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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 20.12.2022, RV/2100134/2022

Wiederaufnahme

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0006. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***Ri***, die Richterin ***Ri2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LR1*** und ***LR2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch N & N Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Schubertstraße 68, 8010 Graz, und Mag. Heinz Günther Bauer, Elisabethstraße 50b, 8010 Graz,

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer 2009 und Einkommensteuer 2009 und

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer 2010 - 2015 und zur Einkommensteuer 2010 - 2014 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ***Bf1*** (im Folgenden Bf.) betreibt ein Karosseriebau- und Handelsgewerbe.

Ab führte das Finanzamt beim Bf. eine Außenprüfung gem. § 147 BAO betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 2012 bis 2014 durch. Dazu erging am ein Bescheid über einen Prüfungsauftrag und ein mit 29. Novembert 2016 datierter Bericht gem. § 150 BAO.

Das Finanzamt stellte laut Außenprüfungsbericht fest, dass die Tätigkeit des Bf. keine Einkunftsquelle darstelle (steuerliche Liebhaberei nach § 1 Abs. 1 LVO). Hinsichtlich der Jahre 2012 und 2013 kam es zu keiner Wiederaufnahme des Verfahrens (keine Wiederaufnahmegründe), sodass das Finanzamt die Feststellungen betr. Liebhaberei (nur) in den Bescheiden betreffend das bis dahin noch nicht veranlagte Jahr 2014 traf.

Aufgrund des Bescheides über einen Prüfungsauftrag vom fand beim Bf. ab eine (weitere) Außenprüfung gem. § 147 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG für die Umsatzsteuer und Einkommensteuer der Jahre 2007 bis 2015 statt.

Dem Prüfungsauftrag ist zur Verdachtslage der Abgabenhinterziehung sowie den Gründen für die Wiederholungsprüfung folgendes zu entnehmen: "Aufgrund der plausiblen und nachvollziehbaren Lebenshaltungskostenrechnung (AS 325), besteht der Verdacht, dass ***Bf1***, geb. xxx, vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- und Wahrheitspflichten durch das Nichtoffenlegen von Einnahmen und Erträgen aus seinem Einzelunternehmen, Verkürzungen an Umsatz- und an Einkommensteuer für die Jahre 2007 - 2015 in noch festzustellender, insgesamt den Betrag von € 100.000,00 nicht übersteigender Höhe bewirkt hat, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen und er zwei weitere solche Taten schon im Einzelnen geplant bzw. bereits zwei solche Taten begangen hat und hiemit Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 iVm § 38 des Finanzstrafgesetzes ( FinStrG) begangen hat. "

Am wurde ein (neuer) Bescheid über einen Prüfungsauftrag erlassen, welcher am nachweislich zugestellt (und am im Rahmen der Schlussbesprechung unterfertigt) wurde, weil der ursprüngliche Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom die Normverbrauchsabgabe nicht umfasste. Gestützt wurde dieser Bescheid ebenfalls auf § 147 BAO und § 99 FinStrG und er umfasst die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer der Jahre 2007 bis 2015 sowie die Normverbrauchsabgabe der Jahre 2014 und 2015. Die Verdachtslage bzw. die Gründe für die Wiederholungsprüfung sind ident mit jenen des Prüfungsauftrag vom .

Laut Bericht vom schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen des Bf., weil im Zuge einer "plausiblen und nachvollziehbaren Lebenshaltungskostenrechnung" eine Unterdeckung festgestellt wurde. Zur Berechnung heißt es im Bericht:

"Die Betriebsprüfung hat auf Basis der Daten durchgeführter Kontoöffnungen, der im Mai 2019 seitens der strl. V. übergebenen Ordner für die Jahre 2012 bis 2015, der auf einen USB-Stick für das Jahr 2011 zur Verfügung gestellten Daten, der Auskünfte, die bei Versicherungen eingeholt wurden, eine sehr detaillierte Lebenshaltungskostenrechnung durchgeführt. In diese Lebenshaltungskostenrechnung, die für den Zeitraum 2007 bis 2015 durchgeführt worden ist, wurden einerseits die seitens des Stpfl. erklärten Einkünfte der verschiedenen Einkunftsquellen von Hrn. ***Bf1*** als auch die Privatentnahmen von Hrn. ***Bf1*** aus der GmbH und die nicht erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Wohnung in ***Straße*** (siehe Tz 1) angesetzt und davon wurden all jene Ausgaben in Abzug gebracht, die das Finanzamt aufgrund der Kontoöffnungen, der Buchhaltungsunterlagen, der Auskünften seitens der Versicherungen etc. ermitteln konnte.

Die Kosten für die private Lebensführung, die seitens der Verteidigung einmal mit € 300,00 pro Monat, ein anderes Mal mit € 2.000 pro Monat angesetzt worden sind, wurden seitens der BP mit € 1.500 pro Monat angenommen, da diese Höhe der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht.

Für die einzelnen Positionen der Lebenshaltungskostenrechnung wurden entsprechende Textierungen gewählt, so dass die Berechnungen nachvollziehbar sind; so wurde z.B. bei den einzelnen Prämienzahlungen, die seitens des Stpfl Versicherungen geleistet wurden, die Polizzennummer angeführt.

Auf Basis dieser auf den ermittelten Zahlungsvorgängen basierenden Lebenshaltungskostenrechnung ergibt sich für die folgenden Jahre folgende unten angeführte Fehlbeträge/Unterdeckungen, die im Zuge der Schlussbesprechung nicht geklärt werden konnten. Daraus resultierend werden für das Jahr 2010 € 151.666,67, für 2011 € 22.500,00, für 2013 € 23.333,33, für 2014 € 13.333,33 und für 2015 € 4.166,67 an Umsatz und Gewinn netto hinzugeschätzt.

Aufgrund der nach den Bestimmungen des § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführten Außenprüfung hat sich der anfängliche Verdacht, dass ***Bf1***, geb. xxx, vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- und Wahrheitspflichten durch das Nichtoffenlegen von Einnahmen und Erträgen aus seinem Einzelunternehmen, Verkürzungen an Umsatz- und an Einkommensteuer über die Jahre 2007 bis 2015 bewirkt hat als auch für die Jahre 2014 bis 2015 die Normverbrauchsabgabe nicht abgeführt hat. Die Höhe der einzelnen verkürzten Abgaben sind den einzelnen Teilziffern dieses BP-Berichtes zu entnehmen.

Durch die Nichtoffenlegung von Umsätzen und Erträgen hat der Pflichtige die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) verletzt und Abgabenverkürzungen bewirkt, da mittels Bescheiden die Umsatz- und Einkommensteuerlasten der betreffenden Jahre zu niedrig bzw. in den betreffenden Jahren zu hohe Gutschriften an Umsatz- und Einkommensteuer festgesetzt wurden.

Da jedermann klar ist, dass sämtliche Umsätze und Erträge in den Abgabenerklärungen offenzulegen sind, ist insbesondere aufgrund der Höhe der Beträge darauf zu schließen, dass der Pflichtige die Bewirkung von Abgabenverkürzungen zumindest ernstlich für möglich gehalten und in Kauf genommen hat, weshalb zumindest bedingt vorsätzliches Handeln vorliegt. Es ist daher nach § 207 Abs 2 BAO iVm § 33 Abs 1 FinStrG von hinterzogenen Abgaben auszugehen"

Die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2009 und Einkommensteuer 2009 nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom wieder auf. Als Begründung heißt es:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen { § 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden"

Die diesbezügliche Niederschrift ist mit datiert und wurde vom steuerlichen Vertreter unterfertigt und mit einem 3 seitigen Zusatz versehen.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2015 und Einkommensteuer 2010 - 2014 mit derselben Begründung wieder auf.

Der diesbezügliche Bericht, datiert mit , wurde laut Rückschein am von einer/einem Arbeitgeber/in bzw. Arbeitnehmer/in namens "Omasits" übernommen.

In der Beschwerde vom (gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2009) wandte sich der Bf. mit folgender Begründung gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens:

1. Keine Übermittlung des Prüfungsberichtes

"Die Niederschrift vom wurde dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers am persönlich ausgehändigt. Ein Prüfungsbericht gemäß § 150 BAO der entsprechend den Bestimmungen der BAO zwingend auszufertigen ist und den die belangte Behörde als Begründung für den angefochtenen Bescheid vom verwendet, wurde dem steuerlichen Vertreter, welcher über die Zustellvollmacht verfügt, bis dato noch nicht an die ausgewiesene Zustelladresse Schubertstrasse 68, 8010 Graz übermittelt.

Aus diesem Grunde verfügt der Wiederaufnahmebescheid vom gemäß § 93 BAO über keine gesetzeskonforme Begründung, da die Begründung weder schlüssig noch nachvollziehbar ist und erweist sich der Spruch des Wiederaufnahmebescheides vom mangels gesetzeskonformer Begründung als falsch.

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde verpflichtet ist, im Wiederaufnahmebescheid darüber abzusprechen warum sie ihr Ermessen (Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend USt 2009) in der von ihr gewählten Weise, nämlich das Umsatzsteuerverfahren 2009 wieder aufzunehmen, ausgeübt hat."

2. Geringfügigkeit der Auswirkungen

Hinsichtlich der Begründung, dass die steuerliche Auswirkung nicht bloß geringfügig sei, weist der steuerliche Vertreter darauf hin, dass seiner Ansicht nach eine Nachzahlung von 360,56 Euro Umsatzsteuer bzw. 1.259,09 Euro Einkommensteuer geringfügig sei.

3. Eintritt der Bemessungsverjährung:

"Die Abgabenbehörde nimmt das Umsatzsteuerverfahren 2009, das mit Bescheid vom rechtskräftig abgeschlossen wurde, mit Bescheid vom sohin außerhalb der Bemessungsverjährung von 5 Jahren wieder auf. Die Bemessungsverjährung endete am . Die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren, welche für 2009 am endete, ist auch nicht zur Anwendung zu bringen, da nach Eintritt der Bemessungsverjährung von 5 Jahren die Finanzbehörde ohne gesetzeskonforme Wiederaufnahmegründe keine gesetzeskonforme Möglichkeit mehr hat das Umsatzsteuerverfahren 2009 wieder aufzunehmen.

Bei der Ausfertigung des Wiederaufnahmebescheides am unterstellte die Finanzbehörde wohl eine verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren im Zusammenhang mit der vermeintlichen Behauptung vorsätzlich hinterzogener Abgaben, dies deshalb wohl auch da sie die Außenprüfung, wenn auch zu Unrecht gemäß § 147 BAO iVm § 99 FinStrG durchführte.

Die Vorfrage, ob die Beschwerdeführerin im Jahr 2009 tatsächlich Abgaben in der Höhe von EUR 360,56 (USt) vorsätzlich hinterzogen hat oder nicht und demzufolge die verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren zur Anwendung zu gelangen hat wurde von der Finanzbehörde bis dato nicht in gesetzeskonformer Weise beantwortet und gibt auch die Niederschrift vom (ein Betriebsprüfungsbericht wurde bis dato nicht übermittelt) keine entsprechende Auskunft darüber, ob die Finanzbehörde vorsätzlich hinterzogene Abgaben und in welcher Höhe behauptet."

4. Aufhebungsantrag des Prüfungsauftrages unerledigt

Zusätzlich sei ein Antrag betreffend des Prüfungsauftrages unerledigt:

"Unabhängig davon wurde am ein Antrag gemäß § 299 BAO eingebracht, mit dem beantragt wurde die Bescheide über einen Prüfungsauftrag vom und über einen Prüfungsauftrag vom , welche den Zeitraum 2009 beinhalteten, wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die § 299 BAO-Anträge wurden bis dato nicht rechtskräftig erledigt und bezieht sich die Niederschrift vom auf den Zeitraum 2009, der auf Bescheiden vom und beruht, die bis dato nicht rechtskräftig sind.

Es ist der Finanzbehörde nicht gestattet ein Verfahren im konkreten das Umsatzsteuerverfahren 2009 wieder aufzunehmen, ohne dass zuvor die Rechtskräftigkeit der Prüfungsbescheide vom und festgestellt wurde. Bis zur Feststellung der endgültigen Rechtskräftigkeit der vorgenannten Prüfungsbescheide ist das auf diesen Prüfungsbescheiden beruhende Prüfungsverfahren (2009) rechtswidrig und folgt schon daraus aus diesem Grunde zwingend die Rechtswidrigkeit des Wiederaufnahmebescheides der Umsatzsteuer 2009 vom ."

4. Konteneinschau ggf. unrechtmäßig (Beweisverwertungsverbot)

Weiters sei über die Frage der Rechtmäßigkeit der Konteneinschau durch das BFG nicht abgesprochen worden, was ggf. ein Beweisverwertungsverbot nach sich zöge.

5. Akteneinsicht nicht gewährt

Schließlich habe das Finanzamt dem Antrag auf Akteneinsicht nicht entsprochen. Dies sei deshalb von besonderer Nachteilhaftigkeit für die Beschwerdeführerin, da Ihr unter Verweis auf die 7-jährige Aufbewahrungspflicht Unterlagen aus dem Jahr 2009 nicht mehr zur Verfügung stünden.

In der Beschwerde vom (gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2015 und Einkommensteuer 2010 - 2014) machte der Bf. ebenfalls Rechtswidrigkeit der Bescheide aufgrund von Verfahrensmängeln geltend:

1. Keine Erledigung des Antrages gem. § 299 BAO betreffend der Prüfungsaufträge

"Die standardisierte EDV-mäßig ausgefertigte Begründung stellt keine gesetzeskonforme Begründung gem. § 93 BAO dar, der zwingend eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung für die Rechtskonformität eines Bescheides vorsieht. Ob der gesetzwidrigen nicht nachvollziehbaren und nicht schlüssigen Begründung erweist sich jeweils der Spruch der angefochtenen Bescheide als falsch.

ln der Begründung wird auf die Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung hingewiesen. Es wird aber verabsäumt bekanntzugeben, dass gem. § 299 BAO fristgerecht am 26.11,2019 beantragt wurde die Prüfungsbescheide für die Kalenderjahre 2010 bis einschließlich 2015 datiert mit und , wegen offensichtlicher Unrichtigkeit des Spruches der Prüfungsbescheide vom und , ersatzlos aufzuheben." (…)

"Ein derartiger Antrag gem. § 299 BAO bewirkt zwar keine aufschiebende Wirkung in der Weise, dass die auf den gem. § 299 BAO zur Aufhebung beantragten Prüfungen nicht abgehalten werden dürfen, dürfen aber die Ergebnisse der Prüfungen solange nicht als Grundlage für die Wiederaufnahme eines Verfahrens herangezogen werden, solange nicht rechtskräftig feststeht, dass die Prüfungsbescheide in gesetzeskonformer Weise ausgestellt wurden und daraus folgend die Prüfungen in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen abgehalten wurden. "

2. Zeitliches Auseinanderklaffen von Bescheid und Begründung

"Unabhängig davon wird in der Begründung der angefochtenen Wiederaufnahmebescheide auf einen Prüfungsbericht (ohne konkrete Zuordnung von Zeitraum und dazugehörigen Feststellungen und ohne Hinweis auf ein Datum des Prüfungsberichtes) hingewiesen. Es ist nicht Aufgabe des Steuerpflichtigen, den Prüfungsbericht zu durchstöbern und Übereinstimmungen des Prüfungsberichtes mit der Begründung und dem Spruch der Wiederaufnahmebescheide herauszusuchen. Vielmehr ist die belangte Behörde verpflichtet, die Begründung in gesetzeskonformer Weise schlüssig und nachvollziehbar, gegliedert nach Zeiträumen und Abgaben im jeweiligen Wiederaufnahmebescheid darzulegen.

Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass alle angefochtenen Wiederaufnahmebescheide mit datiert sind.

Der bei der steuerlichen Vertretung am eingelangte Bericht gem. § 150 BAO für die Zeiträume 2007 bis 2015 (USt und ESt betreffend) ist aber mit datiert.

Es entspricht nicht den gesetzlichen Bestimmungen der BAO, dass die am ausgefertigten Wiederaufnahmebescheide mit einem Bericht vom begründet werden können, da zum Zeitpunkt der Ausfertigung der angefochtenen Wiederaufnahmebescheide (!) der am ausgefertigte Betriebsprüfungsbericht noch gar nicht existiert hat. Ein am noch nicht existenter Prüfungsbericht kann nicht die Begründung für Wiederaufnahmebescheide vom darstellen."

3. Standardbegründung des Ermessens nicht ausreichend

"Der standardisierte Text der Begründung, wir zitieren "Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmässigkeitsgründen ( § 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden." stellt keine gesetzeskonforme Begründung gem. § 93 BAO für einen Wiederaufnahmebescheid gem. § 307 BAO dar. "

4. Geringfügigkeit der Auswirkungen

"Auch der Hinweis in den Begründungen, dass die steuerlichen Auswirkungen nicht als bloß geringfügig anzusehen sind, wurde standardisiert für alle angefochtenen Wiederaufnahmebescheide verwendet und trifft auf folgende Wiederaufnahmebescheide jedenfalls nicht zu, da die Beträge jedenfalls als geringfügig zu bezeichnen sind und sich im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der ESt 2015 sogar ein Guthaben ergibt. Der Wiederaufnahmebescheid vom betreffend die ESt 2015 wird aber nicht mit Beschwerde angefochten und ist im Betreff auch nicht angeführt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Wiederaufnahmebescheid zu ESt 2012
NZ EUR 1.488,00
Wiederaufnahmebescheid zu USt 2012
NZ EUR 359,99
Wiederaufnahmebescheid zu ESt 2014
NZ EUR 1.055,00
Wiederaufnahmebescheid zu USt 2015
NZ EUR 1.175,33
Wiederaufnahmebescheid zu ESt 2015
GH EUR 1.409,00

5. Verjährung der Jahre 2010, 2011 und 2012

"Des Weiteren wird beantragt die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide für die Kalenderjahre 2010,2011 und 2012 auch wegen Eintritts der Bemessungsverjährung aufzuheben.

Im Betriebsprüfungsbericht vom 25.02,2020, der als Begründung für die Wiederaufnahmebescheide vom (siehe oben) ob gesetzlicher Bestimmungen untauglich ist, verweist die Abgabenbehörde darauf, dass ob vermeintlich hinterzogener Abgaben die verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren zur Anwendung zu bringen sei, dies mit der Behauptung, dass der Beschwerdeführer es zumindest ernstlich für möglich gehalten und in Kaufgenommen hat, Abgabenverkürzungen zu bewirken.

Warum dies der Beschwerdeführer ernstlich für möglich gehalten haben soll und in Kaufgenommen haben sollteilt die Finanzbehörde bedauerlicherweise nicht mit. Sie behauptet ausschließlich bedingt vorsätzliches Handeln des Beschwerdeführers, ohne dies detailliert in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und gegliedert nach Kalenderjahr und Abgabenart zu begründen."

"Aus den vorerwähnten Ausführungen ist unseres Erachtens klar erkennbar, dass die von der Finanzbehörde behauptete verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren für vermeintlich hinterzogene Abgaben nicht zur Anwendung kommen kann, demzufolge ist die Bemessungsverjährung von 5 Jahren zur Anwendung zu bringen.

Unter Berücksichtigung der Annahme, dass die ursprüngliche Bescheiderstausfertigung und die rechtswidrig anberaumte Prüfung jeweils eine Unterbrechungshandlung darstellen und daraus folgend aus der 5-jährigen Bemessungsverjährung de facto eine 7-jährige Verjährungsfrist resultiert, sind das Jahr 2010 per , das Jahr 2011 per31.12.2018 und das Jahr 2012 per , jeweils verjährt."

6. Unzulässige Konteneinschau (RV/2300001/2019)

"Da zum gegenständlichen Zeitpunkt, d.h. am Tag der Ausfertigung der Wiederaufnahmebescheide 2010 bis einschließlich 2015 () auf Grund der anhängigen Beschwerden beim BFG noch gar nicht feststeht, ob die Finanzstrafbehörde beim Finanzamt Graz-Stadt in rechtskonformer Weise oder in rechtswidriger Weise in den Besitz der Unterlagen und Informationen auf Grund der von Ihr als unzuständige Behörde durchgeführten Konteneinschau gelangte, ist in rechtskonformer Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen derzeit zwingend davon auszugehen, dass die Abgabenbehörde (Finanzamt Graz-Stadt) zum derzeitigen Zeitpunkt (Ausfertigung der Wiederaufnahmebescheide ) und im Zeitraum während Sie die Prüfungshandlungen durchführte (04/2019 bis 11/2019) noch gar nicht im Besitz der Unterlagen und Informationen auf Grund der von der Finanzstrafbehörde Graz-Stadt als unzuständige Behörde veranlassten Konteneinschau, sein durfte bzw. noch immer nicht sein darf. " (…)

"Die Finanzstrafbehörde beim Finanzamt Graz-Stadt war gem. § 53 FinStrG in Verbindung mit 54 FinStrG niemals die berechtigte, zuständige Behörde und wird dies durch den von der Finanzbehörde bekanntgegebenen Betrag iHv. EUR 160,718,77 eindeutig bestätigt, die von Ihr veranlasste Konteneinschau rechtswirksam in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen zu beauftragen.

Demzufolge hat die Finanzstrafbehörde beim Finanzamt Graz-Stadt die im Jahr 2018 von ihr initiierte Konteneinschau in rechtswidriger Weise veranlasst, da Sie schlichtweg gem. § 53 FinStrG in Verbindung mit § 54 FinStrG nicht die zuständig Finanzstrafbehörde war und noch immer nicht ist. Daraus folgt, dass die in Ihren Gewahrsam gelangten Unterlagen in rechtswidriger Weise in Ihren Gewahrsam gelangten und Sie nicht berechtigt war diese Ihr in rechtswidriger Weise zugegangen Unterlagen an das Finanzamt Graz-Stadt weiterzugeben.

Dass Unterlagen im Zusammenhang mit der von der unzuständigen Finanzstrafbehörde Graz-Stadt veranlassten Konteneinschau an das Finanzamt Graz-Stadt weitergegeben wurden ist evident, da sich das Finanzamt Graz-Stadt im Prüfungsbericht vom (siehe Seite 7) auf eine im Dezember 2018 angeordnete Konteneinschau bezieht, deren Ergebnis Sie nachgewiesener Weise im Rahmen Ihrer Prüfung verwendete.

Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Staatsanwaltschaft Graz aufgrund des Beschlusses des OLG Graz vom 16-11.2017 mit Benachrichtigung vom 29.11,2017 das Ermittlungsverfahren gegen Herrn ***Bf1*** für die Jahre 2005 bis einschließlich 2015 gem. § 202 Abs. 1 FinStrG eingestellt hat.

Durch die Anordnung der unzuständigen Finanzstrafbehörde beim Finanzamt Graz-Stadt in derselben Causa für denselben Zeitraum, dies nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft, abermals eine Konteneinschau zu beauftragen, wurde tatsächlich der Sachverhalt der res judicata realisiert.

Ein Ermittlungsverfahren in derselben Sache zu führen und dieselben schon von der Staatsanwaltschaft geprüften Unterlagen, sowohl dem Inhalt nach als auch der Höhe nach zu verwenden, ist laut Gesetz und höchstgerichtlicher Judikatur des VwGH verboten.

Dies bedeutet die Finanzstrafbehörde beim Finanzamt Graz-Stadt hat trotz Unzuständigkeit ein von der Staatsanwaltschaft Graz am eingestelltes Ermittlungsverfahren wieder aufgenommen."

7. Verweigerte Akteneinsicht

"Trotz mehrmaliger und wiederholter fernmündlicher Versuche mit dem Finanzamt Graz-Stadt einen Termin für eine Akteneinsicht zu vereinbaren ist dies nicht gelungen, da erbetene Rückrufe nicht erfolgten und die fristgerecht eingebrachten Anträge bis dato keiner bescheidmäßigen Erledigung (z.B. Bekanntgabe warum die Akteneinsicht verweigert wird) zugeführt wurden. "

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt beide Beschwerden als unbegründet ab. Der Entscheidung legte das Finanzamt folgenden Sachverhalt zugrunde:

"Das Unternehmen ***Bf1*** wird in der Rechtsform eines Einzelunternehmens geführt, welches nicht im Firmenbuch eingetragen ist. Der Gegenstand des Unternehmens ist das Gewerbe des Karosseriebauers einschließlich Karosseriespenglers und Karosserielackierers gemäß § 94 Z. 14 GewO 1994 i.d.g.F., eingeschränkt auf den Karosseriebauer und das Handelsgewerbe und Handelsagentengewerbe gemäß § 124 Z. 10 GewO 1994 i.d.g.F., eingeschränkt auf das Handelsgewerbe. Im Jahre 2015/2016 wurde eine abgabenbehördliche Prüfung für die Jahre 2012 bis einschließlich 2014 für die Abgabenarten Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Normverbrauchsabgabe durchgeführt.

Über die Schlussbesprechung gem § 149 (1) BAO anlässlich der Außenprüfung wurde am eine Niederschrift aufgenommen. Der Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung wurde am erstellt. Am wurde ein umfangreiches Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer versandt, welches ihm nachweislich zugestellt wurde. Die darin abverlangten Unterlagen wurden nicht beigebracht und die darin gestellten Fragen nicht beantwortet. Das Ergänzungsersuchen fand im Zusammenhang mit GmbH statt. Im Zuge dieser Prüfung, die Außenprüfung des Einzelunternehmens ***Bf1*** war zum damaligen Zeitpunkt bereits abgeschlossen, kristallisierte sich heraus, dass die Lebenshaltungskostenrechnung eine hohe Unterdeckung ergab. Auf Grund der plausiblen und nachvollziehbaren Lebenshaltungskostenrechnung bestand der Verdacht, dass der Beschwerdeführer vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch das Nichtoffenlegen von Einnahmen und Erträgen aus seinem Einzelunternehmen, Verkürzungen an Umsatz- und an Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis einschließlich 2015 bewirkt hat. Am beauftragte die zuständige Finanzstrafbehörde das Finanzamt Graz-Stadt eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG für die Jahre 2007 bis einschließlich 2015 durchzuführen.

Am wurde ein Bescheid über einen Prüfungsauftrag nach § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG ausgestellt. Dieser Prüfungsauftrag wurde am in den Räumlichkeiten der zuständigen Finanzstrafbehörde durch die strl. V. unterfertigt. Am fand durch die Finanzstrafbehörde die Einvernahme des Beschuldigten im Beisein der strl. V. und ***3*** u. ***4*** als Vertrauenspersonen statt. Der Beschuldigte entschlug sich der Aussage. Die Fragen (hauptsächlich zu den Vorgängen auf den Konten) wurden trotzdem gestellt und ins Protokoll aufgenommen, blieben aber unbeantwortet. Der Termin für die Schlussbesprechung wurde einvernehmlich mit im Finanzamt vereinbart, wobei auch die Besprechungspunkte bekanntgegeben wurden. Die Übernahme wurde mit bestätigt (RSb-Brief). Am wurde die Schlussbesprechung durchgeführt, bei der seitens des Beschwerdeführers ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt wurde.

Im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung erfolgte mittels einer detaillierten Lebenshaltungskostenrechnung eine Hinzuschätzung hinsichtlich der Umsatzsteuer 2009-2015 sowie der Einkommensteuer 2009-2014. Die Verfahren betreffend die Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2009 wurden am sowie betreffend die Umsatzsteuer 2010-2015 und die Einkommensteuer 2010-2014 am bescheidmäßig gemäß § 303 (1) lit b BAO wiederaufgenommen, wobei in der Begründung auf die Feststellungen in der Niederschrift sowie dem Betriebsprüfungsbericht verwiesen wurde. Die Niederschrift wurde dem Beschwerdeführer am ausgehändigt. Die Zustellung des Prüfberichtes erfolgte am ."

In ihrer rechtlichen Begründung setzte sich das Finanzamt mit den einzelnen Beschwerdepunkten auseinander und vertrat unter Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung die Auffassung, dass die Bescheide durch Außenprüfungsbericht und Niederschrift ausreichend begründet sind, das Ermessen gesetzeskonform geübt wurde (auch insofern, als bei einem Nachforderungsbetrag von insgesamt 158.665,59 Euro weder absolut noch relativ Geringfügigkeit gegeben sei), die Bemessungsverjährung aufgrund der verlängerten Frist wegen Hinterziehung (was auch ausreichend begründet sei) nicht eingetreten sei, der Antrag auf Aufhebung der Prüfungsaufträge keine aufschiebende Wirkung habe, die Finanzstrafbehörde in eigener Zuständigkeit alle zur Beweissicherung erforderlichen Maßnahmen wie die Konteneinschau getroffen habe und dass die Akteneinsicht am erfolgt sei.

Dem Vorlageantrag vom 25.Februar 2021 schickte der steuerliche Vertreter voraus, dass am der ausgefertigte BP-Bericht zugestellt worden sei.

Inhaltlich verwies der steuerliche Vertreter auf die bereits eingebrachten Beschwerden. Ergänzend brachte er vor:

Kein Bescheidcharakter des als Beschwerdevorentscheidung bezeichneten Schriftstückes

"Dem Schriftstück, bezeichnet mit BVE vom , per Post eingelangt am , kommt aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen der BAO kein Bescheidcharakter zu.

Die gegenständliche BVE (tatsächlich handelt es sich nur um ein Schriftstück, dass mit Beschwerdevorentscheidung bezeichnet ist) wurde nicht als elektronischer EDV-unterstützter Bescheid ausgefertigt (es scheint im Finanz Online System in den Steuerakten der BF auch nicht auf), sondern handelt es sich bei der gegenständlichen BVE (Schriftstück, dass nur mit Beschwerdevorentscheidung bezeichnet ist) um die Ausfertigung eines manuellen Schriftstückes (7 Seiten).

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen der BAO, wir verweisen ausdrücklich auf § 96 BAO, hat eine von der belangten Behörde manuell erstellte schriftliche Ausfertigung die im § 96 BAO angeführten Kriterien zu beinhalten, um Bescheidcharakter zu erlangen.

Das gegenständliche Schriftstück (mit Beschwerdevorentscheidung bezeichnet) vom verfügt nicht über die Unterschrift derjenigen Person, die die Erledigung, das heißt Ausfertigung des Schriftstückes vom "bezeichnet mit Beschwerdevorentscheidung" veranlasst bzw. zu verantworten hat.

Auch der gem. § 96 BAO anstatt der Unterschrift geforderte Beglaubigungsvermerk oder eine elektronische Signatur ist auf dem Schriftstück vom ebenfalls nicht ersichtlich."

Mehrere Prüfberichte

Es gebe zwei Prüfberichte, nämlich einen vom und einen vom , wobei es dem Bf. nicht zumutbar sei, zu überlegen, welcher Bericht einschlägig sei. Überdies scheine in den BP-Berichten eine "dritte" Lebenshaltungskostenrechnung auf, die andere Ziffern als die beiden anderen aufweise.

"Es gibt keine wie immer geartete schlüssige und nachvollziehbare Begründung in den BP Berichten, in der Niederschrift der Schlussbesprechung vom und auch nicht in den Wiederaufnahmebescheiden, warum die Finanzbehörde gerade jene Lebenshaltungskostenrechnung verwendet, die sie in den BP Berichten anführt und die eine Unterdeckung von EUR 259.866,49 der Lebenshaltungskosten ausweist. (…)

Die Schätzungen gem. § 184 BAO, wie sie in den BP Berichten angeführt sind, sind mangels konkreter Bekanntgabe der Schätzungsmethode rechtswidrig und daraus folgend unzulässig.

Ausschließlich Sicherheitszuschläge sind von der Finanzbehörde nicht zu begründen. Die Finanzbehörde verweist aber in ihren Berichten nicht auf Sicherheitszuschläge und sind die von der Finanzbehörde angenommenen Beträge schon ob deren Höhe untauglich Sicherheitszuschläge darzustellen. (…)

Die vom Prüfer (der Name des Prüfers ist dem Bescheid über einen Prüfungsauftrag zu entnehmen) ausgefertigten Lebenshaltungskostenrechnungen wurden somit in gesetzwidriger Weise und ohne Vorliegen eines Prüfungsauftrages für den Beschwerdeführer erstmals schon im Kalenderjahr 2017, ohne jegliche Rechtsgrundlage und bedauerlicherweise auch tatsachen- und sachverhaltswidrig erstellt.

Der Prüfer hat nachweisbar vor dem Prüfungsbeginn am 06.05,2019 mehrere Lebenshaltungskostenrechnungen angefertigt und umfassen diese Lebenshaltungskostenrechnungen nicht nur unterschiedliche Zeiträume, sondern haben auch unterschiedliche beträchtlich voneinander abweichende Inhalte (siehe Beilage 3, Beilage S und Beilage 11)."

"Aufgrund einer gesetzwidrigen und ohne rechtliche Grundlage vom Prüfer ausgefertigten Lebenshaltungskostenrechnung für die Jahre 2007 bis 2015 hat Herr Mag. ***2*** mit Schreiben vom erst angeordnet für den BF eine Prüfung gem. § 147 BAO iVm § 299 FinStrG für die vorgenannten Jahre durchzuführen. "

Die Einwendungen zur Lebenshaltungskostenrechnung betreffen insbesondere auch die nach Ansicht des Bf. falsche Berechnung der Lebenshaltungskosten.

Gesetzwidrige Erstellung der Lebenshaltungskostenrechnung

"Daraus folgt, dass der Prüfer schon in einem Zeitraum, in dem kein Bescheid über einen Prüfungsauftrag für unseren Klienten vorlag (unabhängig davon, ob man den - Datum des Prüfungsbescheides oder den - Übergabe des Prüfungsbescheides an die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers) als Prüfungsbeginn beurteilt, schon Jahre und Monate zuvor ohne gesetzlichen Auftrag und gesetzliche Legitimation Lebenshaltungskostenrechnungen für den Beschwerdeführer ausfertigte. Auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen ist aber zweifelsfrei der der Beginn der Prüfung und vermerkt dieser der Prüfer auch auf Seite 2 des Bescheides über einen Prüfungsauftrag (siehe Beilage 2). (…)

Die gesetzwidrige Ausfertigung einer Lebenshaltungskostenrechnung stellt keinesfalls einen Wiederaufnahmegrund auf der Tatsachen- und Sachverhaltsebene dar und wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die höchstgerichtliche Judikatur des VwGH hingewiesen."

"Dass die belangte Behörde eine gesetzwidrig erstellte Lebenshaltungskostenrechnung als Beweis im Rahmen der freien Beweiswürdigung, sohin als Beweis abstrakt beurteilt, ist unzulässig (siehe ).

Eindeutig gegen die Wiederaufnahme eines Verfahrens sprechen rechtswidrig erlangte Beweismittel!!! (siehe Kommentar zu § 303 BAO Ellinger, Sutter, Urtz- Stand , rdb.at, siehe Rz 31) 2. Absatz)"

Im Vorlagebericht ergänzte das Finanzamt den festgestellten Sachverhalt wie folgt:

"Mit Änderung des Zustellgesetzes und des E-Government-Gesetzes sind Unternehmen seit verpflichtet, an der elektronischen Zustellung teilzunehmen. Die elektronische Zustellung für Erledigungen der FV umfasst nunmehr auch Bescheide und Dokumente, die bisher in Papierform zugestellt wurden. Bei der Beschwerdevorentscheidung vom handelt es sich um einen solchen händisch erstellten, aber elektronisch abgefertigten Bescheid, welcher über den Ausgangskanal Databox zugestellt wurde. Die Beschwerdevorentscheidung wurde nachweislich am in die Databox des Zustellungsbevollmächtigten rechtskräftig zugestellt und zwar um 10:46 Uhr und am um 07:37 Uhr wurde diese gelesen (das entsprechende Datenprotokoll ist unter den vorgelegten Aktenteilen unter "Zustellung_FON_Auswertung....." zu finden). Die händisch erstellten, aber elektronisch abgefertigten Bescheide (wie auch es auch die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung einer ist), werden im Zuge der Versendung mit einer Amtssignatur versehen und müssen daher weder händisch unterfertigt noch mit einem händischen Amtssiegel versehen werden. Dementsprechend wurde die via Databox zugestellte Beschwerdevorentscheidung wie vorgesehen elektronisch unterfertigt (siehe dazu die übermittelte BVE, letzte Seite). (…)

Zu den Vorhaltungen, dass die Kontenöffnung rechtswidrig war, darf auf das vorgelegte Erkenntnis des verwiesen werden. (…)

Da dies der Stpfl. bzw. die strl. V. ablehnte, war die FV gezwungen im Sinne der objektiven Sachverhaltsermittlung die notwendigen Informationen von dritter Seite zu erlangen. Entsprechend oft MUSSTEN somit die Lebenshaltungskostenrechnung angepasst werden. Aufgrund der durchgeführten Kontenöffnung (im Zuge dessen die FV z.B. auch dem Umstand Gewahr wurde, dass der Bf. jahrelang seine Mieteinkünfte nicht versteuerte) konnte die Lebenshaltungskostenrechnung dann sehr exakt durchgeführt werden. Im gegenständlichen Fall ist die Abgabenbehörde ihrem gesetzlichen Auftrag (u.a. Gleichmäßigkeit der Besteuerung) nachgekommen, indem sie iSd objektiven Sachverhaltsermittlung mangels Mitwirkung des Abgabepflichtigen eine Lebenshaltungskostenrechnung erstellt und diese dann - unter Einhaltung § 115 (2) BAO - dem Bf. vorgehalten und im Zuge des Verfahrens entsprechend angepasst hat. Die Behauptung des Bf. in der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Finanzverwaltung im Rahmen der Bestimmungen der BAO sei eine Rechtswidrigkeit gelegen, würde das System an sich, insbesondere das Prinzip der Amtswegigkeit des Finanzverfahrens, ad absurdum führen. Inwiefern es für das gegenständliche Beschwerdeverfahren von Relevanz sein soll, ob der Prüfer an einem Tag, an dem für 9:00 Uhr eine Besprechung angesetzt ist, um 6:00 Uhr mit seiner Tätigkeit beginnt, erschließt sich der Abgabenbehörde daher nicht."

Auf eine Anfrage des BFG hin legte das Finanzamt den Außenprüfungsbericht vom vor. Der Bericht ist ident mit dem des und wurde offenbar EDV-automatisch mit einem neuen Datum versehen. Finanzamtsintern liegt (nur) ein Zustellnachweis für den Bericht vom vor, weshalb das Finanzamt davon ausgeht, dass dieser Bericht die Begründung der angefochtenen Bescheide ist.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am legte der steuerliche Vertreter seine bisher schriftlich geäußerte Rechtsansicht ausführlich dar.

Unstimmigkeiten hinsichtlich der EDV-technischen Zustellung der Beschwerdevorentscheidung konnten mit dem Finanzamt (durch Vergleich der Original-Unterlagen) geklärt werden, sodass der steuerliche Vertreter den Bf. dadurch ausdrücklich nicht als beschwert erachtete.

Der steuerliche Vertreter hob in seinen Ausführungen besonders den Umstand hervor, dass dem Bf. bereits zu Beginn der Außenprüfung am eine Lebenshaltungskostenrechnung übergeben wurde, welche laut (nunmehr aktenkundigem) Emailverkehr zwischen dem Prüfer und einem Organ der Finanzstrafbehörde bereits am existierte. Das Finanzamt sei nicht berechtigt gewesen, dieses Beweismittel "Lebenshaltungskostenrechnung" zu erstellen, da nur der Prüfer berechtigt sei, Prüfungshandlungen vorzunehmen.

Aufgrund der erst am erfolgten Akteneinsicht (beantragt am ) sei ihm erstmals ein Schriftstück über den Prüfungsablauf zur Kenntnis gelangt. In diesem seien weitere, im Zuge der Außenprüfung erstellte, aktenkundige Lebenshaltungskostenrechnungen nicht angeführt. Unter Zusammenschau der Unstimmigkeiten sei klar, dass die Lebenshaltungskostenrechnung(en) rechtswidrig erstellt worden seien. Diesen Umstand habe das Finanzamt nicht in sein Ermessen einfließen lassen.

Auch seien dem Außenprüfungsbericht die Gründe für die Wiederaufnahme der Verfahren nicht zu entnehmen, da der Bericht § 303 Abs 1 BAO zitiere, ohne auf die lit a, b oder c zu verweisen. Man könne nur mutmaßen, dass die Wiederaufnahmen auf § 303 Abs 1 lit a BAO gestützt würden, wobei die BVE von neuen Tatsachen ausginge.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Finanzamt hat beim Bf. laut Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom ab eine Außenprüfung gem. § 147 betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Normverbrauchsabgabe der Jahre 2012 bis 2014 durchgeführt. Nur für das Jahr 2014 wurde die Feststellung getroffen, dass die Tätigkeit des Bf. als Liebhaberei zu beurteilen sei.

Laut Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom hat das Finanzamt ab neuerlich eine Außenprüfung durchgeführt, diesmal betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer der Jahre 2007 bis 2015. Die Außenprüfung erfolgte gem. § 147 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG, wobei im Prüfungsauftrag der Verdacht einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung dargelegt wurde.

Am wurde ein (neuer) Bescheid über einen Prüfungsauftrag erlassen, welcher am nachweislich zugestellt (und am im Rahmen der Schlussbesprechung nochmals unterfertigt) wurde, weil der ursprüngliche Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom die Normverbrauchsabgabe nicht umfasste. Gestützt wurde dieser Bescheid ebenfalls auf § 147 BAO und § 99 FinStrG und er umfasst die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer der Jahre 2007 bis 2015 sowie die Normverbrauchsabgabe der Jahre 2014 und 2015. Die Verdachtslage bzw. die Gründe für die Wiederholungsprüfung sind ident mit jenen des Prüfungsauftrag vom .

Am hat der Bf. einen Antrag gemäß § 299 BAO eingebracht, mit dem beantragt wurde, die Bescheide über einen Prüfungsauftrag vom und über einen Prüfungsauftrag vom wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen.

Im Rahmen der Außenprüfung im Jahr 2019 stellte das Finanzamt fest, dass im Zuge einer "plausiblen und nachvollziehbaren Lebenshaltungskostenrechnung" eine Unterdeckung gegeben sei und nahm eine Schätzung der Einkommenssteuer und der Umsatzsteuer vor.

Am fand darüber eine Schlussbesprechung statt. Die diesbezügliche Niederschrift wurde nachweislich dem steuerlichen Vertreter ausgefolgt (Bestätigung durch Unterfertigung).

Die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2009 und Einkommensteuer 2009 nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom wieder auf. Begründend wurde auf die Niederschrift und auf den Außenprüfungsbericht verwiesen.

Am wurde der Außenprüfungsbericht erstellt. Dieser ist laut Eingangsstempel am beim steuerlichen Vertreter eingelangt.

Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2015 und Einkommensteuer 2010 - 2014 wieder auf. Begründend wurde auf die Niederschrift und auf den Außenprüfungsbericht verwiesen.

Am wurde der Bericht nochmals wort- und zahlenident erstellt und dem steuerlichen Vertreter laut Zustellnachweis am zugestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt beide Beschwerden ab. Die Beschwerdevorentscheidung wurde via Finanzonline der steuerlichen Vertretung am um 10:46 Uhr in die Databox des Zustellungsbevollmächtigten zugestellt und von diesem am um 07:37 Uhr gelesen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt wurde in der mündlichen Verhandlung am verlesen und von den Parteien nicht bestritten.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den aktenkundigen Bescheiden und Zustellnachweisen. Die Bescheidbegründung ist im Verfahrensgang zum Teil wörtlich zitiert.

Die Zustellung ergibt sich aus den Zustellnachweisen bzw. den Eingangsstempeln der steuerlichen Vertretung.

3. Rechtliche Beurteilung

Im Beschwerdefall ist ausschließlich zu prüfen, ob die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren infolge der angeführten Mängel rechtswidrig sind.

Die inhaltliche Richtigkeit der Sachbescheide zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer wird in einem andere Verfahren (beim BFG anhängig unter RV/2100370/2022) aus anderen (formalen) Gründen bekämpft und ist in diesem Verfahren daher nicht streitgegenständlich.

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid, als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Berufung bekämpft, so ist nach der auch für das Beschwerdeverfahren sinngemäß geltenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (vgl. z. B. ).

"Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte" (§ 303 Abs 1 BAO).

Insgesamt beantragt der Bf., die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren ersatzlos aufzuheben, weil sie mit verschiedenen Mängeln behaftet seien. Die Mängel werden im Folgenden einzeln dargestellt.

3.1. Keine Beschwerdevorentscheidung

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten (§ 264 Abs 1 BAO).

Liegt keine Beschwerdevorentscheidung vor, so ist der Vorlageantrag zurückzuweisen (vgl § 264 Abs 4 lit e BAO).

Im Beschwerdefall wird die rechtliche Existenz der Beschwerdevorentscheidung deshalb in Frage gestellt, weil es sich bei dem als Beschwerdevorentscheidung bezeichneten Schriftstück nicht um einen als elektronischer EDV-unterstützter Bescheid handle (er scheine im Finanz Online System in den Steuerakten des Bf auch nicht auf), sondern um die Ausfertigung eines manuellen Schriftstückes, das nicht unterschrieben (bzw. mit Beglaubigungsvermerk oder elektronischer Signatur versehen sei) und daher nicht rechtsgültig sei.

Dem Vorlagebericht bzw. den vorgelegten Aktenteilen ist dazu zu entnehmen, dass die Beschwerdevorentscheidung am händisch erstellt, aber elektronisch abgefertigt wurde. Diese händisch erstellte, aber elektronisch abgefertigte Beschwerdevorentscheidung wurde im Zuge der Versendung mit einer Amtssignatur versehen.

Sie wurde laut Datenprotokoll über den Ausgangskanal "Databox" nachweislich am um 10:46 Uhr in die Databox des Zustellungsbevollmächtigten zugestellt und am um 07:37 Uhr gelesen.

Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, wozu jedenfalls auch Ausfertigungen in Form von mit einer Amtssignatur gemäß § 19 E-Government-Gesetz versehenen elektronischen Dokumenten zählen, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt. Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen erfüllen (§ 96 Abs 2 BAO).

Aufgrund des § 96 Abs 2 BAO stellt die Beschwerdevorentscheidung ein mit einer Amtssignatur versehenes elektronisch erstelltes Dokument dar, das laut Datenprotokoll rechtswirsam zugestellt wurde. Der Vorlageantrag wurde somit richtigerweise gestellt und die Beschwerden sind vom BFG zu erledigen.

Im Übrigen hat der steuerliche Vertreter diesen Punkt im Rahmen der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt.

3.2. Keine rechtmäßige Bescheidbegründung - Außenprüfungsbericht

Die Auffassung des Bf., die Wiederaufnahmebescheide könnten mangels Begründung keine rechtlichen Wirkungen entfalten, ist unzutreffend, da es hinsichtlich der maßgebenden Wirkungen eines Bescheides allein auf dessen Spruch ankommt ().

Auch ein unbegründeter oder mangelhaft begründeter Bescheid ist anfechtbar und erwächst ohne Anfechtung (Beschwerde) in Rechtskraft, es sei denn, der Lauf der Beschwerdefrist wird durch einen Antrag iSd § 245 Abs 2 BAO oder § 245 Abs 3 BAO gehemmt ().

In sämtlichen Bescheiden heißt es begründend (auszugsweise):

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind "

a) Zustellung Bericht(e)

Während ursprünglich behauptet wurde, der Prüfbericht sei überhaupt nicht rechtmäßig zugestellt worden, wurde diese Behauptung im Vorlageantrag nicht wiederholt bzw. wird ihr widersprochen:

Laut Vorlageantrag wurden nämlich zwei Berichte zugestellt, ein mit datierter Bericht betreffend Umsatzsteuer 2007 - 2015, Einkommensteuer 2007 - 2015 und Normverbrauchsabgabe 2014 - 2015 (der laut Finanzamt die Begründung für die angefochtenen Bescheide darstellt) und ein inhaltlich identer Bericht, der mit datiert ist und laut Angaben in der Beschwerde der mit Zustellungsvollmacht ausgestatteten steuerlichen Vertretung (die zunächst die Zustellung an den Bf. moniert hat) am zugegangen ist.

Warum zwei Berichte erstellt und zugestellt wurden, konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden. Der Vertreter des Finanzamtes geht davon aus, dass beim neuerlichen Ausdruck des Berichtes das Datum EDV-automatisch aktualisiert wurde.

Da beide "Berichte" wortident sind und auch die Besteuerungsgrundlagen in derselben ziffernmäßigen Höhe ausgewiesen sind, ist davon auszugehen, dass es sich bei dem "Bericht vom " um eine Zweitausfertigung handelt, die möglicherweise deshalb ausgefertigt wurde, um sie der steuerlichen Vertretung zuzustellen.

Der Bf. musste dementsprechend auch keine unzumutbaren Überlegungen anstellen, welcher Bericht denn einschlägig sei.

Nachweislich wurde die Niederschrift der steuerlichen Vertretung anlässlich der Schlussbesprechung am ausgefolgt und der Bericht datiert mit laut Rückschein des Finanzamtes am , der Bericht datiert mit laut Eingangsstempel der steuerlichen Vertretung am zugestellt.

Die in den Bescheiden angekündigte Begründung ist dem Bf. damit jedenfalls zugegangen.

b) Zeitliches Auseinanderklaffen von Bescheid und Begründung

Der Bf. vertritt die Auffassung, der Bericht entspräche als Begründung nicht den Vorschriften der BAO, weil er zu einem anderen Datum erstellt worden sei, als die Bescheide.

Die Begründung eines Bescheides kann durch Verweis auf die der Partei zugegangenen Schriftstücke (zB Betriebsprüfungsbericht) erfolgen, sofern im Bescheid darauf Bezug genommen wird (; vgl. auch ).

Der Gesetzgeber hat für den Fall, dass die Begründung eines Bescheides gesondert ergeht (beispielsweise in Form des Betriebsprüfungsberichtes § 245 Abs 1 BAO), Vorsorge getroffen: Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist gemäß § 245 Abs 1 zweiter Satz BAO nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt.

Der Gesetzgeber hat damit nicht nur geregelt, dass die Begründung eines Bescheides auch einem anderen Schriftstück entnommen werden kann, sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass Bescheid und Begründung nicht zum selben Zeitpunkt erfolgen müssen. Der Rechtsschutz des Bescheidadressaten ist im Fall der Begründung mittels eigenen Schriftstückes durch die für ein solches Verhalten der Abgabenbehörde Vorsorge treffenden Bestimmungen des § 245 Abs 1 zweiter Satz BAO gewährleistet ().

c) Standardbegründung

Der Bf. erachtet die Begründung "Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmässigkeitsgründen ( § 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden " als unzureichend.

Die Begründung im Bescheid ist in Zusammenhang mit der Niederschrift und dem Prüfbericht zu lesen, zumal ja in den Bescheiden auf diese verwiesen wird.

Im Prüfbericht wird dargelegt, von welchem Sachverhalt die Abgabenbehörde aufgrund welcher Beweisergebnisse ausgegangen ist. Diese Feststellungen finden sich auch in der Niederschrift. Im Prüfbericht ebenso enthalten ist eine rechtliche Subsumtion sowie eine Darlegung der Gründe für die Schätzungsberechtigung gemäß § 184 BAO und die herangezogene Schätzungsmethode. Auch auf die Vorfrage betreffend die Feststellung, dass es sich im gegenständlichen Fall um hinterzogene Abgaben handelt, wurde im Prüfbericht eingegangen.

In Zusammenspiel von Bescheidbegründung, Niederschrift und Prüfbericht sind damit alle für einer Begründung iSd § 93 BAO erforderlichen Bestandteile gegeben.

d) Fehlerhafte Zitierung von § 303 BAO

Die Wiederaufnahme erfolgt laut Bericht "unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung".

Aus dem Bericht in seiner Gesamtheit ergibt sich eindeutig, dass das Finanzamt eine Schätzung anhand der Lebenshaltungskostenrechnung, die nach den berechtigten Einwendungen des Bf. im Rahmen der Außenprüfung erstellt wurde, vorgenommen hat. Diese Tatsache war dem Finanzamt genauso wenig bekannt wie der Umstand, dass der Bf. eine Wohnung vermietet hat.

Bei einem solchen ausführlichen Bericht, dem auch ein langes Ermittlungsverfahren vorausgegangen ist (eingeflossen ist laut Bericht auch eine Beschuldigteneinvernahme vom sowie Ergänzungsersuchen an Versicherungen und die Kärntner Landesregierung. Die Übermittlung von Besprechungspunkten für die Schlussbesprechung am erfolgte am ) ist es nicht notwendig, die richtige lit. des § 303 BAO zu zitieren, wenn aus dem Gesamtzusammenhang die Gründe erkennbar sind (was im Beschwerdefall so ist).

e) Fehlerhafte Ermessensübung - "rechtswidrig erlangte Beweismittel"

Nach Ansicht des steuerlichen Vertreters stellt die "Lebenshaltungskostenrechnung" ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel dar, da das Finanzamt eine solche bereits am vorgenommen habe. Da nur der im Prüfungsauftrag genannte Prüfer berechtigt sei, Prüfungshandlungen vorzunehmen, sei die Erstellung einer Lebenshaltungskostenrechnung durch ein anderes Organ des Finanzamtes unzulässig. Die Verwertung eines unrechtmäßig erlangten Beweismittels sei ins Ermessen einzubeziehen, was nicht erfolgt sei.

Dazu ist anzumerken, dass es Organen der Finanzverwaltung nach den Vorgaben der BAO nicht verboten ist, auch im Innendienst Überlegungen über die Richtigkeit von Abgabenerklärungen anzustellen.

Im Beschwerdefall diente die dem Bf. im Zuge des Beginns der Außenprüfung übergebene Lebenshaltungskostenrechnung überdies nur dazu, den Verdacht einer Abgabenhinterziehung zu untermauern. Als Grundlage für die Schätzung diente die im Zuge der Außenprüfung unter Berücksichtigung der Einwendungen des Bf. erstellte Lebenshaltungskostenrechnung, die von anderen Beträgen ausgeht. Diese Rechnung wurde vom im Prüfungsauftrag genannten Organ unter Wahrung des Parteiengehörs erstellt und kann demzufolge auch nach der Argumentation des steuerlichen Vertreters nicht rechtswidrig sein.

Aus diesem Grund war das Ermessen diesbezüglich nicht zu begründen.

f) Fehlerhafte Ermessensübung - Geringfügigkeit der Auswirkungen

Ziel jeder Wiederaufnahme ist es, ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis zu erzielen ( B 2/96). Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben ist (vgl. beispielsweise ).

Gegen eine Wiederaufnahme kann die Geringfügigkeit der Auswirkungen, eine Unbilligkeit, der Grundsatz von Treu und Glaube oder ein Missverhältnis der Auswirkungen sprechen (vgl Ritz, BAO6 § 303 Tz 71ff).

Der Bf. vermeint, das Ermessen, die steuerlichen Auswirkungen könnten auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden, sei unrichtig geübt worden, da die steuerlichen Auswirkungen im Jahr 2009 (360,56 Euro Umsatzsteuer bzw. 1.259,09 Euro Einkommensteuer) im Jahr 2012 (359,99 Euro Umsatzsteuer bzw. 1.488 Euro Einkommensteuer), im Jahr 2014 (1.055 Euro Einkommensteuer) und im Jahr 2015 (1.175,33 Euro Umsatzsteuer bzw. ein Guthaben von 1.409 Euro Einkommensteuer) geringfügig seien.

Eine Geringfügigkeit der Auswirkungen ist dann gegeben, wenn die betragsmäßige Änderung der Abgabenhöhe weder absolut, noch relativ gering ist (). Zur Geringfügigkeit hat der VwGH beispielsweise entschieden, dass der Betrag von 746 Euro nicht mehr als absolut geringfügig anzusehen ist ().

Überdies ist das Gewicht eines Wiederaufnahmsgrundes, der sich auf mehrere Jahre auswirkt, in der Regel nicht je Verfahren, sondern in seiner Gesamtheit zu beurteilen ( unter Verweis auf Ritz, BAO3, § 303 Tz 41; )

Der Verwaltungsgerichtshof hat immer wieder ausgesprochen, dass bei mehreren Verfahren die steuerlichen Auswirkungen nicht je Verfahren, sondern insgesamt zu berücksichtigen sind ( unter Verweis auf und ), was im Streitfall schon allein deswegen geboten ist, weil es sich bei den neu hervorgekommenen Tatsachen um gleich gelagerte Fakten handelt.

Der Nachforderungsbetrag von gesamt 158.665,59 Euro ist weder absolut noch relativ geringfügig, weshalb das Finanzamt sein diesbezügliches Ermessen richtig geübt hat.

Bei der Ermessensübung hat das Finanzamt weiters das steuerliche Verhalten des Bf. (offensichtliche Abgabenverkürzungsabsicht, wenig Bereitschaft zur Aufklärung beizutragen) berücksichtigt, woraus sich ergibt, dass die Wiederaufnahme auch nicht unbillig ist.

3.3. Eintritt der Bemessungsverjährung 2009 - 2012 - Abgabenhinterziehung

Der Bf. beanstandet die Anwendung der 10-jährigen Verjährungsfrist wegen hinterzogener Abgaben, da das Finanzamt nur behauptet und nicht begründet habe, dass der Bf. es zumindest ernstlich für möglich gehalten und in Kaufgenommen habe, Abgabenverkürzungen zu bewirken.

Gemäß § 207 Abs 2 zweiter Satz beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Abgaben an Umsatzsteuer und Einkommensteuer nicht fünf, sondern zehn Jahre. Der Zweck der Verjährungsbestimmungen liegt darin, dass infolge Zeitablaufes Rechtsfriede eintritt und dass Beweisschwierigkeiten und Fehler in der Sachverhaltsermittlung, die insbesondere durch ein der Behörde zuzurechnendes Verstreichenlassen längerer Zeiträume entstehen, vermieden werden (vgl. Ritz, BAO5 § 207 Tz 5).

Hatte aber der Abgabengläubiger infolge Abgabenhinterziehung keine Möglichkeit, das Bestehen seines Anspruches zu erkennen, so entspricht es dem Sinn des Instituts der Verjährung, dass die Durchsetzung der hinterzogenen Abgaben erst nach Ablauf einer längeren Frist unzulässig wird ( unter Verwies auf Ritz, BAO5 § 207 Tz 14).

Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus (, , ).

Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (, , jeweis unter Verweis auf ).

Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen ( unter Verweis auf ; ; ; ; und 0283; ).

Das Finanzamt hat die Frage der Abgabenhinterziehung im Prüfbericht wie folgt begründet:

"Durch die Nichtoffenlegung von Umsätzen und Erträgen hat der Pflichtige die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§119 BAO) verletzt und Abgabenverkürzungen bewirkt, da mittels Bescheiden die Umsatz- und Einkommensteuerlasten der betreffenden Jahre zu niedrig bzw. in den betreffenden Jahren zu hohe Gutschriften an Umsatz- und Einkommensteuer festgesetzt wurden.

Da jedermann klar ist, dass sämtliche Umsätze und Erträge in den Abgabenerklärungen offenzulegen sind, ist insbesondere aufgrund der Höhe der Beträge darauf zu schließen, dass der Pflichtige die Bewirkung von Abgabenverkürzungen zumindest ernstlich für möglich gehalten und in Kauf genommen hat, weshalb zumindest bedingt vorsätzliches Handeln vorliegt.

Es ist daher nach § 207 Abs 2 BAO iVm § 33 Abs 1 FinStrG von hinterzogenen Abgaben auszugehen"

In der Beschwerdevorentscheidung hat das Finanzamt die Hinterziehung von Abgaben wiederholend damit begründet, dass "der Beschwerdeführer die objektive Tatseite des § 33 Abs 1 iVm Abs 3 lit. a FinStrG dadurch erfüllt (hat), dass er unter Verletzung der ihm obliegenden abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach § 119 BAO Umsätze und Erträge für die Jahre 2009 bis 2015 nicht erklärt hat, sodass eine Verkürzung von Umsatz- und Einkommensteuer für diese Jahre bewirkt wurde. " Die subjektive Tatseite könne mit zumindest bedingtem Vorsatz als gegeben angesehen werden, weil beim Bf. die Kenntnis über das prinzipielle Bestehen einer Steuerpflicht vorausgesetzt werden könne und er dennoch die Umsätze und Erträge für die Jahre 2009 - 2015 nicht erklärt habe.

Der Bf. wendet diesbezüglich ein, dass das Finanzamt das Vorliegen einer Abgabenverkürzung nicht begründet habe. Die oben dargestellte Begründung in Prüfbericht und Beschwerdevorentscheidung entspricht jedoch den Vorgaben des VwGH, sodass für die Bescheide betreffend Wiederaufnahme die längere Verjährungsfrist begründet angenommen wurde.

Im Übrigen wurde der Bf. vom Landesgericht für Strafsachen am (9 Hv122/20t) der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung hinsichtlich der wieder aufgenommenen Abgaben schuldig gesprochen.

Eine Bemessungsverjährung ist somit nicht eingetreten.

3.4. Unrechtmäßige Konteneinschau

Da über die Frage der Rechtmäßigkeit der Konteneinschau durch das BFG nicht abgesprochen worden sei, zöge dies laut Beschwerdeführer ein Beweisverwertungsverbot nach sich.

Mit Erkenntnis vom , RV/2300001/2019 hat das BFG erkannt, dass der Spruchsenatsvorsitzende im Beschwerdefall berechtigt ist, zur Abklärung einer Lebenshaltungskostenrechnung betreffend einen Beschuldigten auch den vorgeworfenen Verkürzungen vorangehende Zeiträume zum Gegenstand von Bankauskünften nach § 99 Abs. 6 FinStrG zu machen, soweit dies zur Feststellung der Vermögenslage am Beginn des Berechnungszeitraumes erforderlich ist.

Fehlt dieser Zusammenhang, ist eine Anforderung von Bankauskünften für weiter zurück liegende Zeiträume unzulässig; dennoch angeforderte Informationen unterliegen einem Verwertungsverbot nach § 98 Abs. 4 FinStrG.

Im Beschwerdefall betrifft dies laut o.a. Erkenntnis des BFG ausschließlich das Jahr 2009.

Da die Schätzung des Finanzamtes laut Bericht anhand einer Lebenshaltungskostenrechnung erfolgte, kann eine allfällig unrechtmäßige Beweisverwertung der Bankdaten des Bf. tatsächlich nicht erfolgt sein.

3.5. Verweigerte Akteneinsicht

Der Bf. vermeint weiters, die Bescheide seien deshalb rechtswidrig, weil ihm die beantragte Akteneinsicht verwehrt wurde.

Laut Angaben in der Beschwerdevorentscheidung wurde dem Bf. erst am Einsicht in die Akten gewährt. Alle Erkenntnisse, die der Bf. durch die Einsicht in die Akten gewonnen hat, konnte er daher im Vorlageantrag vom verwerten. Damit ist sein rechtliches Gehör jedenfalls gewahrt.

3.6. Kein Abspruch über den Antrag auf Aufhebung des Prüfungsauftrages

Nach Ansicht des Bf. ist es der Finanzbehörde nicht gestattet, ein Verfahren wieder aufzunehmen, ohne dass zuvor die Rechtskräftigkeit der Prüfungsbescheide festgestellt wurde. Die Ergebnisse der Prüfungen dürften solange nicht als Grundlage für die Wiederaufnahme eines Verfahrens herangezogen werden, solange nicht rechtskräftig feststehe, dass die Prüfungsbescheide in gesetzeskonformer Weise ausgestellt wurden und daraus folgend die Prüfungen in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen abgehalten worden seien.

Nach Ansicht des ist gegen einen Prüfungsauftrag ein Antrag gem. § 299 BAO trotz der Anordnung des § 148 Abs 4 BAO (gegen die Prüfungsauftrag ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht möglich) möglich.

Bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 299 Abs 1 BAO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Dem Antrag nach § 299 BAO kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Die Außenprüfung kann also durchgeführt und gegebenenfalls abgeschlossen werden, wenn der Prüfungsauftrag nicht vorher nach § 299 BAO aufgehoben wurde. Ein Verwertungsverbot für Ermittlungsergebnisse besteht nicht, auch wenn ein Prüfungsauftrag nach der Prüfung gem. § 299 BAO aus dem Rechtsbestand ausscheiden sollte (vgl Zorn, VwGH: Prüfungsauftrag gesondert anfechtbar, RdW 2019, 422).

Die Rechtswidrigkeit des Prüfungsauftrags könnte nach Ritz/Koran, BAO7 § 148 Tz 5 trotz grundsätzlichen Fehlens eines Beweisverwertungsverbotes im Abgabenverfahren (zB , zur Überschreitung des Prüfungsauftrags) unter Umständen auch im Rechtsmittel gegen das Prüfungsergebnis auswertende Bescheide, vor allem durch Bescheidbeschwerde gegen Bescheide über die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren mit der Begründung, das Ermessen sei unrichtig geübt worden, geltend gemacht werden (vgl , 0118; ).

Ein derartiges Vorbringen ist nicht erkennbar, da der steuerliche Vertreter keine inhaltliche Begründung dafür liefert, wie das Ermessen richtig zu üben sei, insbesondere warum der Eingriff in die Rechte des (abgabenverkürzenden) Bf. schwerer wiegen soll, als sein Fehlverhalten der Abgabenhinterziehung. Der steuerliche Vertreter beschränkt sich hingegen darauf, die schlichte Tatsache, dass das Finanzamt über den Antrag (damals noch) nicht abgesprochen hat, als Grund für die Rechtswidrigkeit zu nennen.

Im Übrigen wurde der Antrag auf Aufhebung des Prüfungsauftrages vom Finanzamt am abgewiesen. Begründet wurde die Abweisung im Wesentlichen damit, dass die Einwendung, die Aufträge würden Zeiträume (2007-2015) erfassen, die bereits von der Bemessungsverjährung betroffen seien, unberechtigt sei. Es liege insofern auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, wenn die Vorfrage betreffend hinterzogener Abgaben noch nicht rechtskräftig geklärt worden sei, da dieser Umstand tatsächlich erst durch die Außenprüfung selbst festgestellt werden könne.

Bezieht man diese inhaltlichen Einwendungen in das Ermessen ein, so ist es auch richtig geübt: Das Finanzamt hatte den Verdacht der Abgabenhinterziehung, sah diesen Verdacht durch die Außenprüfung, in der es in jede Richtung ermittelt hat, bestätigt und hat diese Ergebnisse zum Anlass für eine Wiederaufnahme genommen (siehe dazu auch hier 3.2.).

3.7. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall weicht die Begründung nicht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100134.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at