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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.08.2022, RV/5100139/2021

Verschuldensprüfung bei verspäteter Abgabenentrichtung wegen nicht zeitgerecht eingebrachter Überrechnungsanträge

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***BF1-Adr***, vertreten durch ***GF***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu Steuernummer ***BF1StNr1***, mit dem von der Umsatzsteuer 04-06/2019 in Höhe von 422.984,19 € ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 8.459,68 € festgesetzt wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom wurde die ***Bf1*** gegründet. Als Geschäftszweig wird im Firmenbuch "Bauträger, Verwaltung, Vermietung und Verkauf von Immobilien, Baubetreuung" ausgewiesen. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft ist ***GF***.

Im Abgabeninformationssystem wird als steuerliche Vertreterin der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2019 die Bilanzbuchhalterin ***StB*** ausgewiesen.

Steuerlicher Vertreter des ***GF*** ist nach den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Daten seit ***StB2***, Steuerberater in Wien.

Die am fällige Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2019 in Höhe von 422.984,19 € wurde dem Finanzamt Linz erst mit der elektronisch am eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung für diesen Zeitraum bekannt gegeben.

Am war beim Finanzamt Gmunden Vöcklabruck elektronisch die Umsatzsteuervoranmeldung des ***GF*** für das zweite Quartal 2019 eingereicht worden. Aus dieser Voranmeldung ergab sich ein Vorsteuerüberschuss von 333.682,84 €. Die Voranmeldung wurde am am Abgabenkonto des ***GF*** (StNr. ***StNr2***) gebucht und führte dort zu einem Abgabenguthaben in Höhe von 332.051,23 €.

Dieses Guthaben wurde aufgrund eines am vom steuerlichen Vertreter des ***GF*** elektronisch eingebrachten Überrechnungsantrages auf das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin überrechnet und deckte dort einen Teil der Umsatzsteuerzahllast aus der Voranmeldung für das zweite Quartal 2019 ab.

Am Abgabenkonto der ***A*** (StNr. ***1***) ergab sich aus der am elektronisch eingereichten berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung für das zweite Quartal 2019 ein Vorsteuerüberschuss in Höhe von 58.289,76 €. Unter Berücksichtigung der zuvor für diesen Zeitraum erklärten und termingerecht entrichteten Vorauszahlung von 717,14 € ergab sich am am Abgabenkonto ein Guthaben von 59.006,90 €, welches aufgrund eines von ***A*** am mittels Fomblatt AS 31 gestellten Überrechnungsantrages auf das Abgabenkonto des ***GF*** überrechnet wurde und dort zu einem Guthaben von 59.007,90 € führte.

Aufgrund eines am vom steuerlichen Vertreter des ***GF*** gestellten Überrechnungsantrages wurde von dessen Abgabenkonto ein Betrag von 59.006,90 € auf das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin überrechnet, der dort einen weiteren Teil der Umsatzsteuerzahllast aus der Voranmeldung für das zweite Quartal 2019 abdeckte.

Schließlich ergab sich aus der im Einkommensteuerverfahren des ***GF*** für das Jahr 2017 ergangenen Beschwerdevorentscheidung vom eine Gutschrift in Höhe von 3.321,00 €. Aufgrund eines von seinem steuerlichen Vertreter am gestellten Überrechnungsantrages wurde ein Teil des daraus entstandenen Guthabens in Höhe von 3.232,90 € auf das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin überrechnet, womit dort ein weiterer Teil der Umsatzsteuerzahllast aus der Voranmeldung für das zweite Quartal 2019 abgedeckt wurde.

Zusammengefasst wurde durch die drei angeführten Überrechnungsanträge von der gesamten Umsatzsteuerzahllast für das zweite Quartal 2019 in Höhe von 422.984,19 € ein Teilbetrag von 394.290,03 € abgedeckt. Der verbleibende Restbetrag von 28.694,16 € wurde durch eine per wirksame Überweisung entrichtet.

Mit Bescheid vom wurde von der Umsatzsteuer für das zweite Quartal 2019 in Höhe von 422.984,19 € ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 8.459,68 € festgesetzt, weil die genannte Abgabenschuldigkeit nicht bis entrichtet worden sei.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit einer über FinanzOnline eingebrachten Eingabe vom die Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 217 Abs. 7 BAO. Im zweiten Quartal 2019 sei ein einziger Umsatz zu verzeichnen gewesen (2.197.475,19; darauf 20% USt in Höhe von 439.495,04). Es sei dazu vereinbart worden, dass ein Betrag von 394.290,03 an USt im Überrechnungswege von Steuerkonto zu Steuerkonto beglichen wird. Diese 394.290,03 wären in drei Tranchen und leider etwas verspätet überrechnet worden (Tranchen: 59.006,90 + 332.050,23 + 3.232,90 = gesamt 394.290,03). Nach herrschender Rechtsprechung sei bei verspäteter Überrechnung der USt auf das Abgabenkonto des Verkäufers dem Verkäufer als Abgabenpflichtigem kein - grobes - Verschulden zuzurechnen (vgl. z.B. UFS RV/2949-W/07 [richtig: RV/2494-W/07] vom ), weshalb gemäß § 217 Abs. 7 BAO für diese 394.290,03 an verspäteter Überrechnung kein SZ festzusetzen sei. Es werde daher um antragsgemäße Aufhebung des Säumniszuschlages ersucht.

Ergänzend dazu wurde am eine Ablichtung der zitierten UFS-Entscheidung und folgende Stellungnahme des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin übermittelt:

"Von meiner Bilanzbuchhalterin, ***StB***, wurde mir leider mitgeteilt, dass mein Steuerkonto mit einem Säumniszuschlag von über 8459,68 €!!! wegen einer 2-wöchigen Verzögerung belastet wurde.

Im konkreten Fall handelt es sich hier um das erste Projekt der ***Bf1***, welches aus Kostengründen von mir alleine abgewickelt wurde.

In der Endphase des Bauprojektes war ich bemüht die zahlreichen Schlussrechnungskorrekturen schnellstmöglich und genau abzustimmen, bzw. abzuhandeln! Leider ist dies bei komplexen Gewerken sehr aufwändig und zeitraubend. Die Ermittlung der exakten Beträge war mir sehr wichtig um dem Finanzamt verlässliche Zahlen liefern zu können.

Zusätzlich war dann die Abstimmung zwischen meinem persönlichen Steuerberater in Wien und meiner Bilanzbuchhalterin in Linz langwierig und kompliziert.

Es tut mir sehr leid, dass es zu dieser geringfügigen Verzögerung gekommen ist, möchte Ihnen jedoch versichern, dass ich mit gutem Gewissen versucht habe, ohne jegliche böswillige Absicht, ein genaues Ergebnis zu liefern.

Da dem Finanzamt nicht wirklich ein finanzieller Schaden entstanden ist und gerade in der Anfangsphase meiner Firma die finanzielle Situation sehr angespannt ist, hätte ich Sie höflichst ersucht den Säumniszuschlag in eine Verwarnung zu wandeln."

Schließlich wurde gegen den Säumniszuschlagsbescheid die elektronisch über FinanzOnline eingebrachte Beschwerde vom erhoben. Dabei wurde beantragt, den Säumniszuschlag mit lediglich 573,88 € festzusetzen (Berechnung: 422.984,19 minus 394.290,03 Überrechnungen = 28.694,16; davon 2% = 573,88). In der Begründung wurde zunächst ausgeführt wie im Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO vom . Ergänzend wurde vorgebracht, es sei vereinbart gewesen, eine Überrechnung per spätestens durchzuführen. Bei der Beschwerdeführerin liege kein Verschulden vor. Eine etwaige Schuld wäre beim Rechnungswesen bzw. dem Steuerberater des die 394.290,03 € überrechnenden Käufers zu suchen. Eine Untersuchung dahingehend, weshalb die rechtzeitige Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung beim Käufer bzw. die rechtzeitige Überrechnung des Guthabens vom Käufer an den Verkäufer unterblieben ist, sei jedoch entbehrlich, da der Beschwerdeführerin ein Fehler des Vertragspartners bzw. des von ihm beauftragten Steuerberaters nicht zuzurechnen sei.

Nach Einbringung einer Säumnisbeschwerde sprach das Finanzamt über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom abweisend ab und begründete dies wie folgt:

Folgender Sachverhalt wurde von der Abgabebehörde festgestellt:

Mit Eingabe vom wurde die Umsatzsteuervoranmeldung des 2. Quartals (04-06) 2019 dem Finanzamt Linz mitgeteilt. Die Buchung der UVA 04-06/2019 erfolgte per . Die Beschwerdeführerin gab eine Zahllast in Höhe von EUR 422.984,19 bekannt.

Mit Überrechnungsanträgen vom , sowie wurden Beträge in Höhe von insgesamt EUR 394.290,03 auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin gutgeschrieben. Mit Überweisung vom wurde dann der Restbetrag der UVA 04-06/2019 entrichtet. Die Überrechnung erfolgte vom persönlichen Abgabenkonto des vertretungsbefugten Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, wobei das entsprechenden Guthaben am (persönlichen) Abgabenkonto unter anderem durch Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für das 2. Quartal 2019 (04-06/2019) per entstand.

Mit Bescheid vom verhängte das Finanzamt Linz einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von 2 % der Umsatzsteuerzahllast des Voranmeldungszeitraums 4-6/2019 in Höhe von EUR 422.984,19, sohin EUR 8.459,68 an Säumniszuschlag.

Mit Eingabe vom ersuchte der Beschwerdeführer um Aufhebung des gegenständlichen Bescheides. Mit Eingaben vom wurde das Ersuchen vom um eine "persönliche Stellungnahme meines Klienten" sowie um die Übermittlung des "Urteils" zwecks Arbeitserleichterung ergänzt.

Mit Eingabe vom wurde dann gegenständliche Beschwerde eingebracht und beantragt, den Säumniszuschlag mit lediglich EUR 573,88 festzusetzen.

Darüber wurde erwogen:

Anträge im Sinne des § 217 Abs 7 BAO können auch im Wege einer Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden. Aus diesem Grund erfolgt die Absprache über den Antrag auf Nichtfestsetzung eines ersten Säumniszuschlages vom gemeinsam mit der Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde vom .

Zusammengefasst bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie an der verspäteten Entrichtung an Umsatzsteuervorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum 04-06/2019 kein grobes Verschulden trifft.

Nach herrschender Rechtsprechung sei bei verspäteter Überrechnung der USt auf das Abgabenkonto des Verkäufers dem Verkäufer als Abgabenpflichtigem kein grobes Verschulen zuzurechnen. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des zu RV/2949-W/07 [richtig: RV/2494-W/07].

Nach § 217 Abs 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft.

Nach festgestelltem Sachverhalt wurde die Zahllast des Voranmeldungszeitraums 04-06/2019 mittels elektronischer Erklärung am , somit verspätet, bekannt gegeben. Die verspätete Entrichtung erfolgte - wie der Beschwerde vom zu entnehmen ist - großteils mittels Überrechnung vom persönlichen Abgabenkonto des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin in drei Tranchen in Höhe von insgesamt EUR 394.290,03.

Die Verspätung der Entrichtung mittels Überrechnung ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Einreichung der UVA für den Voranmeldungszeitraum 04-06/2019, welches zum Entstehens des zu überrechnenden Guthabens auf dem Abgabenkonto führte, per erfolgte.

Bei Überrechnung von Guthaben eines Abgabepflichtigen auf ein Abgabenkonto eines anderen Abgabepflichtigen ist der Tag der Antragstellung (frühestens jedoch der Tag der Entstehung des Guthabens) für den Entrichtungszeitpunkt maßgebend. Da die für die Entstehung des (zuerst überrechneten) Guthabens ursächliche Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung erst mit erfolgte, erweist sich die Entrichtung als verspätet.

Vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführerin an der verspäteten Entrichtung (mittels Überrechnung) kein grobes Verschulden trifft.

Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenzahlungspflicht. Sein Zweck liegt darin, die pünktliche Tilgung von Abgabenschuldigkeiten sicherzustellen. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich. Allerdings ist ein fehlendes grobes Verschulden an der Säumnis für die Ausnahmeregelung des § 217 Abs 7 BAO von Bedeutung.

Es ist Sache des Abgabepflichtige die fristgerechte Tilgung seiner Umsatzsteuervorauszahlungs-schulden zu bewirken.

Wenngleich auch die Überrechnung [...] zugesichert wurde, stellt die Abgabenentrichtung durch Überrechnung eines Guthabens vom Konto eines anderen Abgabepflichtigen ein gewisses Risiko dar, zumal der Abgabenschuldner im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe nicht sicher sein kann, dass die Überrechnung durch das Finanzamt auch tatsächlich durchgeführt wird. Allerdings wäre es in Kenntnis dieses Umstandes zur Vermeidung von Säumnisfolgen ohne weiteres möglich gewesen, vor Ablauf der für die Entrichtung der Umsatzsteuer zur Verfügung gestandenen Frist einen Antrag gem. § 212 BAO auf Stundung der Umsatzsteuer bis zur Überrechnung des jeweiligen Guthabens einzubringen, wodurch der Säumniszuschlag verhindert worden wäre (vgl. zu RV/7100617/2014).

Wenn vorliegend solche Maßnahmen zur Vermeidung von Säumnisfolgen unterblieben sind, wurde das Risiko einer Säumnis in Kauf genommen. Dies muss umso mehr gelten, als das Abgabenkonto, von welchem das gegenständliche Guthaben überwiesen wurde, das persönliche des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin ist. Dem Vertreter der Beschwerdeführerin musste somit klar sein, dass die (verspätet) bekannt gegebene Zahllast der Umsatzsteuervoranmeldung durch die Überrechnung eines nach Fälligkeit der Zahllast entstandenen Guthaben nicht fristgerecht erfolgen kann. Ein Stundungsantrag nach § 212 BAO ist der Aktenlage nicht zu entnehmen.

Da eine solche Unterlassung über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, weil die bei der Abgabenentrichtung eingetretene Säumnis vorhersehbar war und durch ein zumutbares Verhalten abzuwenden gewesen wäre, kann der Säumniszuschlag nicht im Wege der Beschwerde bzw. § 217 Abs 7 BAO beseitigt werden (vgl. zu RV/7100617/2014).

Dagegen richtet sich der über FinanzOnline eingebrachte Vorlageantrag vom , in dem kein weiteres Sachvorbringen erstattet wurde.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, den unwidersprochenen Feststellungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung und den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Daten.

III. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 211 Abs. 1 Z 4 BAO gelten Abgaben bei Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben (§ 215) eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten desselben Abgabepflichtigen am Tag der Entstehung der Guthaben, auf Abgabenschuldigkeiten eines anderen Abgabepflichtigen am Tag der nachweislichen Antragstellung, frühestens jedoch am Tag der Entstehung der Guthaben als entrichtet.

Unter Umbuchung versteht man die Verrechnung innerhalb ein und derselben Behörde. Überrechnungen sind Übertragungen an andere Abgabenbehörden. Bei Umbuchungen und Überrechnungen von Guthaben eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten desselben Abgabepflichtigen (§ 211 Abs. 1 Z 4 erster Halbsatz BAO) tritt die Tilgung stets am Tag der Entstehung des Guthabens ein, gleichgültig, wann die Antragstellung auf Umbuchung oder Überrechnung erfolgt. Bei Umbuchungen oder Überrechnungen von Guthaben eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten eines anderen Abgabepflichtigen (§ 211 Abs 1 Z 4 zweiter Halbsatz BAO) tritt hingegen die Tilgungswirkung, selbst wenn das Guthaben schon früher bestanden hat, erst im Zeitpunkt der Antragstellung ein (vgl. ; ; ). Ist das Guthaben erst nach Antragstellung entstanden, gilt diesfalls der Zeitpunkt der Entstehung des Guthabens als Tilgungszeitpunkt (RAE Rz 111). Für die Entstehung des Guthabens ist auf die Sonderbestimmungen des Abgabenrechts Bedacht zu nehmen. So entsteht etwa das Guthaben aus der Gutschrift aus einer Umsatzsteuervoranmeldung nicht erst mit der Verbuchung am Abgabenkonto, sondern bereits rückwirkend mit Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch wirkt diese auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums (§ 21 Abs. 1 UStG). Für die Überrechnung eines Umsatzsteuerguthabens gilt die Abgabenentrichtung daher bereits mit Antragstellung auf Überrechnung und Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung als bewirkt, vorausgesetzt, es entsteht aus der Voranmeldung ein Guthaben, welches nicht mit sonstigen Abgabenrückständen am Abgabenkonto auszugleichen ist (Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.02 (2021) zu § 211 BAO Rz 10 und 11).

Im gegenständlichen Fall erfolgten drei Überrechnungen von Guthaben auf dem Abgabenkonto des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin auf deren Abgabenkonto. Da die Überrechnungsanträge erst am , und gestellt worden waren, konnten sie nach der dargestellten Rechtslage keine zeitgerechte Abdeckung der am fällig gewesenen Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2019 der Beschwerdeführerin bewirken. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass am Abgabenkonto der ***A*** das Guthaben in Höhe von 59.006,90 € aus der bereits am eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung 04-06/2019 an sich für eine zumindest teilweise termingerechte Abdeckung der Umsatzsteuervorauszahlung bei der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestanden wäre. Es hätte dazu lediglich eines zeitgerecht gestellten entsprechenden Überrechnungsantrages bedurft. Warum ein solcher nicht gestellt wurde und warum zunächst von ***A*** eine Überrechnung dieses Betrages auf das keinen Abgabenrückstand ausweisende Abgabenkonto des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin beantragt wurde, und erst am von dessen steuerlichem Vertreter ein Überrechnungsantrag auf das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin eingebracht worden ist, wurde nicht näher erläutert und ist auch nicht entscheidungsrelevant.

Die Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2019 wurde daher von der Beschwerdeführerin nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, womit gemäß § 217 Abs. 1 BAO die Voraussetzungen für die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages vorlagen.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Während für die grundsätzliche Frage des Vorliegens einer tatbestandlichen Säumnis iSd § 217 Abs. 1 BAO ein etwaiges Verschulden keine Relevanz hat, stellt die Verschuldensfrage für das Antragsrecht des § 217 Abs. 7 BAO geradezu das wesentliche Tatbestandsmerkmal dar. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (vgl. ErläutRV 311 BlgNR 21. GP 200; ; ). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn dem Abgabepflichtigen ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl ; ). Grobe Fahrlässigkeit wird mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. ). Dabei gilt, dass ein Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten ist (vgl. ; ). Dies gilt nicht nur für Parteienvertreter, sondern auch für Organe juristischer Personen (). (Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder jenen des Parteienvertreters) ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei oder dem Parteienvertreter selbst grobes Verschulden, insb. grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden, anzulasten ist (Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.02 (2021) zu § 217 BAO Rz 72 ff).

Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzustimmen, dass es bei der Verschuldensprüfung nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen zeitgerechte Überrechnungsanträge durch ihren Geschäftsführer bzw. dessen steuerlichen Vertreter unterblieben sind. Allerdings liegt aus folgenden Gründen unabhängig davon ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden der Beschwerdeführerin, der Fehlverhalten ihrer steuerlichen Vertreterin zuzurechnen ist, vor:

Angesichts des § 211 Abs. 1 Z 4 BAO (bis zur Änderung durch BGBl I 62/2018 traf § 211 Abs. 1 lit. g BAO eine inhaltsgleiche Regelung) ist es Sache des Abgabenschuldners, sich durch Rückfrage über den Bestand eines der Umbuchung (oder Überrechnung) zugänglichen Guthabens, das eine Tilgung seiner Umsatzsteuervorauszahlungsschulden mit Wirksamkeit vom Tag des Umbuchungsantrages (oder Überrechnungsantrages) bewirken kann, zu vergewissern. Unterlässt der Abgabenschuldner eine solche Vergewisserung, nimmt er das Risiko des Fehlens eines der Umbuchung zugänglichen Guthabens zum Fälligkeitszeitpunkt seiner Umsatzsteuervorauszahlungsschulden auf sich und muss die Folgen des tatsächlichen Fehlens eines der Umbuchung zugänglichen Guthabens im Fälligkeitszeitpunkt seiner Abgabenschulden als schlichte Auswirkung der normalen Rechtslage tragen ( zu § 236 BAO). Wird eine solche Rückfrage über den tatsächlichen Bestand eines der Umbuchung oder Überrechnung zugänglichen Guthabens unterlassen, liegt aber auch ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO vor (; , ). Dass zeitgerecht (spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung) eine solche Rückfrage durch den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin oder ihre steuerliche Vertreterin erfolgt wäre, wurde nicht behauptet.

Bei einer solchen Rückfrage wäre aber unschwer festzustellen gewesen, dass am Abgabenkonto des Geschäftsführers noch kein Guthaben bestand, das zu einer (zumindest teilweisen) termingerechten Abdeckung der Umsatzsteuervorauszahlung verwendet werden hätte können. Zutreffend wies das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung darauf hin, dass in einem solchen Fall durch Stellung eines Stundungsansuchens Säumnisfolgen vermeidbar gewesen wären (vgl. dazu auch -I/12).

Aus dem selben Grund ist aber auch aus der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2494-W/07, für sie nichts zu gewinnen. Das Vorliegen eines groben Verschuldens wurde in diesem Fall gerade deswegen verneint, weil die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin vor Fälligkeit der Umsatzsteuer beim Parteienvertreter der Käuferinnen nachgefragt hatte, ob deren Umsatzsteuervoranmeldungen samt Überrechnungsanträgen bereits rechtzeitig beim Finanzamt eingebracht worden wären.

Das Finanzamt hat in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass das Abgabenkonto, von welchem die Guthaben überrechnet wurden, das persönliche Abgabenkonto des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin ist. Bei dieser Sachlage wäre eine Rückfrage der steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin bei diesem bzw. dessen steuerlichen Vertreter unschwer möglich gewesen. Tatsächlich dürfte im Hinblick auf die Ausführungen des Geschäftsführers in seiner Stellungnahme vom eine solche Rückfrage bzw. jedenfalls eine Kontaktaufnahme ohnehin erfolgt sein, wurde doch in diesem Zusammenhang vom Geschäftsführer vorgebracht, dass die Abstimmung zwischen seinem Steuerberater in Wien und der Bilanzbuchhalterin der Beschwerdeführerin in Linz "langwierig und kompliziert" gewesen sei. Damit wird aber nicht dargetan, dass der Säumnis nur ein minderer Grad des Versehens zugrunde gelegen wäre. Gleiches gilt für das Vorbringen, dass "die zahlreichen Schlussrechnungskorrekturen sehr aufwändig und zeitraubend" gewesen wären. Auf einen bloßen Irrtum, Vergesslichkeit oder Nachlässigkeit zurückzuführendes Versehen kann ohne das Hinzutreten besonderer hierfür ausschlaggebender und über alltägliche Belastungen hinausgehender Umstände (noch) nicht als bloß minderer Grad des Verschuldens qualifiziert werden (; ). Schließlich wird zum Vorbringen im Antrag vom bzw. der Beschwerde, es sei "vereinbart worden, dass ein Betrag von 394.290,03 an USt im Überrechnungswege von Steuerkonto zu Steuerkonto beglichen wird", noch bemerkt, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2019 () wohl noch nicht absehbar gewesen sein konnte, dass im Einkommensteuerverfahren des Geschäftsführers am eine Beschwerdevorentscheidung ergehen würde, die zu einer Gutschrift von 3.321,00 € und einem überrechenbaren Guthaben von 3.232,90 € führte.

Unter Berücksichtigung aller angeführten Umstände war es damit nicht rechtswidrig, wenn das Finanzamt im gegenständlichen Fall von einem über den minderen Grad des Versehen hinausgehenden Verschulden ausgegangen ist und damit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO verneint hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 211 Abs. 1 Z 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100139.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at