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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.11.2022, RV/1100265/2019

Frage der Zurechnung von Einkünften und Umsätzen bei einem nicht rechtskonform zustandegekommenen Verein

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

betreffend die Bescheide des ***FA*** vom (ESt, USt) und vom (SZ)

hinsichtlich Einkommensteuer 2014, 2015, 2016 und 2017, Umsatzsteuer 2014, 2015, 2016 und 2017 sowie hinsichtlich Säumniszuschlag, Steuernummer ***BF1StNr1***,

nach am durchgeführter mündlicher Verhandlung

zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2014, 2015, 2016 und 2017 sowie gegen den Säumniszuschlagsbescheid werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Den Beschwerden gegen die Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015, 2016 und 2017 wird teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den am Ende der Entscheidungsgründe als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen, die einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bilden.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb dem Abgabepflichtigen zugerechnet und nicht, wie bisher, unter der Steuernummer des "Vereins ***1***" erfasst.

Begründend führte die Abgabenbehörde dazu aus, es seien weder Statuten vorgelegt worden, noch eine Eintragung in das Vereinsregister erfolgt. Es sei daher kein Verein mit Rechtspersönlichkeit entstanden, vielmehr seien die erzielten Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988 demjenigen zuzurechnen, dem die Einkunftsquelle zuzurechnen sei.

Der (nunmehrige) Beschwerdeführer habe den Ergänzungsersuchen betreffend die Einkünftezurechnung nicht entsprochen, sondern telefonisch bekannt gegeben, dass er keine Ergänzungsersuchen in dieser Sache beantworten werde. Die Abgabenbehörde sei in freier Beweiswürdigung zu dem Schluss gelangt, dass die Einkunftsquelle dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei. Er habe das Unternehmerrisiko getragen und nach eigenen Angaben die Verantwortung für den ***2*** wahrgenommen.

So liegt der Abgabenbehörde eine Erklärung vom vor, in der unter Punkt 4 ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer die gesamte Haftung und Verantwortung für den ***2*** hat (Mietvertrag, Handelsgewerbe, …). Weiters befindet sich in einer dem Finanzamt übermittelten Zeitungsannoncen vom der Satz: "Wir waren ein selbstständiger Laden mit Einzelhandelsgewerbe und persönlicher Haftung von ***3***, aber wie als Verein unterwegs …". In einem Anbringen vom betreffend Bekanntgabe der Betriebsaufgabe befindet sich der Text "Unseren ***2*** führte ich, ***3***, als Einzelunternehmen mit Gewerbeschein für Einzelhandel als selbständige Verkaufsstelle (nicht gewinnorientiert)". Außerdem wurde die Benutzervereinbarung für die Verwendung des Verbandszeichens von ***3*** unterzeichnet. Es findet sich nirgends ein Hinweis auf einen Verein bzw. auf andere Verantwortliche.

Insofern seien die bisher unter der Steuernummer des "Vereins ***1***" erklärten Einkünfte dem Beschwerdeführer zuzurechnen gewesen. Die Einkünfte der Jahre 2014-16 seien aus den übermittelten Körperschaftsteuererklärungen übernommen worden. Für das Jahr 2017 sei ein Veräußerungsgewinn i.H.v. € 16.978,27 erzielt worden. Der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung keine Unterlagen betreffend die Ermittlung des Übergangs-bzw. Veräußerungsgewinns vorgelegt.

Gemäß § 24 Abs. 2 EStG 1988 sei der Veräußerungsgewinn durch einen Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 zu ermitteln und in der Einkommensteuererklärung 2017 zu erfassen gewesen.

Zu den Umsatzsteuerbescheiden führte die Abgabenbehörde aus: Leistender im Sinne des UStG 1994 sei, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet sei. Im Fall von Kapitalgesellschaften bestehe vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages eine sogenannte Vorgründungsgesellschaft, die Unternehmereigenschaft erlangen könne, wenn sie selbst nachhaltige Leistungen am Markt erbringe. Die Vorgründungsgesellschaft sei als GesbR zu qualifizieren. Analog dazu sei bei Vereinen vorzugehen. Vor Formulierung von Statuten werde ein Verein nicht errichtet. Die handelnden Personen seien daher als Mitunternehmerschaft bzw. als Einzelunternehmer anzusehen.

Gegenständlich sei der Beschwerdeführer nach außen hin als Einzelunternehmer mit persönlicher Haftung aufgetreten (siehe Zeitungsannonce) und habe auch gegenüber dem Finanzamt bekannt gegeben, dass er den ***2*** als Einzelunternehmen führe (siehe Anbringen vom ) sowie die gesamte Haftung und Verantwortung innehabe (siehe Erklärung vom ). Die Umsätze der Verkaufsstelle des ***2*** in ***4*** seien daher dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Zur Geschäftsveräußerung im Ganzen wurde seitens der Abgabenbehörde ausgeführt: Der Beschwerdeführer, der bisher Istbesteuerer gewesen sei, habe mit Rechnung vom den Warenbestand für die Übergabe und Weiterführung des ***2*** an Frau ***5*** veräußert. Der Umsatz sei in der Umsatzsteuervoranmeldung Jänner 2018 unter der Steuernummer des "Vereins ***1***" erfasst worden.

Da der Beschwerdeführer den gesamten Warenbestand verkauft habe, der die wesentliche Betriebsgrundlage des Einzelhandelsunternehmens darstelle, habe es sich bei diesem Verkauf um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gehandelt, bei der die Istbesteuerung ausgeschlossen sei. Der betreffende Umsatz sei daher in der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2017 zu erfassen.

Zur Vorsteuer wurde ausgeführt: Voraussetzung für die Geltendmachung von Vorsteuern sei unter anderem, dass die Umsatzsteuer in einer Rechnung gemäß § 11 UStG 1994 gesondert ausgewiesen sei. Die Rechnung müsse gemäß § 11 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994 den Namen und die Anschrift des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung enthalten. Gegenständlich führten die Rechnungen den "Verein ***1***" als Leistungsempfänger an. Dieser Verein sei aber nicht errichtet worden, es habe lediglich ein Einzelunternehmen bestanden. Da somit auf den Rechnungen nicht der richtige Abnehmer der Lieferung bzw. Empfänger der sonstigen Leistung angeführt sei, berechtigten die Rechnungen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug.

Der Beschwerdeführer brachte durch einen steuerlichen Vertreter Beschwerden ein und beantragte die ersatzlose Aufhebung der Bescheide. Als Begründung führte er an, er habe den gemeinnützigen Verein "***1***" unter der Steuernummer ***StNr2*** geführt. In den angefochtenen Bescheiden seien ihm Einkünfte aus Gewerbebetrieb unterstellt worden. Er habe aus seiner Tätigkeit für den gemeinnützigen Verein keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Diese Einkünfte müssten vielmehr unter der Steuernummer ***StNr2*** veranlagt werden. Dasselbe gelte für die Veranlagung zur Umsatzsteuer.

Der Bescheid über einen Säumniszuschlag resultiere aus der Umbuchung der Umsatzsteuern von der Steuernummer ***StNr2***. Ein solcher Vorgang könne keinen Säumniszuschlag auslösen.

Es ergingen abweisende Beschwerdevorentscheidungen, in denen im Wesentlichen ausgeführt wurde:

Ergänzend zum Beschwerdetext habe der Beschwerdeführer mit Schreiben vom ausgeführt, dass mit Beschluss vom die Gründungsmitglieder zum Entschluss gekommen seien, einen gemeinnützigen, nicht auf Gewinn ausgerichteten Verein zu gründen. Aus dem Protokoll vom sei ersichtlich, dass nicht beabsichtigt gewesen sei, dass der Beschwerdeführer den ***2*** als Einzelunternehmen führen wolle. Er sei vielmehr der geistige Ideenbringer und Finanzverantwortliche gewesen. Auch in einer der Beschwerde beigelegten Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft vom werde festgehalten, dass es sich beim ***1*** um einen gemeinnützigen Verein handle und der Beschwerdeführer lediglich seine Gewerbeberechtigung zur Verfügung gestellt habe.

Unter anderem sei am der Betriebseröffnungsfragebogen sowie die Vereinsstatuten oder Satzungen beim Finanzamt Feldkirch eingereicht worden. Mit einer Mitteilung an den Verein ***1*** vom sei schließlich bekannt gegeben worden, dass eine Abgabenkontonummer für die Festsetzung und Einhebung der Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer vergeben worden sei.

Eine Eintragung ins Vereinsregister sei für die Gemeinnützigkeit nicht erforderlich. Sowohl ein eingetragener also ein nicht eingetragener Verein könne gemeinnützig sein. Eine Zurechnung der Einkünfte an die Einzelperson des Beschwerdeführers sei daher nicht vorzunehmen und Überschüsse sowie die Verrechnung der Umsatzsteuer seien dem ***2*** zuzurechnen.

Die Abgabenbehörde führte dazu in ihren Beschwerdevorentscheidungen aus, ein Verein, der als juristische Person gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 KStG körperschaftsteuerpflichtig sei, sei mangels ordnungsgemäßer Gründung unter Einhaltung der Vorgaben des Vereinsgesetzes weder errichtet worden noch im rechtlichen Sinne entstanden. Zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit sei neben der Konzeption von Vereinsstatuten die rechtliche Entstehung des Vereins durch Anmeldung bei der Vereinsbehörde und Eintragung ins Vereinsregister erforderlich.

Einem nicht eingetragenen Verein könne lediglich subsidiär gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 KStG Einkommen zugerechnet werden, wenn eine Zurechnung des Einkommens zu einer anderen einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Person nach dem EStG oder KStG nicht möglich sei. Diesfalls könnten nicht rechtsfähige, wie Vereine organisierte, unabhängig von der Mitgliederzahl und einem Mitgliederwechsel fortbestehende und als wirtschaftlicher Träger einer bestimmten Tätigkeit anzusehende Gebilde, als Körperschaftsteuersubjekt in Betracht kommen.

Im Streitfall liege die Möglichkeit der Zurechnung der Einkünfte zu einer einkommensteuerpflichtigen Person vor. Unabhängig davon könne nicht von einem nicht- rechtsfähigen Gebilde ausgegangen werden, das wie ein Verein organisiert sei, dem jedoch mangels Eintragung ins Vereinsregister keine Rechtspersönlichkeit zukomme. Es seien nämlich keine für die Organisationen eines Vereins erforderlichen Regelungen getroffen worden. So gebe es keine Bestimmungen über den Erwerb und die Beendigung der Mitgliedschaft oder über die Rechte und Pflichten der Mitglieder und so wurden keine Organe des Vereins mit entsprechenden Aufgaben bzw. eine Vertretung des Vereins nach außen definiert.

Der neuerlich vorgelegte Fragebogen für Vereine, der anlässlich der Betriebseröffnung ausgefüllt worden war, sei nicht mit Vereinsstatuten oder Satzungen gleichzusetzen. Die neu eingereichte Niederschrift über die Vernehmung eines Beschuldigten vermöge die Argumentation des Beschwerdeführers nicht ausreichend zu stützen. Sie gebe nämlich lediglich die Angaben des Beschwerdeführers wider, wonach es sich beim ***1*** um eine gemeinnützige Organisation handle, die "Mitarbeiter" ehrenamtlich und unentgeltlich tätig seien und daher eine Verpflichtung zur Anmeldung nach dem ASVG nicht bestehe. Diesem Papier komme keine Aussagekraft hinsichtlich einer tatsächlich erfolgten Vereinsgründung oder allfälliger Vereinstätigkeit zu.

Die Säumniszuschläge resultierten nicht, wie in der Beschwerde vorgebracht, aus der Umbuchung der Umsatzsteuern von der Abgabenkontonummer ***StNr2*** auf das Abgabenkonto des Beschwerdeführers, sondern sei die Bemessungsgrundlage der gegenständlichen Säumniszuschläge durch die bereits unter der oben genannten Abgabenkontonummer abgeführte Umsatzsteuer reduziert worden.

In der Folge beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerden zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und ersuchte gleichzeitig um Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Am fand vor dem Bundesfinanzgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher der Beschwerdeführer mit einem Steuerberater als Vertreter sowie eine Vertreterin der Abgabenbehörde erschienen. Über den Verlauf der Verhandlung wurde ein Protokoll aufgenommen. Ausfertigungen dieses Protokolls wurden den Vertretern beider Parteien übermittelt.

Nach abgeschlossener Verhandlung reichte der Beschwerdeführer im E-Mail-Wege nachstehende Unterlagen ein:

  1. Erklärung über den ehrenamtlichen Einsatz zur Förderung des fairen Handels vom

  2. Anzeige Gemeindeblatt ***4*** vom Jänner 2018 über den Betrieb und die Beendigung des ***2*** (lag bereits im Akt auf).

  3. Wer-was-wann-wie-Übersicht vom mit Beschreibung des Werdegangs des auf dem fair-trade-Gedanken beruhenden ***2*** und des Verfahrensverlaufes vor der Abgabenbehörde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

  1. Der Beschwerdeführer wollte sich für eine gute Sache einsetzen und -ausgehend von einem bisherigen, gelegentlichen Verkauf im Pfarrheim ***4*** - im Rahmen eines "***2***" den fair-trade-Gedanken unterstützen.

  2. Gemeinsam mit seiner Gattin mietete er ein erstes Verkaufslokal an.

  3. Ein späteres, größeres Verkaufslokal lautete auf den Beschwerdeführer allein als Mieter.

  4. Mehrere private Unterstützer erklärten sich bereit, zu den Mietkosten beizutragen.

  5. Unter der Überschrift "Zum WL (***2***)-neu möchte ich hier grundsätzliche Punkte festhalten" berichtet der Beschwerdeführer über den Abschluss des ersten Mietvertrages, die Laufzeit und die Mittelaufbringung für die Miete in einem Schreiben vom .

  6. In diesem Schreiben wird auch festgehalten, dass vorhandene Warenvorräte, Kontoguthaben und Bargeld einzig und allein dem ***2***-Gedanken dienen.

  7. Im Falle einer späteren Auflösung sollten die gesamten Geldmittel zur Förderung von "Trans-fair" oder Ähnlichem verwendet werden.

  8. Das Schreiben ist unterzeichnet mit: "***3*** als Finanz-Verantwortlicher für WL (***2***) ***4***". Auch seine Gattin und mehrere Unterstützer haben das Schreiben unterzeichnet.

  9. Der Beschwerdeführer suchte einen Steuerberater auf und wandte sich an die Wirtschaftskammer. Entsprechend den Ratschlägen dieser Stellen meldete er in der Folge das Gewerbe auf seinen Namen an.

  10. Er nahm auch eine Anmeldung bei der Sozialversicherung vor.

  11. Ebenso nahm er Kontakt mit dem Finanzamt auf und füllte den Betriebseröffnungsbogen Verf 15 a über die steuerliche Erfassung eines Vereins aus.

  12. Am wurde eine Steuernummer für einen Verein vergeben.

  13. Der Beschwerdeführer zeigte keine Vereinserrichtung bei der Vereinsbehörde (Bezirkshauptmannschaft) an.

  14. Als Vereinsstatuten sieht der Beschwerdeführer das oben zitierte Schreiben vom an.

Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt sowie auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung und die darüber aufgenommene Niederschrift.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/teilweise Stattgabe)

Strittig ist: Wem sind die aus dem Betrieb des ***1*** resultierenden Einkünfte und Umsätze zuzurechnen, dem ***2*** als "Verein" oder dem Beschwerdeführer als natürlicher Person?

Vereine, GmbHs, Stiftungen, Anstalten, Genossenschaften sowie Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts können, sofern sie sich für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke betätigen, abgabenrechtliche Begünstigungen in Anspruch nehmen. Von diesen Begünstigungen ausgeschlossen sind natürliche Personen (Ritz, BAO6, § 34 Tz 1).

Zu den juristischen Personen des privaten Rechts, die gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, zählt der Verein.

Als Verein im Sinne des Vereinsgesetzes 2002 ist nach der Definition des § 1 Abs 1 VerG ein freiwilliger, auf Dauer angelegter, aufgrund von Statuten organisierter Zusammenschluss mindestens zweier Personen zur Verfolgung eines bestimmten, gemeinsamen, ideellen Zwecks anzusehen (Höhne/Jöchl in Höhne/Jöchl/Lummerstorfer (Hrsg), Das Recht der Vereine Aufl. 6, 2019).

Das Vereinsgesetz 2002 regelt die Gründung des Vereins klar - sie umfasst seine Errichtung und seine Entstehung (§ 2 Abs. 1 VerG).

Errichtet wird der Verein durch die Vereinbarung von Statuten (Gründungsvereinbarung). Die Willenseinigung mindestens zweier Personen, einen Verein im Sinne des Vereinsgesetzes zu gründen, stellt noch keine Gründungsvereinbarung im Sinne dieses Gesetzes dar; vielmehr ist es darüber hinaus erforderlich, dass die Vereinsgründer Statuten festlegen. Maßgeblich ist der Wille, einen Verein auf Grundlage bestimmter Statuten errichten zu wollen.

Gemäß § 3 Abs. 2 VerG 2002 müssen die Statuten jedenfalls enthalten

  1. den Vereinsnamen,

  2. den Vereinssitz,

  3. eine klare und umfassende Umschreibung des Vereinszwecks,

  4. die für die Verwirklichung des Zwecks vorgesehenen Tätigkeiten und die Art der Aufbringung finanzieller Mittel,

  5. Bestimmungen über den Erwerb und die Beendigung der Mitgliedschaft,

  6. die Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder,

  7. die Organe des Vereins und ihre Aufgaben, insbesondere eine klare und umfassende Angabe, wer die Geschäfte des Vereins führt und wer den Verein nach außen vertritt,

  8. die Art der Bestellung der Vereinsorgane und die Dauer ihrer Funktionsperiode,

  9. die Erfordernisse für gültige Beschlussfassungen durch die Vereinsorgane,

  10. die Art der Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis,

  11. Bestimmungen über die freiwillige Auflösung des Vereins und die Verwertung des Vereinsvermögens im Fall einer solchen Auflösung.

Die Errichtung des Vereins ist mit einem Exemplar der vereinbarten Statuten schriftlich anzuzeigen (§ 11 VerG 2002) und zwar bei der Vereinsbehörde. Vereinsbehörde ist die Landespolizeidirektion als Sicherheitsbehörde erster Instanz oder die Bezirksverwaltungsbehörde, darunter versteht man den Magistrat oder die Bezirkshauptmannschaft.

Zur Anzeige der Errichtung des Vereins sind die Gründer bzw. ein allenfalls schon bestelltes Leitungsorgan nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet. Der Verein entsteht als Rechtsperson mit Ablauf der 4- bzw. 6-wöchigen Frist gemäß § 13 Abs. 1 VerG 2002 oder mit früherer Erlassung eines Bescheides gemäß § 13 Abs. 2 VerG 2002, d. h., eines Bescheides, der eine ausdrückliche Einladung zur Aufnahme der Vereinstätigkeit ausspricht.

Nach Entstehung des Vereins sind die organschaftlichen Vertreter - wenn diese nicht schon bei der Gründung bestellt und mit der Errichtungsanzeige der Behörde bekannt gegeben wurden - zu bestimmen. Werden innerhalb eines Jahres ab Entstehung des Vereins keine organschaftlichen Vertreter bestellt, so ist der Verein von der Vereinsbehörde aufzulösen (§ 2 Abs. 3 VerG 2002).

Für die Entstehung des Vereins kommt es lediglich auf die Erfüllung der Normen des Vereinsgesetzes und das positive Ergebnis der vereinsbehördlichen Prüfung der Anzeige der Vereinserrichtung an, nicht aber auf eine Eintragung in das Vereinsregister. Eine solche Eintragung hat lediglich deklarative Wirkung (vgl. Höhne/Jöchl aaO) und kann naturgemäß erst nach Errichtung und Entstehung des Vereins erfolgen.

Umgelegt auf den Streitfall ergibt sich: Das Schreiben vom , welches der Beschwerdeführer als Statuten bezeichnet, entspricht nicht den notwendigen Inhaltserfordernissen für Statuten gemäß § 3 Abs. 2 VerG 2002. Vielmehr verkörpert dieses Schreiben eine Zusammenfassung des Beschwerdeführers darüber, welche Schritte gesetzt wurden, um den ***2*** neu aufzustellen. Konkret berichtet er über den Abschluss und die Modalitäten eines Mietvertrages und die Mittelaufbringung für die Miete . Eingangs erklärt er, dass er und seine Gattin gegenüber dem Vermieter die Verantwortung und Verpflichtung übernehmen und am den Mietvertrag unterschrieben haben. Es wird an keiner Stelle dieses Schreibens das Wort "Verein" erwähnt. Lediglich die am Ende des Schreibens befindliche Erklärung über die Verwendung eines Erlöses bei allfälliger Beendigung des "***2***" für fair-trade-Zwecke ähnelt § 3 Abs. 2 Z 11 VerG 2002.

Eine Vereinserrichtung im Sinne des Vereinsgesetzes ist daher nicht erfolgt. Es ist aber auch nicht zu einer gesetzeskonformen Entstehung des Vereins gekommen, weil der Beschwerdeführer weder mit dem als "Statuten" bezeichneten Schreiben noch mit anderen schriftlich festgehaltenen Statuten im Sinne des § 3 Abs. 2 VerG 2002 die Gründung eines Vereins bei der Vereinsbehörde (Bezirkshauptmannschaft) angezeigt hat (vgl. hiezu Protokoll über die mündliche Verhandlung).

Wären die durch das Vereinsgesetz vorgesehenen Schritte eingehalten worden, so stünde der Begründung des Vereins als Rechtsperson eine fehlende Eintragung in das Vereinsregister, die - wie schon oben dargelegt - bloß deklarative Wirkung hat, nicht entgegen (vgl. Höhne/Jöchl aaO).

Soweit der Beschwerdeführer und sein steuerlicher Vertreter darauf hinweisen, den "Fragebogen für Vereine" Verf 15a des Finanzamtes vom ausgefüllt zu haben und in der Folge eine Steuernummer für einen Verein zugeteilt erhalten zu haben, darf allein daraus nicht abgeleitet werden, dass ein Verein gültig zustandegekommen wäre. Der Anmeldung beim Finanzamt hätte nämlich die rechtsgültige Vereinserrichtung und -entstehung mit Formulierung von Statuten und Anzeige bei der Vereinsbehörde bereits vorausgehen müssen. Es ist grundsätzlich nicht Sache der Abgabenbehörde, zu überprüfen, ob und wie ein Gebilde als juristische Person zustandegekommen ist. Die für Informationen über die Erfordernisse zur rechtsgültigen Begründung eines Vereins zuständige Behörde ist zweifellos die Vereinsbehörde und wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen sich - nach allfälliger fachkundiger Beratung durch einen selbstgewählten berufsmäßigen Parteienvertreter - an diese zu wenden.

Gerade aber an die Vereinsbehörde ist der Beschwerdeführer nicht herangetreten.

Soweit der Beschwerdeführer wiederholt angemerkt hat, aus dem von seiner Seite eingereichten Fragebogen Ver 15 a wäre für das Finanzamt erkennbar gewesen, dass der ***1*** als Verein verstanden wurde und allfällige Rückfragen seitens des Finanzamtes unmittelbar gestellt hätten werden sollen, ist ihm zu entgegnen, dass nicht jede der in großer Zahl bei der Abgabenbehörde einlangenden Eingaben sofort im Detail auf ihre Schlüssigkeit untersucht wird.

Allenfalls hätte der Beschwerdeführer in seinen Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide nachdrücklich die Argumentation vertreten können, dass keine neuen Tatsachen hervorgekommen wären, die eine Wiederaufnahme rechtfertigten. Die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide, die nach einem Mängelbehebungsverfahren mit Beschwerdevorentscheidung für zurückgezogen erklärt wurden, waren jedoch vom Antrag des Beschwerdeführers auf Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht nicht mitumfasst, weshalb sie in Rechtskraft erwachsen konnten (siehe hiezu auch Niederschrift über die mündliche Verhandlung).

Auch die von Seiten der steuerlichen Vertretung als für einen Verein sprechend ins Feld geführte "Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten" vom vor der Bezirkshauptmannschaft ***4*** vermag die Argumentationslinie nicht zu stützen. Der Beschwerdeführer wurde in diesem Zusammenhang nämlich als Beschuldigter im Zusammenhang mit nicht angemeldetem Personal vernommen und hat laut Niederschrift zu seiner Rechtfertigung angegeben, bei dem "Verein ***1***" handle es sich um eine gemeinnützige Organisation. Alle dort eingesetzten "Mitarbeiter" seien ehrenamtlich und ohne ein Entgelt zu erhalten tätig. Der Beschwerdeführer habe lediglich seine Gewerbeberechtigung zur Verfügung gestellt. Es bestehe keine Verpflichtung zur Anmeldung nach dem ASVG.

Wie auch die Vertreterin der Abgabenbehörde in der mündlichen Verhandlung bemerkt hat, handelt es sich bei diesem Papier nicht um eine Feststellung über die Vereinsqualität, vielmehr ging es um etwas anderes, nämlich um nicht angemeldetes Personal. Dass der Beschwerdeführer im Zuge dieser Vernehmung von einem "Verein" gesprochen hat, macht den ***1*** - der, wie oben ausgeführt, die Errichtungs- und Entstehungsmodalitäten nicht erfüllt - noch nicht zu einem Verein.

Im Weiteren wurde seitens des Beschwerdeführers und seines steuerlichen Vertreters argumentiert, dass Verbandszeichen "***2***" werde nicht einfach an eine beliebige Person vergeben. Der ***2***gedanke müsse nachgewiesen werden, um die Benutzervereinbarung zu erhalten. Die Benutzervereinbarung vom wäre nicht einfach an den Beschwerdeführer vergeben worden.

Die im Akt aufliegende Benutzervereinbarung hält unter Punkt 2. Benutzungsbedingungen, 2. 1. fest: "Eine Verkaufsstelle, die das Verbandszeichen verwenden will, verpflichtet sich, den gültigen Kriterien des fairen Handels zu entsprechen." Die Vereinbarung trägt die Unterschrift des Beschwerdeführers mit der Beifügung "Rechtliche Vertretung der Verkaufsstelle". Es ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen, dass sie etwa nur an einen Verein vergeben werde und scheint auch der Beschwerdeführer nicht als Vertreter eines Vereins sondern, wie ausgeführt, als Vertreter der Verkaufsstelle ***4*** auf.

Aus der Benutzervereinbarung kann daher durchaus nicht geschlossen werden, dass dem ***1*** Vereinsqualität zukommt.

Soweit schließlich der steuerliche Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht vorgebracht hat, mehr als 17.000 ehrenamtliche, unentgeltliche Arbeitsstunden würden nicht für einen Einzelunternehmer geleistet werden, um diesem die Erzielung eines Gewinnes zu ermöglichen, kann auch aus dem nicht abgeleitet werden, dass in rechtskonformer Weise ein Verein errichtet worden wäre.

Das Bundesfinanzgericht verkennt nicht, dass sich der Beschwerdeführer in rechtschaffener und uneigennütziger Weise für eine gute Sache einsetzen wollte. Es ist vollkommen glaubwürdig, dass er sich samt seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht aus persönlichem Erwerbsstreben, sondern um den fairen Handel zu unterstützen, um den Betrieb des ***1*** bemüht hat.

Jedoch reicht der gute Wille allein nicht aus, um einen Verein als juristische Person begründen. Sogar der Beschwerdeführer selbst hat sich, wie in den angefochtenen Bescheiden und in den Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes festgehalten wurde, als "Betreiber eines Einzelunternehmens mit Gewerbeschein für Einzelhandel, aber wie als Verein unterwegs", bezeichnet.

Auch die nach der Verhandlung eingereichten Schriftstücke dokumentieren zwar das von sozialen Grundsätzen geprägte Bestreben des Beschwerdeführers und seiner Mitarbeiterinnen, tragen aber ebenfalls nicht dazu bei, von einer Vereinsgründung ausgehen zu können. Sie sind zum Teil bereits aktenkundig (Gemeindeblatt), zum Teil wiederholen sie bereits Bekanntes (Werdegang des ***2*** vom Verkauf im Pfarrheim zum eigenen Ladengeschäft, siehe dazu auch Sachverhalt). Ein Einsatz für eine gute Sache unter persönlicher Opferbereitschaft macht einen Ladenbetrieb noch nicht zu einem Verein.

Zusammenfassend ist infolge einer fehlenden rechtskonformen Vereinserrichtung und -entstehung nach allem oben Ausgeführten letztlich der Beschwerdeführer entsprechend den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Beschwerdevorentscheidungen als steuerliches Zurechnungssubjekt heranzuziehen. Er trat nach außen als Inhaber der Gewerbeberechtigung, als Mieter und als Haftender auf (im Detail wird auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und die Ausführungen in den Beschwerdevorentscheidungen zur Einkommensteuer und zur Umsatzsteuer verwiesen).

Betreffend die Umsatzsteuer folgt das Bundesfinanzgericht jedoch nicht gänzlich der vom Finanzamt vertretenen Linie. Über Befragung durch die Richterin in der mündlichen Verhandlung gab die Vertreterin der Abgabenbehörde nämlich an, Eingangsrechnungen mit Adressierung lägen dem Finanzamt nicht vor (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Die einzige im Akt aufliegende Rechnung betrifft die Veräußerung des gesamten Warenbestandes anlässlich der Aufgabe des ***2***. Diese an die Übernehmerin des ***2*** gerichtete Rechnung trägt für den liefernden Unternehmer den Stempel "***1***, Die Verkaufsstelle für fairen Handel", ohne jede Beifügung der Bezeichnung "Verein".

Nicht verifizierbar ist daher die in der Begründung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide enthaltene Formulierung, wonach die Rechnungen bisher ausdrücklich den "Verein ***1***" als Leistungsempfänger angeführt hätten.

In Zusammenschau mit dem Umstand, dass nach außen der Beschwerdeführer als Einzelunternehmer auftrat und wahrgenommen wurde, ist es schlüssig, dass auch Eingangsrechnungen an den "***1***" bzw. an den Beschwerdeführer, jeweils ohne Beifügung des Vereinsbegriffes, gerichtet waren. Damit ist der Beschwerdeführer Abnehmer der Lieferung oder Empfänger der sonstigen Leistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 3 lit. b UStG 1994 und gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a UStG 1994 zum Vorsteuerabzug berechtigt. In den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden waren daher die geltend gemachten Vorsteuern zahllastmindernd in Abzug zu bringen und den Beschwerden insoweit teilweise Folge zu geben.

Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Säumniszuschlag wird auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen. Gemäß § 217 Abs. 8 BAO wird überdies im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld die Berechnung des Säumniszuschlages unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages vorgenommen. Die geminderte Umsatzsteuerschuld wird daher von Gesetzes wegen zu einer Neuberechnung des Säumniszuschlages führen, ohne dass es einer Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid bedarf. Die gegenständlich gegen den Bescheid über die Festsetzung eines Säumniszuschlages gerichtete Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinnes wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid sowie in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entstehung eines Vereins als Rechtsperson ist in klarer und unmissverständlicher Weise im Gesetz geregelt. Darüber hinausgehend waren Sachverhaltsfragen zu klären, wie sie einer Revision nicht zugänglich sind.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100265.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at