Auslegung eines Baurechtsvertrages
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Stolz & Weiglhofer-Russegger Rechtsanwälte GmbH, Schernbergstraße 19, 5550 Radstadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Grunderwerbsteuer, Steuernummer ***BF1StNr1***, Erfassungsnummer 10-2017, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Für die im Baurechtsvertrag vom vereinbarte Begründung des Baurechtes zwischen dem Beschwerdeführer (kurz Bf) als Baurechtsgeber und der T-GmbH als Baurechtsnehmerin wurde die Grunderwerbsteuer ausgehend von einem Bodenwert iHv. € 6,50 x 2312m2, somit mit einem Betrag von € 15.028,-, selbstberechnet.
Darüber hinaus wurde dem Bf mit dem angefochtenen Bescheid - unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von € 467.791,16 - Grunderwerbsteuer in der Höhe von € 6.622,69 vorgeschrieben. In der gesondert ergangenen Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer neben dem reinen Bodenwert auch der Wert des Gebäudes miteinzubeziehen sei. Wenn ein im Baurecht errichtetes Bauwerk nach Ablauf der Vertragsdauer dem Grundeigentümer kraft Vertrages und ohne weitere Erklärung zufalle, so werde ein gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG steuerpflichtiger Tatbestand schon bei Abschluss des Baurechtsvertrages erfüllt. Der Gebäudewert sei vom Finanzamt mittels Pauschalwertmodell gemäß § 2 Grundstückswertverordnung mit € 467.791,16 berechnet worden.
Dagegen brachte der Bf durch seinen Vertreter Beschwerde ein und führte begründend zusammengefasst aus, dass zum Zeitpunkt der Baurechtseinräumung das Grundstück unbebaut gewesen sei. Dem Bauberechtigten stünden in der Folge am Bauwerk, das als Zubehör des Baurechts gilt, die Rechte des Eigentümers und am Grundstück - vorbehaltlich abweichender Regelungen im Baurechtsvertrag - die Rechte des Nutznießers zu. Erst bei Erlöschen des Baurechts durch Zeitablauf verfalle das Bauwerk an den Grundeigentümer (§ 9 BauRG). Dies stelle den grunderwerbssteuerpflichtigen Vorgang dar und nicht bereits die Begründung des Baurechts. Der Bf beantragte außerdem das Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nach § 262 Abs. 2 lit. a BAO.
Das Finanzamt legte daraufhin die Beschwerde - ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte in seiner Stellungnahme ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen aus, dass für die Besteuerung nach dem GrEStG der Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes maßgebend sei. Der Abschluss des Baurechtsvertrages stelle ein solches Verpflichtungsgeschäft dar.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Der Bf ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 41, KG-X.
Mit Baurechtsvertrag vom wurde an der im Vertrag näher bezeichneten Liegenschaft ein Baurecht zu Gunsten der T-GmbH begründet.
Das Grundstück war im Zeitpunkt der Baurechtsbegründung unbebaut.
Das Baurecht wurde nach den Bestimmungen des BauRG und für einen Zeitraum von 30 Jahren zu einem Baurechtszins in der Höhe von € 9.506,56 jährlich bestellt.
Der Baurechtsvertrag lautet auszugsweise:
" VIII. Erlöschung des Baurechts
Der Baurechtsgeber ist berechtigt, das Baurecht aufzulösen, wenn die Bauberechtigte mit 2 aufeinanderfolgenden Baurechtszinsen nach Fristsetzung mehr als 14 Tage im Rückstand ist.
Im Falle eines vorzeitigen Erlöschens des Baurechts geht das Bauwerk ohne weitere Entschädigung in das Eigentum des Baurechtsgebers bzw. seines Rechtsnachfolgers im Eigentum der Liegenschaft über.
………………
IX. Entschädigung
Im Falle des Erlöschens des Baurechtes durch Zeitablauf fällt das Bauwerk samt allen Nebenanlagen entschädigungslos dem Baurechtsgeber bzw. seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum der Liegenschaft zu."
Das Baurecht wurde in der Folge im Grundbuch einverleibt.
Eine Auflösung des Baurechts ist bis dato nicht erfolgt.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 262 Abs. 2 BAO hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben,
a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und
b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.
Der Bf hat in der Beschwerde einen solchen Antrag auf Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nach § 262 Abs. 2 lit. a BAO gestellt und das Finanzamt hat die Beschwerde innerhalb der Frist von 3 Monaten (lit. b) dem BFG vorgelegt.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegen ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen, der Grunderwerbsteuer.
Nach § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987 unterliegt der Grunderwerbsteuer der Erwerb des Eigentums an einem inländischen Grundstück, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.
Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1987 entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.
Nach § 2 Abs. 2 GrEStG 1987 stehen den Grundstücken gleich
1. Baurechte und
2. Gebäude auf fremdem Boden.
Das Baurecht ist das dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Bodenfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1 BauRG).
Gemäß § 6 Abs. 1 BauRG gilt das Baurecht als unbewegliche Sache und das auf Grund des Baurechtes erworbene oder hergestellte Bauwerk als Zugehör des Baurechtes.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung stehen dem Bauberechtigten am Bauwerk die Rechte des Eigentümers und an dem Grundstück, soweit im Baurechtsvertrag nichts Anderes bestimmt ist, die Rechte des Nutznießers zu.
Nach der Maßgabe des § 6 Abs. 1 BauRG bildet das Baurechtsbauwerk also einen unselbständigen Bestandteil des Baurechts und ist es als solches immer dem rechtlichen Schicksal des Baurechtes unterworfen; es ist sohin nicht gesondert veräußerbar, verpfändbar oder exekutierbar (vgl. Spruzina in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, Gesamtkommentar Wohnrecht II § 9 Rz 1).
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BauRG fällt bei Erlöschen des Baurechtes das Bauwerk an den Grundeigentümer ("Heimfall des Bauwerks").
Dies erfolgt unabhängig davon, ob die Löschung nach Beendigung der vereinbarten Baurechtsdauer oder aber vorzeitig geschehen ist (vgl. Spruzina in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, Gesamtkommentar Wohnrecht II § 9 BauRG Rz 2).
§ 9 Abs. 1 Satz 1 BauRG bewirkt einen Eigentumsübergang am Bauwerk kraft Gesetzes; eine Einigung über den Eigentumsübergang und die Übergabe des Bauwerkes ist somit nicht erforderlich (vgl. Spruzina in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, Gesamtkommentar Wohnrecht II § 9 BauRG Rz 3).
Mit Erkenntnis vom , GZ. RV/6100223/2021, hat das BFG kürzlich in einem gleichgelagerten Fall entschieden, dass die bloße Wiedergabe der in § 9 Abs. 1 Satz 1 BauRG für den Fall des Erlöschens des Baurechts angeordneten Rechtsfolge des ipso iure erfolgenden Eigentumserwerbs am Bauwerk durch den Grundeigentümer ("Heimfall des Bauwerks") im Baurechtsvertrag den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 grundsätzlich noch nicht erfüllt. Für die Frage, ob nur die Einräumung des Baurechtes, oder ob darüber hinaus auch der Heimfall des Bauwerks bei Erlöschen des Baurechts der Grunderwerbsteuer unterliegt, ist alleine maßgeblich, ob im Baurechtsvertrag ein unter § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG fallendes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung dieses Bauwerks begründet, zu erblicken ist.
Für den vorliegenden Beschwerdefall besteht kein Anlass von dieser Rechtsprechung abzugehen. Im Baurechtsvertrag wurde festgehalten, dass sowohl bei vorzeitiger Auflösung, als auch bei Zeitablauf das Bauwerk entschädigungslos ins Eigentum des Baurechtsgebers bzw. seines Rechtsnachfolgers übergeht (Punkt VIII. und IX. des Baurechtsvertrages). Diese Formulierungen erschöpfen sich inhaltlich in einer sinngemäßen Wiedergabe des § 9 Abs. 1 Satz 1 BauRG. Über diese gesetzliche Bestimmung hinaus wird in den beiden Vertragspunkten vereinbart, dass dem Baurechtsnehmer keine - wie in § 9 Abs. 2 BauRG angeführte - Entschädigung zusteht.
Die Vertragsparteien wollten erkennbar klarstellen, dass bei Erlöschen des Baurechts die in § 9 Abs. 1 Satz 1 BauRG angeordnete Rechtsfolge des ipso iure stattfindenden Eigentumserwerbes durch den Bf greift, auf eine Entschädigungszahlung jedoch verzichtet wird. Es wurde somit kein vertraglicher Titel für ein über den § 9 Abs. 1 BauRG hinausgehendes Rechtsgeschäft bezüglich des Eigentumserwerbs geschaffen.
Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 BauRG bestimmte gesetzliche Anordnung wird auch nicht durch einen rechtsgeschäftlichen Titel verdrängt (vgl. , mit weiteren Hinweisen).
Stellt daher der vorliegende Baurechtsvertrag kein den Anspruch auf Übereignung des Baurechtsbauwerks begründendes Rechtsgeschäft dar, kann mangels anderer Anknüpfungspunkte für eine das Baurechtsbauwerk betreffende Grunderwerbsteuerpflicht ein steuerpflichtiger Erwerbsvorgang nicht angenommen werden. Ein Eigentumserwerb an dem von der Bauberechtigten errichteten Bauwerk durch den Bf ist noch nicht erfolgt. Somit ist nach der Maßgabe des § 8 Abs. 1 GrEStG 1987 eine Steuerschuld (noch) nicht entstanden (vgl. ).
Ist eine Steuerschuld noch nicht entstanden, so ist ein dennoch die Steuer festsetzender Bescheid aufzuheben (vgl. , unter Hinweis auf ).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zudem kommt einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalls allenfalls auch eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt folglich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinne zu (vgl. ; , Ra 2018/16/0089; , Ra 2019/16/0179). Die im Beschwerdefall vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Auslegung des der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung zugrundeliegenden Baurechtsvertrages wirft somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG auf, weshalb gemäß § 25a Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist (vgl. ).
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BauRG, Baurechtsgesetz, RGBl. Nr. 86/1912 § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100110.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at