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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.09.2022, RV/6100203/2022

§ 299 BAO - Antrag auf Bescheidaufhebung aufgrund der unzureichenden Begründung des Wiederaufnahmebescheides


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Miterledigte GZ:
RV/6100218/2022

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages gemäß § 299 BAO auf Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2016 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Beim Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf) fand betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer jeweils für die Jahre 2016 bis 2018 eine Außenprüfung statt.

Die Schlussbesprechung fand am statt. Anwesend war Herr ***3***, zu diesem Zeitpunkt gewerblicher Buchhalter des Bf, dem eine Zweitschrift der Niederschrift ausgehändigt wurde.

Die Abgabenbehörde folgte den Feststellungen des Prüfers und nahm die Umsatzsteuer sowie die Einkommensteuer betreffend das Jahr 2017 mit Bescheiden vom gemäß § 303 BAO wieder auf.

Die Wiederaufnahmebescheide wurden am um 05.35 elektronisch und der Betriebsprüfungsbericht (datiert mit ) ebenfalls am um 06.16 elektronisch in die Databox des Bf zugestellt.

Die Bescheide wurden rechtskräftig.

Mit Schreiben vom beantragte der Bf ua die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer 2016, 2017 und Einkommensteuer 2016, 2017 mit der Begründung, dass die Bescheide weder einen konkreten Wiederaufnahmegrund nennen würden, noch werde zu einem solchen eine Begründung ausgeführt. Es werde zwar auf einen Betriebsprüfungsbericht verwiesen, doch sei mangels Angabe einer Aktenzahl oder eines Datums nicht erkennbar, um welchen Bericht es sich handeln solle.

Die Abgabenbehörde wies den Antrag hinsichtlich die Wiederaufnahme betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2016 mit Bescheiden vom ab.

Dagegen brachte der Bf mit Schreiben vom Beschwerde ein. In dieser wurde ergänzend vorgebracht, dass im Zeitpunkt der bereits zugestellten Wiederaufnahmebescheide vom der Betriebsprüfungsbericht vom noch nicht zugestellt worden sei. Folglich sei auf einen Bericht verwiesen worden, den es im Zeitpunkt der Bescheidzustellung nicht gegeben hätte, und seien die Bescheide demzufolge im Zeitpunkt ihrer Zustellung unbegründet gewesen.

Zusätzlich wurde vorgebracht, dass es sich bei den Ausführungen zur Ermessensübung um Textbausteine handle und somit die Begründungspflicht nicht ausreichen würde.

Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Abweisung des Antrages gemäß § 299 BAO hinsichtlich der Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2016 und Einkommensteuer 2016 ab.

Dagegen brachte der Bf mit Schreiben vom einen Vorlageantrag ein.

Die Abgabenbehörde legte den Akt betreffend die Jahre 2016 am dem Bundesfinanzgericht vor.

Am fand die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Beim Bf fand betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 2016 bis 2018 im Jahr 2020 eine Außenprüfung statt. Steuerlicher Vertreter war zu diesem Zeitpunkt Hr. ***3***, gewerblicher Buchhalter.

Die Schlussbesprechung fand am in Anwesenheit des Vertreters bei der belangten Behörde statt. Die Niederschrift (Zweitschrift) wurde dem Vertreter ausgehändigt. Unter TZ 7 sind die Aufzeichnungsmängel und Kalkulationsdifferenzen des Prüfungszeitraumes dargestellt.

Die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 2016 und Umsatzsteuer 2016 vom wurden am um 05.35 Uhr elektronisch dem Bf in seine Databox zugestellt. Die Begründung lautet:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gern. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen {§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."

Der Betriebsprüfungsbericht datiert mit wurde am um 06.16 Uhr elektronisch dem Bf in seine Databox zugestellt.

Die erste Seite des Betriebsprüfungsberichtes sieht aus wie folgt:

[...]

Die Bescheide wurden rechtskräftig.

Mit Schreiben vom brachte der Bf den Antrag gemäß § 299 BAO betreffend die Wiederaufnahme / Umsatzsteuer 2016 und 2017, die Wiederaufnahme / Einkommensteuer 2016 und 2017, sowie die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 ein.

Die Anträge gemäß § 299 BAO betreffend die Einkommensteuerbescheide und Umsatzsteuerbescheide 2016 und 2017 wurde inhaltlich erledigt und sind nunmehr rechtskräftig.

2. Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 299 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides und b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

Die Aufhebung eines Bescheids nach § 299 BAO setzt voraus, dass der Spruch des Bescheids nicht dem Gesetz entspricht, somit dass der Inhalt des Bescheids nicht richtig ist (vgl. ; , ).

Grundsätzlich hat der Spruch eines die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides den maßgeblichen Wiederaufnahmetatbestand anzuführen; es darf hiebei jedoch nicht übersehen werden, dass einen Bescheid Spruch und Begründung ausmachen und die Begründung dann, wenn der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt, als Auslegungsbehelf des Spruches herangezogen werden kann ( mit Hinweis auf ).

Der Bf brachte im Antrag gemäß § 299 BAO vom vor, dass Voraussetzung für Wiederaufnahmen von bescheidmäßig bereits abgeschlossenen Verfahren das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln im abgeschlossenen Verfahren seien und deren Kenntnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Im Wiederaufnahmebescheid sei daher zwingend darzulegen, welche neuen Sachverhaltselemente erst nachträglich zutage getreten sind, und eine Verfahrenswiederaufnahme zu rechtfertigen. Gegenständliche Bescheide würden weder einen konkreten Wiederaufnahmegrund nennen, noch werde zu einem solchen eine Begründung ausgeführt. In gegenständlichem Fall werde weder auf einen konkreten Betriebsprüfungsbericht verwiesen, noch seinen in irgendeinem Betriebsprüfungsbericht tatsächlich ausriechende Ausführungen hierzu zu finden.

Die Begründung der Wiederaufnahmebescheide führt einerseits den Gesetzestext an und verweist sowohl auf die Niederschrift als auch auf den Betriebsprüfungsbericht.

Als Hauptargument für die Unrichtigkeit des Spruches wird die Nichtanführung einer Aktenzahl des Betriebsprüfungsberichtes und die elektronische Zustellung des Betriebsprüfungsberichtes 41 Minuten nach den Wiederaufnahmebescheiden angeführt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Begründung eines Bescheides durch Verweis auf die der Partei zugegangenen Schriftstücke erfolgen, sofern im Bescheid darauf Bezug genommen wird (; vgl. auch ). Das Finanzamt kann zur Begründung des Wiederaufnahmebescheides auch auf den Betriebsprüfungsbericht oder die Niederschrift verweisen (vgl. ; , 2012/15/0172).

Auch der Gesetzgeber hat für den Fall, dass die Begründung eines Bescheides gesondert ergeht (beispielsweise in Form des Betriebsprüfungsberichtes), Vorsorge getroffen: Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist gemäß § 245 Abs 1 zweiter Satz BAO nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt.

Der Gesetzgeber hat damit nicht nur geregelt, dass die Begründung eines Bescheides auch einem anderen Schriftstück entnommen werden kann, sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass Bescheid und Begründung nicht zum selben Zeitpunkt erfolgen müssen.

Dabei macht es für die Frage der Begründung auch keinen Unterschied, ob der Bericht vor oder nach Erlassen des Bescheides erstellt oder dem Bf zugegangen ist, da die Rechte der Normunterworfenen durch die Regelung in § 245 BAO geschützt sind.

Die Auffassung des Bf, die Wiederaufnahmebescheide könnten mangels Begründung keine rechtlichen Wirkungen entfalten, ist unzutreffend. Vielmehr kommt es hinsichtlich der maßgebenden Wirkungen eines Bescheides allein auf dessen Spruch an ().

Der Rechtsschutz des Bescheidadressaten ist im Fall der Begründung mittels eigenen Schriftstückes durch die für ein solches Verhalten der Abgabenbehörde Vorsorge treffenden Bestimmungen des § 245 Abs 1 zweiter Satz BAO gewährleistet ().

Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereichs des Empfängers gelangt sind. Sowohl die Wiederaufnahmebescheide als auch der BP Bericht wurden am in die Databox des Bf zugestellt.

Aufgrund der engen zeitlichen Zusammenschau der elektronisch übermittelten Dokumente, der Tatsache, dass beim Bf nur eine Betriebsprüfung erfolgt ist und, dass die Niederschrift (auf die ebenfalls im Bescheid verwiesen wird) bereits bei der Schlussbesprechung - wenn auch nicht persönlich - übermittelt wurde, muss davon ausgegangen werden, dass der Bf den lediglich 41 Minuten nach den Bescheiden zugestellten Betriebsprüfungsbericht (der im Übrigen auf der ersten Seite die Daten des Bf und detaillierte Angaben zum Gegenstand und Zeitraum der Prüfung anführt) sehr wohl zuordnen hat können.

Den Einwendungen der steuerlichen Vertretung bei der mündlichen Verhandlung, aufgrund der Anwesenheit lediglich des gewerblichen Buchhalters bei der Schlussbesprechung sei das Parteiengehör verletzt worden, ist Folgendes zu entgegnen: Eine etwaige Verletzung des Parteiengehörs stellt einen relativen Verfahrensmangel dar und ist sanierbar. Spätestens bei Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde dieser Mangel beseitigt.

Darüber hinaus wurde im Antrag gemäß § 299 BAO als Aufhebungsgrund lediglich das Fehlen eines konkreten Wiederaufnahmegrundes in den streitgegenständlichen Bescheiden angeführt. Das fehlende Parteiengehör wurde erstmals bei der mündlichen Verhandlung vorgebracht.

Aufgrund des oben Gesagten kann nicht von einer Rechtswidrigkeit des Spruches ausgegangen werden, die eine Aufhebung gemäß § 299 BAO rechtfertigen würde.

Sowohl in der Niederschrift als auch im Betriebsprüfungsbericht werden unter Tz 7 Aufzeichnungsmängel und Kalkulationsdifferenzen dargestellt. Die vom Gesetz geforderten neuen Tatsachen und Beweismittel wurde demzufolge angeführt.

Auch dem während der Verhandlung vorgebrachten Argument, es sei nicht ersichtlich um welchen Wiederaufnahmegrund des § 303 BAO es sich handle - es hätte sich auch um den Tatbestand des § 303 Abs. 1 lit a BAO handeln können -, muss entgegnet werden, dass aufgrund den Ausführungen in der Niederschrift und des Berichts in der TZ 7 eindeutig das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismittel erkennbar ist.
Wenn nun der Bf von einem diesbezüglichen Begründungsmangel ausgeht, kann diesbezüglich auf die ausführliche Begründung in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen werden.

Selbst wenn von einem Begründungsmangel oder einen allfälligen anderen Mangel im Verfahren auszugehen wäre, stellen diese für sich allein noch keinen Grund für eine Aufhebung des Bescheids nach § 299 BAO dar. Eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO lediglich wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften ist nicht zulässig ().

Die Aufhebung eines Bescheids nach § 299 BAO setzt voraus, dass der Spruch des Bescheids nicht dem Gesetz entspricht, somit dass der Inhalt des Bescheids nicht richtig ist (, ).

In der Beschwerde wird weiters die mangelhafte Begründung des Ermessens angeführt.

Bei der Aufhebung auf Antrag bestimmt die betreffende Partei den Aufhebungsgrund. Sie gibt im Aufhebungsantrag an, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachtet. Die Sache, über die in der Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, wird bei der beantragten Aufhebung somit auch durch die Partei im Aufhebungsantrag festgelegt (, ).

Da das Ermessens erstmals in der Beschwerde vorgebracht wird, ist dies nicht Gegenstand dieses Verfahrens und demzufolge unbeachtlich.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt sohin nicht vor, weshalb eine Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig ist.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100203.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at