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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.09.2022, RV/5100301/2021

Rückforderung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom zu StNr. ***BF1StNr1*** über die Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2014 in Höhe von 1.336,80 € zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Zum Sachverhalt wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100451/2019, betreffend Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2012 getroffenen Feststellungen verwiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am zugestellt.

Laut aktenkundigem RSb-Rückschein war dem Beschwerdeführer am eine Erklärung des Einkommens für das Jahr 2014 gemäß § 23 KBGG zugestellt worden. Eine Rücksendung dieser (vorausgefüllten) Erklärung ist nicht aktenkundig.

Mit Bescheid über die Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2014 vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer zur Zahlung eines Betrages von 1.336,80 € auf. Sein Einkommen habe in diesem Jahr 21.970,48 €, jenes der Kindesmutter 19.032,05 € betragen. Daraus ergebe sich ein Gesamteinkommen im Sinne des § 19 KBGG von 41.002,05 €. Die Abgabe gemäß § 19 Abs. 1 KBGG betrage damit 2.870,18 € (7 % von 41.002,05 €). Da von den insgesamt für das Kind ***K*** ausbezahlten Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 6.211,50 € bereits Rückzahlungsbeträge in Höhe von 4.874,70 € vorgeschrieben worden waren, und die Abgabe gemäß § 20 KBGG nur im Ausmaß des Zuschusses, der für den jeweiligen Anspruchsfall bezahlt wurde, zu erheben ist, verblieb ein restlicher Abgabenanspruch von nur mehr 1.336,80 €. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 KBGG wären im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses beide (Ehe)Partner zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichtet. Bei einer Gesamtschuld liege es im Ermessen der Behörde, wem und in welchem Ausmaß die Abgabe vorgeschrieben werde. Im Jahr 2014 wären die für die Rückzahlung des Zuschusses maßgeblichen Einkommensgrenzen gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 KBGG überschritten worden. Die Behörde habe nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände den Beschwerdeführer auf Grund seiner Einkommensverhältnisse und der Tragung der mit der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verbundenen Lasten durch den anderen Elternteil zur Rückzahlung herangezogen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , beim Finanzamt eingelangt am . Der Abgabenanspruch gemäß § 21 KBGG entstehe mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Einkommensgrenze gemäß § 19 KBGG erreicht wird. Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliege nach § 207 Abs. 1 BAO der Verjährung. Die Verjährungsfrist in Bezug auf den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld betrage nach § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre. Es werde um Aufhebung des Abgabenbescheides ersucht.

Diese Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gemäß §§ 207-209 Bundesabgabenordnung (BAO) beträgt die Verjährungsfrist zur Festsetzung von Abgaben 5 Jahre. Die Frist für die Verjährung von Abgaben beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, zu laufen. Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichten von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr.

Für das Kind ***K***, geb. ***1*** wurde ein Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt. Es besteht eine Verpflichtung zur Rückzahlung des Betrages, wenn das Einkommen der beiden Elternteile in den ersten sieben Jahren nach der Geburt des Kindes (= bis ) die Einkommensgrenze von 35.000,- € überschreitet. Da im Kalenderjahr 2014 die Einkommensgrenze überschritten worden ist, war für dieses Jahr ein Bescheid über die Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zu erstellen.

Mit wurden Ihnen und der Kindesmutter Erklärungen für die Rückzahlung des Zuschusses für das Jahr 2014 zugesandt. Sie und die Kindesmutter haben diese Erklärungen nachweislich (mit Rückschein) am von der Post zugestellt erhalten. Durch diese nach außen erkennbare Amtshandlung wurde die ursprüngliche Verjährungsfrist vom um ein Jahr auf den verlängert. Die Rückforderung besteht daher zu Recht. Ihre Beschwerde war als unbegründet abzuweisen."

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem das Bundesfinanzgericht um Überprüfung der Verjährung der Rückforderung ersucht wurde. Ferner brachte der Beschwerdeführer vor, dass er seit nicht mehr mit der Kindesmutter zusammenlebe und die Rückforderung an ihn alleine gestellt worden sei.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

Der Rückforderungsbetrag 2014 wurde ebenso wie der Rückforderungsbetrag 2012 nach Ergehen des eingangs zitierten Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom mit Überweisung vom entrichtet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtslage

Zur Rechtslage wird auf die eingehende Darstellung derselben im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom verwiesen.

Erwägungen

Da im vorliegenden Fall - wie im genannten Erkenntnis näher erläutert - Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld gemäß § 9 Abs. 1 Zif. 3 iVm § 13 KBGG (Zuschuss für nicht Alleinstehende) gewährt wurden, richtet sich die Verpflichtung zur Rückzahlung der ausbezahlten Zuschüsse nach der Bestimmung des § 18 Abs. 1 Zif. 2 KBGG, die auf die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Zif. 3 KBGG Bezug nimmt.

Als Rückzahlungsverpflichtete kommen damit beide Elternteile des Kindes in Betracht, wobei aber der Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 KBGG angeordnet hat, dass dann, wenn die Eltern im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs (§ 21) dauernd getrennt leben, die Rückzahlung bei den Elternteilen insoweit zu erheben ist, als dies bei dem jeweiligen Elternteil billig ist. Dabei ist insbesondere auf die jeweiligen Einkommensverhältnisse der Elternteile sowie auf die Tragung der mit der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verbundenen Lasten Bedacht zu nehmen.

Der Abgabenanspruch entstand im vorliegenden Fall gemäß § 21 KBGG mit Ablauf des Kalenderjahres 2014, da in diesem Jahr die Einkommensgrenze des § 19 Abs. 1 Z 2 KBGG (Einkommen beider Elternteile) von 40.000 € überschritten wurde.

Für die bescheidmäßige Geltendmachung des in diesem Zeitpunkt entstandenen Abgabenanspruches stand dem Finanzamt die allgemeine fünfjährige Verjährungsfrist zu (vgl. dazu Rz 30). Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO zur Geltendmachung der Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld 2014 hat damit am geendet. Die Zusendung einer Erklärung im Sinne des § 23 KBGG am führte gemäß § 209 Abs. 1 BAO jedoch zur Verlängerung der Verjährungsfrist um ein Jahr (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 209 Tz 20 mit Hinweis auf ; und ).

Durch die Zusendung der Erklärung gemäß § 23 KBGG am verlängerte sich die Verjährungsfrist somit bis , sodass im Zeitpunkt der Erlassung des Rückforderungsbescheides 2014 am noch keine Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Rückforderung eingetreten war. Die Richtigkeit der im angefochtenen Bescheid dargestellten Einkommen beider Elternteile im Jahr 2014 wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Gemäß § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB). Die im gegenständlichen Fall noch anzuwendende Bestimmung des § 18 Abs. 1 Zif. 2 KBGG normiert eine derartige Gesamtschuld (vgl. Ritz, BAO, 3. Auflage, § 6 Tz 3). Auf die Bestimmung des § 15 KBGG, wonach sie die Kindeseltern zur Leistung der Abgabe gemäß § 18 verpflichtet haben, wird ergänzend hingewiesen.

Das Wesen der Gesamtschuld besteht darin, dass der Gläubiger die Mitschuldner nicht nur anteilsmäßig in Anspruch nehmen darf, sondern dass er auch die gesamte Schuld nur einem einzigen (einigen, allen) der Gesamtschuldner gegenüber geltend machen darf. Es liegt im Ermessen der Behörde, ob sie das Leistungsgebot an einen der Gesamtschuldner und an welchen Gesamtschuldner, oder an mehrere oder an alle Gesamtschuldner richten will (; ), weiters ob die Inanspruchnahme mit einem Teil oder dem gesamten offenen Betrag erfolgt (; ; -0243; ; Ritz, RdW 1995, 243) sowie der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner (; ).

Der Abgabengläubiger kann somit die Person bestimmen, die als Mitglied eines Schuldverhältnisses für die Tilgung einzustehen hat. Er kann ferner den Zeitpunkt und die Reihenfolge sowie das Ausmaß der Heranziehung festlegen, allerdings nur innerhalb bestimmter Grenzen. Diese Grenzen sind persönlich durch den gesetzlich umschriebenen Kreis der Schuldner, zeitlich durch die Verjährung (§§ 207 ff BAO) und sachlich durch die Höhe der gesetzlich vorgesehenen Abgabenschuld und durch die Grundsätze des Ermessens (§ 20 BAO) festgelegt (Stoll, BAO, 93 f). Ermessensentscheidungen dieser Art sind nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen, wobei dem Gesetzesbegriff Billigkeit die Bedeutung von "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei" und dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit "das öffentliche Interesse insbesondere an der Einbringung der Abgabe" beizumessen ist (Stoll, a.a.O. mit Judikaturnachweisen). Dabei bedeutet Ermessen des Abgabengläubigers eines Gesamtschuldverhältnisses das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen (vgl. Stoll, BAO, 95).

Ferner sind im gegenständlichen Fall die vom Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 KBGG normierten Ermessenskriterien zu beachten. Leben die Eltern in den Fällen des Abs. 1 Zif. 2 im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs (§ 21) dauernd getrennt, so ist die Rückzahlung bei den Elternteilen insoweit zu erheben, als dies bei dem jeweiligen Elternteil billig ist. Dabei ist insbesondere auf die jeweiligen Einkommensverhältnisse der Elternteile sowie auf die Tragung der mit der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verbundenen Lasten Bedacht zu nehmen.

Für die Ermessensentscheidung, ob nur einer, welcher oder beide Gesamtschuldner anteilig oder jeweils zur Gänze in Anspruch genommen werden, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Geltendmachung des Gesamtschuldverhältnisses entscheidend. Es ist daher auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesamtschuldner im Zeitpunkt der Erlassung des Rückforderungsbescheides abzustellen ().

Der Rückforderungsbescheid wurde am erlassen. Das Einkommen des Beschwerdeführers betrug laut aktenkundigem Einkommensteuerbescheid im Jahr 2020 30.295,17 €, jenes der Kindesmutter dagegen nur 12.217,39 €. Bei dieser Sachlage war es zweckmäßig, dass das Finanzamt die Gesamtschuld nur gegenüber dem Beschwerdeführer als wirtschaftlich wesentlich leistungsfähigerem Gesamtschuldner geltend gemacht hat. Es war ferner sachgerecht und im Hinblick auf die Bestimmung des § 18 Abs. 2 KBGG auch geboten, den Umstand zu berücksichtigen, dass das Kind nach der Trennung der Kindeseltern bei der Kindesmutter haushaltszugehörig war, und diese die damit verbundenen Lasten zu tragen hatte.

Es trifft zu, dass die Geltendmachung des Abgabenanspruches erst kurz vor Ablauf der (verlängerten) Verjährungsfrist erfolgt ist. Eine im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigende Unbilligkeit der Abgabenfestsetzung wird allein dadurch aber nicht begründet. Es wäre auch nicht sachgerecht, das Ausmaß der Abgabenfestsetzung vom Zeitpunkt derselben abhängig zu machen und in Fällen einer späten Abgabenfestsetzung nur einen Teil des Abgabenanspruches festzusetzen. Abgesehen davon ist der Beschwerdeführer der ihn treffenden Erklärungspflicht gemäß § 23 KBGG nicht nachgekommen (Erklärungsfrist für 2014: bzw. bei elektronischer Übermittlung).

Unter Berücksichtigung aller Umstände sowie unter Bedachtnahme auf die Erwägungen im Erkenntnis vom erweist sich die Ermessensübung des Finanzamtes als nicht rechtswidrig und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Revisionsbegründung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen (insbesondere betreffend Gesamtschuld und Verjährung) bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 18 Abs. 1 Z 2 KBGG, Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl. I Nr. 103/2001
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100301.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at