Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.11.2022, RV/7102982/2022

Keine erhöhte Familienbeihilfe bei Aspergersyndrom

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Freimüller Rechtsanwalts GmbH, 1010 Wien, Kleeblattgasse 13/11A, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für M. F. ab November 2019, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) stellte am für ihre Tochter M., geb. 1992, einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung (Asperger Syndrom, Spezifische Phobie) und legte folgenden psychologischen Kurzbefund der X Privatklinik, psychologische Universitätsambulanz, bei:

"… Untersuchungsdatum: ; ,, (Mutter), , (Mutter),

Die psychologischen Testuntersuchungen wurden an 7 Testterminen in den Räumlichkeiten der psychologischen Universitätsambulanz der X Privatuniversität durchgeführt.Frau F. M. kommt an die psychologische Universitätsambulanz der X Privatuniversität um eine Autismusdiagnostik durchführen zu lassen.

Anamnese:

Die Anamnese wurde mit Frau F. persönlich am durchgeführt. Frau F. ist aktuell 27 Jahre alt (Identität überprüft), ledig und lebe alleine in einer Wohnung in Wien. Die Patientin möchte gerne eine Autismusdiagnostik durchführen lassen, da sie den Eindruck habe, dass manche ihrer Probleme zu den Symptomen passen ("Es könnte ein Grund für meine Probleme sein").

Ihre schulische Laufbahn betreffend gibt die Patientin an eine Volksschule in Wien besucht zu haben. Laut Angaben der Patientin habe sie erst in der 4. Klasse Volksschule Lesen und Schreiben gelernt. Als Grund vermutet Frau F. unter anderem die mangelnde Struktur der von ihr besuchten "Alternativ-Schule" und die vorliegende Legasthenie. Aufgrund dessen habe sie zu dieser Zeit einmal die Woche ein Legasthenie-Zentrum besucht. Der Schulwechsel in die Mittelschule sei ihr sehr schwer gefallen, da sie mit der Strenge der Lehrer schwer zurechtgekommen sei. Nach drei Monaten habe sie dann in ein Realgymnasium gewechselt, in dem sie dann letztendlich die Matura abgelegt habe. Im Herbst 2014 habe sie das Krisenzentrum im AKH aufgesucht, da sie sich sehr negativ gestimmt gefühlt. Dort habe sie Trittico verschrieben bekommen. Anschließend habe sie eine Einzeltherapie in Anspruch genommen.

Sie arbeite aktuell geringfügig als Verkäuferin und stehe kurz vor ihrem Masterabschluss in dem Studienfach Geschichte. Da sie jedoch keinen Masterarbeitsbetreuer finde und sich auch häufig erschöpft fühle mache sie sich große Sorgen über ihre (berufliche) Zukunft. Sie beschreibt sich als "nicht so leistungsfähig" und brauche mehr Ruhe als andere Menschen.

In Hinblick auf ihre familiäre Situation berichtet Frau F., dass ihre Eltern verheiratet seien und sie eine jüngere Schwester (25) habe. Die Beziehung zu ihren Eltern beschreibt die Patientin als positiv. Als weitere wichtige Bezugsperson gibt sie ihre Tante an.

Bis auf eine Pollenallergie verneint Frau F. die Frage nach körperlichen Beschwerden oder einer regelmäßigen Einnahme von Medikamenten. Sie berichtet jedoch von Schlafstörungen (Einschlafstörungen) insbesondere vor wichtigen Terminen.

Hinsichtlich Partnerschaften gibt die Patientin an eher kürzere Beziehungen in der Vergangenheit gehabt zu haben, welche nicht gehalten hätten. Aktuell sei sie in keiner Partnerschaft. Ihre sexuelle Entwicklung beschreibt Frau F. als unauffällig.

In ihrer Freizeit ordne Frau F. gerne Gegenstände. Zusätzlich kümmere sie sich um ihre Zimmerpflanzen. Ebenso habe sie eine enge Beziehung zu ihrer Katze gehabt, bevor diese vor ein paar Monaten leider verstorben sei.

Fremdanamnese:

Im Rahmen der Durchführung des ADI-R werden zusätzliche relevante Informationen zur Diagnosestellung erhoben. Beispielsweise gibt die Mutter der Patientin an, dass Sie sich große Sorgen über Frau F. Zustand mache, da sich ihreTochter immer mehr zurückziehe und beispielsweise auch seit dem Sommer keinen Kontakt mehr mit ihren zwei engsten Freundinnen habe. Frau F. zeige laut Aussagen ihrer Mutter kein Interesse anderen Personen, imitiere jedoch soziale Verhaltensweisen von denen sie den Eindruck habe, dass diese sozial erwünscht seien. Sie erfrage beispielsweise seit einiger Zeit bei ihrer Mutter wie ihr Tag gewesen sei. Diese Verhaltensweise habe sie von ihrer kleinen Schwester "abgeschaut". Im Allgemeinen gibt Frau Bf an, dass sich ihreTochter überwiegend "falsch" fühle und in sozialen Situationen sich sehr verunsichert fühle, da sie nicht wisse wie sie sich verhalten solle. In Hinblick auf starre Verhaltensweisen erzählt sie, dass Frau F. jeden Abend zu ihr zu Besuch komme und die Patientin sich irritiert fühle bzw. ihr das nicht gefalle, wenn dieses abendliche Treffen einmal aus unterschiedlichen Gründen ausfalle.

Verhaltensbeobachtung

Frau F. erscheint jeweils pünktlich zu den ausgemachten Terminen. Ihr Erscheinungsbild war gepflegt und altersentsprechend. Die Patientin zeigte über alle Termine eine gute Testmotivation und beantwortet alle Fragen. Darüber hinaus bringt Frau F. Vorbefunde sowie Tagebucheinträge mit, welche als weitere Informationsquellen für die Befundung herangezogen werden können. Auch Fragebögen und andere Testinstrumente werden Frau F. sehr konzentriert und gewissenhaft bearbeitet.

Psvchopathologischer Status

Frau F. macht zum Zeitpunkt der klinisch-psychologischen Testungen einen kooperativen, aber bedrückten Eindruck. Ihre Mimik und Gestik sind adäquat. Das Sprechverhalten ist eher unauffällig. Die Orientierung ist örtlich, zeitlich, personell und situativ gegeben. Es gibt keine Hinweise auf inhaltliche oder formale Denkstörungen. Das Gedächtnis ist unauffällig und die Aufmerksamkeit wirkt in der Testsituation ungestört. Der Blickkontakt ist die meiste Zeit über gegeben. Frau F. ist in beiden Affektskalen affizierbar, wobei die Schwingungsfähigkeit der Patientin im direkten Kontakt nicht beobachtet werden kann. Die Stimmung wirkt adäquat, wobei zeitweise eine starke Belastung, welche sich in Form von Weinen ausdrückt, deutlich wird. Aktuell ist keine suizidale Einengung explorierbar. In der Exploration sind bei klarem Realitätsbezug keine psychotischen Symptome zu beobachten.

Untersuchungsverfahren
- Exploratives Gespräch
- Verhaltensbeobachtung
- Symptom-Checkliste-SCL-90-R (SCL-90-R)
- WHO Quality ofLife {WHOQOL-BREF)
Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV (SKID I)
Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV (SKID II)
Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen (ADOS-2)
Diagnostisches Interview für Autismus -Revidiert (ADI-R)
Theory of
Mind (TOM)
- Reading Mind in the Eyes Test (REM)

Zusammenfassung und Empfehlung

Störungsübergreifend zeigt sich, dass Frau F. bei der SCL-90 einen erhöhten Wert bei der Skala Unsicherheit in Sozialkontakten erreicht. Im Hinblick auf die Lebensqualität von Frau F. wird deutlich, dass die psychische Lebensqualität mit einem Gesamtscore von 50 am geringsten ausgeprägt ist, und die Lebensqualität hinsichtlich der Umwelt mit einem Gesamtscore von 90,63 am höchsten ausgeprägt ist.

Es wurde eine Differentialdiagnostik mithilfe der strukturierten klinischen Interviews (SKID 1, SKID-II) durchgeführt. Es zeigt sich, dass Frau F. die Kriterien für eine spezifische Phobie (Spinnen) erfüllt. Die geschilderten depressiven Symptome (z.B. Antriebslosigkeit, negative Stimmung) rechtfertigen aufgrund der Dauer und Intensität nicht die Vergabe einer klinischen Diagnose. Im Hinblick auf die Persönlichkeitsstruktur von Frau F. werden zwanghafte Persönlichkeitsanteile deutlich, welche jedoch besser durch Symptome der Autismusspektrumstörung erklärt werden können.

Das Intelligenzprofil der Patientin kann mehrheitlich als heterogen bewertet werden, da eine überdurchschnittliche Begabung hinsichtlich der verbalen Intelligenz (Fähigkeit zum Umgang mit sprachlichem Material im Rahmen des schlussfolgernden Denkens) und figuralen Intelligenz (Fähigkeit zum Umgang mit figural-bildhaftem Material) sowie der Skala Wissen festzuS. ist. Unterdurchschnittliche Werte zeigen sich hingehen in der Skala numerische Intelligenz (Rechenfertigkeit sowie Fähigkeit, logische Beziehungen zwischen Zahlen herzustellen). Dieses für Personen aus dem Autismusspektrum typische Intelligenzprofil kann als Hinweis für das Vorliegen dieses Störungsbildes gedeutet werden.

Die Ergebnisse des ADOS und ADI-R sprechen für das Vorliegen eindeutiger Symptome, die dem Autismusspektrum zugeordnet werden können. Diese beziehen sich zum Beispiel auf eingeschränkte Gesten, Blickkontakt sowie die Qualität der sozialen Annäherung. Es fällt Frau F. schwer soziale Zusammenhänge zu erkennen und zu deuten. Darüber hinaus wirkt die soziale Interaktion im Rahmen der Untersuchungssituation sehr eingeschränkt.

Ebenso zeigt sich ein überdurchschnittlich ausgeprägtes Stresserleben bei der Veränderung von Routinen sowie eine auffällige Empfindlichkeit auf akustische Reize, welche seit dem Kleinkindalter bestehe. Die erweiterte Diagnostik zeigt beim Forschungsinstrument Reading Eye Test, dass diePatientin unterdurchschnittliche Ergebnisse im Hinblick auf das Erkennen von Emotionenanhand von Augenpaaren erreicht. Die Ergebnisse des TOM,welcher die Fähigkeit sich inandere Personen hineinzuversetzen, und Annahmen über deren Befindlichkeiten, Gedanken,Absichten, Wünsche oder Motive machen zu können erfasst, liegen hingehen imdurchschnittlichen Bereich.

In Zusammenschau der Ergebnisse der Anamnese, der Informationen der Mutter, derVerhaltensbeobachtung während des Untersuchungsverlaufs sowie der Information, welcheüber die standardisierten diagnostischen Verfahren ADOS und ADI gewonnen werdenkonnten, kann auf das Vorliegen einer Autismusspektrumstörung geschlossen werden.

Aufgrund des teilweise überdurchschnittlichen Intelligenzprofils sowie der guten sprachlichenBegabung ist in diesem Fall ein Asperger-Syndrom zu diagnostizieren.

Unter Miteinbezug des Vorliegens der spezifischen Phobie kann in Hinblick auf dasVorliegen einer Autismus-Spektrums-Störung davon ausgegangen werden, dass diese alsprimäre Grundstörung zu sehen ist. Angststörungen sind einer der häufigstenSymptommuster, die gemeinsam mit einer Autismus-Spektrums-Störung, vor allem in derAdoleszenz, auftreten.

Zusammenfassend wird eine deutliche Belastung der Patientin erkennbar, welche vor allemauf starke soziale Unsicherheiten und damit verbundenem sozialen Rückzug, (berufliche)Zukunftsängste und einem geringen Selbstwert zurückzuführen ist.

Es wird empfohlen eine psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung imEinzelsetting zur Stärkung des Selbstwerts und Förderung der emotionalen und sozialenKompetenzen in Anspruch zu nehmen. Die Behandlung sollte von einer Fachpersondurchgeführt werden, die mit dem Arbeiten von Menschen aus dem Autismus-Spektrumvertraut ist. Es wird zusätzlich angeraten zeitnah eine allgemein-medizinische Abklärungdurchzuführen um mögliche somatische Ursachen auszuschließen.

Die Testergebnisse und Empfehlungen wurden Frau F. im Rahmen einespersönlichen Gesprächs erläutert.

Diagnosen ICD-10:
F40.2 spezifische Phobie (Spinnen)
F84.5 Asperger Syndrom

Der vorliegende Befundstelle eine Kurzversion des ausführlichen Originalbefunds dar.

i.V.
B. MSc.
Klinische Psychologin

E., MSc.
Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin

C., MSc.
Psychologe

Die Tochter der Bf wurde im Zuge des Antragsverfahrens am im Sozialministeriumservice von Dr.in Dok1, Ärztin für Allgemeinmedizin, begutachtet und folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:
Asperger Syndrom, F40.2. Spezifische Phobie

Derzeitige Beschwerden:
Laut Auskunft der Mutter: Vor einem Jahr ist meine Dok2 darauf gekommen, dass sie eventuell ein Asperger Syndrom haben könnte. Sie hatte schon in ihrer Kindheit viele Schwierigkeiten, weil meine Tochter schon mehrere Kindergärten und mehrere Schulen besucht hat. Sie hat damals auch eine psychologische Austestung gemacht. Damals ist allerdings nichts erkannt worden.

Laut Auskunft der Patientin: Ganz viele meiner Verhaltensweisen deuten nach dem heutigen Wissensstand auf eine Asperger Symptomatik hin, weil ich grundsätzlich ein Problem habe mit Veränderungen. Ich fahr auch sehr ungern auf Urlaube. Ich habe dann im Urlaub immer ganz viele Dinge mitgenommen um mir dass das Hotelzimmer so ähnlich wie zuhause einzurichten. Veränderungen waren immer eine ganze große Herausforderung. Auch den normalen Alltag zum meistern verlangt mir sehr viel an Energie ab. Brauche immer wieder dazwischen Tage, wo ich meine Ruhephasen habe. Insgesamt schaffe ich wahnsinnig viele Dinge, sodass es für den Anderen als unauffällig erscheint. Allerdings kostest es mich sehr viel an Kraft. Jetzt möchte ich in das Autismuszentrum gehen, wo auch Therapien angedacht sind. Wo allerdings noch herausgefunden werden soll, welche Therapie für mich am geeignetsten ist. Auch habe ich kaum Freunde. Wenn sich Bekanntschaften begeben dann auf der Uni, die allerdings dann auch Ortsgebunden sind. Eine Beziehung habe ich derzeit keine.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
keine Medikamente
keine Therapien

Sozialanamnese:

ledig und lebe alleine in einer Wohnung in Wien, Realgymnasium mit Matura, arbeitet geringfügig als Verkäuferin, studiert Geschichte an der Uni Wien

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

X PRIVATUNlVERSiTÄT, Psychologischer Kurz-Befund

Untersuchungsdatum: ; ,, (Mutter), , (Mutter),

Frau F. M. kommt an die psychologische Universitätsambulanz der X Privatuniversität um eine Autismusdiagnostik durchführen zu lassen.

In Zusammenschau der Ergebnisse der Anamnese, der Informationen der Mutter, der Verhaltensbeobachtung während des Untersuchungsverlaufs sowie der Information, welche über die standardisierten diagnostischen Verfahren ADOS und ADI gewonnen werden konnten, kann auf das Vorliegen einer Autismusspektrumstörung geschlossen werden.

Aufgrund des teilweise überdurchschnittlichen Intelligenzprofils sowie der guten sprachlichen Begabung ist in diesem Fall ein Asperger-Syndrom zu diagnostizieren.

Zusammenfassend wird eine deutliche Belastung der Patientin erkennbar, welche vor allem auf starke soziale Unsicherheiten und damit verbundenem sozialen Rückzug, (berufliche) Zukunftsängste und einem geringen Selbstwert zurückzuführen ist.

Es wird empfohlen eine psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung im Einzelsetting zur Stärkung des Selbstwerts und Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenzen in Anspruch zu nehmen.

Diagnosen
F40.2 spezifische Phobie (Spinnen)
F84.5 Asperger Syndrom

Untersuchungsbefund: …

Psycho(patho)logischer Status:
bewußtseinsklar, orientiert, kein kognitives-mnestisches Defizit,
Gedankenstruktur: geordnet, kohärent, keine Denkstörung, Konzentration ungestört, Antrieb unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen, gut affizierbar, Affekte angepasst, keine produktive Symptomatik

Frau M. F. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: nach Art und Ausprägung: Kein Leiden welches eine Erwerbsunfähigkeit begründet.

X Dauerzustand."

Das Finanzamt (FA) wies den Antrag unter Zugrundelegung der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen mit Bescheid vom ab November 2019 mit der Begründung ab, dass gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) ein Kind als erheblich behindert gelte, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung bestehe. Als nicht nur vorübergehend gelte ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung müsse mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handle, das voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Die Bf brachte in ihrer Beschwerde vom vor, dass im Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice im Wesentlichen ausschließlich auf die scheinbar funktionalen Fähigkeiten ihrer Tochter eingegangen worden sei. Es sei nicht hinterfragt worden, unter welchen Umständen und mit welchen Hilfestellungen sie ihr Alltagsleben bisher und weiterhin bewältigen könne. Es werde darauf hingewiesen, dass sie keine Medikamente einnehme und keine Therapien mache.

Beim Asperger-Syndrom handle es sich (laut Tony Attwood, einem der führenden Spezialisten auf diesem Gebiet) um keine Erkrankung dem herkömmlichen Verständnis nach, sondern um eine spezielle Entwicklungsvariante des Gehirns, die sich in vielen verschiedenen Punkten von einer sogenannten normalen Entwicklung unterscheide. Medikamente seien hier nur in Bezug auf eventuell eintretende Folge- oder Begleiterkrankungen, wie etwa Depressionen, hilfreich. Ihre Tochter habe auch berichtet, dass sie gern eine spezielle, geeignete Therapie machen würde und diese geplant sei, allerdings diese aus Corona/Lockdown-Gründen vorerst nicht zu Stande kommen habe können. Im Übrigen könne sie sich aus finanzieller Sicht eine Therapie, zahlreicher bisher eingeholter Informationen nach, mit ihrem geringen Einkommen gar nicht leisten. Es gebe nur einige wenige Einrichtungen, die erwachsenen Menschen mit Asperger-Syndrom Unterstützung anbieten würden, die Wartezeiten seien lang.

Ein Abschluss ihres Studiums sei völlig offen, da sie damit, vor allem im organisatorischen und im zwischenmenschlichen Bereich, überfordert sei. Eine Beschäftigung in einem höherem Stundenausmaß sei aufgrund ihrer mangelnden Belastbarkeit und Stressanfälligkeit, zumindest derzeit, nicht möglich. Sie sei nie und ist auch derzeit in keiner Weise finanziell selbsterhaltungsfähig. Sie bemühe sich daher ein entsprechendes Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Termine für derartige Gutachten seien rar, die Wartezeiten würden mehrere Monate betragen. Daher sei ihr Ersuchen um Fristerstreckung bis Ende Jänner2021. Voraussichtlich werde ihre Tochter Ende November/Anfang Dezember einen Gutachtertermin wahrnehmen können.

Derzeit jedoch sehe sie, ohne eine juristische Ausbildung vorweisen zu können, die Voraussetzungen laut § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz für die Zuerkennung einer erhöhten Familienbeihilfe für ihre Tochter als gegeben an. Diese sei insofern erheblich behindert als sie voraussichtlich in den nächsten drei Jahren nicht selbsterhaltungsfähig sein werde und auch mit entsprechenden Unterstützungen und Therapien sei es offen, inwieweit sie jemals selbst für ihren Unterhalt werde sorgen können. Trotzdem sei nach wie vor ihr Ziel, als auch das Ziel ihrer Tochter, sich weiter zu entwickeln und selbstständig zu werden.

M. wurde auf Grund der Beschwerde am ein weiteres Mal untersucht und von Dr. Dok2 folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:
letzte Begutachtung 7-2020 mit 30% wegen Asperger Syndrom

Nun Einspruch da sich ihr Zustand verschlechtert hätte

Schwangerschaft und Geburt unauffällig, nach der Geburt Unruhe und weinen aufgefallen, sie hätte viel geweint.

motorische Entwicklung weitgehend unauffällig.

Schon im Kindergarten auffällig, im Gymnasium Legasthenie Problematik seit 2000 (Lesen und Buchstaben lernen), vom Stadtschulrat Schulpsychologisches Gutachten 2004 mit Berücksichtigung bei der Benotung, auf der Uni verwende sie jetzt ein Rechtschreibeprogramm.

Im Jänner 2020 Diagnose eines Aspergersyndroms und Spinnenphobie nach mehrfachen Untersuchungen ab 10/2019, Psychotherapie seit 8-2020

Derzeitige Beschwerden:

Sie habe Sinneswahrnehmungsstörungen, Konzentrationsprobleme, es überfordern sie gewisse Situationen, Schlafprobleme wegen Überforderung, Rechtschreibschwäche (Legasthenie), sie war auch eine Zeit depressiv, wo es ihr nicht gut ging, sie sei nicht so belastbar, wie es jemand in ihrem Alter sein sollte.

Sie legt auch eine Liste mit Problemen vor: Kommunikation, soziale Situation deuten, Sonnenlichtempfindlichkeit, Lärmempfindlichkeit, Geruchsempfindlichkeit, Überlastung u.a. durch Reizüberflutung, Sinneswahrnehmungen, Migräne, Ängste (Spinnen, Flugreisen, Schiffe, Feuer, unkontrollierbare Situationen, Aufzüge, Tunnel) Konzentrationsprobleme, Rechtschreibschwäche, Schlafprobleme, va. Einschlafen, Großer Wunsch nach Planung (keine Spontanität) und Ordnung, große Probleme bei Veränderungen, Kontrolle, überdurchschnittliches Stressempfinden in für andere alltäglichen Situationen wie Urlaubsreisen, Detailverliebtheit, Entscheidungsprobleme, Routinen Wiederholungen

Lt. Aussage der Mutter habe sie nur soziale Kontakte mit ganz wenigen Menschen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: keine Medikation

Sozialanamnese:

wohnt alleine in einer eigenen Wohnung, die Eltern (Mutter Sozialarbeiterin, Vater Controller) wohnen eine Viertelstunde entfernt. Sie studiere Geschichte, eher Zeit, Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit 2011, im Masterstudium, Bac 2015, Matura 2011, arbeitet geringfügig als Verkäuferin, sie sehe nur ihre Familie, habe keine eigenen Kinder, schaue sich Serien an, jetzt die amerikanische Wahl, keine Sachwalterschaft, kein Pflegegeld.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2020-11 Mag.a P., Psychologin: es liegt ein Befund für eine Autismus Spektrum Störung vor, erhöhte Belastung und Stresssymptomatik, Angstreaktionen und depressive Symptomatik als Konsequenz, bei mir in psychotherapeutischer Behandlung.

2020-10 Dr. S., praktischer Arzt: seit Geburt Zeichen eines Aspergersyndroms mit therapieresistenten Schlafstörungen, Ruhelosigkeit, stereotypen Bewegungen (Stampfen mit dem Fuß), Rückzug in eine eigene Welt, was im Kindergarten und in der Schule aufgefallen ist.

2004-3 Schulpsychologisches Gutachten, Dr. A.: Legastheniediagnose, spezifische Förderung wurde empfohlen (außerschulische Legastheniebetreuung)

2004 Institut für angewandte Heilpädagogik: seit Okt. 2000 ho. Teilleistungs- und Symptomtraining bei legasthener Problematik. - gute Fortschritte in den Teilleistungsbereichen, bei der Prüfung im Feb. 2004 va. noch Schwächen im visuellen Gedächtnis. akustische Differenzierungsschwäche

Untersuchungsbefund:

Psycho(patho)logischer Status:

gut kontaktfähig, Allseits orientiert, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik, Antrieb unauffällig, Affekt: dysthym

Frau M. F. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Es liegt keine zweifelsfrei dokumentierte Gesundheitsschädigung vor, die die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zur Folge hat.

X Dauerzustand"

Das FA wies die Beschwerde unter Zugrundelegung der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 8 Abs 5 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht.

Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich drei Jahren.

Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 in der ab gültigen Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

§ 8 Abs 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice).

Der Grad der Behinderung, oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit, ist durch eine Bescheinigung aufgrund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens gemäß § 4 der Einschätzungsverordnung nachzuweisen.

Anhand des (Fach) Ärztlichen Gutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom beträgt der Grad der Behinderung für Ihre Tochter F. M. 30% ab dem . Es besteht keine dauernde Erwerbsunfähigkeit aufgrund der vorliegenden Leiden.

Aufgrund des neuerlichen Gutachtens vom beträgt der Grad der Behinderung (unverändert) 30% ab dem , dauernde Erwerbsunfähigkeit konnte erneut nicht festgestellt werden.

Eine erhebliche Behinderung i.S.d. § 8 Abs 5 FLAG 1967 wurde für Ihre Tochter nicht festgestellt, eine Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (§8 Abs 4 FLAG 1967) ist daher nicht möglich."

Die Bf stellte fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht (BFG) und bringt vor, dass die im Rahmen des vorangegangenen behördlichen Verfahrens eingeholten Sachverständigengutachten, auf die die belangte Behörde ihre Begründung stütze, ausschließlich auf die scheinbar funktionalen Fähigkeiten ihrer Tochter eingehen. Aufgrund ihres Asperger-Syndroms sei M. F. sowohl im organisatorischen als auch im sozialen Bereich regelmäßig überfordert und sei auch der Abschluss ihres begonnenen Studiums völlig offen. Beschäftigungen in einem höheren Ausmaß seien ihr aufgrund mangelnder Belastbarkeit und Stressanfälligkeit ebenfalls nicht möglich. Eine Selbsterhaltungsfähigkeit innerhalb der nächsten drei Jahre sei ausgeschlossen und sei generell nicht vorhersehbar, ob sie sich aufgrund weiterer Unterstützungsleistungen und Therapien jemals einen eigenen Unterhalt erwirtschaften könne.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom verweise die belangte Behörde auf die beiden fachärztlichen Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom und vom , laut derer der Grad der Behinderung für M. F. 30 % ab dem betrage und keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erhebliche Behinderung im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 würden unverändert nicht vorliegen.

Die belangte Behörde stütze ihre Begründung im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung auf die Ergebnisse der beiden vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen gemäß § 4 Einschätzungsverordnung 2010 eingeholten Sachverständigengutachten, laut derer nur eine mäßige Einschränkung der sozialen Fähigkeiten und die Möglichkeit der Absolvierung eines Studiums gegeben sei. Auf Basis der Einschätzungsverordnung 2010 ergebe sich daher ein Grad der Behinderung von 30 %, was unter den gemäß § 8 Abs. 5 FLAG notwendigen 50 % liege.

Die der Beschwerdevorentscheidung zugrundeliegenden Gutachten seien unvollständig, ergänzungsbedürftig und fehlerhaft und würden daher die im Rahmen der Beweiswürdigung erhobenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde, dass der Grad der Behinderung (unverändert) 30 % betrage und keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt werden habe können, ausdrücklich bestritten. Die Beschwerdevorentscheidung sei daher inhaltlich rechtswidrig.

Für das erste Sachverständigengutachten vom , welches der zweite Gutachter inhaltlich bestätigt habe, seien unter anderem ein Psychologischer Kurz-Befund der X Privat-Universität herangezogen worden. Aufgrund jenes Befundes sei festgestellt worden, dass die sozialen Interaktionen von M. F. stark eingeschränkt und starke soziale Unsicherheiten verbunden mit sozialem Rückzug erkennbar seien. Sowohl das Erst- als auch das inhaltlich gleichbleibende Zweitgutachten würden eine lediglich "mäßige Einschränkung sozialer Fähigkeiten", feststellen, was mit den in Beilage /F getroffenen Feststellungen in einem offensichtlichen Widerspruch stünde.

Um den beiden mangelhaften Vorgutachten zusätzlich inhaltlich entgegenzutreten, habe die Antragstellerin ein Privatgutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Nerven- und Geisteskrankheiten Dr. X. O., …, eingeholt und lägen demnach sowohl der Grad der Behinderung als auch die Minderung der Erwerbstätigkeit von M. F. deutlich über 50 %. Die umfangreichen gutachterlichen Ausführungen von Dr. O. würden sich wie folgt zusammenfassen lassen:

Zwar betreibe M. F. ein Studium und ginge auch teilweise einer geringfügigen beruflichen Tätigkeit nach, beides sei jedoch nur aufgrund massiver und dauernder familiärer Unterstützung möglich. Bei ihrer Teilzeitarbeit handle es sich um das Lebensmittelgeschäft einer Verwandten. Ergänzend sei auszuführen, dass dieses vor kurzem von einem Nachfolger übernommen worden sei und sei nunmehr nicht absehbar, ob und wie lange sie dort noch beschäftigt bleiben werde. Die berufliche Tätigkeit diene primär zur Festigung einer Tagesstruktur und somit lediglich therapeutischen Zwecken. Sämtliche sonstigen Arbeitsversuche im Sinne einer Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt seien bislang gescheitert. Entsprechend notwendige Bewerbungen seien für sie nicht bewältigbar. Es sei somit davon auszugehen, dass M. F. dauerhaft nicht in der Lage sein werde, ihren eigenen Unterhalt selbstständig erwirtschaften zu können.

Dr. O. habe in seinem Gutachten Asperger-Autismus (Autismus-Spektrum Störung) mit leichter komorbider Hyperaktivitäts-Symptomatik, einer anhaltenden (grob-) motorischen Entwicklungsstörung sowie anhaltenden Entwicklungsstörungen betreffend schulische Fertigkeiten diagnostiziert. Zusätzlich bestünden weitere psychische Störungen (Angststörungen, Zwangsstörungen, depressive Störungen), die über eine Begleitsymptomatik hinausgehen würden wie auch somatische, also den körperlichen Zustand von M. F. umfassende, Krankheitsbilder (vgl. 8. Diagnosen; S. 59-61). Trotz laufender Psychotherapie, diverser Trainings und homöopathischer Behandlung sei bislang kaum eine Besserung der beschriebenen neuropsychologischen Entwicklungsstörungen und der sonstigen psychiatrischen Krankheitsbilder erzielt worden. Eine relevante Verbesserung des chronischen neuropsychologischen Behinderungszustandes sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 5 Jahre nicht zu erwarten. Der derzeitige Krankheitszustand sei demnach als Dauerzustand einzuschätzen.

Ihre sozialen Fähigkeiten seien tatsächlich in erheblichem Ausmaß eingeschränkt und außerfamiliäre soziale Kontakte krankheits- und behinderungsbedingt so gut wie nicht möglich. M. F. sei neben dem beruflichen Bereich auch in Ihrem sonstigen sozialen Umfeld auf ständige familiäre Hilfe und Unterstützung angewiesen. Für die Aufrechterhaltung ihrer Selbstversorgung und Strukturierung ihres Alltags werde die elterliche Hilfe dauerhaft von Nöten sein.

Die tiefgreifenden neuropsychologischen Entwicklungsstörungen hätten bereits vor dem dritten Lebensjahr begonnen. Spätestens seit Herbst 2013, wo es zusätzlich zu den bestehenden Krankheitsbildern zu schweren depressiven Dekompensationen aufgrund eines gescheiterten Versuchs eines Auslandsstudienjahres gekommen war, liege anhaltende Erwerbsunfähigkeit vor.

Zusammenfassend sei der allgemeine Grad der Behinderung mit mindestens 70 % einzuschätzen.

Hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen zur Gewährung erhöhter Familienbeihilfe seien jene gutachterlichen Erhebungen wie folgt zu bewerten:

Nach Zitierung der §§ § 8 Abs 4 FLAG 1967 und 10 Abs 3 FLAG 1967 führte die Bf weiters aus, dass die tiefgreifenden neuropsychologischen Entwicklungsstörungen von M. F. als dauerhaft anzusehen seien und jedenfalls über einen zukünftigen dreijährigen Zeitraum hinausgehen würden. Der Grad der Behinderung sei mit zumindest 70 % und somit über den gesetzlich notwendigen mindestens 50 % einzuschätzen. Es könne zum jetzigen Zeitpunkt als ausgeschlossen betrachtet werden, dass M. F. ohne familiäre Unterstützung für ihren eigenen Unterhalt sorgen wird können. Anhaltende Erwerbsunfähigkeit liege spätestens seit Herbst 2013 vor.

Aufgrund des vom Sachverständigen Dr. O. unter Heranziehung der Einschätzungsverordnung 2010 erstellten fachärztlichen Privatgutachtens bzw. Befundberichtes lägen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erhebliche Behinderung somit vor und bestünde daher ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung, sohin ab .

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Feststellungen:

Die Tochter der Bf, M. F., geb. 1992, besuchte die Volksschule ("Alternativ-Schule"), Mittelschule, wechselte auf ein Realgymnasium, legte im Jahr 2011 die Matura erfolgreich ab und studiert(e) laut Aktenlage (psychologischer Kurzbefund der X Privatklinik aus 2019, Gutachten des Sozialministeriumservice) an der Universität Wien Geschichte. Daneben arbeitet sie geringfügig als Verkäuferin. M. ist ledig und lebt in einem eigenen Haushalt.

Im Zuge des Antrags- und Beschwerdeverfahrens wurden seitens des Sozialministeriumservice zwei Gutachten erstellt.

Im Gutachten vom stellte Dr.in Dok1, Ärztin für Allgemeinmedizin, die Diagnose Asperger Syndrom und reihte die Erkrankung unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 30 vH. rückwirkend ab November 2019 (= Austestung).

Die Ärztin wählte 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da eine mäßige Einschränkung der sozialen Fähigkeiten und die Absolvierung eines Studiums möglich sei.

Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde mit der Begründung nicht bescheinigt, dass nach Arzt und Ausprägung kein Leiden bestehe, welches eine Erwerbsunfähigkeit begründen würde.

Im Gutachten vom stellte Dr. Dok2, Arzt für Allgemeinmedizin, ebenfalls die Diagnose Asperger Syndrom und reihte die Erkrankung unter die Pos.Nr. mit einem Grad der Behinderung von 30 vH.

Dr. Dok2 wählte, wie schon Dr. Dok1, 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da eine mäßige Einschränkung der sozialen Fähigkeiten und die Absolvierung eines Studiums möglich sei.

Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde mit der Begründung nicht bescheinigt, dass keine zweifelsfrei dokumentierte Gesundheitsschädigung vorliege, die die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zur Folge habe.

Die Gutachten sind nachvollziehbar und schlüssig.

Rechtliche Beurteilung:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Gemäß § 10 Abs 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt und ist die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4 leg. cit.) besonders zu beantragen.

Gemäß § 10 Abs 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4 FLAG) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren.

Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vor-übergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind (für Begutachtungen nach dem Stichtag ) § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Gutachten Allgemeines:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sach-verhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Diagnoseerstellung durch die sachverständigen Ärzte des Sozialministeriumservice:

Festgehalten wird zunächst, dass die allgemeinärztliche Berufsbefugnis den gesamten Bereich der Medizin auf allen Fachgebieten der medizinischen Wissenschaft umfasst, sofern der Arzt über die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt und nicht bestimmte Tätigkeiten besonders qualifizierten (Fach-)Ärzten vorbehalten sind. Ein Arzt für Allgemeinmedizin ist daher grundsätzlich zur Erstattung eines Gutachtens befugt (vgl. ).

Die sachverständigen Ärzte des Sozialministeriumservice ziehen für ihre zu treffenden Fest-stellungen (Höhe des Grades der Behinderung, Zeitpunkt des Eintrittes des Behinderungsgrades, allenfalls Feststellung, ob und seit wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt) neben der Anamnese und Untersuchung die Kenntnisse der Medizin und ihr eigenes Fachwissen heran. Weiters sind für die zu treffenden Feststellungen in den meisten Fällen Befunde, Arztbriefe oder sonstige Unterlagen, aus denen Rückschlüsse gezogen werden können, seit wann eine Erkrankung besteht oder wie hoch das Ausmaß der Beeinträchtigung in der Vergangenheit war, unerlässlich.

Fehlen derartige Befunde, warum auch immer, können die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen und liegt die Ursache auch darin, dass Erkrankungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen oder sich mit zunehmendem Alter verschlechtern.

Bindung an die Gutachten des Sozialministeriumservice:

Der Grad der Behinderung und die Feststellung, ob bzw. ab wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, ist gemäß den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachver- ständigengutachtens nachzuweisen.

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Be-hinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. , ) und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht.

Bei der Antwort auf die Frage, ob eine körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. zB und 2009/16/0310, ).

Ein Abweichen ist nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung möglich (, ).

Ein Gutachten ist

• vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

• nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

• schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint

Mitwirkungspflicht bei Begünstigungsvorschriften - Möglichkeiten des Antragstellers:

Nach der Judikatur des VwGH besteht bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, eine erhöhte Mitwirkungspflicht.

Wichtig ist, dass der Antragsteller/die Antragstellerin im Zuge der Untersuchung im Sozialministeriumservice Befunde, Arztbriefe, Bestätigung über Spitalsaufenthalte, etc., soweit vorhanden, beibringt. Stellt eine erwachsene Person einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe, ist vor allem die Vorlage von Befunden etc. von Bedeutung, die den Zeitraum vor dem 21. (oder 25. Geburtstag) betreffen.

Der Antragsteller hat auch die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , ).

Volljährige "Kinder" - Anspruchsvoraussetzungen:

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl. FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, Rz 5 zu § 8). Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu (vgl. , , vgl. auch Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 21, vgl. weiters , , ).

Erwerbsunfähigkeit:

In den Erkenntnissen , und , stellte das Höchstgericht zum Begriff der Erwerbsfähigkeit im Pensionsgesetz fest, dass dieser im allgemeinen Sprachgebrauch bedeute, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit sei nach der Rechtsprechung zwar abstrakt zu beurteilen (dh, es sei nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar seien oder nicht, es müsse sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei); es komme aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen. Hierbei sei weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (zB Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben sei.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte im Erkenntnis , in einem Fall, wo die Tochter der Beschwerdeführerin am Asperger Syndrom leidet, Folgendes (auszugsweise) fest:

"Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG mit einen Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht (vgl. auch , ).

Gutachten im Bereich des Familienbeihilfenrechts sind Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren. Sie unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen bzw. richterlichen Beweiswürdigung (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzu-nehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Im vorliegenden Fall wurden seitens des Sozialministeriums zwei Gutachten erstellt und bei der Tochter der Bf die Diagnose Asperger Syndrom gestellt.

In der von den Sachverständigen anzuwendenden Einschätzungsverordnung ist für Persönlichkeit-Verhaltensstörung mit geringer sozialer Beeinträchtigung ein Grad der Behinderung zwischen 10 - 40 % festgelegt (s. Auszug Einschätzungsverordnung).

Dr.in Dok1, Ärztin für Allgemeinmedizin, lag bei der Erstellung des Gutachtens vom der Psychologische Kurz-Befund der X Privatuniversität aus 2019 vor.

Dr.in Dok1 reihte die Erkrankung unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 30 vH.

Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde mit der Begründung nicht beschei-nigt, dass nach Art und Ausprägung kein Leiden bestehe, welches eine Erwerbsunfähigkeit begründen würde.

Dem mit dem zweiten Gutachten betrauten Sachverständigen, Dr. Dok2, Arzt für Allgemeinmedizin, lagen bei der Erstellung seines Gutachtens vom folgende Befunde bzw. Unterlagen vor:

2020-11 Mag.a P., Psychologin: es liegt ein Befund für eine Autismus Spektrum Störung vor, erhöhte Belastung und Stresssymptomatik, Angstreaktionen und depressive Symptomatik als Konsequenz, bei mir in psychotherapeutischer Behandlung.

2020-10 Dr. S., praktischer Arzt: seit Geburt Zeichen eines Aspergersyndroms mit thera-pieresistenten Schlafstörungen, Ruhelosigkeit, stereotypen Bewegungen (Stampfen mit dem Fuß), Rückzug in eine eigene Welt, was im Kindergarten und in der Schule aufgefallen ist.

2004-3 Schulpsychologisches Gutachten, Dr. A.: Legastheniediagnose, spezifische Förderung wurde empfohlen (außerschulische Legastheniebetreuung)

2004 Institut für angewandte Heilpädagogik: seit Okt. 2000 ho. Teilleistungs- und Symptom-training bei legasthener Problematik. - gute Fortschritte in den Teilleistungsbereichen, bei der Prüfung im Feb. 2004 va. noch Schwächen im visuellen Gedächtnis. akustische Differen-zierungsschwäche

Dr. Dok2 reihte die Erkrankung, übereinstimmend mit Dr. Dok1, unter die Pos.Nr. mit einem Grad der Behinderung von 30 vH. und bescheinigte ebenfalls keine Erwerbsunfähigkeit, dies mit der Begründung, dass keine zweifelsfrei dokumentierte Gesundheitsschädigung vorliege, die die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zur Folge habe.

Beide Sachverständigen setzten den Behinderungsgrad von 30 vH rückwirkend ab November 2019 (= Austestung - psychologische Kurzbefund der X Klinik) fest.

Für das BFG sind die in den Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen nachvollziehbar und schlüssig. Die Gutachten stehen auch in keinem Widerspruch zu dem von der Bf vorgelegten psychologischen Kurzbefund der X Privatuniversität aus dem Jahr 2019.

Dieser Befund aus 2019 befasst sich ausschließlich mit dem Zustand von M. zum Zeitpunkt der Untersuchungen. Festgestellt wurde, dass bei M. in Zusammenschau der Ergebnisse der Anamnese, der Informationen der Mutter, der Verhaltensbeobachtung während des Untersuchungsverlaufs sowie der Information, welche über die standardisierten diagnostischen Verfahren ADOS und ADI gewonnen wurden, auf das Vorliegen einer Autismusspektrumstörung geschlossen werden könne. Aufgrund des teilweise überdurchschnittlichen Intelligenzprofils sowie der guten sprachlichen Begabung sei in diesem Fall ein Asperger-Syndrom zu diagnostizieren.

Die Bf selbst berichtet sehr ausführlich über das Krankheitsbild ihrer Tochter in den letzten Jahren bzw. zum Zeitpunkt der Untersuchungen und schreibt nur einmal, dass die tiefgreifenden neuropsychologischen Entwicklungsstörungen ihrer Tochter bereits vor dem dritten Lebensjahr begonnen hätten. Ihrer Ansicht nach liegt seit Herbst 2013 eine anhaltende Erwerbsunfähigkeit ihrer Tochter vor, da es zusätzlich zu den bestehenden Krankheitsbildern zu schweren depressiven Dekompensationen aufgrund eines gescheiterten Versuchs eines Auslandsstudienjahres gekommen sei.

Festgehalten wird, dass bei M. auf Grund ihrer Erkrankung am Asperger-Syndrom zweifellos psychosoziale Beeinträchtigungen, welche sich auf verschiedenste Lebensbereiche, so auch den beruflichen Lebensbereich erstrecken, bestehen. Daraus kann jedoch nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass zu einer bestimmten Zeit eine Erwerbsunfähigkeit auf Grund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bestanden hat. Alleine das Bestehen einer Möglichkeit bzw einer (wenn auch überwiegenden) Wahrscheinlichkeit ist in Anbetracht der bestehenden Unsicherheiten für die gutachterliche Feststellung des Vorliegens einer dauernden Erwerbsunfähigkeit zu einem länger zurückliegenden Zeitraum als Faktum nicht ausreichend (, vgl. auch , ).

Für das Gericht ist es schlüssig und nachvollziehbar, dass die Sachverständigen im Sozialministeriumservice der Tochter der Bf keine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt haben, da von der Bf keine auf eine Erwerbsunfähigkeit schließenden Unterlagen vorgelegt wurden.

Das Gericht nimmt es auf Grund der vorstehenden Ausführungen in freier Beweiswürdigung als erwiesen an, dass die Feststellungen in den zwei Gutachten des Sozialministeriumservice, wonach bei der Tochter der Bf keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt, mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.

Zum Vorbringen der Bf, dass bei ihrer Tochter der Grad der Behinderung zumindest mit 70 % einzuschätzen sei, wird auf die Ausführungen unter Pkt. "Volljährige "Kinder" - Anspruchsvoraussetzungen" verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob bzw. ab wann ein bestimmter Grad der Behinderung vorliegt, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das BFG an die vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden sofern diese schlüssig sind. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

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