Keine Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung ohne Nachweis der Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird im Sinn der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist die Anerkennung von Werbungskosten im Zusammenhang mit Familienheimfahrten und einer doppelten Haushaltsführung im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2018 für den Beschwerdeführer ***Bf1*** (in der Folge: Bf).
Verfahrensgang
Verwaltungsbehördliches Verfahren
Aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten ergibt sich, dass der Bf die Berücksichtigung von Werbungskosten im Zusammenhang mit Familienheimfahrten (€ 3.672,00) und einer doppelten Haushaltsführung (€ 3.000,00) im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2018 beantragt hatte. Das Finanzamt hat die Anerkennung dieser Werbungskosten im Erstbescheid vom versagt. Begründend wurde angeführt, dass Familienheimfahrten nur dann als Werbungskosten anerkannt werden könnten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen würden. Dies setze voraus, dass dem Erwerbstätigen eine Verlegung seines Wohnsitzes in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, könnten Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten anerkannt werden (bei alleinstehenden Arbeitnehmern 6 Monate, ansonsten zwei Jahre).
In der gegen diesen Bescheid am eingebrachten Beschwerde brachte der Bf vor, dass er die Berücksichtigung der angefallenen Kosten beantrage, da er jede Woche mit seinem PKW von seinem Quartier am Arbeitsort in Österreich zu seinem Familienwohnsitz (eine Eigentumswohnung) in Ungarn, den er mit seiner in Ungarn erwerbstätigen Lebensgefährtin und deren Kind bewohnen würde, gefahren sei. Für eine tägliche Heimreise sei die Strecke zu weit gewesen.
Das Finanzamt entschied über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom . Mit diesem Bescheid wurden Werbungskosten in Höhe von € 1.112,00 anerkannt. Begründet wurde dies damit, dass bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung Kosten für Familienheimfahrten bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen für einen Zeitraum von 6 Monaten als Werbungskosten anerkannt werden könnten. Da davon im Jahr 2017 bereits 4 Monate zugestanden seien, wären für 2018 die Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung für 2 Monate zu berücksichtigen. (Frage an FA: wie wurden anerkannte Beträge für 2017 und 2018 ermittelt? )
In dem elektronisch dagegen eingebrachten Vorlageantrag vom wiederholte der Bf sein Beschwerdevorbringen und verwies auf ein eingebrachtes Formular E9.
Am erging an den Bf ein Vorhalt mit dem Ersuchen, es möge bis angeführt bzw. ergänzt und mit entsprechenden Unterlagen (ggfs. übersetzt in die Amtssprache deutsch) belegt werden:
• Vorlage eines Dienstvertrages; wie lange ist das Dienstverhältnis laut Dienstvertrag
• Meldebestätigungen auf Deutsch, aus denen hervorgeht, seit wann der Bf und dessen Lebensgefährtin mit ihrem Sohn gemeinsam an einem Wohnsitz in Ungarn leben.
• Beschreibung der Wohnverhältnisse in Ungarn;
• Eigentumsverhältnisse an dieser Wohnung; seit wann ggfs Eigentum des Bf besteht, Eigentumsnachweis; Größe der Wohnung
• Kostentragung seit Beginn des Zusammenlebens mit der Lebensgefährtin
• Nachweise zu den laufenden Kosten
Am erging ein weiterer Fragenvorhalt an den Bf, in dem dieser nochmals aufgefordert wurde, die angefallenen Kosten und für 2018 den gemeinsamen Wohnsitz mit der Lebensgefährtin und deren Sohn nachzuweisen. Aus den bisher übermittelten Unterlagen ergeben sich lediglich ein gemeinsamer Wohnsitz ab . Auch aus dem vorgelegten Formular E 9 gehe lediglich das Einkommen und das Besteuerungsrecht hervor, die Meldeadresse für 2018 werde darin nicht bestätigt.
Vom Finanzamt wurden mit dem Vorlagebericht dem BFG folgende Unterlagen übermittelt, die offensichtlich vom Bf infolge der Vorhalte oder mit der Beschwerde bzw. dem Vorlageantrag vorgelegt oder sonst beigeschafft wurden:
• Kopien von Zulassungsscheinen für einen auf den Bf in Ungarn zugelassenen Mitsubishi Carisma (unter Angabe des ungarischen Wohnsitzes des Bf und einem am in Österreich auf den Bf zugelassenen Audi A3 (mit angeführtem Wohnsitz des Bf in Ebensee)
• Kopien von Ausweisen des Bf, seiner angeblichen Lebensgefährtin und deren Kind im Scheckkartenformat sowie der E-Card und des Führerscheins des Bf.
• Kopie von ZMR Meldebestätigungen, in der bestätigt wird, dass der Bf seit in Attnang-Puchheim und seit in Ebensee seinen Hauptwohnsitz hatte.
• Kopie eines Formulars E9 für das Jahr 2018, in dem die ungarische Steuerbehörde am bestätigte, dass die vom Bf angegebene Lebensgefährtin im Jahr 2018 ihren Wohnsitz in Ungarn hatte und Einkünfte , der der ungarischen Besteuerung unterliegen, in angeführter Höhe bezogen hat. Als Anschrift der Frau ist die Anschrift der Eigentumswohnung des Bf in Ungarn angeführt.
Anm. d. R.: Aus diesem Formular geht nicht mit Sicherheit hervor, ob sich diese Bestätigung für das Jahr 2018 nur auf die Einkünfte oder auch auf den bereist im Jahr 2018 bestehenden Wohnsitz bezieht oder die Bestätigung bezüglich des Wohnsitzes das Ausstellungsdatum im Jahr 2020 betrifft.
• Ein gleiches Formular E9 liegt auch für den Bf auf.
• Bestätigungen des Arbeitgebers des Bf, dass dieser seit unbefristet in einem Dienstverhältnis stehe und dieses einvernehmlich per gelöst worden sei.
• Kopie eines ungarischen Dokumentes, welches offenbar den Bf als Eigentümer seiner Wohnung in Ungarn ausweist.
Im Vorlagebericht vom wurde ergänzend ausgeführt, dass der Bf an Kosten der doppelten Haushaltsführung € 3.000,00 und für Kosten der Familienheimfahrten € 3.672,00 berücksichtigt haben wolle. Die Lebensgefährtin lebe nach den Angaben des Bf seit mit ihrem Kind in der Eigentumswohnung des Bf.
In rechtlicher Hinsicht vertritt das Finanzamt im Wesentlichen die Ansicht, dass trotz erhöhter Mitwirkungspflicht des Bf bei Auslandssachverhalten der gemeinsame Wohnsitz mit der Lebensgefährtin in Ungarn erst ab nachgewiesen sei. Der Bf hätte auch trotz Aufforderung nicht angeführt, wie sich die Kosten der doppelten Haushaltsführung ergeben hätten.
Es sei nicht erkennbar, warum im Jahr 2018 die dauerhafte Verlegung des Wohnsitzes des Bf nicht zumutbar gewesen wäre. Die Lebensgemeinschaft mit der mehr als € 6.000,00 verdienenden Lebensgefährtin sei für 2018 nicht nachgewiesen. Es gäbe auch keine Hinweise auf das Vorhandensein eines von vornherein befristetem Dienstverhältnis oder von pflegebedürftigen Personen oder unterhaltspflichtigen eigenen Kindern des Bf in Ungarn. In einem solchen Fall könnten lediglich die Kosten der vorübergehenden doppelten Haushaltsführung für 6 Monate anerkannt werden. Davon seien 4 Monate im ESt-Bescheid 2017 und zwei Monate im ESt-Bescheid 2018 berücksichtigt worden.
Verwaltungsgerichtliches Verfahren
Auf Anfrage des zuständigen Richters teilte das Finanzamt mit:
Für die Familienheimfahrten seien für die für 2018 verbleibenden zwei Monate das höchste Pendlerpauschale iHv € 306,00 für 2 Monate und für die doppelte Haushaltsführung wären € 500,00 (beantragt für das gesamte Jahr 2018: € 3.000,00, davon 2/12) berücksichtigt worden (in Summe € 1112,00).
Dass die Lebensgefährtin des Bf und deren Sohn gesichert seit an der Anschrift des Bf in Ungarn wohnen, ergebe sich aus der Rückseite der vom Bf vorgelegten Ausweis-Karten ("Lakohely Bejelentesi ido: 2019.08.22" bedeute Wohnort Meldezeit )
Ein Nachweis für die tatsächlich angefallenen Kosten sowie eines gemeinsamen Wohnsitzes in 2018 sei mit den Vorhalten vom und vergeblich verlangt worden.
Mit Schreiben vom (zugestellt laut internationalem Zustellnachweis an der ungarischen Anschrift des Bf am ) wurde dem Bf durch den zuständigen Richter die Rechtslage dargelegt und wurde er nochmals aufgefordert, innerhalb der folgenden vier Wochen die Fragen des Finanzamtes zu beantworten, die beantragten Werbungskosten sowie evtl. bestehende enge und persönliche Beziehungen am Ort der Eigentumswohnung in Ungarn nachzuweisen. Nochmals wurden Nachweise für den im Jahr 2018 bestehenden gemeinsamen Wohnsitz mit der Lebensgefährtin angefordert, da sich dieser aus dem vorgelegten E 9 nicht ergebe sondern nach den vorliegenden Unterlagen erst ab bestehe.
Dieses Schreiben des BFG blieb bis unbeantwortet.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt und Beweiswürdigung
Da der Bf trotz mehrmaliger Aufforderung einen im gegenständlichen Jahr 2018 bereits bestehenden Familienwohnsitz in Ungarn oder andere Umstände, die eine Verlegung seines Wohnsitzes von Ungarn nach Österreich objektiv unzumutbar erscheinen lassen, nicht nachgewiesen hat, ist nach den vom Bf vorgelegten Unterlagen davon auszugehen, dass der Familienwohnsitz in Ungarn erst ab bestand und auch sonst im Jahr 2018 keine Umstände vorlagen, die eine Verlegung des Wohnsitzes in eine vernünftige Nähe zum Arbeitsplatz unzumutbar erscheinen lassen. Auch die angeblich angefallenen Kosten wurden nicht nachgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Rechtsgrundlagen
Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegen nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (zB mwN). Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (vgl. z.B. ).
Beispielhafte aktuelle Judikatur dazu:
Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Vorheriger Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. , mwN).
Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. , mwN).
Familienwohnsitz ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. ; , 96/15/0006).
Daraus ergibt sich, dass Lebensgefährten, die keinen gemeinsamen Hausstand unterhalten, der den gemeinsamen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen bildet, keinen gemeinsamen Familienwohnsitz haben.
Rechtliche Würdigung
Auf Grundlage der vom Bf vorgelegten Unterlagen wurde festgestellt, dass die vom Bf angegebene Lebensgefährtin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ihren Hauptwohnsitz nicht in der Wohnung des Bf gehabt hat. Der Bf hatte daher im fraglichen Zeitraum keinen Familienwohnsitz.
Im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es somit lediglich darauf an, ob dem Bf die Aufgabe bzw. Verlegung seines Wohnsitzes in Ungarn - der nicht als Familienwohnsitz des Bf und seiner Partnerin anzusehen war - zuzumuten war. Mangels eines gemeinsamen (Familien-)Wohnsitzes kann die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Erwerbstätigkeit seiner Partnerin keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung begründen (vgl. in diesem Sinn ). Andere Gründe für eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für (alleinstehende) Steuerpflichtige mit eigenem Hausstand relevant sein können (vgl. , mwN), brachte der Bf nicht vor.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das Erkenntnis der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgt, war die Revision als nicht zulässig zu erklären.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100040.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at