Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.12.2022, RV/2100818/2022

COVID-19-Ratenzahlungsmodell (Phase 2): Zum Fristablauf für die Einbringung des Antrages

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 288/2023 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/2100818/2022-RS1
Bestimmt das Gesetz, dass ein Antrag vor einem bestimmten Tag einzubringen ist, dann ist es nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts für jeden Abgabepflichtigen zu erkennen, dass ein Antrag an diesem Tag (oder danach) nicht mehr eingebracht werden kann.
RV/2100818/2022-RS2
Beim COVID-19-Ratenzahlungsmodell handelt es um eine steuerliche Begünstigung, sodass es an der Beschwerdeführerin gelegen gewesen wäre, sich bei Zweifeln im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme (so auch hinsichtlich des Fristablaufs) rechtzeitig bei der Abgabenbehörde zu erkundigen.
RV/2100818/2022-RS3
Das Bundesfinanzgericht kann nicht erkennen, dass sich aus Beschluss des LG Wiener Neustadt vom 17.12.202, 18R78/20d, eine andere Beurteilung des Wortlauts des § 323e Abs. 3 Z 3 BAO ableiten ließe, weil dort lediglich die (völlig andere) Frage beurteilt wurde, ob die (einwöchige) Frist des § 257 Abs. 3 ZPO gemäß § 126 Abs. 2 ZPO verlängert wird, wenn der letzte Tag der Frist ein gesetzlicher Feiertag ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den ***Einzelrichter*** über die Beschwerde der ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch MMag. Dr. Herbert Greiml & Mag. Dr. Christian Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 6, 8010 Graz, vom gegen den Bescheid des Finanzamts Österreich vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Ratenzahlung (§ 323e Abs. 3 BAO) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Am beantragte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsanwalt mittels FinanzOnline gemäß § 323 Abs. 2 BAO die Ratenzahlung für die Phase 2 des COVID-19-Ratenzahlungsmodells.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom wies die Abgabenbehörde den Antrag als verspätet zurück. Gemäß § 323e Abs. 3 Z 3 BAO seien Anträge für die Phase 2 des Covid-19 Ratenzahlungsmodells vor dem zu stellen. Der Antrag (vom ) sei nach dem eingebracht worden.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsanwalt mit Schreiben vom die Beschwerde und beantragte die Aussetzung der Einhebung nicht genannter Abgaben im Gesamtbetrag von 119.181,50 €. Das Bundesfinanzgericht möge - so der Beschwerdeantrag - der Beschwerde Folge geben und den Antrag als fristgerecht bestätigen. Zur Begründung brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei nur eine rechtliche Bekämpfung des Bescheides gewollt. Die Textierung "vor dem" sei jedenfalls ein Fallstrick, zumal alle bekannten Fristen in den überschaubaren Gesetzen exakt angegeben seien und nicht wie im gegenständlichen Fall unüblich. Für diese Textierung gebe es keine Begründung, außer der Verdacht (der jedoch ausdrücklich nicht erhoben werde), dass doch fiskalische Überlegungen dahinter stünden, zumal der gegenständliche Fehler mehreren Steuerpflichtigen unterlaufen sei. Der Verfassungsgerichtshof beobachte seit geraumer Zeit, dass allein die Feststellung der für die Lösung eines Falles maßgeblichen Rechtslage oftmals sehr zeitaufwendig und es darüber hinaus in vielen Fällen ausgesprochen schwierig sei, das vom Gesetzgeber Angeordnete zu verstehen. Jedenfalls seien undeutliche Formulierungen und unpräzise Rechtstexte verfassungsrechtlich problematisch. Das Recht müsse berechenbar und verständlich sein. Subtile Fristenspielereien (eine Rechtsvorschrift, die nur mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösung von Denksportaufgaben überhaupt verstanden werden könne etc.) ohne erkennbaren Grund erfüllten diese Anforderungen nicht. Unter Anwendung des Grundsatzes der Gleichheit der Besteuerung und des Grundrechtes des Eigentums sei die vorgenannte Fristnormierung verfassungswidrig und nicht anwendbar.

Mit Vorlagebericht vom legte die Abgabenbehörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht gemäß § 262 Abs. 3 BAO ohne Beschwerdevorentscheidung zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:

§ 323e Abs. 3 BAO lautet:

(3) Für die Phase 2 des COVID-19-Ratenzahlungsmodells gilt Folgendes:

1. Gegenstand des Antrags auf Ratenzahlung sind Abgabenschuldigkeiten, für die bereits die Phase 1 des COVID-19-Ratenzahlungsmodells gewährt worden ist, die aber in diesem Ratenzahlungszeitraum nicht vollständig entrichtet werden konnten, einschließlich die der Höhe nach bescheidmäßig festgesetzten Vorauszahlungen an Einkommen- oder Körperschaftsteuer, hinsichtlich derer die Zahlungstermine in der Phase 2 gelegen sind.

2. In Phase 1 des COVID-19-Ratenzahlungsmodells wurden zumindest 40% des überwiegend COVID-19-bedingten Abgabenrückstandes (Abs. 2 Z 1) entrichtet und es ist kein Terminverlust (§ 230 Abs. 5) eingetreten.

3. Der Antrag ist vor dem einzubringen.

4. Der Ratenzahlungszeitraum beträgt längstens einundzwanzig Monate.

5. Der Antragsteller hat glaubhaft zu machen, dass er den aus der Phase 1 verbliebenen Abgabenrückstand zusätzlich zu den laufend zu entrichtenden Abgaben innerhalb des beantragten Ratenzahlungszeitraumes der Phase 2 entrichten kann.

6. Innerhalb des Ratenzahlungszeitraumes kann der Abgabepflichtige einmal einen Antrag auf Neuverteilung der Ratenbeträge stellen.

Abgesehen von den Voraussetzungen für die Gewährung der Ratenzahlung ist im übrigen § 212 BAO anzuwenden.

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 323e Abs. 3 Z 3 BAO war der Antrag vor dem einzubringen. Die Beschwerdeführerin hat den Antrag am eingebracht.

Von Seiten der Beschwerdeführerin wurde in der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass die unübliche Befristung mit "vor dem anstatt bis zum" nicht eindeutig geregelt sei. Es finde sich weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Definition, ob damit der Beginn oder das Ende des Tages gemeint ist. Das Finanzamt gehe davon aus, dass die Frist mit Beginn ende. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er die eindeutige Befristung "bis zum" gewählt. Eine Rechtsprechung diesbezüglich gebe es nicht. Analog könnte die Rechtsprechung zu § 257 Abs. 3 ZPO, indem eine Frist "eine Woche vor dem" normiert sei, herangezogen werden. Das LG Wr. Neustadt sei zur Erkenntnis gelangt, dass dieser Frist der Tag "vor dem" einzurechnen ist. Demnach habe die Woche sechs Tage (LG Wiener Neustadt 18 R 78/20d). Unter Heranziehung dieser Rechtsprechung würde der Antrag fristgerecht eingebracht worden sein.

Bestimmt das Gesetz, dass ein Antrag vor einem bestimmten Tag einzubringen ist, dann ist es nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts für jeden Abgabepflichtigen zu erkennen, dass ein Antrag an diesem Tag (oder danach) nicht mehr eingebracht werden kann.

Im Übrigen handelt es sich beim COVID-19-Ratenzahlungsmodell um eine steuerliche Begünstigung, sodass es an der Beschwerdeführerin gelegen gewesen wäre, sich bei Zweifeln im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme (so auch hinsichtlich des Fristablaufs) rechtzeitig bei der Abgabenbehörde zu erkundigen

Das Bundesfinanzgericht kann auch nicht erkennen, dass sich aus Beschluss des LG Wr. Neustadt vom 17.12.202, 18R78/20d, eine andere Beurteilung des Wortlauts des § 323e Abs. 3 Z 3 BAO ableiten ließe, weil dort lediglich die (völlig andere) Frage beurteilt wurde, ob die (einwöchige) Frist des § 257 Abs. 3 ZPO gemäß § 126 Abs. 2 ZPO verlängert wird, wenn der letzte Tag der Frist ein gesetzlicher Feiertag ist. Im Übrigen war der auch kein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag (vgl. § 108 Abs. 3 BAO). Die Bestimmungen für die Phase 2 des COVID-19-Ratenzahlungsmodells wurden bereits mit dem COVID-19-Steuermaßnahmengesetz - COVID-19-StMG, BGBl. I Nr. 3/2021, normiert und die Frist für die Einbringung des Antrages mit dem 2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz - 2. COVID-19-StMG, BGBl. I Nr. 52/2021, sogar um drei Monate erstreckt. Eine kurze Frist - wie im genannten Beschluss - lag somit auch nicht vor.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung nicht vorliegt, weil die Zurückweisung des Antrages die Rechtsfolge aus dem klaren Gesetzeswortlaut war, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 323e Abs. 3 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323e Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100818.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at