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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.11.2022, RV/7101176/2020

Doppelte Haushaltsführung bei pflegebedürftigen Eltern

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende SV, den Richter R sowie die fachkundigen Laienrichter LR und LR2 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** in Anwesenheit der Schriftführerin FI Monika Holub zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe


***Bf1*** (Beschwerdeführer, i.d.F. Bf.) ist polnischer Staatsbürger und erzielt in Österreich Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.
In seiner Steuererklärung für das Jahr 2018 (Arbeitnehmerveranlagung) beantragte er u.a. die Berücksichtigung von Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung (i.H.v. € 3.543,-) bzw. Familienheimfahrten als Werbungskosten (i.H.v. € 3.060,-).

Mit Vorhalt vom wurde der Bf. aufgefordert, Nachweise über die von ihm beantragen Werbungskosten (Meldenachweis am Familienwohnsitz, Mietvertrag der Wohnung in Wien, Einkommensnachweis der Gattin, Aufzeichnungen über die Familienheimfahrten sowie Belege dazu (Fahrtenbuch, Zulassungsschein, Tankbelege bzw. Tickets)) u.a. für das Jahr 2018 vorzulegen.

In Entsprechung des Ersuchens legte der Bf. mit Eingabe vom folgende Unterlagen vor:
- Bescheinigungen (Formular E9) betreffend seine Ehegattin MK, nach denen sie in den Jahren 2017 und 2018 keine im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegende Einkünfte erzielt hat;
- Eine Bestätigung vom über die Anschrift mit persönlichen Daten des Bf., seiner Gattin sowie seinem Sohn MS;
- Einen Mietvertrag vom betreffend die Liegenschaft x, in dem neben dem Bf. weitere 4 unterzeichnende Personen als Mieter aufscheinen;
- Zwei Verlängerungen des Bestandsvertrages, zuletzt vom (Vertragsverlängerung bis );
- Eine Mietvorschreibung vom , wonach der monatliche Mietzins ab August 2018 i.H.v. € 958,72 (incl. Betriebskosten) beträgt;
- Eine Aufstellung der Fahrten des Bf. an seinen Familienwohnsitz, wonach er im Kalenderjahr 2018 gesamt 14.495 Kilometer gefahren ist.

In dem am ergangenen Einkommensteuerbescheid für 2018 fanden die beantragten Werbungskosten keine Berücksichtigung.
In der Begründung dazu wird erläutert, dass trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen vorgelegt worden seien, weshalb nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt werden konnten.

In seiner rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom erläuterte der Bf. mit Hinweis auf die Begründung des Bescheides, dass er die gewünschten Unterlagen nochmals vorlege und ersuchte um Bescheidänderung.
Mit der Beschwerde wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
- Mietvertrag vom (s.o.);
- Mietvertragsverlängerung bis (s.o.);
- Heiratsurkunde seines Sohnes TK mit KK;
- Bescheinigung über den Wohnsitz von KK vom in Polen;
- Bescheinigung über den Wohnsitz von TK in Polen;
- Bescheinigung EU (Formular E 9) über die Einkünfte von KK für die Jahre 2016-2018;
- Aufzeichnungen über die betrieblichen Fahrten von für den Zeitraum September bis Dezember 2018;
- Mietvorschreibung für August 2018 betreffend den Wohnsitz in der x über € 958,72.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Die Behörde führt darin aus, dass ein Grund für die Berücksichtigung des doppelten Wohnsitzes in der Erwerbstätigkeit des Ehepartners liegen könne. Da die Gattin des Bf. laut Bescheinigung E9 für 2018 keine steuerlich relevanten Einkünfte beziehe, seien die Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelter Haushaltsführung steuerlich nicht zu berücksichtigen.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. eine Entscheidung über die Beschwerde durch den zuständigen Senat des Bundesfinanzgerichtes (§ 272 BAO).
Er erläuterte darin, dass sein Familienwohnsitz in Polen 400 Kilometer von Österreich entfernt sei. Seine nicht erwerbstätige Gattin lebe in Polen und betreue 2 im Jahr 2018 noch schulpflichtige Kinder.
Er selbst lebe in einer Wohngemeinschaft in Wien und fahre einmal monatlich nach Polen.
Aufgrund der unterhaltsberechtigten Kinder sei eine Übersiedlung nach Österreich aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar.
Des Weiteren liege eine Unzumutbarkeit aufgrund der Pflegebedürftigkeit seiner Eltern (aus Altersgründen) vor.
Beigelegt wurde seiner Eingabe folgende Unterlagen:
- Heiratsurkunde zwischen ihm und MK1 vom ;
- Bescheinigung des Gemeindeamtes OrtPolen vom , wonach der Bf. mit seiner Gattin als Miteigentümer ein Grundstück, davon 1,66ha Ackerland besitzen würde;
- Eine Bescheinigung vom betreffend Grund- und Agrarsteuer;
- Eine (weitgehend unleserliche) polnische Zulassungsbescheinigung über einen Peugeot 307 Kennzeichen KNT89491;
- ein Fahrtenbuch für die Monate April bis Dezember 2018;
- 5 Tankbelege für die Monate Februar und März 2018 über einen Gesamtbetrag von 529,87 Zloty;
- Eine Bescheinigung EU (Formular E 9) betreffend Einkünfte seiner Gattin für 2018 (s. oben);
- Ein Mietvertrag vom (s.o.);
- Mietvertragsverlängerungen bis (s.o.);
- Kontoauszüge über Mietzahlungen für 2018 i.H.v. € 11.358,39.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht (BFG) mit Vorlagebericht vom vorgelegt.
Die Behörde beantragt darin die Abweisung der Beschwerde, da infolge Volljährigkeit der Kinder von keiner Betreuungspflicht ausgegangen werden könne, weshalb auch (isoliert betrachtet), die der Eigenversorgung dienende, von der Gattin bewirtschaftete Landwirtschaft unbeachtlich und zu der vom Bf. eingewendeten Pflegebedürftigkeit der Eltern kein Nachweis vorgelegt worden sei.

Die (nichtmündliche) Senatsverhandlung fand am statt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:


Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit a leg.cit. auch die Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung betrifft, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs)tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 beträgt das Pendlerpauschale bei unzumutbarer Verwendung eines Massenbeförderungsmittels bei einer Fahrtstrecke von über 60 km € 3.672,- jährlich.

§ 167 BAO lautet:
(1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.


Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt
Der Bf. hat seit dem Jahr 1998 einen Hauptwohnsitz in Österreich und ist seit in x wohnhaft. Als Bestandsnehmer scheinen neben dem Bf. und seinem Sohn TK weitere 3 Personen auf.
Er ist langjähriger Arbeiter bei der SP.
Für die Zeiten vom bis , bis und bis bezog er im Inland Arbeitslosengeld.
Der Bf. ist verheiratet hat einen weiteren (Familien)Wohnsitz in Polen (ZD 21B). Die Entfernung zwischen den Wohnsitzen beträgt je nach Route zwischen 400 und 417 Kilometer.
Der Bf. sowie seine Gattin sind Eigentümer eines Grundstücks in Polen mit einer Gesamtfläche von 1,94ha, davon 1,66ha Ackerland.
Der Bf. bezog im Jahr 2018 für 2 Kinder Familienbeihilfe (PK, geb. tt.mm.1997) bzw. MS (geb. tt.mm.1999).

Strittig ist die Frage, ob im Jahr 2018 Gründe vorlagen, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes des Bf. in eine "übliche Entfernung" vom Arbeitsort Wien unzumutbar gemacht haben.

Doppelte Haushaltsführung
Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Wenn dem Steuerpflichtigen Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)wohnsitzes in eine übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988.

Eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung lässt die Verlegung des Familienwohnsitzes auf längere Sicht unzumutbar erscheinen. Dabei gilt allgemein, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen.

Diese Aufwendungen gelten so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit seines (Ehe)Partners haben. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen.

Der Bf. beantragt Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung sowie für Familienheimfahrten und begründet die seiner Ansicht nach vorliegende Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung wie folgt:
1. - Besitz einer Landwirtschaft (mit seiner) Gattin in Polen;
2. - am Familienwohnsitz leben zwei Kinder, die noch in Schulausbildung sind;
3. - es liegen Betreuungspflichten hinsichtlich seiner pflegebedürftigen Eltern vor.

Zu den einzelnen Argumenten des Bf. ist festzustellen:
ad 1) Landwirtschaft
Zum Betrieb einer Landwirtschaft durch seine Gattin ist auszuführen, dass der Bf. zu dessen Nachweis eine Bescheinigung des Gemeindeamtes OrtPolen vom vorgelegt hat, wonach er und seine seiner Gattin als Miteigentümer eines Grundstückes, davon 1,66ha Ackerland sind.
Aus einer im Verfahren vorgelegten Bescheinigung EU (Formular E9) für das Jahr 2018 geht hervor, dass seine Gattin MK1 aus ihrer Tätigkeit in Polen keine Einkünfte erzielt hat.
Das BFG geht in freier Beweiswürdigung davon aus, das die Landwirtschaft nicht nur im Eigentum des Bf. und seiner Gattin steht sondern auch (zumindest zur Eigenversorgung) betrieben wird.

Der VwGH hat sich in mehreren Erkenntnissen mit der Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort auseinandergesetzt und diese als relevanten Aspekt bejaht, auch wenn am Familienwohnsitz eine nur der Selbstversorgung dienende Landwirtschaft betrieben wird (vgl. Zl. 2013/15/0146 m.V.a. Erkenntnisse vom , 2005/14/0039, vom , 2005/14/0046, vom , 2005/14/0127, und vom , 2006/15/0313).

In den, den Erkenntnissen zugrunde liegenden Sachverhalten waren neben den wirtschaftlichen Gründen aber auch andere Faktoren (zB nicht selbsterhaltungsfähige Kinder, Hindernisse aufgrund von fremdenrechtlichen Bestimmungen) vorhanden, die eine Begründung des Familienwohnsitzes in Österreich nicht bzw. nur unter schwierigsten Bedingungen ermöglichten (vgl. m.V.a. ; , 2006/15/0313; ; , 2005/14/0127).

ad 2) Schulpflichtige Kinder
Der Bf. weist in seiner Beschwerde zur Arbeitnehmerveranlagung auf 2 im Jahr 2018 in Polen schulpflichtige Kinder als Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung hin.
PK, geb. tt.mm.1997 hat im gegenständlich zu beurteilendem Jahr 2018 das 21. Lebensjahr, MS (geb. tt.mm.1999) das 19. Lebensjahr erreicht.
In Polen tritt die Volljährigkeit mit Erreichen des 18. Lebensjahres oder vorheriger Heirat ein (Quelle: Wikipedia).

Gemäß Lenneis, Jakom EStG14 § 16, Rz. 56 ABC der Werbungskosten Stichwort ,Doppelte Haushaltführung' mit Verweis auf Judikatur des UFS (, RV/3069-W/10) ist davon auszugehen, dass bei volljährigen Kindern (ausgenommen zB. bei Pflegebedürftigkeit des Kindes) grundsätzlich keine Ortsgebundenheit des haushaltsführenden Elternteils mehr besteht.
Auch laut Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, Einkommensteuergesetz § 16 Rz. 25 ist eine Betreuungsbedürftigkeit grundsätzlich nur bis zur Volljährigkeit der Kinder anzunehmen (vgl UFS Linz , RV/0106-L/05; ; ).
Das BFG schließt sich dieser Auffassung an.
Da die beiden Kinder des Bf. im Jahr 2018 bereits volljährig waren und damit allenfalls eine Unterhaltsberechtigung, nicht jedoch eine Betreuungsbedürftigkeit anzunehmen war, ist dieser Umstand hinsichtlich der Frage, ob eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung vorliegt, unbeachtlich.

ad 3) Pflegebedürftigkeit der Eltern
Der Bf. hat in seiner Beschwerde vom vorgebracht, dass es sich bei seinen Eltern um aus Altersgründen pflegebedürftige Personen handelt. Ein besonderer Pflegebedarf ergibt sich nach der Rechtsprechung des VwGH aus dieser Darstellung (ohne nähere Nachweise) noch nicht.

Der VwGH hat dazu in seinem Erkenntnis vom Ra 2018/15/0075 dargelegt:
,Aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen kann sich ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ergeben (vgl. , mwN). Der bloße Umstand, dass - wie im Vorlageantrag geltend gemacht wurde - aufgrund des Alters der Eltern wahrscheinlich mit einer Pflegebedürftigkeit der Eltern in den nächsten Jahren gerechnet werden müsse, begründet aber für die Streitjahre noch keinen Grund, aus welchem das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar erkannt werden könnte (vgl. ; vgl. auch Doralt et al, EStG19 § 4 Tz 347).'

Wenn die Abgabenbehörde dazu im Vorlagebericht ausführt, dass kein einziger Nachweis hinsichtlich der Pflegebedürftigkeit der Eltern des Bf. vorgelegt wurde übersieht sie, dass im Verfahren betreffend die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 im Zuge einer Vorhaltsbeantwortung vom eine ärztliche Bescheinigung vom betreffend der Mutter MaK, geb. tt.mm.1935, wohnhaft in ZD 19 vorgelegt wurde, wonach diese an hohem Blutdruck, Herz- und Veneninsuffizienz leidet und das Haus nicht verlassen kann.
Sein Vater EK, geb. tt.mm.1933, wohnhaft in ZD 19 leidet nach einer am gleichen Tag ausgestellten Bescheinigung an hohem Blutdruck, Herzinsuffizienz, Diabetes und einer Wirbelsäulenerkrankung und kann das Haus ebenfalls nicht verlassen.
Mit dem Vorlageantrag betreffend den Einkommensteuerbescheid 2017 vom wurden erneut ärztliche Bescheinigungen, datiert mit vorgelegt, die die festgestellten Krankheiten der Eltern des Bf. bestätigen. Beiden Patienten wird beschieden, chronisch krank zu sein, das Haus nicht verlassen zu können, nicht reisefähig zu sein und der ständigen Pflege durch die Familie zu bedürfen.
Daraus folgt, dass ein Pflegebedarf nicht allein aufgrund des vorgerückten Alters gegeben war, sondern dass auch wesentliche gesundheitliche Gründe dafür vorlagen.
Die Annahme, dass ein Teil der Pflegeleistungen durch den Bf. bzw. seine Gattin erbracht wurde wird durch den Umstand erhärtet, dass sich die Wohnsitzadresse des Bf. in Polen (34-484 ZD 21b) in unmittelbarer Nähe zu jener seiner Eltern (34-484 in ZD 19) befindet, was seine diesbezügliche Darstellung, glaubhaft erscheinen lässt.

Lenneis, Jakom EStG14 § 16, Rz. 56 ABC der Werbungskosten Stichwort ,Doppelte Haushaltführung' führt als Argument für die steuerliche Berücksichtigung derartiger Kosten ua. eine besonders gelagerte Pflegenotwendigkeiten naher Angehöriger (; , 2006/13/0087), deren Mitübersiedlung unzumutbar ist (() an.
Das BFG folgt dieser Darstellung.

Daraus ergibt sich, dass die vom Bf. nachgewiesene Pflegebedürftigkeit seiner Eltern (neben der von der Gattin betriebenen Landwirtschaft), einen weiteren wesentlichen Grund darstellt, der die steuerliche Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung rechtfertigt.

Familienheimfahrten
Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz, also zwischen zwei Wohnungen. Ein entsprechender Sachverhalt ist grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen (und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird).
Da die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung gegeben sind, waren damit auch Kosten für Familienheimfahrten in Höhe des gesetzlich gesteckten Rahmens zu berücksichtigen

Höhe der steuerlich anzuerkennenden Werbungskosten
a) Begrenzung auf den Zeitraum des Bezuges steuerpflichtiger Einnahmen
Der Bf. war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum von 13. März bis 23. April und vom 24. April bis unselbstständig beschäftigt. Für die Zeiträume von 1. Jänner bis 12. März; 4. April bis 22. April und 19. Dezember bis (gesamt 100 Tage), bezog er gem. § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG 1988 steuerbefreite Einkünfte vom Arbeitsmarktservice (versicherungsmäßiges Arbeitslosengeld).

Da gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 bei der Ermittlung der Einkünfte keine Aufwendungen, die mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen abgezogen werden dürfen, sind die beantragten Aufwendungen auf Zeiten der aktiven Beschäftigung zu beschränken und sind die beantragten Werbungskosten für Zeiten der Arbeitslosigkeit (gerundet) um 3/12 zu kürzen.

b) Kosten der doppelten Haushaltsführung
Kosten der doppelten Haushaltsführung wurden vom Bf. i.H.v. € 3.543,- als Werbungskosten beantragt.
Eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage, aus der sich dieser Betrag ergibt, liegt nicht vor.
Da dem Bf. aber unzweifelhaft Kosten für die am Beschäftigungsort liegende Wohnung entstanden sind, erfolgt eine Berechnung der anteiligen Mietkosten einerseits unter Berücksichtigung der vorgelegten Belege sowie hinsichtlich der übrigen Kosten im Schätzungsweg.
In Anlehnung an die Schätzung der Kosten der doppelten Haushaltsführung des Bf. vom Vorjahr (vgl. Erkenntnis des Gz. RV/7100473/2021) geht das BFG davon aus, dass 1/5tel der Mietkosten der Wiener Wohnung (Wohngemeinschaft) von ihm getragen wurden. Die Höhe der gesamten Mietkosten betrug im Jahr 2018 € 11.358,39.
Hinsichtlich der vom Bf. zu tragenden Strom- und Gaskosten wird (mangels Vorlage entsprechender Unterlagen) der im Vorjahr entrichtete Betrag i.H.v. € 1.386,25 mit dem VPI (105,1/103,0) indexiert und im Schätzungsweg mit € 1.414,51 angenommen.
Die jährlichen Gesamtkosten für die Wiener Wohnung betrugen daher € 12.772,90 wovon auf den Bf. € 2.554,58 entfielen.
Dieser Betrag ist um die Zeiten seines Bezuges von Arbeitslosengeld (rund 3 Monate) zu kürzen und führt zu berücksichtigende Werbungskosten i.H.v. € 1.915,94.

c) Kosten für Familienheimfahrten
Was die Kosten der Familienheimfahrten betrifft, wurden vom Bf. unterschiedliche Angaben getätigt.
Mit der am vorgelegten Beschwerde wurden Aufzeichnungen über Fahrten der Monate September bis Oktober 2018 (Fahrtstrecke jeweils 405 bzw. 410 Kilometer) vorgelegt.
Nach Aufzeichnungen, die im Zuge der Beantwortung eines Ergänzungsersuchens vom beigebracht wurden, erfolgten in den Monaten März bis Dezember 2018 Familienheimfahrten im Ausmaß von 14.495 Kilometer (Fahrtstrecke jeweils 400 Kilometer).
Im Vorlageantrag vom wurden abermals Aufzeichnungen über Fahrten für die Monate April bis Dezember 2018 an den Familienwohnsitz im Ausmaß von 12.820 Kilometer vorgelegt.
Die vorgelegten Aufzeichnungen differieren hinsichtlich der Tage ebenso wie die Länge der Fahrten.
Ungeachtet der dargelegten Ungereimtheiten geht das Bundesfinanzgericht (in Anlehnung an die im Vorjahr getroffenen Erwägungen) in freier Beweiswürdigung (§ 167 BAO) von 2 Familienheimfahrten pro Monat aus, wobei angenommen wird, dass der Bf. für jede zweite Heimfahrt Mitfahrgelegenheiten (etwa durch in der Wohngemeinschaft lebenden Mitmieter polnischer Staatsangehörigkeit) genutzt hat.
Eine Kalkulation (auf das Erkenntnis des Gz. RV/7100473/2021 wird verwiesen), ergab für das Jahr 2017 Fahrtkosten in einer Höhe, die über den gemäß §§ 20 Abs. 1 Z 2 lit e i.V.m. § 16 Abs. 1 Z 6 lit d EStG 1988 steuerlich maximal als Werbungskosten zu berücksichtigenden Betrag von jährlich € 3.672,- lag.
Für 2018 war von einem gleichgelagerten Sachverhalt auszugehen. Daraus folgte, dass dem Bf. auf das Jahr 2018 bezogen für die Dauer der aktiven Beschäftigung 9/12 dieses Betrages, somit € 2.754,- als Werbungskosten zustehen.

Die steuerlich zu beachten Werbungskosten aufgrund vorliegender doppelter Haushaltsführung bzw. für Familienheimfahrten belaufen sich damit auf gesamt € 4.669,94.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Höhe der Einkommensteuer 2018 beträgt:


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2018
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
18.569,65
nach § 3 Abs. 2 EStG anzusetzen
4.114,91
Werbungskosten
-4.669,94
Gesamtbetrag d. Einkünfte
18.014,62
Pauschbetrag Sonderausgaben
-60,00
Kirchenbeitrag
-94,80
Kinderfreibeträge
-880,00
Einkommen
16.979,82
Einkommensteuer nach § 33 Abs. 1 EStG 1988
0% für 11.000,-
0,00
25% für 5.979,82
1.494,96
Steuer vor Absetzbeträgen
1.494,96
Alleinverdienerabsetzbetrag
-669,00
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
Steuer nach Absetzbeträgen
425,96
anrechenbare Lohnsteuer
-2.903,73
-0,22
festgesetzte Einkommensteuer
-2.478,00

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die gegenständliche Entscheidung der Judikatur des VwGH folgt (s.o.), war eine Revision als nicht zulässig zu erklären.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101176.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at