zusteller der Beschwerdeführerin eingeschränkt. Eine Vertretung durch beliebige (auch unternehmensfremde) Personen, wie es im Rahmen eines Werkvertrages der Fall ist, war ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin nicht möglich.

Insgesamt überwiegen daher die Merkmale einer nichtselbstständigen Tätigkeit deutlich. Auch der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Tätigkeit eines "Pizzazustellers", bei der es sich um eine einfache manuelle Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit handelt, vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und damit von einem (echten) Dienstverhältnis auszugehen ist (zum Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinne des ASVG: ; , Ra 2015/08/0195; , Ra 2018/08/0013; , Ra 2019/08/0088; , Ra 2020/08/0138; zum Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinne des EStG s. , bestätigt durch ). Anzumerken ist, dass drei der zitierten Entscheidungen (; , Ra 2019/08/0088 und , Ra 2020/08/0138) die Beschwerdeführerin betreffen und zu Speisenzustellern ergangen sind, die diese im Zeitraum 2003-2006 beschäftigt hatte. Wie dem dort wiedergegebenen Sachverhalt zu entnehmen ist, hat sich an den Umständen der Betriebsorganisation bei der Beschwerdeführerin seitdem bis zum hier gegenständlichen Zeitraum (2008-2010) nichts Wesentliches geändert. So erfolgte schon damals die Dienstverrichtung nach einem vorab erstellten und dann grundsätzlich verbindlichen Dienstplan, hatten die Zusteller ihren Dienst in der Filiale zum Zeitpunkt laut Dienstplan anzutreten, konnten sich grundsätzlich nur durch andere Zusteller vertreten lassen, haben von der Beschwerdeführerin beigestellte Wärmetaschen und Dienstkleidung verwendet und hatte die Beschwerdeführerin das Risiko zu tragen, dass Speisen nicht oder nicht in der garantierten Zeit zugestellt werden können. Auch die Beschwerdeführerin hat trotz diesbezüglicher Aufträge durch die belangte Behörde ("Ersuchen um Ergänzung" vom , Pkt. 6.) und das Bundesfinanzgericht (in der mündlichen Verhandlung vom verkündeter Beschluss; s. Protokoll, Seite 3) kein Vorbringen dahingehend erstattet, dass sich die Organisation der Speisenzustellung seit dem Zeitraum 2003-2006 geändert hätte. Der Zeuge ***P*** hat die diesbezügliche Frage lediglich dahingehend beantwortet, dass der Betrieb "laufend evaluiert und an die gesetzlichen Richtlinien angepasst" wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass den Entscheidungen des VwGH, in denen die Speisenzusteller der Beschwerdeführerin als Dienstnehmer i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG qualifiziert wurden, in Bezug auf die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und den Zustellern i.W. derselbe Sachverhalt zugrunde liegt wie dem gegenständlichen Erkenntnis, sodass diese Entscheidungen auf den vorliegenden Fall übertragen werden können und auch jene Zusteller, die im Zeitraum 2008-2010 für die Beschwerdeführerin tätig waren, als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind.

Die Beschwerdeführerin wäre sohin verpflichtet gewesen, für die von ihr beschäftigten Zusteller die Lohnsteuer zu berechnen und abzuführen. Da § 41 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) hinsichtlich der Verpflichtung, den Dienstgeberbeitrag zu leisten, zur Definition des Dienstnehmerbegriffes auf § 47 Abs. 2 EStG 1988 verweist und die in § 122 Abs. 7 u. 8 WKG vorgesehenen Umlagen als Prozentsatz der Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG geregelt sind und damit (mittelbar) ebenfalls auf dem Dienstnehmerbegriff des § 47 Abs. 2 EStG 1988 beruhen, sind die Zusteller auch Dienstnehmer i.S.d. § 41 FLAG bzw. § 122 WKG, sodass die Beschwerdeführerin auch zur Berechnung und Abfuhr des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag verpflichtet gewesen wäre. Da die Beschwerdeführerin dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, war die belangte Behörde berechtigt, die Haftung für Lohnsteuer zu verfügen sowie den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag mit Bescheid festzusetzen.

Als Bemessungsgrundlage für diese Abgaben wurden von der belangten Behörde zutreffend jene Beträge herangezogen, welche die Beschwerdeführerin an ihre Zusteller tatsächlich ausgezahlt hat. Diese Beträge wurden der Buchhaltung der Beschwerdeführerin entnommen und mussten daher entgegen den Ausführungen in der Beschwerde (S. 11, 2. Absatz) nicht geschätzt werden, sodass sich auch die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Schätzung vorliegen, nicht stellt. Die Lohnsteuernachforderung wurde mit einem Steuerberechnungsprogramm ermittelt. Dies wurde der Beschwerdeführerin spätestens durch die Nachreichung vom und die damit (nochmals) vorgelegten umfangreichen Excel-Tabellen offengelegt und hat die Beschwerdeführerin diese Berechnung nicht beanstandet, sodass auch das Bundesfinanzgericht die Berechnung der belangten Behörde grundsätzlich übernimmt. Zu korrigieren ist die Lohnsteuer jedoch insofern, als die in den Jahren 2009 und 2010 für die Zusteller ***Z1*** (2009: € 337,08; 2010: € 65,80) und ***Z2*** (2009: € 2.372,64; 2010: € 253,81) berechneten Beträge abzuziehen sind. Da diese beiden Zusteller in den Jahren 2009 und 2010 zur Einkommensteuer veranlagt wurden, entfällt insoweit die Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer (; , 2002/13/0095). Die Haftung der Beschwerdeführerin für Lohnsteuer 2009 war daher um € 2.709,72 auf € 41.386,46 zu reduzieren, jene für Lohnsteuer 2010 um € 319,61 auf € 6.273,95.

Von der Einvernahme weiterer Zusteller (die Beschwerdeführerin hatte ursprünglich 73 Zeugen beantragt) konnte Abstand genommen werden, da die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen zur behaupteten Unternehmereigenschaft der Zusteller schon ursprünglich bloß pauschal in Bezug auf alle Zusteller erstattet und hierbei nicht zwischen einzelnen Personen unterschieden hat. Im Schriftsatz vom , in welchem sie nur noch sechs Zusteller als Zeugen namhaft gemacht hat, führt die Beschwerdeführerin aus, dass deren Zustelltätigkeit exemplarisch für den überwiegenden Teil der Zusteller steht. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit der nicht einvernommenen Zusteller wesentlich von jener der einvernommenen Personen unterschieden hat und dass die Einvernahme weiterer Zeugen andere Beweisergebnisse erbracht hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Fall ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärt, nach welchen Kriterien eine unselbstständige von einer selbstständigen Tätigkeit abzugrenzen ist und wurde zudem mehrfach (auch in Bezug auf die Beschwerdeführerin) ausgesprochen, dass die Tätigkeit eines Speisenzustellers als unselbstständige Tätigkeit anzusehen ist. Das gegenständliche Erkenntnis weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab. Zudem hängt die Einordnung einer konkreten Tätigkeit immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung war daher im vorliegenden Fall nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 122 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103505.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at