Vorsteuerberichtigung bei einem Grundstück nach einer Ausgliederung nach Art 34 § 1 BudBG 2001
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***bP***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***2***, ***1***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. In den Umsatzsteuererklärungen 2010 bis 2016 machte die beschwerdeführende Partei (kurz: bP) positive Vorsteuerberichtigungen gemäß § 12 Abs 10 UStG 1994 geltend, wobei die Veranlagungen antragsgemäß erfolgten.
2. Infolge einer Außenprüfung durch die Großbetriebsprüfung erließ das Finanzamt nach Wiederaufnahme der Verfahren bzw. Bescheidaufhebung am neue Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2016, in denen die Vorsteuerberichtigungen nicht anerkannt wurden.
Begründend wurde mit Verweis auf den Bericht über die Außenprüfung ausgeführt, dass Grundstücke (Gebäude), die im Eigentum einer Körperschaft öffentlichen Rechts stehen, nur im Ausmaß der unternehmerischen bzw. wirtschaftlichen Nutzung (im Rahmen der Betriebe gewerblicher Art, Vermietung und Verpachtung) dem Unternehmensbereich zugeordnet werden könnten. Eine Ausweitung dieses Unternehmensbereichs sei auch bei Erhöhung der unternehmerischen Nutzung bis 2011 nicht möglich.
Die zum Normalsteuersatz steuerpflichtigen Mietentgelte wurden vom Finanzamt entsprechend gekürzt.
3. Mit Schriftsatz vom wurde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2010-2016 nach Fristverlängerung Beschwerde erhoben und eine mündliche Verhandlung vor dem Senat beantragt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mit die Liegenschaft der Volksschule ***Z*** in die ***bP*** (beschwerdeführende Partei) ausgegliedert worden sei. Im Zeitpunkt der Ausgliederung habe der Anteil der unternehmerischen Nutzung des Gesamtgebäudes durch die Gemeinde 8,84% betragen.
In der Folge seien von der bP aufgrund der gänzlichen umsatzsteuerpflichtigen Vermietung der Liegenschaft, positive Vorsteuerberichtigungen in den Jahren 2008-2016 vorgenommen worden.
4. Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Gemeinde eine Zuordnungsentscheidung getroffen habe, indem aufgrund nur anteiliger unternehmerischer Nutzung ein nur anteiliger Vorsteuerabzug vorgenommen worden sei. Das Gebäude sei somit nur anteilig dem Unternehmensbereich zugeordnet worden.
5. Mit Schriftsatz vom beantragte die bP die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte vor, dass das Gebäude von Beginn an bei der Gemeinde zur Gänze dem Unternehmensbereich zugeordnet gewesen sei.
Die volle Zuordnung zum Unternehmensbereich werde nicht durch die Einschränkung des Abzugsrechts der Gemeinde für nichtwirtschaftliche, nicht als unternehmensfremd zu betrachtende Zwecke berührt. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sei eine positive Vorsteuerberichtigung bei der Gemeinde zulässig. Da die bP die Rechtsverhältnisse der Gemeinde bezüglich des Gebäudes fortführt, sei auch hier eine Vorsteuerberichtigung zulässig.
6. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und verwies auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung.
Sollte das BFG der Rechtsansicht der bP folgen, so werde darauf hingewiesen, dass bezüglich der BP-Feststellung in Punkt 2 "VSt-Berichtigung VS ***Z***" eine Änderung der Bemessungsgrundlagen "Miete" (Punkt 1)" zur Folge habe.
Mit Schriftsatz vom (Fax) wurde der Antrag auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Sportvolksschule ***Z*** mit Turnsaal und Hort wurde in den Jahren 2002 bis 2005 von der Stadtgemeinde ***Y*** (in der Folge: Gemeinde) errichtet.
Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche Nutzungsanteil für das Jahr 2005 betrug nach Feststellung der Außenprüfung der Jahre 2004 bis 2007 21,4%.
Die Gemeinde ordnete die Liegenschaft zu 100% der unternehmerischen Sphäre zu.
Mit wurde die Liegenschaft der Volksschule ***Z*** in die ***bP*** (bP) ausgegliedert. Diese Gesellschaft ist zu 100% im Eigentum der Stadtgemeinde.
Der Anteil der unternehmerischen Nutzung des Gesamtgebäudes durch die Gemeinde betrug zu diesem Zeitpunkt 8,84%.
Die Ausgliederung erfolgte unter Inanspruchnahme der steuerlichen Sonderregelungen für die Ausgliederung von Aufgaben der Körperschaften öffentlichen Rechts nach Artikel 34 § 1 Budgetbegleitgesetz 2001.
Die bP vermietet diese Liegenschaft seitdem an die Gemeinde und ist zu 100% unternehmerisch tätig.
Die bP begehrt positive Vorsteuerkorrekturen in folgender Höhe:
2010-2013: jeweils 81.896 Euro
2014: 104.855,03 Euro
2015: 9.492,61 Eur
2016: 2.023,36 Euro.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den elektronisch vorgelegten Aktenteilen sowie aus dem Firmenbuch. Das von der belangten Behörde festgestellte Ausmaß der unternehmerischen Nutzung vor Ausgliederung der strittigen Gebäude steht außer Streit.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Nationale Rechtsvorschriften
Nach der auf Artikel 4 Abs1 und 2 der 6. EG-Richtlinie beruhenden Bestimmung des § 2 Abs 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
Gemäß § 2 Abs 3 UStG 1994 sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988), ausgenommen solche, die gemäß § 5 Z 12 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 von der Körperschaftsteuer befreit sind, und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets Wasserwerke, Schlachthöfe, Anstalten zur Müllbeseitigung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen sowie die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften.
§ 12 UStG 1994 in der für die Beschwerdejahre gültigen Fassung lautet auszugsweise:
(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. (…..)
(2) 1. a) Lieferungen und sonstige Leistungen sowie die Einfuhr von Gegenständen gelten als für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie für Zwecke des Unternehmens erfolgen und wenn sie zu mindestens 10% unternehmerischen Zwecken dienen.
b) Der Unternehmer kann Lieferungen oder sonstige Leistungen sowie Einfuhren nur insoweit
als für das Unternehmen ausgeführt behandeln, als sie tatsächlich unternehmerischen Zwecken dienen, sofern sie mindestens 10% unternehmerischen Zwecken dienen.
Diese Zuordnung hat der Unternehmer bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes dem Finanzamt schriftlich mitzuteilen.
2. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren,
a) deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sind, (…..)
(3) Vom Vorsteuerabzug sind ausgeschlossen: (….)
4. die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen sowie für die Einfuhr von Gegenständen, soweit sie im Zusammenhang mit der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für die in § 3a Abs. 1a Z 1 genannten Zwecke steht. (….)
(10) Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (Abs. 3), so ist für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen.
Dies gilt sinngemäß für Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aktivierungspflichtige Aufwendungen oder bei Gebäuden auch auf Kosten von Großreparaturen entfallen, wobei der Berichtigungszeitraum vom Beginn des Kalenderjahres an zu laufen beginnt, das dem Jahr folgt, in dem die diesen Kosten und Aufwendungen zugrunde liegenden Leistungen im Zusammenhang mit dem Anlagevermögen erstmals in Verwendung genommen worden sind.
Bei Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) tritt an die Stelle des Zeitraumes von vier Kalenderjahren ein solcher von neun Kalenderjahren (Anmerkung: mit BGBl. I Nr. 22/2012 neunzehn Kalenderjahre1)).
Bei der Berichtigung, die jeweils für das Jahr der Änderung zu erfolgen hat, ist für jedes Jahr der Änderung von einem Fünftel, bei Grundstücken (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) von einem Zehntel (Anmerkung: mit BGBl. I Nr. 22/2012 einem Zwanzigstel) der gesamten auf den Gegenstand, die Aufwendungen oder Kosten entfallenden Vorsteuer auszugehen; im Falle der Lieferung ist die Berichtigung für den restlichen Berichtigungszeitraum spätestens in der letzten Voranmeldung des Veranlagungszeitraumes vorzunehmen, in dem die Lieferung erfolgte.
Artikel 34 Budgetbegleitgesetz 2001 (BudBG 2001), BGBl. I Nr. 142/2000 idF BGBl. I Nr. 84/2002 (Steuerliche Sonderregelungen für die Ausgliederung von Aufgaben der Gebietskörperschaften) lautet auszugsweise:
§ 1. (1) Die durch die Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben der Körperschaften öffentlichen Rechts an juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sowie an Personenvereinigungen (Personengemeinschaften), die unter beherrschendem Einfluss einer Körperschaft öffentlichen Rechts stehen, unmittelbar veranlassten (anfallenden) Schriften, Rechtsvorgänge und Rechtsgeschäfte sind von der Gesellschaftsteuer, Grunderwerbsteuer, den Stempel- und Rechtsgebühren sowie von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren befreit. Derartige Vorgänge gelten nicht als steuerbare Umsätze. Ist die juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts im Rahmen der Aufgabenerfüllung als Unternehmer tätig, gelten für Zwecke der Umsatzsteuer die Rechtsverhältnisse für diese Tätigkeit als Unternehmer weiter.
Rechtsprechung des EuGH
Die für den gegenständlichen Fall maßgebliche Rechtsprechung des EuGH wurde vom Bundesfinanzgericht bereits in der Entscheidung vom , RV/5100438/2015, umfassend wie folgt dargestellt:
Der EuGH (, C-515/07, Rs. VNLTO; , C-400/15, Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark) unterscheidet bei Körperschaften zwischen deren "wirtschaftlichen" und "nichtwirtschaftlichen" Tätigkeiten.
Der wirtschaftliche Bereich umfasst alle im Rahmen eines Leistungsaustausches nachhaltig ausgeübten Tätigkeiten. Der nichtwirtschaftliche Bereich umfasst alle jene Aktivitäten, die Zwecken des Unternehmens dienen, aber nicht Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit sind. Der Hoheitsbereich einer Körperschaft öffentlichen Rechts begründet dem EuGH zufolge eine nichtwirtschaftliche, aber keine unternehmensfremde Tätigkeit, welche nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt (Rs. VNLTO, Rn. 36, 37). Soweit eine Körperschaft Gegenstände und Dienstleistungen für ihren nichtwirtschaftlichen (hoheitlichen) Bereich bezieht, ist sie vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Die Unterscheidung zwischen einer unternehmerischen Verwendung und einer unternehmensfremden (privaten) Verwendung folgt hingegen anderen Kriterien als jenen zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten (Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark, Rn. 32). Der EuGH stellte klar, dass die nichtwirtschaftliche Tätigkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts nicht gleichzusetzten ist mit einer Tätigkeit, die für unternehmensfremde Zwecke ausgeführt wird (Rs. VLNTO, Rn. 38).
So hat der Steuerpflichtige die Wahlfreiheit, ein Investitionsgut, welches sowohl für unternehmerische als auch für unternehmensfremde (private) Zwecke verwendet wird, im Hinblick auf die Mehrwertsteuer, in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen oder ihn im vollem Umfang in seinem Privatvermögen zu belassen oder ihn nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung in sein Unternehmen einzubeziehen (Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark, Rn. 32, 33). Eine Verwendung für unternehmensfremde Zwecke kann somit der Mehrwertsteuer unterliegen (Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark, Rn. 29).
Eine derartige Wahlfreiheit gibt es hingegen nicht bei Gegenständen, die von einem Unternehmen sowohl für wirtschaftliche Tätigkeiten als auch für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten verwendet werden. Hier beschränkt sich Art 168 darauf, ein (anteiliges) Recht zum Vorsteuerabzug vorzusehen (Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark, Rn. 34).
Ein Ausschluss des Abzugsrechts für Unternehmensgegenstände, die zu weniger als 10% für eine wirtschaftliche Tätigkeit verwendet werden, genügt dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, nicht (Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark, Rn. 36).
So ist die Ermächtigung des Rates (Anmerkung: die für Österreich erteilte Ermächtigung 2004/866/EG vom entspricht jener der deutschen, sodass die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark auch für die österreichische Rechtslage anwendbar ist. Auf Grundlage dieser Ermächtigung beruht die 10%-Grenze des § 12 Abs 2 Z 1 lit a UStG 1994), wonach - abweichend von den Art 168 und 168a MwStSyst-RL - die anfallende Mehrwertsteuer auf Leistungen, die zu mehr als 90% für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden, vollständig vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen ist, nicht auf Unternehmensgegenstände anzuwenden, die ein Unternehmen zu mehr als 90% für nichtwirtschaftliche, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende (insbesondere hoheitliche) Tätigkeiten nutzt (Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark, Rn. 40). Der in der Ermächtigung verwendete Begriff "unternehmensfremde Zwecke" erfasst folglich nicht den Fall, in dem der Steuerpflichtige Tätigkeiten ausübt, die ihm in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt obliegen.
Darüber hinaus hielt der EuGH fest, dass der Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts durch den Gerichtshof Rückwirkung zukommt und damit vom Inkrafttreten der ausgelegten Bestimmung an gilt. Daher kann auch der Begriff "unternehmensfremde Zwecke" für die Zeit vor dem Urteil dem Urteil in der Rs. VNLTO, aus dem sich ergibt, dass dieser Begriff nicht die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten betrifft, nicht anders ausgelegt werden (Rs. Landkreis Potsdam-Mittelmark, Rn. 38, 39).
Mit dem Urteil vom in der Rechtsache Gmina Ryjewo (EuGH C-140/14) stellte der EuGH klar, dass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ein Recht auf Berichtigung der auf eine als Investitionsgut erworbene Immobilie entrichteten Vorsteuer in Anspruch nehmen kann, wenn der Gegenstand beim Erwerb seiner Art nach sowohl für besteuerte als auch für nicht besteuerte Tätigkeiten verwendet werden konnte, was er in Bezug auf eine Immobilie bejahte (Rn 59).
Das gilt nach Ansicht des EuGH selbst dann, wenn die Einrichtung des öffentlichen Rechts ihre Absicht, diesen Gegenstand einer besteuerten Tätigkeit zuzuordnen, nicht ausdrücklich bekundet, aber auch nicht ausgeschlossen hatte, dass er zu einem solchen Zweck verwendet werde, sofern sich aus der Prüfung aller tatsächlichen Gegebenheiten ergibt, dass der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt des Erwerbs in seiner Eigenschaft als Steuerpflichtiger gehandelt hat (Rn 59). Eine anfängliche Verwendung dieses Gegenstandes für nicht besteuerte Tätigkeiten steht dem nicht entgegen (Rn 53).
Handelt hingegen eine Einrichtung des öffentlichen Rechts zum Zeitpunkt des Erwerbs des Investitionsgutes im Rahmen der öffentlichen Gewalt im Sinne des Art 13 Abs 1 MwStSyst-RL und demnach nicht als Steuerpflichtiger, so hat sie grundsätzlich kein Recht auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit diesem Gegenstand, auch wenn dieser später einer besteuerten Tätigkeit zugeordnet wird (Rn 37).
Ob ein Steuerpflichtiger zum Zeitpunkt der Lieferung des Gegenstandes als Steuerpflichtiger gehandelt hat, das heißt den Gegenstand für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet hat, ist eine Tatsachenfrage, die unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Sachverhalts, zu denen die Art des betreffenden Gegenstandes und der zwischen seinen Erwerb und seiner Verwendung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen liegende Zeitraum gehören, zu beurteilen ist. Mit dieser Beurteilung soll geprüft werden, ob der Steuerpflichtige die betreffenden Investitionsgüter in der durch objektive Anhaltspunkte belegten Absicht erworben oder hergestellt hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben und daher als Steuerpflichtiger gehandelt hat Rn. 38, 39).
Der EuGH strich hervor, dass angesichts der Zielsetzung der Abzugsregelung die Prüfung, ob ein Leistungsbezieher als Steuerpflichtiger gehandelt hat, in jedem Einzelfall anhand eines weiten Verständnisses des Begriffs eines Erwerbs "als Steuerpflichtiger" erfolgen muss (Rn 54), gibt aber keine Hinweise, wo die Grenzen einer solchen weiten Auslegung liegen.
Im Fall Gmina Ryjewo war die Gemeinde beim Erwerb der als Investitionsgut erworbenen Immobilie bereits seit fünf Jahren als mehrwertsteuerpflichtig registriert (Rn. 43), was der EuGH als ein entsprechendes Indiz wertete (Rn 50). Außerdem hatte die Gemeinde beim Erwerb der Immobilie unter den gleichen Bedingungen gehandelt wie eine Privatperson, die ein Gebäude errichten lassen möchte, ohne hierzu Vorrecht der öffentlichen Gewalt in Anspruch zu nehmen (Rn 41).
Die Gemeinde hat erst nach Lieferung des Gebäudes ihre Absicht bekundet, es zu wirtschaftlichen Zwecken vermieten zu wollen. Auch wenn die einzig kundgetane Absicht der Gemeinde zunächst darin bestand, die Immobilie als Kulturhaus einer öffentlichen Nutzung zuzuordnen und dem gemeindlichen Kulturzentrum unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, schloss diese Zuordnung es doch an sich nicht aus, dass dieser Gegenstand zumindest teilweise auch zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt würde, beispielsweise im Rahmen einer Vermietung Rn 46, 48).
Nach Ansicht des EuGH ist es für sich gesehen ohne Bedeutung, dass der betreffende Gegenstand nicht unmittelbar für besteuerte Umsätze verwendet worden ist, da die Verwendung des Gegenstands nur den Umfang des Vorsteuerabzuges oder der etwaigen späteren Berichtigung bestimmt, nicht jedoch die Entstehung des Abzugsanspruches berührt (Rn 51; siehe auch HF, C-374/19, Rn 19).
Er stellte weiters fest, dass sich der Ausgangsfall von den den Urteilen , Rs. Waterschap Zeeuws Vlaanderen (Erwerb einer Einrichtung des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt und daher als Nichtsteuerpflichtiger), , Rs. Uudenkaupungin kaupunki (Immobilienerwerb einer finnischen Stadt als Steuerpflichtige, Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit war Vermietung), sowie dem , Rs. Gmina Międzyzdroje (Gemeinde handelte als Steuerpflichtige, ein nachträglicher Vorsteuerabzug wurde gewährt), zugrundeliegenden Sachverhalten unterscheidet.
Rechtliche Beurteilung
Strittig ist die Zulässigkeit der positiven Vorsteuerberichtigung bei einer GmbH & Co KG, an die eine von einer Gemeinde gemischt genutzte Liegenschaft übertragen wurde, welche in der Folge wieder an die Gemeinde vermietet wurde.
Systematisch ist nach der Rechtsprechung des EuGH zwischen der vorgelagerten Frage der Zuordnung der Liegenschaft zum Unternehmen und der nachgelagerten Frage des Ausmaßes des Vorsteuerabzuges zu unterscheiden.
Die Verwendung des Gegenstandes berührt nicht die Entstehung des Vorsteuer-Abzugsanspruches, sondern bestimmt nur den Umfang des Vorsteuerabzuges oder der etwaigen späteren Berichtigung.
Aus der Rechtsprechung des EuGH geht hervor, dass der Hoheitsbereich einer Körperschaft öffentlichen Rechts eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit begründet. Diese Tätigkeit fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich der MwStSyst-RL, gehört aber zum unternehmerischen Bereich. Der unternehmerische Bereich eines Unternehmens umfasst somit den wirtschaftlichen und den nichtwirtschaftlichen, aber Unternehmenszwecken dienenden Bereich.
Ein Investitionsgut, welches eine Körperschaft öffentlichen Rechts sowohl für hoheitliche als auch für privatwirtschaftliche Zwecke verwendet, gilt folglich von vornherein als für das Unternehmen ausgeführt. Demgegenüber ist der nichtunternehmerische Bereich dem unternehmensfremden Bereich gleichzusetzen (Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, USTG-ON, § 12, Tz. 98).
In der Rs. Gmina Ryjewo konkretisierte der EuGH seine Zuordnungsvoraussetzungen, wonach eine als nichtwirtschaftliche zu qualifizierende Tätigkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts eine volle Zuordnung eines Investitionsgutes zu einer besteuerten Tätigkeit nicht ausschließt, wenn der Gegenstand beim Erwerb seiner Art nach sowohl für besteuerte als auch für nicht besteuerte Tätigkeiten verwendet werden kann und der Erwerber in seiner Eigenschaft als Steuerpflichtiger gehandelt hat, was im Rahmen einer Tatsachenwürdigung entschieden werden muss. Einer Zuordnung steht auch nicht entgegen, dass die Körperschaft ihre Absicht, diesen Gegenstand einer besteuerten Tätigkeit zuzuordnen, nicht ausdrücklich bekundet, aber auch nicht ausgeschlossen hat.
Davon zu unterscheiden ist das Recht auf Vorsteuerabzug, der trotz voller Zuordnung zum Unternehmen im Ausmaß der hoheitlichen Nutzung von Anfang an nicht zusteht.
Die Ansicht der belangten Behörde, dass Gebäude, die im Eigentum einer Körperschaft öffentlichen Rechts stehen, generell nur im Ausmaß der unternehmerischen bzw wirtschaftlichen Nutzung dem Unternehmensbereich zugeordnet werden können, eine Ausweitung dieses Unternehmensbereiches auch bei Erhöhung der unternehmerischen Nutzung nicht möglich sei und daher eine umsatzsteuerlich unbeachtliche Einlage vorliegen würde, ist somit zwischenzeitig durch die Rechtsprechung des EuGH überholt.
Die Rechtsvorgängerin der bP - eine Gebietskörperschaft - war sowohl wirtschaftlich als auch nichtwirtschaftlich (hoheitlich) tätig. Eine unternehmensfremde Verwendung der Gebäude wurde nicht festgestellt.
Bei Gebäuden handelt es sich zweifelsfrei um Gegenstände, welche nicht nur typischerweise für wirtschaftliche/besteuerte Tätigkeiten verwendet werden können, sondern auch tatsächlich von der Gemeinde für solche Tätigkeiten herangezogen wurden. Eine ausdrückliche Zuordnung der Leistungen im Zusammenhang mit den konkreten Liegenschaften zum Unternehmen war nicht erforderlich, da sich eine solche aus der vorliegenden Mischnutzung ergab.
Die in den Jahren 2002 bis 2005 von der Gemeinde bezogenen Leistungen zur Errichtung des Gebäudes sind zur Gänze dem Unternehmensbereich der Gemeinde zuzuordnen.
Da die Bestimmungen zur Vorsteuerkorrektur auch Anwendung finden, wenn eine Änderung der Verwendung im Verhältnis zwischen steuerpflichtigem Unternehmensbereich und Hoheitsbereich eintritt, hätte die Gemeinde bei einer späteren Ausweitung der unternehmerischen Nutzung eine positive Vorsteuerberichtigung vornehmen können.
Im zweiten Schritt ist zu klären, ob auch die bP berechtigt ist, eine solche Vorsteuerberichtung vorzunehmen.
§ 12 Abs 10 UStG 1994 bezieht sich nach seinem Wortlaut grundsätzlich auf die Änderung der Verhältnisse bei demselben Unternehmer und bedingt daher eine unternehmerbezogene Betrachtungsweise. Der Anwendungsbereich kann nur auf die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge ausgedehnt werden. Haben sich daher beim Gesamtrechtsnachfolger die Verhältnisse geändert, die beim Vorgänger für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren, dann ist die Vorsteuerkorrektur beim Rechtsnachfolger vorzunehmen (Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, USTG-ON, § 12 TZ. 383; Ruppe/Achatz5, UStG-Kommentar, 1287; ).
Art 34 § 1 Abs 1 BudBG 2001 normiert für den Fall, dass die juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts (der Rechtsnachfolger) im Rahmen der Aufgabenerfüllung als Unternehmer tätig ist, dass für Zwecke der Umsatzsteuer die Rechtsverhältnisse für diese Tätigkeit als Unternehmer weitergelten. Diese Bestimmung zielt dabei nicht nur auf den nicht umsatzsteuerbaren Übertragungsvorgang ab, sondern vor allem auf die Anwendung des § 12 Abs 10 UStG 1994.
Im Abschlussbericht des Budgetausschusses (AB 369 BlgNR XXI. GP, 12) wurde klargestellt, dass "die Weitergeltung der Rechtsverhältnisse des Rechtsvorgängers (Gebietskörperschaft) für den Rechtsnachfolger (privatrechtliche Körperschaft) nur im Rahmen dessen Unternehmerstellung wirkt. Damit ist sichergestellt, dass der bei hoheitlicher Aufgabenerfüllung durch eine Gebietskörperschaft - wegen mangelnder Unternehmertätigkeit - ausgeschlossene Vorsteuerabzug sodann bei einer unternehmerischen Tätigkeit der Nachfolgegesellschaft für diese möglich ist. Der Eintritt in die Rechtsstellung der Gebietskörperschaft bewirkt insbesondere, dass der Rechtsnachfolger hinsichtlich einer Vorsteuerberichtigung die Verhältnisse des Rechtsvorgängers fortsetzt."
Wie bereits ausgeführt, wurde das Gebäude zur Gänze dem Unternehmen des Rechtsvorgängers zugeordnet, wodurch bereits beim Rechtsvorgänger der Anspruch auf Vorsteuerabzug entstand.
Art 34 § 1 BudBG 2001 bewirkt den Eintritt der bP in die Rechtsposition der Gemeinde bezüglich des Grundstückes. Dazu zählt nicht nur die Fortsetzung des beim Rechtsvorgänger begonnenen Fristenlaufes für den Berichtigungszeitraum, sondern auch die volle Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmen. Ändern sich bei der bP als Rechtsnachfolgerin die Verhältnisse, die beim Rechtsvorgänger für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren, so muss dies innerhalb des Berichtigungszeitraumes zu einer - entweder positiven oder negativen - Vorsteuerberichtigung führen.
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass folgende Vorsteuerberichtigung gem. § 12 Abs. 10 UStG 1994 bei der bP zulässig sind:
2010-2013 jeweils: 81.896,00 Euro
2014: 104.855,03 Euro
2015: 9.492,61 Euro
2016: 2.023,36 Euro.
Umsatzsteuerpflicht der Mieterträge:
Die Zuordnung des Gebäudes zum steuerpflichtigen unternehmerischen Bereich führt zur Steuerpflicht der entsprechenden Mieterträge.
Die zum Normalsteuersatz steuerpflichtigen Mieterträge erhöhen sich somit um folgende Beträge:
2010: 12.284,40
2011: 18.426,60
2012: 24.568,80
2013: 30.711,00
2014: 40.173,20
2015: 47.333,79
2016: 47.417,73.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob eine Ausgliederung nach Art 34 § 1 BudBG 2001 eine positive Vorsteuerberichtigungsmöglichkeit für die Rechtsnachfolgerin eröffnet, wenn die Gegenstände, die zuvor auch hoheitlich genutzt wurden, nach der Ausgliederung zur Gänze für steuerpflichtige Umsätze verwendet werden, liegt noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die Revision war daher für zulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 Abs. 10 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101304.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at