Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.09.2022, RV/5100531/2022

Beweis- und Behauptungspflicht hinsichtlich des Gleichbehandlungsgebotes im Haftungsverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch die Anwaltskanzlei ***X***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit dem die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***A*** GmbH, Steuernummer ***StNr***, geltend gemacht wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben des Finanzamtes vom wurde der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass am Abgabenkonto der Firma ***A*** GmbH (= Primärschuldnerin) Abgabenbeträge in Höhe von 8.838,85 € uneinbringlich seien.
Der Beschwerdeführer sei zwischen und Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. In dieser Zeit sei er für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen zuständig gewesen.
Bis zum Beweis des Gegenteils würde das Finanzamt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer der ihm aufgetragene Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin nicht vorschriftsgemäß nachgekommen sei. Die genannten Beträge seien bei der Gesellschaft als uneinbringlich anzusehen, da ihr inzwischen die Gewerbeberechtigung entzogen worden sei.
Entscheidend für die Geschäftsführerhaftung sei die Gleichbehandlung des Abgabengläubigers im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern im Zeitraum zwischen und . Dabei seien alle Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin, die zu Beginn des einheitlichen Beurteilungszeitraumes bereits fällig gewesen oder bis zum Ende dieses Zeitraumes fällig geworden seien, unter Einschluss der Abgabenverbindlichkeiten zu addieren. Weiters seien alle in diesem Zeitraum auf diese Verbindlichkeiten getätigten Zahlungen zu addieren und der erst genannten Summe der fälligen bzw. fällig gewordenen Gesamtverbindlichkeiten gegenüberzustellen. Dadurch würde sich das Verhältnis ergeben, zu dem die Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin in diesem Zeitraum durchschnittlich getilgt worden seien. Noch nicht fällig gestellte Verbindlichkeiten seien außer Ansatz zu lassen.
Eine gleichartige Berechnung sei sodann isoliert für die Abgabenverbindlichkeiten anzustellen. Die im Beobachtungszeitraum getätigten Zahlungen an das Finanzamt seien den fälligen und fällig gewordenen Abgabenverbindlichkeiten gegenüberzustellen.
Wenn der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nachvollziehbar erbracht werde, liege es im Ermessen des Finanzamtes die Haftung für die unberichtigten Abgabenbeträge auszusprechen, bei entsprechendem Nachweis im Ausmaß der Benachteiligung.
Das beiliegende Formular "EV 6 Vermögensverzeichnis gem. § 31a AbgEO" möge ausgefüllt retourniert werden.

Mit Bescheid vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Haftung für aushaftende Abgaben der Firma ***A*** GmbH im Ausmaß von 8.838,85 € geltend gemacht. Die Abgaben wurden wie folgt aufgeschlüsselt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag (Euro)
Umsatzsteuer
10/19
6.655,77
Säumniszuschlag 1
2019
1702.2020
365,72
Körperschaftsteuer
01-03/20
437,00
Stundungszinsen
2020
67,36
Körperschaftsteuer
07-09/20
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/20
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/21
437,00
Summe
8.838,85

Begründend wurde nach Darlegung der Rechtslage ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Vorhalt vom keiner Beantwortung zugeführt habe. Aufgrund der fehlenden Unterlagen müsse das Finanzamt von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen, weshalb die Haftung auszusprechen sein.

Am brachte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom ein. Die Primärschuldnerin habe die Gewerbeberechtigung mit Stichtag zurückgelegt und habe seither keinen aktiven Geschäftsbetrieb.
100 % der Anteile an der Primärschudlnerin seien mit Notariatsakt vom verkauft worden. In diesem Notariatsakt sei festgehalten, dass der neue 100%-ige Alleingesellschafter-Geschäftsführer ***AB*** die Primärschuldnerin mit allen Aktiven und Passiven, Rechten und Verbindlichkeiten übernehmen würde (Punkt Erstens im Notariatsakt). Ausgenommen von der Übernahme seien lediglich drei Projekte (Punkt Drittens des Notariatsaktes).
Dementsprechend sei auch das ausstehende Stammkapital (17.500,00 €) auf das Konto der Primärschuldnerin eingezahlt worden. Diese Einzahlung wäre Bedingung für die Hintanhaltung der Vormännerhaftung und für die Abberufung als Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen.
Aus der beiliegenden Aufstellung der Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin sei ersichtlich, dass es keine Benachteiligung des Finanzamtes gegeben habe. Im Gegenteil, es seien die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt verringert worden, während sich andere Verbindlichkeiten erhöht hätten. Als Nachweis werde die Bilanz mit den Werten der Aktiv- und Passivposten per und per übermittelt.
Im Haftungsbescheid sei auch die Körperschaftsteuer 1-3/2021 angeführt, die außerhalb der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers fällig geworden sei.
Das Schreiben vom sei in die Databox des Beschwerdeführers zugestellt worden. Er habe den Finanzonlinezugang seit mehr als 10 Jahre nicht mehr verwendet, da alle Zustellungen an den steuerlichen Vertreter erfolgt seien. Deshalb sei das Schreiben nicht beantwortet worden. Der Beschwerdeführer habe erst am den Finanzonlinezugang wieder aktiviert. Es liege daher kein Grund einer schuldhaften Pflichtverletzung vor.
Es werde um Aufhebung des Haftungsbescheides und Aussetzung der Einhebung bis zur Erledigung der Beschwerde ersucht.
Mit der Beschwerde wurde eine Aufstellung vorgelegt, aus der die Höhe der Lieferverbindlichkeiten, sonstigen Verbindlichkeiten und Finanzamtsverbindlichkeiten jeweils zum und zum hervorgehen, sowie die Seite 12 und 13 der Bilanz per mit Aktiva und Passiva und der in der Beschwerde angesprochene Notariatsakt vom .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Nach Darlegung des wesentlichen Verwaltungsgeschehens wurde ausgeführt, dass für den Umfang der Geschäftsführerhaftung die Gläubigergleichbehandlung zum Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeiten entscheidend sei. Haftungsrelevant sei somit der Zeitraum zwischen und , in welchem der Beschwerdeführer laut Firmenbuchauszug Geschäftsführer gewesen sei. Für die Heranziehung zur Haftung sei somit nicht relevant, ob die Firma später verkauft bzw. mit welchen Rechten und Pflichten diese vom anschließenden Alleingesellschafter/Geschäftsführer übernommen worden sei.
Weiters werde in der Beschwerde angeführt, dass es keine Benachteiligung des Gläubigers Finanzamt gegeben habe. Es seien sogar die Finanzamt-Verbindlichkeiten im gegenständlichen Zeitraum verringert worden, wogegen sich die anderen Verbindlichkeiten erhöht hätten. Als Nachweis werde die Bilanz mit den Aktiv- und Passivposten per bzw. übermittelt. Diese vorgelegten Unterlagen würden jedoch in keiner Weise zur Beurteilung dienen, ob für den haftungsrelevanten Zeitraum eine Gläubigergleichbehandlung vorliege. Die Bilanz würde lediglich Aufschluss über die Höhe der Lieferverbindlichkeiten zum Stichtag bzw. geben, nicht jedoch über die Quotenbefriedigung der übrigen Gläubiger im Verhältnis zum Finanzamt im haftungsrelevanten Zeitpunkt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege es dem Vertreter, Nachweise dafür zu erbringen, wie viele Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden seien und in welchem Ausmaß andere Gläubiger der Gesellschaft noch Befriedigung erlangt hätten. Im Falle der Nichterbringung dieser Nachweise müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die ihm obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mittel zu entrichten, schuldhaft verletzt habe und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei der Gesellschaft sei. Unter diesen Umständen sei die Haftung für die uneinbringlichen Abgabenverbindlichkeiten daher im vollen Ausmaß geltend zu machen.

Mit Schreiben vom brachte die steuerliche Vertretung einen Vorlageantrag ein. Die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hätten nunmehr bei dessen steuerlicher Vertretung Kontoauszüge vom Geschäftskonto angefordert und nachgefragt, welche Zahlungsmittel im fraglichen Zeitraum geleistet worden seien.
Es stünden allerdings nur die Kontobewegungen von Dezember 2019 bis einschließlich Dezember 2020 zur Verfügung. Im Jänner 2021 seien die Anteile an Herrn ***AB*** abgetreten worden. Ab diesem Zeitpunkt hätte der Beschwerdeführer keinen Zugang zum Firmenkonto und könne daher die Unterlagen für Jänner nicht vorlegen.
Nach Auskunft der steuerlichen Vertretung sei bereits zumindest seit Dezember 2019 der Geschäftsbetrieb faktisch eingestellt gewesen. Wie sich aus den beiliegenden Kontoauszügen ergeben würde, seien im Dezember 2019 im Wesentlichen nur Mieten, Telefonkosten, Treibstoff, etc. bezahlt worden, ein wesentlicher Teil der Aufwendungen wären auch Kontoführung, Überziehungszinsen, Rahmenprovisionen etc.
Auch in den Folgemonaten seien im Wesentlichen nur Zug-um-Zug Leistungen erfolgt. Einnahmen habe es faktisch kaum gegeben. Am habe es eine Gutschrift von der Versicherung gegeben, am sei von der ***Aa*** GmbH ein Betrag von 53.700,00 € refundiert worden, der allerdings faktisch nur zur teilweisen Abdeckung des Überziehungsrahmens verwendet werden konnte.
Lediglich am sei an die ***B*** noch ein Betrag von 2.285,00 € geleistet worden. Es habe sich aber ebenfalls um ein Zug-um-Zug Geschäft gehandelt. Es seien im Prinzip nur die laufenden Kosten (Miete, Telefon, Versicherungen, etc.) bezahlt worden. Eine wesentliche Position hätten auch die Überziehungszinsen und die sonstigen Bankspesen ausgemacht.
Am sei eine Privateinlage vom Mitgeschäftsführer ***GF*** in Höhe von 5.000,00 € erfolgt.
Von einer Gläubigerbevorzugung könne angesichts dieser Situation nicht ausgegangen werden. Die Verbindlichkeiten beim Finanzamt ( 18.285,77 €) hätten sich infolge Gutschriften auf 8.553,3 € per reduziert.
Zum Nachweis dafür würden die Kontoblätter Dezember 2019 bis einschließlich Dezember 2020 vorgelegt.
Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer und der zweite handelsrechtliche Geschäftsführer, ***GF***, faktisch eine Arbeitsteilung vorgenommen hätten. Der Beschwerdeführer wäre für die Abwicklung der einzelnen Baustellen vor Ort mehr oder weniger als Polier tätig gewesen und hätte die Ausführungen der Bauarbeiten überwacht. Der zweite Geschäftsführer ***GF*** hingegen wäre für das gesamte Rechnungswesen, die Buchhaltung, die Bilanzierung, die Überweisungen, etc. zuständig gewesen. Dieser Umstand sei auch im Finanzstrafverfahren vom Amt für Betrugsbekämpfung festgestellt worden. Zum Nachweis dafür werde der Einstellungsbescheid vom vorgelegt.
Der Beschwerdeführer hätte allerdings schon länger Informationen erhalten, dass die Primärschuldnerin extreme Liquiditätsprobleme habe und es ständig Probleme gegeben hätte, dass die kontoführende Bank Überweisungen nur sehr eingeschränkt durchgeführt habe und es dann auch zu Rahmeneinschränkungen gekommen sei. Mangels Zugriff auf das gegenständliche Konto sei es dem Beschwerdeführer leider nicht möglich, genau darzulegen, wann welcher Kontorahmen zur Verfügung gestanden sei.
Es sei aber aus den vorgelegten Urkunden ersichtlich, dass keine Gläubiger bevorzugt worden seien. Es werde daher der Antrag gestellt, den Haftungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben.
Dem Schriftsatz angeschlossen waren Kontoblätter vom bis der Primärschuldnerin.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Ergänzend wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer bisher keine geeigneten Dokumente vorgelegt habe, die auf eine fehlende Schuld bzw. Pflichtverletzung schließen ließen. Die vorgelegte Bilanz bzw. Aufstellung der Verbindlichkeiten würden keinen Aufschluss über geleistete Zahlungen gegen bzw. wie die vorhandenen, liquiden Mittel verwendet worden seien. Im Vorlageantrag sei eindeutig dokumentiert worden, dass nur mehr Zug-um-Zug Geschäfte durchgeführt worden seien bzw. im Prinzip nur noch laufende Kosten bezahlt worden seien. Dies sei eindeutig ein Indiz für eine schuldhafte Pflichtverletzung.
Dem Beschwerdeführer sei sehr wohl auch die finanzielle Seite der Gesellschaft bekannt gewesen, was wiederum für dessen schuldhafte Pflichtverletzung sprechen würde.
Das Finanzamt ersuche um Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Firma ***A*** GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet. Laut Punkt 6. dieses Vertrages wird bei zwei oder mehreren Vertretern deren Vertretungsbefugnis im Bestellungsbeschluss geregelt.
Mit Gesellschafterbeschluss vom beschlossen die Gesellschafter ***GF*** und der Beschwerdeführer, dass ***GF*** und der Beschwerdeführer zu Geschäftsführern der Gesellschaft mit jeweils selbständiger Vertretungsbefugnis ernannt werden.

Der am ***1***1979 geborene Beschwerdeführer war von bis gemeinsam mit ***GF*** Gesellschafter der Primärschuldnerin.

Am wurde der Primärschuldnerin die Gewerbeberechtigung entzogen.

Mit Notariatsakt vom veräußerten die Gesellschafter ***GF*** und der Beschwerdeführer sämtliche Anteile an der Primärschuldnerin an ***AB***.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben wurden in der Zeit zwischen und fällig. Die letzte Zahlung gegenüber dem Finanzamt wurde am geleistet, in der Folge wurden noch einige Gutschriften verbucht. Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin zur Gänze unberichtigt aus und sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom aufgefordert einen Nachweis zu erbringen, dass das Gleichbehandlungsgebot eingehalten wurde, das heißt, dass sämtliche Gläubiger im gleichen Ausmaß befriedigt worden sind. Diesem Ersuchen wurde nicht nachgekommen.
Im Haftungsbescheid vom und in der Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerdeführer neuerlich auf seine Behauptungs- und Beweispflicht hingewiesen.

Die Lieferverbindlichkeiten betrugen zum 53.732,49 €, zum 55.350,75 €; die sonstigen Verbindlichkeiten betrugen zum 1.300,35 € und zum 300,00 €. Die Verbindlichkeiten beim Finanzamt betrugen zum 18.285,77 €, zum 8.553,39 €.
Es wurde nicht dargelegt, in welchem prozentuellen Ausmaß die Verbindlichkeiten des Finanzamtes bedient worden wären, wenn alle Verbindlichkeiten im gleichen Ausmaß befriedigt worden wären.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, den Parteienvorbringen, Einsicht in das Firmenbuch sowie den dort ersichtlichen Urkunden und aus dem Abgabeninformationssystem.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Verbindlichkeiten Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben. ()

Der jeweilige Stand der Verbindlichkeiten zum und zum sagt nichts darüber aus, welche Verbindlichkeiten zwischenzeitig fällig geworden und getilgt worden sind. Zug-um-Zug Geschäfte scheinen in einer derartigen stichtagsbezogenen Aufstellung gar nicht auf, wurden jedoch getätigt, wie sich aus dem Vorbringen im Vorlageantrag ergibt. Aus den vorgelegten Kontoblättern gehen in erster Linie diese Zug-um-Zug Geschäfte hervor. Es wurde auch nicht dargelegt, wie hoch beispielsweise die Bankverbindlichkeiten waren und in welchem Ausmaß sie getilgt wurden.

Der Beschwerdeführer ist seiner Behauptungs- und Beweispflicht in Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht nachgekommen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Haftung setzt die Schuld eines anderen voraus. Es handelt sich um das Einstehenmüssen für eine fremde Abgabenschuld. Dem Haftenden gegenüber wird die Abgabe nicht festgesetzt, sondern er wird lediglich zur Zahlung einer bereits festgesetzten und fälligen Abgabenschuld mit besonderem Bescheid (Haftungsbescheid) herangezogen. Der Haftungsbescheid wirkt hierbei insoweit konstitutiv, als erst durch seine Erlassung der Haftende zum Gesamtschuldner wird ( zu § 11 BAO; vgl. auch Stoll, BAO-Kommentar, § 9, 115; Ritz, BAO6, § 7 Rz 1).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO voraus, dass eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht, die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis des §§ 80 ff BAO gehört, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters vorliegt und die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

3.1.1. Zur Vertreterhaftung

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer von bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin war.

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen bei diesem nicht eingebracht werden können.

Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum ( bis ) ihr abgabenrechtlicher Vertreter.
Die Behauptung in der Beschwerde, die Fälligkeit der Körperschaftsteuervorauszahlung 1-3/2021 liege außerhalb der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers, erweist sich als unrichtig, zumal die Körperschaftsteuervorauszahlung 1-3/2021 am fällig war und der Beschwerdeführer bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin war.

3.1.2. aushaftende Abgabenschuldigkeiten gegenüber der Primärschuldnerin

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin unbestritten unberichtigt aus.

3.1.3. Zur Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Sie darf nur dann geltend gemacht werden, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei außerhalb des § 9 BAO Haftenden eindeutig feststeht (vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 4 und 7, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Eine Entrichtung durch Dritte - allenfalls auch durch Überrechnung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) - würde dazu führen, dass insoweit die Abgabenschuldigkeit erfüllt wäre; eine derartige Zahlung wäre auch noch im Beschwerdeverfahren über einen Haftungsbescheid zu berücksichtigen ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin unbestritten fest.

3.1.4. Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten

Für die Haftung relevant ist die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten (zB Entrichtungspflicht in § 80 Abs 1 letzter Satz, aus der das Gleichbehandlungsgebot abgeleitet wird, Einbehaltungs- und Abfuhrpflicht gem § 78 Abs. 3 EStG 1988 für Lohnsteuer oder gem § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG 1988 für Kapitalertragsteuer).

Den Vertreter trifft die Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung bzw. Abfuhr von Abgabenverbindlichkeiten. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Gleichbehandlungspflicht erfüllt hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre ().

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Er hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Im gegenständlichen Haftungsverfahren hat der Beschwerdeführer keine ausreichenden Angaben über die finanziellen Mittel der Primärschuldnerin während des haftungsgegenständlichen Zeitraumes gemacht. Es wurde keine Aufstellung bzw. Berechnung vorgelegt, aus der ersichtlich wäre, in welchem Ausmaß das Finanzamt bei gleichmäßiger Behandlung aller Gläubiger befriedigt worden wäre. Die Höhe der Verbindlichkeiten wurden nur stichtagsbezogen ( und ) bekannt gegeben und die einzelnen Zahlungen laut der vorgelegten Kontoblätter geben keine Auskunft über das Ausmaß der Tilgung der einzelnen Verbindlichkeiten.

Wie nunmehr bereits ausführlich dargelegt wurde, hat der Beschwerdeführer keine Angaben über allfällige liquiden Mittel der Primärschuldnerin gemacht. Darüber hinaus hat er keinen Nachweis erbracht, in welcher Höhe die Abgabenverbindlichkeiten bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen zu bedienen gewesen wären. Das Finanzamt hat daher im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes agiert, indem es die Haftung für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten in voller Höhe ausgesprochen hat.

Von einer Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ist daher insgesamt hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben auszugehen.

3.1.5. Verschulden

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (; ; ; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 22).

Als schuldhaft im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO gilt jede Form des Verschuldens. Leichte Fahrlässigkeit genügt.

Dass der Beschwerdeführer seine abgabenrechtlichen Pflichten, nämlich die pünktliche und vollständige Entrichtung bzw. Abfuhr der Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin aus deren vorhandenen Mitteln, schuldhaft verletzt hat, wurde bereits ausführlich dargelegt. Daran ändert auch die Vereinbarung im Notariatsakt vom , wonach ***AB*** die Primärschuldnerin mit allen Aktiven und Passiven, Rechten und Verbindlichkeiten übernimmt, da es sich dabei um ein privatrechtliche Vereinbarung handelt, die der Finanzverwaltung gegenüber keine Wirkung entfaltet.

Im Zuge des Vorlageantrages äußerte die beschwerdeführende Partei die Ansicht, ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen, weil der Beschwerdeführer aufgrund einer Aufgabenteilung zwischen den Geschäftsführern nicht für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten zuständig gewesen sei.

Bei Vorhandensein mehrerer potentiell Haftender richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist.

Solange Regelungen über eine vom gesetzlichen Regelzustand abweichende Geschäftsverteilung fehlen, sind die Geschäftsführer auch von sich aus befugt, die ihnen als Gesamtheit obliegenden Aufgaben untereinander im Wege einer einstimmigen Beschlussfassung aufzuteilen. Eine Formvorschrift für die erwähnte Beschlussfassung der Geschäftsführer kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl. ).

In dem im Firmenbuch hinterlegten Gesellschafterbeschluss vom wurde keine Aufteilung der Aufteilung der Agenden zwischen den beiden Geschäftsführern vorgenommen. Aufgrund dieses Beschlusses ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer (auch) für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen zuständig war.

Aber selbst wenn man annehmen würde, dass der Beschwerdeführer für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Belange nicht zuständig gewesen wäre, ist für das gegenständliche Verfahren aus folgenden Gründen nichts zu gewinnen:

: "Sind mehrere potenziell Haftende vorhanden, richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Verletzt jedoch der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, so ist er auch haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln."

: "Die Aufgabenteilung unter Geschäftsführern könnte selbst bei größter Spezialisierung nicht bewirken, dass ein Geschäftsführer sich nur noch auf das ihm zugeteilte Aufgabengebiet beschränken dürfte und sich um die Tätigkeit der anderen Geschäftsführer nicht mehr kümmern müsste. Denn durch die Aufgabenteilung wurde nur die Pflicht zur unmittelbar verwaltenden Tätigkeit auf das zugeteilte eigene Aufgabengebiet beschränkt. Hinsichtlich der restlichen von den anderen Geschäftsführern unmittelbar zu betreuenden Aufgabengebiete bleibt eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) und gegebenenfalls zur Schaffung von Abhilfe aufrecht (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse vom , Zl. 91/17/0134, vom , Zl. 95/08/0179, und vom , Zl. 97/08/0108). Nur bei der Verletzung dieser Beaufsichtigungs- und Bereinigungspflicht könnte im vorliegenden Fall die Haftung des Beschwerdeführers für die Nichtentrichtung von Zuschlägen durch die Gesellschaft ansetzen."

Zur Vermeidung einer Pflichtverletzung durch den für die steuerlichen Agenden zuständigen Geschäftsführer trifft den/die anderen Geschäftsführer eine Vorsorge-, Überwachungs- und Abhilfepflicht (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO³ (2021) § 9 Rz 20).

Fazit der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und Literatur ist, dass der Beschwerdeführer nur dann zur Haftung herangezogen werden kann, wenn er begründete Zweifel haben musste, dass ***GF*** die Geschäftsführung nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat und er dagegen nichts unternahm.

Dem Vorlageantrag ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer schon länger Informationen erhalten habe, dass die Primärschuldnerin extreme Liquiditätsprobleme habe und es ständig Probleme gäbe, dass die kontoführende Bank Überweisungen nur sehr eingeschränkt durchgeführt habe und es dann auch zu Rahmeneinschränkungen gekommen sei.

Diese Umstände hätten für den Beschwerdeführer Anlass sein müssen, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu zweifeln. Alle Indizien haben dafür gesprochen, dass die Gefahr besteht, dass das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Diese Umstände hat der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Ausführungen auch wahrgenommen. Es wäre daher am Beschwerdeführer gelegen, seiner Vorsorge- und Aufsichtspflicht nachzukommen.

Insgesamt betrachtet konnte der Beschwerdeführer nicht überzeugend darlegen, dass er grundsätzlich nicht (auch) für die Erfüllungen der abgabenrechtlichen Verpflichtungen zuständig gewesen sei bzw. seine ihm jedenfalls auferlegte Vorsorge-, Überwachungs- und Abhilfepflicht erfüllt hat.

Die Richterin gelangte daher zur Überzeugung, dass dem Beschwerdeführer eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten vorzuwerfen ist.

3.1.6. Kausalzusammenhang

Im Haftungsverfahren nach § 9 BAO hat der Vertreter darzulegen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft gewesen ist. Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall (, mit Verweis auf ).

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer konnte die Abgabenbehörde daher auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

3.1.7. Ermessen

Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 224 BAO ist in das Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist (; vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren³, § 224 Anm. 11).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (Ritz, BAO6, § 20 Tz 7).

Vom Beschwerdeführer wurde nichts dahingehend vorgebracht, weshalb die Haftung wegen ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geltend gemacht werden dürfe.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Haftung nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte und des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden, sondern auch darüber hinaus. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit schließt nicht aus, dass künftig erzielte Einkünfte oder künftig neu hervorgekommenes Vermögen zur Einbringlichkeit der Haftungsschuld führen.

Der Beschwerdeführer ist erst 43 Jahre alt, sodass mit einer Entrichtung der Haftungsschuld jedenfalls gerechnet werden kann. Zudem wurde im gesamten Beschwerdeverfahren diesbezüglich nichts vorgebracht.

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen. In Hinblick auf die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin ist die Geltendmachung der Haftung die einzige Möglichkeit, für die Einbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben zu sorgen.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich entschieden, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100531.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at