Sicherheitszuschlag bei fehlenden Rechnungsnummern
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.*** vertreten durch Stb. über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des ***FA*** nunmehr Finanzamt Österreich vom betreffend Körperschaftsteuer 2005 und 2005 sowie Umsatzsteuer 2005 und 2006 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Bei der Beschwerdeführerin, lt. Firmenbuchauszug einer GmbH, die im Bereich der Logistik-Dienstleistungen tätig ist, fand eine die Jahre 2005 und 2006 umfassende Betriebsprüfung statt. Im Zuge dieser Prüfung wurden folgende Feststellungen getroffen:
"1.1) Erstellung der Ausgangsrechnungen:
Stellungnahme des Abgabepflichtigen, Originaltext: "Bezüglich der Rechnungsschreibung mittelsExcel haben wir nochmals mit unserem Steuerberater gesprochen. Es gibt keine Einwände Excel als"Schreibmaschine" zu nutzen, so wie wir es getan haben. Wenn wir Excel als "Schreibmaschine"genutzt haben, so besteht unserer Auffassung nach keine Verpflichtung die Rechnungen auf demDatenträger vorzuhalten."
Wie aus den weiteren Ausführungen ersichtlich ist, sind weder die vorgelegten Datenbestände nochdie Papierausdrucke vollständig, das Ausgangsrechnungen fehlen.
Sachverhalt:
Die Erstellung der Ausgangsrechnung für die Jahre 2005 und 2006 erfolgte elektronisch mit demComputerprogramm "MS Excel". Dies bedeutet, dass die gesamten Ausgangsrechnungen, diegesamte Grunderfassung der Ausgangsrechnungen auf elektronischer Basis erfolgte und nach derErstellung der Ausgangsrechnung wurde mittels "MS-Excel" auf Papier ein Rechnungsausdruck(dauerhafte Wiedergabe) angefertigt. Für die Jahre 2005 und 2006 können die elektronischen Filesder Ausgangsrechnungen nicht vorgelegt werden.
Dieser Umstand wird seitens des Abgabepflichtigen nicht bestritten.
Dazu wird folgendes ausgeführt: Der vom Abgabepflichtigen gewünschte Vergleich einesComputers mit einer Schreibmaschine kann seitens der abgabenbehördlichen Prüfung nichtnachvollzogen werden und wird als Vergleich abgelehnt, da die Ersterfassung derAusgangsrechnung elektronisch erfolgt.
§§131(3) und 132(3) BAO: Zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen können Datenträgerverwendet werden, wenn die inhaltsgleiche, vollständige und geordnete Wiedergabe bis zum Ablaufder gesetzlichen Aufbewahrungsfrist jederzeit gewährleistet ist; die vollständige und richtigeErfassung und Wiedergabe aller Geschäftsvorfälle soll durch entsprechende Einrichtungen gesichertwerden. Wer Eintragungen in dieser Form vorgenommen hat, muss, soweit er zurEinsichtgewährung verpflichtet ist, auf seine Kosten innerhalb angemessener Frist diejenigenHilfsmittel zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um die Unterlagen lesbar zu machen, und,soweit erforderlich, ohne Hilfsmittel lesbare, dauerhafte Wiedergaben beibringen. Werdendauerhafte Wiedergaben erstellt, so sind diese auf Datenträgern zur Verfügung zu stellen.
Stellt der Abgabepflichtige dauerhafte Wiedergaben (im Falle des AbgPfl Rechnungsausdrucke) her,so ist er verpflichtet, davon Druckdateien oder Exportfiles (jeweils als unformierter Text) dererstellten Auswertungen anzufertigen, aufzubewahren und zur Verfügung zu stellen.
1.2) Fehlende bzw. doppelte Ausgangsrechnungsnummern:
Aufgrund einer Überprüfung der Ausgangsrechnungsnummern wurde festgestellt, dassAusgangsrechnungsnummern fehlen und dass einige Rechnungsnummern doppelt erfasst wurden.
1.2.1) Doppelte Ausgangsrechnungen:
Stellungnahme des Abgabepflichtigen, Originaltext: "Sie haben im Jahr 2005 drei und im Jahr 2006zwei Rechnungen mit der gleichen Rechnungsnummer (doppelte Rechnungsnummernvergabe)vorgefunden. Dies ist aus Unachtsamkeit der Mitarbeiter geschehen."
Sicherheitszuschlag
Sachverhalt: Die gesamten Rechnungsgrundlagen werden in Graz erstellt und in gewissen Abständen (Monat) nach Deutschland geschickt. Dort liegen dann die gesamten Grundlagen der Ausgangsrechnungen für einen gewissen Zeitraum vor und die Rechnungen werden an Ort und Stelle erstellt.
Es ist nicht die Quantität ausschlaggebend, wie viele Rechnungsnummern doppelt vergeben wurden, sondern dass das System so fehlerhaft ist, dass dieser Fehler möglich ist bzw. dass bis zum Prüfungszeitpunkt dieser Umstand im Unternehmen nicht aufgedeckt wurde.
Lt. NS wird seitens des AbgPfl. erklärt, dass dieser Umstand bereits bekannt war und dass deshalb eine Systemumstellung erfolgte.
Hiezu wird ausgeführt: Die Umstellung des Systems erfolgte deshalb, da das Unternehmen der Meinung war, dass es nicht mehr zeitgerecht ist. Diese Änderung hat aber nichts damit zu tun, dass das System, wie es im Unternehmen eingesetzt wurde, fehlerhaft geführt wurde und die nötigen Kontrollen nicht durchgeführt wurden.
Fehlende Ausgangsrechnungen: In den Prüfungsjahren 2005 und 2006 wurden immer wieder fehlende Ausgangsrechnungsnummern festgestellt.
Seitens der NS wird hier ausgeführt, dass nicht "immer wieder fehlende Ausgangsrechnungsnummern festgestellt" wurden, sondern dass es sich konkret um fünf fehlende Ausgangsrechnungsnummern handelt.
Hierzu wird festgehalten, dass die fehlenden Rechnungen über einen Zeitraum von zwei Jahren vorgefunden wurden, also in diesem Zeitraum wurden "immer wieder" fehlende Rechnungen vorgefunden.
1.3) Rechnungsbuch:
Stellungnahme des Abgabepflichtigen, Originaltext: "Wir konnten die Rechnungsbücher aus 2005 und 2006 wieder rekonstruieren. Einen beispielhaften Ausschnitt erhalten Sie ebenfalls anbei. Im Rechnungsbuch können Sie anhand des Kurzzeichens (KZ) erkennen, dass mehrere Mitarbeiter mit der Faktura betraut waren. Es wurden sämtliche Rechnungsnummern bzw. Rechnungen hier eingetragen. In Einzelfällen ist es vorgekommen, dass Rechnungsnummern im Vorfeld bereits reserviert wurden und dann keine Rechnung geschrieben wurde. Beispielsweise wurde während der Rechnungsschreibung festgestellt, dass bestimmte Positionen der Abrechnung in einer Rechnung zusammengefasst werden konnten. Dann wurde im Rechnungsbuch der Vermerk "Rechnungsnummer nicht verwendet" gemacht. Sie sehen, dass die Nummernvergabe durchaus sorgsam und korrekt durchgeführt wurde."
Das Rechnungsbuch für die zu vergebenden Rechnungsnummern wurde gelöscht und für die abgabenbehördliche Prüfung wieder hergestellt. Es ist nicht feststellbar, ob dieses Buch ursprünglich geführt wurde oder ob es nur für die abgabenbehördliche Prüfung, aufgrund der vorgelegten fehlenden Rechnungsnummern, nachträglich rekonstruiert wurde.
Seitens des Unternehmens sind in den Unterlagen keine Aufzeichnungen, Vermerke etc. vorhanden, die auf einen solchen elektronischen File hinweisen. Dass dieser File für die abgabenbehördliche Prüfung, nach den vorgegebenen Anforderungen nachträglich erstellt wurde, ist als sicher anzunehmen. Da dieser File nur teilweise zur Verfügung gestellt wurde, ließ dies fürden Unternehmer die Möglichkeit offen, bei weiteren nachgeforderten Rechnungen, den File zuadaptieren. Da es eine komplette Umstellung der EDV gab, gilt es als ziemlich ausgeschlossen,dass genau diverse Spuren und Sektoren auf der Festplatte nicht gelöscht bzw. formatiert wurden,in denen die gelöschten Files abgespeichert waren. Dass man nach Jahren genau diese Bereichewieder herstellen konnte, die bereits vor Jahren von der EDV zum Überschreiben freigegebenwurden, muss bezweifelt werden und deshalb wird die Glaubwürdigkeit des vorgelegten Filesbestritten. Im Beilagenblatt der NS Pkt. 3, die ARNr 43097, wird erklärt, dass diese ARNr nichtPunkt der Besprechung war. Da diese fehlende ARNr nur eine weitere fehlende Rechnung darstellt,und diese Rechnung bei dem vorgelegten, nachträglich rekonstruierten Filenicht auftaucht, gibt es darüber auch nichts Weiteres zu sagen, als dass sie fehlt, wie die anderen ArNr.
Es ist auch augenscheinlich, warum das Unternehmen nur einen teilweisen Auszug des gelöschten Files zur Verfügung stellte, auch wenn telefonisch vereinbart war, die gesamten Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es wurden grundsätzlich immer die gesamten elektronischen Files abgefordert, da ein Auszug aus einem elektronischen File absolut keinen Sinn ergibt.
1.4) Die Ausgangsrechnung Nr 43097 wurde händisch vom auf den ausgebessert. Da der Empfänger dieser Ausgangsrechnung keine korrigierte Rechnung erhielt, ist diese im Betrieb vorgefundene Arbeitsweise dringend abzustellen.
Pkt 3 der Beilage der NS.: Seitens des Unternehmens wird erklärt, dass Rechnungsnummern fehlen, aber keine Erlöse.
Hierzu wird festgehalten: Dass Ausgangsrechnungsnummern fehlen wird seitens des Unternehmens nicht bestritten. Es wurde sehr spät im Prüfungsverfahren erklärt, dass ein Ausgangsrechnungsnummernbuch mit Excel geführt wurde. Dies wurde erst erklärt, nachdem seitens der abgabenbehördlichen Prüfung konkret nach einer solchen Möglichkeit nachgefragt wurde. Als dann die Datei abgefordert wurde, wurde erklärt, dass diese Files gelöscht wurden. Nun wurde erklärt, dass man die Files wiederherstellen wird. Das Unternehmen ließ sich die fehlenden Rechnungsnummern vorlegen und hat diese dann angeblich wiederhergestellt. Dieser Vorgang dauerte einige Wochen. Da das System inzwischen umgestellt wurde, ist es praktisch ausgeschlossen, dass nach Jahren der Löschung und nach Umstellung des gesamten Systems die Files wieder hergestellt werden konnten. Es ist auch praktisch ausgeschlossen, dass der dann schlussendlich vorgelegte Excel File ein ursprünglich originär erstellter File ist. Dieser File wurde im Unternehmen nach Angaben der fehlenden Unterlagen erstellt.
Außerdem wird festgehalten, dass It. Literatur Programme, wie z.B. Excel das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit erfüllen.
Pkt 4 der Beilage der NS.: Seitens des Unternehmens wird erklärt, dass es nur drei Kunden gibt. Als zu Beginn der Prüfung die Daten aus der Warenwirtschaft abgefordert wurden, wurde seitens des Unternehmens erklärt, dass dies nicht möglich ist, da sie direkt auf dem Fremdsystem der einzelnen Firmen arbeiten. Das geprüfte Unternehmen besitzt nicht das Recht, die vom geprüften Unternehmen erfassten Daten aus dem Fremdsystem zur Verfügung zu stellen.
Es konnten bis zum Ende der Prüfung von zwei Unternehmen Umsatzbestätigungen vorgelegt werden. Hier wird bestätigt, dass die Daten, die die Mitarbeiter des geprüften Unternehmens im Fremdsystem erfassten, richtig sind. Es gibt aber keine Auskunft darüber, wie viele Rechnungen insgesamt im Betrieb ausgestellt wurden.
Bei der abgabenbehördlichen Prüfung wurden noch weitere Kunden, im engeren und weiteren Sinn vorgefunden, wie z.B. Erlöse, die als Muster verbucht wurden, oder das Konto "verschiedene Kunden" oder "Dr. B" An diese Kunden wurden ebenfalls Ausgangsrechnungen erstellt. Es bestand also im gesamten Prüfungszeitraum die Möglichkeit, Ausgangsrechnungen auch noch an weitere Kunden zu erstellen.
Pkt 5 der Beilage der NS.: Da das Unternehmen jederzeit erklärte, dass die Fehler bekannt waren, musste dieser Punkt nicht weiter erörtert werden. Bei ausreichender, korrekter Mitwirkung seitens des geprüften Unternehmens, hätte diese AR auf dem vom Betrieb vorgelegten, gelöschten und nachträglich erstellten Excel File vorhanden sein müssen, da diese Unterlagen immer vollständig abgefordert wurden.
Pkt 6 der Beilage der NS.: Da das Unternehmen jederzeit erklärte, dass die Fehler bekannt waren, die Prüfung fast ein halbes Jahr dauerte, kann seitens des Unternehmens nicht davon gesprochen werden, dass der Zeitrahmen für gewisse Nachweise knapp war.
Aufgrund der oben angeführten Ausführungen erscheint das System so mangelhaft, dass auf den § 184 BAO verwiesen werden muss."
Aufgrund dieser Feststellungen erließ das Finanzamt am für die Umsatzsteuer und die Körperschaftsteuer der Jahre 2005 und 2006 Wiederaufnahms- und neue Sachbescheide und verhängte Sicherheitszuschläge, die zu jeweils € 4.000,- mehr an Umsatzsteuer/Jahr und zu € 5.000,- mehr an Körperschaftsteuer/Jahr führten.
In jeweils gesondert eingebrachten Rechtsmitteln vom wurde dagegen vorgebracht:
"Punkt 1.1 des Berichtes vom enthält zunächst die unwahreBehauptung, dass weder Datenbestände noch die Papierausdrucke vollständigsind und dass Ausgangsrechnungen fehlen.
Hierzu halten wir zum wiederholten Male fest, dass in der Buchhaltung keineAusgangsrechnungen fehlen, sondern lediglich Ausgangsrechnungsnummernversehentlich nicht vergeben wurden. Dies ist - wie im Verlaufe derAußenprüfung bereits mehrfach dargestellt wurde - dadurch entstanden, dassmehrere Mitarbeiter mit der Rechnungsausstellung betraut waren undvereinzelt im Zuge des Rechnungsausstellungsprozesses Rechnungen, dieursprünglich separat hätten erstellt werden sollen, zu einer (gemeinsamen)Rechnung zusammengefasst wurden. Dadurch sind gelegentlich ursprünglich(für separate Rechnungen) reservierte Rechnungsnummern nicht mehrbenötigt und auch nicht vergeben worden. Keinesfalls ist es jedoch dazugekommen, dass für Erlöse keine Ausgangsrechnung gelegt wurde. Auch imZuge der Außenprüfung konnten keine Feststellungen dahingehend getroffenwerden, dass Erlöse erzielt wurden, für die keine entsprechendeAusgangsrechnung erstellt wurde. Es konnte lediglich festgestellt werden,dass vereinzelt Ausgangsrechnungsnummern nicht vergeben wurden.
Unsere Mandantin hat - ihrer Mitwirkungspflicht nachkommend - anhand vonUmsatzbestätigungen nachgewiesen, dass der Jahresumsatz mit ihren Kundenvollständig im Rechnungswesen erfasst wurde. In der Anlage übermitteln wirdie Umsatzbestätigungen sämtlicher Kunden unserer Mandantin sowie dieBestätigung, dass im Berufungszeitraum keine weiteren Kunden bestanden.Weiters weisen wir darauf hin, dass sich anhand der Bankauszüge dievollständige Erfassung der Erlöse nachvollziehen lässt.
Die im Betriebsprüfungsbericht getroffene Aussage, dass das Fehlen vonAusgangsrechnungen aus dem Bericht hervorgehe, ist somit falsch. Ebenso istes nicht richtig, dass die vorgelegten Papierausdrucke nicht vollständig sind.Das Finanzamt äußert hier lediglich eine nicht begründete und unwahreBehauptung. Offensichtlich wird aus dem Zusammenfassen vonAusgangsrechnungen und dem damit verbundenen vereinzelten Wegfällenvon Ausgangsrechnungsnummern der Schluss gezogen, dass Erlöse nicht verbucht wurden (ohne irgendeinen konkreten Hinweis dafür zu haben).
Auch zu Punkt 1.2.1 ist wiederum klarzustellen, dass keineAusgangsrechnungen doppelt vorliegen, sondern lediglichAusgangsrechnungsnummern doppelt vergeben wurden. Dies aus dem selbenGrund wie in den Erläuterungen zu Punkt 1.1. beschrieben. Im Übrigen darf indiesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass ein Unternehmen,das - wovon das Finanzamt lt. Betriebsprüfungsbericht anscheinend ausgeht- Erlöse nicht verbucht, wohl kaum Ausgangsrechnungsnummern doppeltvergeben würde. Dieser Umstand ist vielmehr ein Indiz dafür, dass lediglich durch das Zusammenfassen von Rechnungen vereinzelt Rechnungsnummern nicht benötigt wurden.
In Punkt 1.3. hält das Finanzamt zum Rechnungsbuch unserer Mandantin zunächst fest, dass es nicht feststellbar sei, ob dieses Buch ursprünglich geführt wurde oder ob es nur für die abgabenbehördliche Prüfung nachträglich rekonstruiert wurde, widerspricht sich allerdings bereits zwei Zeilen später selbst, indem plötzlich (und völlig unbegründet) die Aussage getroffen wird, es sei als sicher anzunehmen, dass "dieser File für die abgabenbehördliche Prüfung nachträglich erstellt wurde".
Während also zunächst die Aussage getroffen wird, dass eine nachträgliche Erstellung nicht feststellbar sei, wird in der Folge plötzlich doch von einer nachträgliche Rekonstruktion ausgegangen. Eine ähnliche Aussage wird auf Seite 5 wiederholt. Der Bericht ist daher in weiten Teilen unlogisch, beinhaltet unwahre bzw. nicht nachvollziehbare Behauptungen und ist somit als Bescheidbegründung ungeeignet. Das vollständig geführte Rechnungsbuch kann jederzeit eingesehen werden.
Der Vollständigkeit halber möchten wir darauf hinweisen, dass unsere Mandantin entgegen der Annahme der Abgabenbehörde kein Speditionsunternehmen betreibt, sondern das Gewerbe "Zusammenbau von industriell gefertigten Abgasanlagen und Türverkleidungen für Kraftfahrzeuge" ausübt.
Zur Schätzung
Aufgrund der Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht sieht die Abgabenbehörde die Voraussetzung für eine Schätzung gemäß § 184 BAO als erfüllt und berechnet für die Körperschaftsteuer des Jahres 2006 einen Sicherheitszuschlag in Höhe von EUR 20.000,-.
Die einzige konkrete und nachvollziehbare Feststellung des Betriebsprüfungsberichtes ist, dass vereinzelt Ausgangsrechnungsnummern nicht vergeben wurden. Offensichtlich erfolgt die Schätzung daher aufgrund eines formellen Mangels der Aufzeichnungen. Dieser Mangel ist jedoch nicht geeignet, um an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung zu zweifeln. Nicht jeder formelle Mangel einer Buchführung darf als Beweis für ihre materielle Unrichtigkeit gewertet werden, sondern nur dann, wenn er derart schwerwiegend ist, dass das Ergebnis der Aufschreibungen nicht mehr glaubwürdig erscheint und folglich die Bemessungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden können. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Glaubwürdigung der Aufschreibungen nicht gefährdet, da einerseits die Umstände, weswegen Ausgangsrechnungsnummern nicht vergeben wurden logisch dargestellt wurde und andererseits lediglich das Fehlen von 18 Ausgangsrechnungsnummer festgestellt wurde, während in den Jahren 2005 bis 2006 insgesamt 397 Ausgangsrechnungsnummer vergeben wurden.
Dass Ausgangsrechnungen, die ursprünglich hätten separat gelegt werden sollen, im Zuge des Prozesses der Rechnungserstellung zusammengefasst wurden und dadurch Ausgangsrechnungsnummern nicht mehr benötigt wurden, stellt keinen Formalmangel dar, der derart schwerwiegend ist, dass er Anlass zum Zweifel an der sachlichen Richtigkeit des Rechnungswesens gibt.
In der bisherigen Judikatur war dies bei folgenden Mängeln der Fall:
> Das Fehlen jeglicher Belege ()
> Das Fehlen aufbewahrungspflichtiger Grundbelege ()
> Wiederholte Differenzen zwischen den Eintragungen in den Aufzeichnungen und dem Inhalt der Belege ()
> Mehrfache Nichterfassung von Bargeld oder Bankbeständen
Das Fehlen von (wenigen) Ausgangsrechnungsnummern wurde bislang nicht als schwerwiegender Formalmangel angesehen, denn genauso wenig wie die durchgehende (lückenlose) Nummerierung von Ausgangsrechnungen geeignet ist, die sachliche Richtigkeit des Rechnungswesens zu dokumentieren, kann aus dem Zusammenfassen von Rechnungsnummern der Schluss gezogen werden, das Rechnungswesen sei sachlich falsch. Im übrigen konnte im Zuge der Außenprüfung keine einzige sachliche Unrichtigkeit festgestellt werden.
Eine Schätzung ist daher im vorliegenden Fall rechtswidrig. Insbesondere für die Festsetzung eines Sicherheitszuschlages fehlt es an jeglicher Grundlage. Denn bei einem Sicherheitszuschlag ist davon auszugehen, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden. Im Falle unserer Mandantin sind jedoch nicht einmal nachgewiesene nicht verbuchte Vorgänge vorhanden. Die Festsetzung eines Sicherheitszuschlages ist im gegenständlichen Fall daher rechtswidrig.
Darüber hinaus wurden bei der vorgenommen Schätzung wesentlicheRechtsvorschriften nicht beachtet. So fehlt beispielsweise die notwendigeDarlegung der Schätzungsmethode. Ebenso wurden in keiner Weise die derSchätzung zu Grunde liegenden Sachverhaltsannahmen dargelegt und dieHöhe der Sicherheitszuschläge begründet."
In der abweisenden BVE vom bzw. vom legte das Finanzamt Folgendes dar:
"Laut Bericht gem. § 150 BAO vom über das Ergebnis der Außenprüfung bei der Beschwerdeführerin konnte festgestellt werden, dass die Erstellung der Ausgangsrechnungen für die Jahre 2005 und 2006 elektronisch mit dem Computerprogramm "MS Excel" erfolgte, die gesamte Grunderfassung der Ausgangsrechnungen wurde also auf elektronischer Basis vorgenommen. Als dauerhafte Wiedergabe erfolgte ein Rechnungsausdruck auf Papier, jedoch konnten die elektronischen Files nicht mehr vorgelegt werden. Auf den auf Papier vorliegenden Ausgangsrechnungen war eine fortlaufende Nummerierung nicht vorhanden, manche Rechnungsnummern lagen doppelt vor, andere wiederum fehlten. Hinsichtlich der Ausgangsrechnung Nr. 43097 wurde das Datum händisch vom auf den ausgebessert, der Empfänger dieser Rechnung erhielt jedoch keine korrigierte Version. Eine Wiederherstellung der elektronischen Rechnungsbücher wurde versucht, als Ergebnis wurde ein "beispielhafter Ausschnitt" mit einer teilweisen Rekonstruktion dem Finanzamt vorgelegt.
Gem. § 184 Abs 3 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Diesbezüglich ist die Einhaltung der Richtlinien des § 131 BAO von maßgeblicher Bedeutung, da gemäß § 163 Abs 1 BAO Bücher und Aufzeichnungen, die die den Vorschriften des § 131 BAO entsprechen, die Vermutung ordnungsgemäßer Führung für sich haben, wenn nicht begründeter Anlass gegebenist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.
§ 131 Abs 1 Z 2 BAO sieht vor, dass bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen dieEintragungen der Zeitfolge nach geordnet, vollständig, richtig und zeitgerecht vorgenommen werden müssen. Gem. § 131 Abs 3 iVm § 132 Abs 3 BAO sind im Fall der Erstellung dauerhafterWiedergaben (wie insb. Ausdrucke auf Papier) diese auf Datenträgern zur Verfügung zu stellen.
Im vorliegenden Fall entsprach die Buchführung nicht den Vorschriften des § 131 BAO.
Eintragungen sind vollständig, wenn damit alle Geschäftsvorfälle lückenlos und einzeln erfasstwerden, sie sind richtig, wenn damit keine unwahren, irreführenden oder undeutlichen Angabengemacht werden und sie auf Grundaufzeichnungen beruhen, die ihrerseits mit den Tatsachenübereinstimmen (vgl Ritz, BAO 5 § 131 Rz 8 und 9 je mwN). Eine fortlaufende Nummerierungder auf Papier vorhandenen Ausgangsrechnungen war nicht vorhanden, einigeRechnungsnummern wurden doppelt, andere wiederum nicht vergeben. Hinsichtlich derAusgangsrechnung mit der Nummer 43097 wurde händisch eine nachträgliche Datumsänderungvorgenommen. Auch konnte anfangs keine Zurverfügungstellung elektronischer Daten für dieZeiträume 2005 und 2006 erfolgen und wurde erst nachträglich eine teilweisewiederhergestellte Excel-Datei vorgelegt. Das Vorhandensein dieser wurde erst über Nachfragedes Prüfers bejaht und die Wiederherstellung erst möglich, nachdem vom Abgabepflichtigen diefehlenden Rechnungsnummern (!) abverlangt wurden. Im Zuge einer späteren Überprüfung derAusgangsrechnungen fielen dem Betriebsprüfer weitere fehlende Rechnungsnummern auf,genau diese fehlten auch in der vorgelegten "wiederhergestellten" Excel-Datei. Die Vermutung,dass diese Datei im Nachhinein verändert wurde, somit die Vermutung der Unrichtigkeit derAufzeichnungen, muss der Abgabenpflichtige gegen sich gelten lassen, zumal es ihm nichtgelungen ist, die Abgabenbehörde vom Gegenteil zu überzeugen. Insgesamt ergibt sich das Bildeines mit Mängeln behafteten Systems der Ausgangsrechnungen im Betrieb derBeschwerdeführerin für die Jahre 2005 und 2006, was an der Vollständigkeit undOrdnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen zweifeln lässt. Daran können auch die Bestätigungender Erlöse der drei Hauptkunden in Deutschland nichts ändern, zum einen, da dadurch nichtausgeschlossen wird, dass auch an andere Kunden Umsätze getätigt wurden (worauf auch die mit "verschiedene Kunden" und "Dr. B." benannten Konten schließen lassen), zum anderenwar eine exakte Zuordnung der Rechnungsnummern bzw. Rechnungen nicht möglich. Aufgrundder genannten formellen Mängel kann eine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeitdemnach nicht gegeben sein, weshalb die Abgabenbehörde zu Recht von ihrer Befugnis zurSchätzung nach § 184 Abs 3 BAO ausgegangen ist.
Eine Schätzung nach § 184 BAO kann mittels verschiedener Methoden erfolgen, die Wahl derSchätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei (vgl Ritz BAO 5 § 184 Rz 12).Im vorliegenden Fall wählte die Abgabenbehörde die Anwendung eines Sicherheitszuschlages,dessen Höhe zu begründen ist (vgl Ritz BAO5 § 184 Rz 21 mwN).
Über die Höhe des Sicherheitszuschlages, die ausgehend von den Umsätzen für die Jahre 2005(EUR 727.119,68) und 2006 (EUR 849.768,53) festgelegt wurde, wurde telefonisch mit denzuständigen Personen im Betrieb der Beschwerdeführerin gesprochen. Im Jahr 2005 fehlenneun, im Jahr 2006 elf Ausgangsrechnungen. Fünf Ausgangsrechnungen sind im gesamtenPrüfungszeitraum doppelt. Dies ergibt 3,4% der gesamten Ausgangsrechnungen. BeiBemessung des Sicherheitszuschlages wurde also bereits zugunsten der Beschwerdeführeringroßzügig abgerundet, wenn man davon ausgeht, dass 3% von EUR 700.000,00 einen Betragvon EUR 21.000,00 ergeben und sowohl für 2005 als auch für das umsatzstärkere Jahr 2006 einSicherheitszuschlag von nur EUR 20.000,00 festgesetzt wurde. Es ist weiters darauf hinzuweisen, dass in die Berechnung nur jene fehlenden Nummern einbezogen wurden, die sich die Beschwerdeführerin per E-Mail vom rückbestätigen ließ."
Im Vorlageantrag vom wurde durch die steuerliche Vertretung ergänzend zu den Rechtsmitteln vom vorgebracht, dass das Rechnungsbuch in dieser Form für alle Gesellschaften im Unternehmen (für den ganzen Konzern) nach dem gleichen Prinzip geführt werde. Das Rechnungsbuch sei von Herrn F. D. eigens für den Konzern programmiert/erstellt worden - bereits bevor die Betriebsprüfung in der österreichischen Gesellschaft überhaupt stattgefunden habe. Das könnten neben Herrn D noch weitere Mitarbeiter des Konzerns (konkret Herr S. und Frau M) bezeugen. Das vollständig geführte Rechnungsbuch könne jederzeit eingesehen werden.
Weiters wurde vorgebracht, dass die Bf. ihre Mitwirkungspflicht nicht verletzt habe sondern ganz im Gegenteil, ausreichende Aufklärungen und Erklärungen gegeben habe und zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beigetragen habe. Eine Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Besteuerungsgrundlagen sei somit gegeben gewesen.
Mit Schriftsatz vom wurde durch die steuerliche Vertretung weiters vorgebracht, dass es sich bei der Bf. um eine 100%ige Tochtergesellschaft eines international tätigen Unternehmens handle. Wie es bei international tätigen Konzern üblich sei, werde die Tochtergesellschaft nicht von den Eigentümern des Konzerns geführt, sondern von lokal verantwortlichen Dienstnehmern. Die Kontrolle dieser Dienstnehmer erfolge durch laufende Überprüfungen durch die Controllingabteilung des Stammhauses. Bereits aus diesem Umstand entspräche es nicht der Lebenserfahrung, dass bei international geführten Unternehmen Ausgangsrechnungen nicht verbucht würden. Im vorliegenden Fall würde ein Betrug seitens eines oder mehrere Dienstnehmer vorliegen.
Solche Gründe lägen im vorliegenden Fall nicht vor, somit sei die ordnungsgemäße Führung der Bücher zu vermuten und diese seien der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, da eben kein begründeter Anlass, die sachliche Richtigkeit in Zweifel ziehen, vorliege.
Eine Schätzung nach § 184 Abs 1 BAO dürfe nur vorgenommen werden, soweit Grundlagen für die Besteuerung nicht ermitteln oder berechnet werden könnten. Dabei seien alle Umstände zu berücksichtigen, die von Bedeutung sind.
Gem. § 184 Abs 2 BAO sei zu schätzen, insbesondere dann,
• keine ausreichenden Erklärungen über seine Angaben zu geben vermöge, oder
• weitere Auskünfte über Umstände verweigert werden, die für die Ermittlung der
Grundlagen wesentlich seien.
Gem. § 184 Abs 3 BAO sei zu schätzen, wenn
Bücher und Aufzeichnungen, die nach Abgabenvorschriften zu führen sind, nicht vorlegt, oder
diese sachlich unrichtig seien oder
solche formelle Mängel, die geeignet seien, die sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.
Im vorliegenden Fall lägen sämtliche Grundlage für die Berechnung der Besteuerung vor und keiner der unter § 184 Abs 2 noch Abs 3 BAO genannten Gründe läge auch nur ansatzweise vor.
Die Abgabenbehörde könne zwar auch bei formellen Mängeln schätzen, aber die Mängel müssten so gravierend sein, dass dadurch die Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen ernsthaft in Zweifel zu ziehen sei. Ein gravierender Mangel bestehe etwa darin, dass EDV-geführte Buchhaltungsdaten nicht oder nur unvollständig verfügbar seien, oder EDV-Kassensysteme nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprächen. Eine Schätzung dürfe aber nicht willkürlich erfolgen. Ziel jeder Schätzung müsse sein, den wahren Besteuerungsgrundlagen so nah wie möglich zu kommen. Daher müsse die Behörde insbesondere:
die Schätzungsmethode,
alle der Schätzung zugrundliegenden Sachverhaltsannahmen und
die Ableitung des Schätzungsergebnisses genau beschreiben und begründen.
Im vorliegenden Fall lägen wie ausführlich dargestellt, keine gravierenden Gründe vor, die eine Schätzung zur Folge hätten. Unabhängig davon habe die Abgabenbehörde die Ableitung des Schätzungsergebnisses weder beschrieben noch begründet.
In Bezug auf moderne Prüfmethoden / Statistik stünden der Abgabenbehörde zur Verfügung
Zeitreihenvergleich
Kalkulatorischer Zeitreihenvergleich
Endziffernanalyse
Benford
Logarithmische Normalverteilung
Bestandsanalyse
Die Probleme rund um die Nummerierung der Ausgangsrechnungen seien vermutlich im Wesentlichen daraus entstanden, dass die österreichische Tochtergesellschaft erst im Jahr 2003 gegründet worden sei und das Personal zu diesem Zeitpunkt noch nicht "eingespielt" gewesen sei.
Ansonsten könnte die Bf. aus rechtlicher Sicht noch Folgendes ergänzen:
Die fehlende Ordnungsmäßigkeit dürfe von der Abgabenbehörde gem. § 163 Abs 2 BAO nur vermutet werden, wenn "Gründe vorlägen, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse Anlass geben, die sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen, insbesondere dann, wenn die Bemessungsgrundlagen nicht ermittelt und berechnet werden könnten, oder eine Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht möglich sei".
Darauf replizierte das Finanzamt wiederholend, dass sowohl im Prüfbericht als auch in der Begründung der Beschwerdevorentscheidungen sehr ausführlich dargestellt worden sei, welche konkreten Mängel im Beschwerdefall vorlägen, und habe auch erläutert, dass und aus welchen Gründen infolge dieser Mängel die Buchführung der Bf. den in § 131 BAO normierten Grundsätzen nicht gerecht werde. Es habe zutreffend darauf verwiesen, dass insbesondere dem Grundsatz der Nachvollziehbarkeit der vollständigen und richtigen Erfassung bzw. der Plausibilität der Buchführung nicht entsprochen worden sei. Eine leichte und zuverlässige Kontrolle der vollständigen Erfassung aller Geschäftsvorfälle sei nicht möglich gewesen. Auch das Fehlen von Rechnungsnummern im Rechnungsbuch sowie die Rekonstruktion des Rechnungsbuches sei gerügt worden und erläuternd sei dargelegt worden, dass diese Mängel eine Überprüfung des Systems der Ausgangsrechnungen der Bf. auf seine Plausibilität geradezu unmöglich mache. Damit werde bereits hinreichend aufgezeigt, dass im vorliegenden Fall jedenfalls Mängel bestünden, welche die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der Bf. in Zweifel ziehen und sohin zur Schätzung iSd. § 184 BAO berechtigen würden.
Im Hinblick auf das Vorbringen der fehlenden Begründung der Ableitung eines Schätzungsergebnisses dürfe wiederum auf die Ausführungen der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung sowie auf die Stellungnahme des Betriebsprüfers verwiesen werden, wonach umfangreich die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen sowie die Darstellung der Berechnung dargelegt worden seien.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der oben wiedergegebene Verfahrensablauf findet im Akteninhalt Deckung, wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und wird somit zum festgestellten Sachverhalt erhoben.
Beweiswürdigung
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt kommt das BFG in freier Beweiswürdigung aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung und den Aussagen der Bf. zum Ergebnis, dass im Rechenwerk bzw. Belegwesen der Bf. in den Streitjahren 2005 und 2006 insgesamt 18 Rechnungsnummern nicht aufscheinen. Auch wurden einzelne Rechnungsnummern laut unwidersprochen gebliebenen Ausführungen in der BVE - auf den Vorhaltscharakter einer BVE wird ausdrücklich hingewiesen (so schon ) - doppelt vergeben.
Damit ist klargestellt, dass die Buchhaltung Mängel aufweist, die berechtigte Zweifel an deren Richtigkeit aufkommen lassen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
§ 184 Abs. 3 BAO bestimmt, dass die Abgabenbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen hat, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Nur Bücher oder Aufzeichnungen, die eine zuverlässige Ermittlung des tatsächlichen Umsatzes und Gewinnes ermöglichen, sind geeignet, der Abgabenerhebung zu Grunde gelegt zu werden. (vgl. ; ).
Bereits formelle Buchführungsmängel, die einen Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Bücher hervorrufen, begründen die Schätzungsbefugnis der Behörde. Eines Nachweises, dass die Aufzeichnungen tatsächlich unrichtig sind, bedarf es nicht (vgl. Doralt, EStG7, § 4 Tz 16; ; ).
Ist eine Schätzung zulässig, so steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im Allgemeinen frei. Diese Wahlfreiheit bei Anwendung der Schätzungsmethode dient dem Ziel, ohne Bindung an starre Regeln dem tatsächlichen Betriebsergebnis oder den sonstigen Gegebenheiten möglichst nahe kommen zu können. Denn die Schätzung muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben.
Dem Wesen nach ist die Schätzung ein Beweisverfahren (freie Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs. 2 BAO), bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise (indirekte Beweisführung) ermittelt wird. Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen.
Wer zur Schätzung begründeten Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss aber auch die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Eine Fehlertoleranz - im Ergebnis, nicht im Verfahren und Denkvorgang - muss der Schätzung immanent angenommen werden. Es liegt geradezu im Wesen der Schätzung, dass die auf diese Weise zu ermittelnden Größen die tatsächlich erzielten Ergebnisse nur bis zu einem mehr oder weniger großen Genauigkeitsgrad erreichen können.
Bei mangelhaften Aufzeichnungen ist wahrscheinlich, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere, nicht entdeckte Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden (vgl. z.B. ).
Um von einer ordnungsgemäßen Aufzeichnungsführung im Sinne des § 163 BAO sprechen zu können, muss auch ein Belegwesen vorhanden sein, das einem sachverständigen Dritten ohne weitere Nachforschungen einen zuverlässigen Überblick über die Vollständigkeit und Richtigkeit der verbuchten Geschäftsfälle bietet; gerade eine Belegnummerierung ist auch deshalb geboten, um die Vollständigkeit der verbuchten Belege augenscheinlich zu dokumentieren (). Nach den unwiderlegt gebliebenen Feststellungen der Betriebsprüfung verfügte die Bf. nicht über ein die fortlaufende und chronologische Vergabe der Ausgangsrechnungen sicherstellendes Fakturierungsprogramm, so wurden fehlende bzw. doppelt vergebene Rechnungsnummern festgestellt. Ein solches Belegwesen ist nicht geeignet, einem sachverständigen Dritten ohne weitere Nachforschungen einen zuverlässigen Überblick über die Vollständigkeit und Richtigkeit der verbuchten Geschäftsfälle zu bieten. Die Erklärung der Bf., es habe sich bei dem Programm um ein neu übernommenes gehandelt und möglicherweise seien die damaligen Mitarbeiter noch nicht richtig eingeschult gewesen, sodass Ausgangsrechnungen doppelt vergeben wurden oder eine Ausgangsrechnungsnummer vergessen wurde, beseitigt die vom Prüfer festgestellte Mangelhaftigkeit des Belegwesens nicht. Diese Mangelhaftigkeit ist geeignet, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen und stellt daher einen weiteren Anlass für eine Schätzung dar.
Betracht man den gegenständlichen Sachverhalt unter dem Blickwinkel obiger Ausführungen, so bleibt festzuhalten, dass die Bücher und Aufzeichnungen der Bf. insgesamt unrichtig waren und in dieser Form der Erhebung der Abgaben nicht zu Grunde gelegt werden konnten. Die Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde war daher alleine schon aus den dargelegten materiellen Buchführungsmängeln gegeben.
Ausgehend von der grundsätzlichen Schätzungsberechtigung wird in der im gegenständlichen Fall angewendeten Schätzungsmethode, der pauschalen Umsatz- und Gewinnzuschätzung, keine Rechtswidrigkeit erblickt. Die von der Behörde vorgenommenen Hinzurechnungen in Form von Sicherheitszuschlägen bei der Umsatz- und Körperschaftsteuer sind bei einer Anzahl von mindestens 18 fehlenden bzw. doppelten Rechnungsnummern als nicht überschießend zu bezeichnen.
Entgegen der Bestimmung des § 131 BAO, wonach Aufzeichnungen chronologisch und fortlaufend zu führen sind, steht aufgrund der Prüfung der vorgelegten Aufzeichnungen fest, dass die Verbuchung der Einnahmen und Ausgaben nicht fortlaufend erfolgt ist. Die Bf. selbst hat eingestanden, dass einzelne Rechnungsnummern vorab für gewisse Geschäftsfälle reserviert waren und nicht vergeben wurden. Einige von diesen wurden dann angeblich doch nicht benötigt und scheinen somit im Rechenwerk nicht auf. Von einer chronologischen Verbuchung der Geschäftsfälle kann dabei nicht gesprochen werden. Eine Überprüfung auf Vollständigkeit der erfassten Ausgaben und Einnahmen ist daher nicht möglich.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor, auch die zur Frage der Schätzungsberechtigung ergangene höchstgerichtliche Judikatur ich einheitlich, sodass die Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2101650.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at