Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.08.2022, RV/6100202/2022

Spruch eines Haftungsbescheides

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. Klaus-Michael Plätzer, Hellbrunner Straße 5, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom , ***Steuernummer***, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) war ab Geschäftsführer der ***GmbH***. ***Im Februar 2020*** wurde über das Vermögen dieser GmbH das Sanierungsverfahren eröffnet, das ***im März*** 2020 in ein Konkursverfahren übergeleitet worden ist. Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom ***Dezember*** 2020 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung (Quote 2,47%) aufgehoben. ***Im April*** 2021 wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Am richtete das Finanzamt an den Bf einen Vorhalt betreffend die Heranziehung zur Haftung, mit dem dieser zur Beantwortung diverser Fragen und zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert wurde. Diesen nachweislich zugestellten Vorhalt ließ der Bf unbeantwortet.

Am erließ das Finanzamt gegen den Bf einen Haftungsbescheid, wonach er als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff. BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***GmbH*** in Liquidation "laut beiliegender Aufstellung mit EUR 23.351,52" in Anspruch genommen wurde.

Die Begründung enthält außer der Feststellung, dass der Bf vom bis zum als Geschäftsführer der GmbH bestellt gewesen sei und die genannten Beträge bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien, ausschließlich eine Wiedergabe der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Haftung. Weiters enthält die Begründung die Mitteilung, dass die der Haftung zugrundeliegenden Bescheide beigelegt seien und führt diese Bescheide an. Alle sonstigen in den Haftungsbescheid eingeschlossenen Abgaben seien aufgrund von Selbstberechnung und/oder laufender Anlastung auf dem Gebarungskonto gebucht. Für diese Abgaben seien somit keine Bescheide ergangen und lägen daher auch keine gesonderten Bescheide bei.

In der dagegen am durch seinen Rechtsvertreter erhobenen Beschwerde wird ausgeführt, der Haftungsbescheid lasse nicht erkennen, um welche Haftungsbeträge es gehe. Die im Spruch angeführte Aufstellung sei tatsächlich nicht beigelegen. Beigelegen seien einzelne Bescheide, diese könnten aber niemals die im Haftungsbescheid aufgeführten Haftungsbeträge begründen.
Der Haftungsbescheid sei lediglich formularmäßig begründet und enthalte überhaupt keinen Hinweis, worin eine Pflichtverletzung des Bf gelegen sein soll. Letztendlich wisse der Bf nicht einmal, wogegen er sich wirklich beschweren solle, weil vollkommen unklar sei, wofür und aus welchem Grund der Haftungsbescheid ausgestellt worden sei.
Aus dem Konkursakt der Gesellschaft sei leicht erkennbar, dass die Ursache des Insolvenzverfahrens die Nichtbezahlung einer sehr großen Forderung der Gesellschaft gegenüber einem Auftraggeber gewesen sei. Keinesfalls könne dem Bf eine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Es entspreche nicht der Aktenlage, dass die Aufstellung der Abgabenarten im Haftungsbescheid gefehlt hätte. Sollte dies dennoch der Fall gewesen sein, so werde dies in der BVE nachgeholt. Die BVE enthält in der Folge eine Aufstellung der Abgabenarten samt Beträgen und deren Fälligkeit, für die die Haftung gemäß § 9 BAO ausgesprochen wurde.

Dagegen richtet sich der Antrag des Bf vom auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und auf Entscheidung durch den gesamten Senat nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Über Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht (zu RV/6100201/2022), einen Nachweis dafür vorzulegen, dass die Aufstellung über die Haftungsbeträge dem Haftungsbescheid beilag, teilte das Finanzamt anher mit, dass aus seiner Sicht die Übersicht sehr wohl beigelegen sei. Die Berechnungsgrundlagen für die Selbstbemessungsabgaben seien vom verantwortlichen Geschäftsführer selbst gekommen. Dies spreche aus Sicht des Finanzamtes klar dagegen, dass diese Informationen im Haftungsbescheid nochmals dargestellt werden müssten.
Wie dem Finanzamt vorgehalten wurde, wird der Inhalt dieses Antwortschreibens auch auf das gegenständliche Verfahren übertragen, da sich die Sachverhalte in diesem Punkt gleichen, die ehemaligen Geschäftsführer der GmbH vom selben Rechtsanwalt vertreten werden und jeweils in einem gemeinsamen Schriftsatz Bescheidbeschwerde erhoben bzw ein Vorlageantrag gestellt worden ist.

Mit Schreiben vom zog der Bf den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Das Bundesfinanzgericht legt seiner Entscheidung den vorstehend geschilderten Sachverhalt zugrunde, der in den vom Finanzamt vorgelegten Akten abgebildet ist. Strittig ist dabei die Frage, ob dem angefochtenen Bescheid die Aufstellung über die haftungsgegenständlichen Abgabenbeträge und Abgabenarten beigelegt war.

Die durch den Rechtsvertreter des Bf eingebrachte Beschwerdeschrift lässt deutlich erkennen, dass der Bf aufgrund der ihm vorliegenden Informationen den Haftungsbetrag nicht nachvollziehen konnte. So versuchte er, den Betrag anhand der beiliegenden Bescheide zu errechnen und kam verständlicherweise zu keinem vernünftigen Ergebnis. Dabei konnte er deutlich erkennbar auch nicht eruieren, um welche Zeiträume es sich handeln könnte, wenn er in seiner Berechnung von Körperschaftsvorauszahlungen ab 2014, also für sieben Jahre ausgeht, wobei dies Perioden betrifft, die teilweise außerhalb seiner Geschäftsführertätigkeit liegen. Weiters führte er aus, dass er gar nicht wirklich wisse, wogegen er sich beschweren solle. Dies spricht eindeutig dagegen, dass dem Haftungsbescheid die im Spruch genannte Aufstellung beigelegt war.

Demgegenüber vermochte das Finanzamt keinen Beweis dafür zu erbringen, dass die Aufstellung dem Bescheid tatsächlich beigelegen ist. Dass eine derartige Aufstellung im Akt des Finanzamtes vorhanden ist, bedeutet noch nicht, dass sie dem Bf auch zugeschickt wurde. Auf dem Rückschein (adaptiertes Formular zu § 22 d. Zustellgesetzes) ist als Inhalt der Postsendung vermerkt: "EH 1 u. Bescheide zu ***StNr***" (EH 1 bezeichnet den Haftungsbescheid). Die genannte Aufstellung ist am Rückschein nicht als Beilage angeführt.

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung daher davon aus, dass die im Spruch genannte Beilage dem Bescheid tatsächlich nicht beigelegen ist.

Gemäß § 9 Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 224 Abs 1 BAO werden die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist Spruch des Haftungsbescheides die Geltendmachung der Haftung für einen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe. Damit wird die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und auch der Rahmen für die Änderungsbefugnis im Rechtsmittelverfahren festgelegt (etwa ; , Ra 2020/13/0056; vgl. auch Ritz, BAO6, § 224 Tz 8).

Laut dem Spruch des angefochtenen Haftungsbescheides sollen die Abgabenbeträge der bestimmten Abgaben in einer Beilage aufgelistet sein. Der Spruch des Bescheides enthält nur die Gesamtsumme der zur Haftung herangezogenen Beträge. Der Bf hat jedoch überzeugend eingewendet, dass diese Beilage dem Haftungsbescheid tatsächlich nicht beilag. Das Finanzamt hat trotz Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht den Gegenbeweis nicht erbracht.

Somit fehlt dem Bescheidspruch die bestimmte Bezeichnung des Abgabenbetrages bzw der Abgabenbeträge einer bestimmten Abgabe. Die konkrete Zusammensetzung des Haftungsbetrages ist damit so unbestimmt, dass nicht nachvollzogen werden kann, für welchen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe die Haftung geltend gemacht wurde. Diese Konkretisierung im Spruch des Haftungsbescheides ist jedoch notwendig, da die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen insbesondere auch voraussetzt, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht (zB durch Entrichtung) erloschen ist (Grundsatz der materiellen Akzessorietät der Haftung, vgl Ritz, BAO6, § 7 Tz 10).

Weiters wird durch die Konkretisierung der bestimmten Abgabenbeträge einer bestimmten Abgabe die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und insoweit auch der Rahmen für die Änderungsbefugnis im Beschwerdeverfahren iSd § 279 BAO festgelegt. Wenn nun der Spruch des Haftungsbescheides dermaßen unkonkret ist, dass nicht nachvollzogen werden kann, aus welchen einzelnen Abgabenschuldigkeiten sich der gesamte Haftungsbetrag zusammensetzt, ist der Haftungsbescheid mit einem Mangel behaftet, der lediglich zur Aufhebung des Bescheides führen kann (vgl ; , RV/3126-W/11).

Dieser Mangel kann auch nicht, wie vom Finanzamt angenommen, in der BVE saniert werden. Die BVE kann Mängel der Begründung eines angefochtenen Bescheides beheben, sie kann aber nicht einen mangelhaften oder fehlenden Bescheidspruch sanieren.

Der angefochtene Bescheid ist daher bereits aus diesem Grund aufzuheben.

Gemäß § 248 BAO steht dem nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtigen das Recht zu, innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einzubringen. Daher ist dem Haftungspflichtigen anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides auch Kenntnis über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch in einer Art und Weise zu verschaffen, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist ().

Die Verschaffung der Kenntnis erfolgt in der Begründung des Haftungsbescheides und hat durch Zusendung einer Ablichtung des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch zu erfolgen, sofern ein derartiger Bescheid erlassen wurde. Bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO erlassen wurde, ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch abzusprechen (). In diesen Fällen sind dem Abgabepflichtigen Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches in der Begründung des Haftungsbescheides selbst darzulegen (siehe dazu ).

Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig (Ritz, BAO6, § 248 Tz 8). Eine solche Bekanntmachung ist auch erforderlich, wenn der Haftungspflichtige vom Abgabenanspruch Kenntnis haben muss, zB weil ihm als gemäß § 9 haftendem Geschäftsführer einer GmbH die betreffenden Bescheide zugestellt wurden (Ritz, aaO, § 248 Tz 9 sowie die dort zitierte Literatur).

Das Finanzamt hat im vorliegenden Fall die gegenständlichen Abgabenbescheide dem Haftungsbescheid zu Recht beigelegt. Bei den Selbstbemessungsabgaben hat es jedoch nur bemerkt, dass es diesbezügliche Bescheide nicht gebe, solche daher nicht beigelegt werden könnten. Im Lichte der zitierten Judikatur und Literatur ist dies nicht ausreichend. Die Bekanntmachung des feststehenden Abgabenanspruches hat auch bei Selbstbemessungsabgaben zu erfolgen, indem in der Begründung des Haftungsbescheides Grund und Höhe des Abgabenanspruches dargestellt werden. Der Einwand, dass die Selbstbemessungsabgaben ja vom Geschäftsführer selbst erklärt worden seien und ihm daher bekannt seien, ist aus den genannten Gründen nicht ausreichend.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden (vgl auch ).

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Zur gegenständlichen Rechtsfrage existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100202.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at