Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.07.2022, RV/1100437/2020

Unterhaltsabsetzbetrag für ein in Ungarn wohnhaftes Kind

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde wandte der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) ein, das Finanzamt habe die Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich 200 Euro bzw. 2.400 Euro im Jahr für seine im Haushalt seiner geschiedenen Ehefrau in Ungarn lebende Tochter nicht berücksichtigt.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, der Bf. habe trotz mehrmaliger Aufforderung keine Unterlagen vorgelegt, aus denen die Unterhaltspflicht und die tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen hervorgingen, vorgelegt.

Mit Vorlageantrag vom machte der Bf. erneut die Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen geltend und führte aus, er sei mit seiner geschiedenen Ehefrau darin übereingekommen, dass er in Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der gemeinsamen Tochter die Rückzahlungen für ein seiner Gattin gewährtes Darlehen übernehme. Zum Beweis dazu lege er die schriftliche Unterhaltsvereinbarung mit seiner Exfrau sowie monatliche Zahlungsbestätigungen über die Unterhaltszahlungen vor.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In der im Vorlagebericht enthaltenen Stellungnahme bemerkte es, die Darlehenszahlungen seien auf dasselbe Konto der geschiedenen Gattin gegangen wie die Unterhaltszahlung in Höhe von 200 Euro im Dezember 2019. Der Bf. habe aber den Nachweis über den zusätzlich zur Darlehenszahlung zu leistenden Unterhalt in Höhe von 200 Euro im Monat aber nur für den Monat Dezember 2019 erbracht. Der Nachweis der vollständigen Unterhaltsleistung sei daher nicht erbracht worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der in Österreich wohnhafte und erwerbstätige Bf. war bis November 2014 mit ***Ex-Frau***, wohnhaft in ***Wohnort-Ex-Frau*** in Ungarn, verheiratet. Aus dieser Ehe stammt die am ***1***2010 geborene Tochter, ***T***.

Die Ehe wurde im November 2014 geschieden. Über die Unterhaltsverpflichtung des Bf. gegenüber der gemeinsamen Tochter wurde am vor dem Amtsgericht ***Wohnort-Ex-Frau*** ein Vergleich mit der Mutter des Kindes geschlossen.

Danach verpflichtet sich der Bf., die Rückzahlungen für den im Sommer 2011 bei der Raiffeisenbank aufgenommenen Kredit in Höhe von 18.000 Euro, der zum Teil der Renovierung der vormals gemeinsamen Wohnstätte in ***Wohnort-Ex-Frau*** diente, bis zum Ablauf des Darlehens im Sommer 2019 zurück zu zahlen. Ferner verpflichtet er sich, nach der Rückzahlung des Darlehens, spätestens aber ab Juli 2019 bis zum 10. eines jeden Monats monatlich einen Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 150 Euro sowie zusätzlich vierteljährlich einen Betrag in Höhe von 100 Euro, insgesamt 400 Euro im Jahr, zu bezahlen.

Über die Unterhaltszahlungen hat der Bf. folgenden Nachweise erbracht:

Den Nachweis über Darlehensrückzahlungen von Jänner bis Juni 2019 in Höhe von monatlich 235,03 Euro, von Juli bis November 2019 in Höhe von monatlich 235,19 Euro und im Dezember in Höhe von 2019 217,19 Euro.

Ferner den Nachweis über eine Zahlung von 186 Euro plus 14 Euro im Dezember 2019 an seine Ex-Frau.

Beweiswürdigung

Für diese Feststellungen stützt sich das Bundesfinanzgericht auf den ins Deutsche übersetzten Vergleich des Amtsgerichtes ***Wohnort-Ex-Frau***, GZ. ***XX*** vom , auf den Online-Banking-Auszug 2019 des Bf. sowie einen Auszug der Erste Sparkasse über die Zahlung von 186 Euro plus 14 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Unterhaltspflichten gegenüber Kindern werden im System des Einkommensteuergesetzes durch die Gewährung des Kinder- und Unterhaltsabsetzbetrages berücksichtigt. Mit der Gewährung dieser Absetzbeträge gelten gesetzliche Unterhaltspflichten steuerlich als abgegolten (vgl. Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 26). Das heißt, die gesetzlichen Unterhaltspflichten werden nicht in der tatsächlich geleisteten Höhe berücksichtigt, sondern nur in der Höhe von gesetzlich bestimmten Beträgen, die von der Steuer abgezogen werden.

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn

  1. das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und

  2. für das Kind weder ihnen noch ihrem vom ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.

Der Unterhaltsabsetzbetrag steht somit dem Steuerpflichtigen zu, der für ein Kind, das nicht seinem Haushalt zugehört, den gesetzlichen Unterhalt leistet. Kinderabsetzbetrag und Unterhaltsabsetzbetrag schließen einander aus. Daher darf weder dem Steuerpflichtigen noch seinem nicht dauernd von ihm getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt werden. Dies gilt auch, wenn von geschiedenen Eltern eine gemeinsame Obsorge vereinbart worden ist. Auch in diesem Fall kann nur jener Elternteil den Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen, bei dem sich das Kind nicht überwiegend aufhält. Dem anderen Elternteil steht der Kinderabsetzbetrag zu (vgl. Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 61).

Im Beschwerdefall steht außer Streit, dass die Tochter ***T*** nicht im Haushalt des Bf. lebte und ihm für seine Tochter auch keine Familienbeihilfe gewährt wurde.

Eine weitere Voraussetzung für die Gewährung des vollen Unterhaltsabsetzbetrages ist aber, dass der Steuerpflichtige der Unterhaltsverpflichtung vollständig nachgekommen ist. Der Unterhaltsabsetzbetrag steht demnach nur für jene Kalendermonate zu, in denen der volle Unterhalt gezahlt wurde. Werden unvollständige Zahlungen oder Zahlungen unter den Regelbedarfssätzen geleistet, ist der Absetzbetrag nur für jene Monate zu gewähren, als rechnerisch die volle Unterhaltszahlung ermittelt werden kann (Herzog in Doralt/Kirchmyr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 67).

Im Beschwerdefall ist der Bf. seiner Unterhaltsverpflichtung insoweit vollständig nachgekommen, als er die monatlichen Darlehensrückzahlungen tatsächlich vollständig geleistet hat. Da die Unterhaltspflicht laut Vergleich bis Juni 2019 nur aus der Übernahme dieser Rückzahlungen bestand, liegt für die ersten sechs Monate 2019 eine vollständige Unterhaltszahlung vor.

Für die Monate Juli bis Dezember 2019 kann das aber nicht gesagt werden. Denn ab Juli 2019 war der Bf. zur Zahlung von 150 Euro monatlich sowie von weiteren 100 Euro je Quartal verpflichtet. Den Nachwies über diese zusätzliche Unterhaltszahlung hat er aber nur für den Monat Dezember 2019 erbracht.

Damit steht dem Bf. im Jahr 2019 der Unterhaltsabsetzbetrag für lediglich 7 Monate zu.

Mit einer Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes und des Einkommensteuergesetzes mit Wirkung ab wurde die Höhe der Familienbeihilfe, des Kindergeldes, des Familienbonus Plus sowie von Absetzbeträgen wie dem Unterhaltsabsetzbetrag für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, an das Preisniveau des Staates, in dem das Kind wohnt, angepasst. So normiert § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 iVm § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 idF BGBl. I 2018/62 für den Unterhaltsabsetzbetrag, dass sich die Höhe dieses Absetzbetrages für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz bestimmt.

Die konkrete Anpassung des Unterhaltsabsetzbetrages erfolgte durch die aufgrund 33 Abs. 3a Z 2 EStG vom Bundesminister für Finanzen erlassenen Familienbonus-Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung vom , mit der der Unterhaltsabsetzbetrag für das erste Kind für Kinder, die sich ständig in Ungarn aufhalten, auf 16,41 Euro angepasst wurde.

Gegen diese Indexierung von Familienleistungen brachte die Europäische Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine Vertragsverletzungsklage gegen die Republik Österreich ein.

Mit Urteil vom , C-328/20, hat der Europäische Gerichtshof erkannt, dass die Republik mit der Indexierung der Familienleistungen gegen Unionsrecht verstoßen hat.

Der Tenor des Urteils des EuGH lautet:

1. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.

2. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen.

Zur Implementierung eines Urteils des EuGH in das nationale Recht hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2019/11/0033, mit Bezug auf das Erkenntnis vom , 2015/04/0004, wie folgt ausgeführt:

"Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaates verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/03/0102, 0103, mwN auch zur Rechtsprechung des EuGH).

Nationales Recht, das im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, ist verdrängt. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Die Verdrängung darf also bloß jenes Ausmaß umfassen, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Dabei sind die unionsrechtlichen Erfordernisse in das nationale Gesetz ,hineinzulesen' (siehe das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0064, mwH).

Die Herstellung des unionsrechtskonformen Zustandes ist im Beschwerdefall nur dadurch möglich, dass die Bestimmungen des § 33 Abs. 4 Z 4 iVm § 33 Abs. 3a Z 2 EStG unangewandt bleiben.

Damit steht dem Bf. der Unterhaltsabsetzbetrag in der vollen gesetzlichen Höhe von 29,20 Euro monatlich für sieben Monate, das sind insgesamt 7 x 29,20 = 204,40 Euro, zu.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit diesem Erkenntnis wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung berührt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100437.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at