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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2022, RV/7100226/2022

Familienwohnsitz dort wo der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn einen eigenen Hausstand unterhält

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RW-Tax Steuerberatung GmbH, Landstraßer Hauptstraße 9 Tür 20, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 bis 2019 und vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Arbeitnehmerveranlagung der Jahre 2016 bis 2019 wurden zunächst jene Einkünfte zu Grunde gelegt, die von der Arbeitgeberin des Beschwerdeführers (Bf.) unter Berücksichtigung des Pendlerpauschales im zulässigen Höchstausmaß von € 3.672.- im Zuge der Lohnverrechnung ermittelt wurden. Weiters wurde jeweils der Pendlereuro i.H. von 190.- € als Absetzbetrag berücksichtigt.

Auch bei der Lohnverrechnung für das Jahr 2020 wurde das Pendlerpauschale unverändert berücksichtigt.

Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) ersucht, bekanntzugeben, von welchem seiner beiden Wohnsitze aus er überwiegend den Weg zu seiner Arbeitsstätte antrete.

Nachdem dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, wurde der Bf. mit einem weiteren Vorhalt vom ersucht folgende Unterlagen vorzulegen bzw. zu den von der belangten Behörde festgestellten Tatsachen Stellung zu nehmen:

"Lt. ha. erfolgten Ermittlungen und den hier vorliegenden Unterlagen haben Sie Wohnsitze in ***1*** und Wien. Ebenso bestehen für Ihre Gattin, sowie Ihren Sohn, geb. 2014, Wohnsitze in ***1*** und Wien.

Auch wird für den Sohn Familienbeihilfe bezogen. Es liegt daher eine aufrechte Ehe bzw. ein aufrechtes Familienleben vor.

Da auch die Arbeitgeber von Ihnen und Ihrer Gattin ihren Sitz in Wien haben ist nach allgemeiner Lebenserfahrung somit davon auszugehen, dass die täglichen Fahrten zu den Arbeitgebern von der der Arbeitsstätte nächst gelegenen Wohnung (Wien) aus angetreten werden. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist Gegenteiliges mittels geeigneter Unterlagen nachzuweisen.

In diesem Zusammenhang in jedem Fall vorzulegen sind ab dem Jahr 2015 Kindergartenbestätigungen, sowie Schulbesuchsbestätigungen des Sohnes ***4***, Ihr Dienstvertrag, sowie Ausdrucke des Pendlerrechners. Geben Sie bitte weiters bekannt, mit welchem Fahrzeug die behaupteten, täglichen Fahrten von ***1*** nach Wien erfolgten.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die steuerliche Vertretung des Bf. sinngemäß folgendes aus:

Der Bf. und seine Ehefrau verfügten im Betrachtungszeitraum 2015 bis aktuell über zwei Wohnsitze. Ein Wohnsitz befinde sich in einer seit dem Jahr 2002 angemieteten Wohnung

in Wien (***7***) und ein Wohnsitz befindet sich in einer

Genossenschaftswohnung in ***1*** (***8***). Im April 2021 sei die

Genossenschaftswohnung in ***1*** aufgegeben und in ein neu errichtetes Eigenfamilienhaus

in ***1*** umgezogen worden. Das Grundstück für den Bau des Einfamilienhauses

sei im Februar 2016 erworben worden.

Ein Familienwohnsitz liege dort, wo ein in Ehepartnerschaft lebender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis, Eltern) und einen eigenen Hausstand habe. Da der eigene Hausstand sowohl in der Wohnung in Wien als auch in der Wohnung (und künftig mit dem Einfamilienhaus) in ***1*** bestehe bzw. bestanden hat, kommt es bei der Frage des Familienwohnsitzes darauf an, wo der Bf. seine engsten persönlichen Beziehungen habe.

Wörtlich wurde dazu festgehalten:

Die engsten persönlichen Beziehungen der Familie ***9*** liegen seit dem Jahr 2014 (Geburt des Sohnes ***4***) in ***1***:

• Sowohl Frau als auch Herr ***9*** sind gebürtige "***10***" und es war immer geplant, den Familienstand auf dem Land, in ***1***, zu errichten. Dies wurde mit der Anmietung der Genossenschaftswohnung in ***1*** auch so umgesetzt bzw. findet seine Fortsetzung durch den Bezug des Einfamilienhauses in ***1*** im Jahr 2021.

• Sowohl die Eltern von Frau als auch Herrn ***9*** leben in ***1***.

• Der Vater von Frau ***9***, Herr ***11***, hat im Jahr 2013 einen Schlaganfall erlitten und bedarfseitdem der intensiven Betreuung von Frau ***9*** (ihr Bruder lebt im Ausland und kann sich deswegennicht um seine Eltern kümmern).

• Die Eltern von Herrn ***9*** (Jahrgang 1946 bzw. 1942) leben ebenso in ***1*** und benötigen imfortschreitenden Alter mehr und mehr die Betreuung ihres Sohns (Herr ***9*** ist Einzelkind).

• Mit der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes im Oktober 2014 wurde derFamilienwohnsitz und der Hausstand von Wien in die Genossenschaftswohnung in ***1***,

***5***, verlegt.

Frau ***9*** hat mit dem gemeinsamen Sohn ab seiner Geburt im Oktober 2014 in der Wohnung in ***1*** gelebt und Herr ***9*** ist von da an zwischen ***1*** (Familienwohnsitz) und Wien mehrmals pro Woche(zumindest 15 bis 15 mal pro Monat) hin- und hergependelt bzw. hat Herr ***9*** in diesem Zeitraumohnedies die meiste Zeit mit Kundenbesuchen im Ausland verbracht.

• Mit Anfang des Jahres 2016 hätte Frau ***9*** wieder zu arbeiten beginnen sollen, was aber aufgrund deszwischenzeitlichen Konkurses des Dienstgebers nicht möglich war. Frau ***9*** hat stattdessen im Jahr2016 ein Online-Studium auf der Donau-Uni-Krems begonnen.

• Zur Durchführung eines Online-Studiums war es notwendig, dem gemeinsamen Sohn eine ordentliche Kinderbetreuung zukommen zu lassen. Aufgrund der nicht vorhandenen

Kinderbetreuungsmöglichkeiten in ***1*** - es liegen keine geeigneten Kinderbetreuungsmöglichkeiten vorbzw. die Großeltern konnten aus den eingangs erwähnten Gründen diesbezüglich auch keine Unterstützungbieten - hat Familie ***9*** sich dazu entschlossen, ihrem Sohn eine Kinderbetreuung in Wien zukommenzu lassen.

• Frau ***9*** ist mit ihrem Sohn für diese Zwecke am Montag in der Früh von ***1*** nach

Wien angereist und am Donnerstag zu Mittag wieder zum Familienwohnsitz in ***1*** zurückgereist.

• Im März 2018 hat Frau ***9*** wieder eine Arbeit in Wien aufgenommen (20 h / Woche), an derbeschriebenen Situation hat das nichts geändert.

• Herr ***9*** ist in all diesen Jahren zwischen ***1*** und Wien (bzw. Ausland) hin- und hergependelt undhat durchschnittlich maximal zwei Nächte pro Woche in Wien verbracht. Die restliche Zeit hat Herr ***9*** an seinem Familienwohnsitz in ***1*** erbracht.

• Im Jahr 2020 hat Herr ***9*** ohnedies fast die gesamte Zeit im Home-Office am Familienwohnsitz in ***1*** verbracht.

Aus den eben dargelegten Gründen hat der Familienwohnsitz seit der Geburt des gemeinsamen Sohnesim Jahr 2014 in ***1***, ***5***, gelegen und wird auch weiterhin in ***1***, im neuerrichteten Einfamilienhaus liegen. Der Wohnsitz in Wien dient lediglich zur Berufsausübung.

Dem Vorbringen wurden u.a. Bestätigungen des Kindergartens, der Dienstvertrag und Unterlagen zum Pendlerrechner beiglegt.

Die bereits rechtskräftig gewordenen Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2016 bis 2019 wurden mit Bescheiden vom bzw. wiederaufgenommen und gleichzeitig neue Einkommensteuerbescheide ohne Berücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros erlassen.

Zur Begründung wurde auf die Begründung des Einkommensteuerbescheides 2020 verwiesen.

Für das Jahr 2020 wurde die Einkommensteuer ebenfalls ohne Berücksichtigung von Pendlerpauschale und Pendlereuro mit Bescheid vom veranlagt.

Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:

"Ein Familienwohnsitz liegt dort, wo der Steuerpflichtige seine engsten persönlichen Beziehungen hat.Bei Personen, die nicht alleinstehend sind, wird das jedenfalls dort sein, wo sich die Familie oder derPartner aufhält. Besuche bei den Eltern bzw. das Vorhandensein einer weiteren (z.B. außerhalb derGroßstadt), vorhandenen Wohnmöglichkeit ändert daran nichts.

Aufgrund der Beantwortung des Fragenvorhaltes und der weiterführend erfolgten Ermittlungen kommtdie Behörde zu dem Ergebnis, dass sich der Familienwohnsitz zumindest seit dem Jahr 2016 in Wienbefand. Dies deshalb, da sowohl Ihre Ehegattin, als auch Ihr Kind in den gegenständlichen Jahren inWien ihren Hauptwohnsitz inne hatten und auch Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien in Anspruchgenommen wurden. Darüberhinaus wurde von der Gattin im Kalenderjahr 2018 ebenfalls eine Tätigkeitin Wien aufgenommen. Auch entspricht die in Wien angemietete Wohnung in ihrer Größe durchausüblichen Wohnverhältnissen für eine 3-köpfige Familie.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse konnte der Behörde nicht glaubhaft gemacht werden, dass trotzVorhandenseins einer Wohnmöglichkeit in naher Entfernung zum Arbeitsplatz, an welcher sich auchEhepartnerin und Kind aufhalten, die Fahrten zum Arbeitgeber von dem ca. 90km entfernten Wohnsitzaus erfolgten. Im steuerlichen Sinn befindet sich der Familienwohnsitz somit in Wien und nicht in ***1***.Für die Berechnung des Pendlerpauschales und Pendlereuros war daher der Weg zwischen derWohnung in Wien, ***2*** und der Arbeitsstätte in Wien, ***3*** heranzuziehen.

Die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind grundsätzlich durch den

Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Darüber hinaus stehen Werbungskosten in Form des

Pendlerpauschales gemäß § 16 EStG 1988 nur dann zu, wenn entweder der Arbeitsweg eine

Entfernung von mindestens 20 Kilometer umfasst ("kleines Pendlerpauschale") oder die Benützungeines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich odernicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens 2 Kilometer beträgt ("großes Pendlerpauschale").

Steht ein Pendlerpauschale zu, steht auch ein Pendlereuro zu. Im vorliegenden Fall ist die Benützungöffentlicher Verkehrsmittel zwischen der Wohnung in Wien,Robert ***2*** und derArbeitsstätte in Wien, ***3*** möglich und zumutbar. Da die dafür zurückzulegende Streckeweniger als 20km beträgt, stehenPendlerpauschale und Pendlereuro nicht zu. Der bereits bei der Lohnverrechnung durch den Arbeitgeber steuerfreiberücksichtigte Betrag war im Wege der Veranlagung rückzufordern."

Gegen sämtliche Einkommensteuerbescheide wurde mit Schriftsatz vom fristgerecht Beschwerde erhoben und den Feststellungen des Finanzamtes folgendes entgegen gehalten:

Der Bf. und seine Ehefrau verfügten im Betrachtungszeitraum 2016 bis aktuell über zwei Wohnsitze. Ein Wohnsitz befinde sich in einer seit dem Jahr 2002 angemieteten Wohnung in Wien (Robert ***2***/13-14, ***12*** Wien) und ein Wohnsitz befindet sich in einer Genossenschaftswohnung in ***1*** , ***5***. Im April 2021 sei die Genossenschaftswohnung aufgegebenund in das neu errichteten Eigenfamilienhaus mit der Anschrift ***6***, in ***1***, umgezogen worden. Das Grundstück für den Bau des Einfamilienhauses sei m Februar 2016 erworben worden.

Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze sei für die Berechnung der Pendlerpauschale entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz maßgeblich (Rz 259 LStR). Liegen die Voraussetzungen für einen Familienwohnsitz vor, dann ist dieser für die Berechnung des Pendlerpauschales maßgeblich (in diesem Sinne Rz 259 LStR).

Ein Familienwohnsitz liege dort, wo ein in Ehepartnerschaft lebender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis, Eltern) und einen eigenen Hausstand habe. Da der eigene Hausstand sowohl in der Wohnung in Wien als auch in der Wohnung (und künftig mit dem Einfamilienhaus) in ***1*** besteht bzw. bestanden hat, kommt es bei der Frage des Familienwohnsitzes darauf an, wo ein in Ehepartnerschaft lebender Steuerpflichtige seine engsten persönlichen Beziehungen hat.

Die engsten persönlichen Beziehungen der Familie, im Besonderen aber des Bf., liegen seit dem Jahr 2014 in ***1***:

Sowohl Frau als auch Herr Bf. stammten aus ***1*** und sei immer geplant gewesen, dort den Familienstand zu errichten. Dies sei auch mit der Anmietung der Genossenschaftswohnung in so umgesetzt worden bzw. finde seine Fortsetzung durch den Bezug des Einfamilienhauses in i im Jahr 2021. Als Nachweis legen wir die Schlussrechnung zum erfolgten Bau des Einfamilienhauses bei (Beilage 1).

Der Bf. sei seit dem Jahr 2004 in Wien beschäftigt, befindet sich aber einen Großteil seiner Arbeitszeit auf Dienstreisen bzw. seit der Corona-Zeit im Home-Office in ***1*** (Beilage 2: Dienstvertrag).

Die Eltern beider Eheleute in ***1***.

Der Vater der Ehefrau habe im Jahr 2013 einen Schlaganfall erlitten und bedürfe seitdem der intensiven Betreuung durch seine nTochter (ihr Bruder lebe im Ausland und könne sich deswegen nicht um seine Eltern kümmern).

Die Eltern des Bf. lebten ebenso in ***1*** und benötigten im

fortschreitenden Alter mehr und mehr die Betreuung ihres Sohns (der Bf sei Einzelkind).

Mit der Geburt ihres gemeinsamen Sohnesim Oktober 2014 sei der Familienwohnsitz und der Hausstand von Wien in die Genossenschaftswohnung verlegt worde.

Die Ehefrau des Bf. habe mit dem gemeinsamen Sohn ab seiner Geburt im Oktober 2014 in der Wohnung in ***1*** gelebt und der Bf. sei von da an zwischen ***1*** (Familienwohnsitz) und Wien mehrmals pro Woche (zumindest 10 bis 15 mal pro Monat) hin- und hergependelt bzw. habe er in diesem Zeitraum ohnedies die meiste Zeit mit Kundenbesuchen im Ausland verbracht.

Mit Anfang des Jahres 2016 hätte die Ehefrau wieder zu arbeiten beginnen sollen, was aber aufgrund des zwischenzeitlichen Konkurses des Dienstgebers nicht möglich gewesen sei. Sie habe stattdessen im Jahr 2016 ein Online-Studium auf der Donau-Uni-Krems begonnen.

Zur Durchführung eines Online-Studiumssei es notwendig gewesen, dem gemeinsamen Sohn eine ordentliche Kinderbetreuung zukommen zu lassen. Aufgrund der nicht vorhandenen Kinderbetreuungsmöglichkeiten in ***1*** - es liegen keine geeigneten Kinderbetreuungsmöglichkeiten vor bzw. die Großeltern konnten aus den eingangs erwähnten Gründen diesbezüglich auch keine Unterstützung bieten - habe sich die Familie dazu entschlossen, ihrem Sohn eine Kinderbetreuung in Wien zukommen zu lassen. Einzig und allein für diesen Zweck sei es notwendig gewesen, dass sich die Ehefrau in Wien mit dem Sohn "hauptwohnsitzmeldet". Der Bf. war und ist zurecht nicht in Wien " hauptwohnsitzgemeldet.

Die Ehefrau,die über einen eigenen PKW verfüge, sei mit ihrem Sohn für diese Zwecke am Montag in der Früh von ***1*** nach Wien angereist und am Donnerstag zu Mittag wieder zum Familienwohnsitz in ***1*** zurückgereist.

Im März 2018 habe die Ehefrau wieder eine Arbeit in Wien aufgenommen (20 h / Woche), an der beschriebenen Situation habe das nichts geändert.

Der Bf.sei in all diesen Jahren zwischen ***1*** und Wien (bzw. Ausland) hin- und hergependelt und habe durchschnittlich maximal zwei Nächte pro Woche in Wien verbracht. Die restliche Zeit habe er an seinem Familienwohnsitz in ***1*** erbracht. Als Nachweise lege wir Aufzeichnungen über die Familienheimfahrten nach ***1*** bei (Beilage 3).

Im Jahr 2020 habe er ohnedies den überwiegenden Teil der Zeit (pandemiebedingt) im Home- Office am Familienwohnsitz in ***1*** verbracht. Als Nachweis lege er das Arbeitsjournal ("Heimarbeit") vor, aus dem hervorgeht, dass er fast das gesamte Jahr im Home-Office in ***1*** verbracht hat (Beilage 4). Der Sohnsei im Jahr 2020 auch nicht schulpflichtig gewesen und das verpflichtende Kindergartenjahr sei im Jahr 2020 auf grund der Corona-Krise ausgesetzt gewesen

Die Familie lebe überdies in einer modernen Beziehung, die NICHT automatisch mit sich bringe, dass Ehemann und Ehefrau sich immer am gleichen Wohnsitz aufhalten; Die beruflichen und familiären Herausforderungen der Stammfamilien (Alterssituation der Eltern) hätten es mit sich gebracht, dass sich der Bf. oft über mehrere Tage bzw. Wochen alleine in ***1*** oder beruflich im Ausland aufgehalten bzw. seine Home- Office-Tätigkeit den überwiegenden Teil von ***1*** aus wahrgenommen habe. Die Wohnung in Wien würde die Räumlichkeiten für ein adäquates Home-Office nicht bieten, die Wohnung bzw. das Haus in ***1*** verfügten jeweils über ein eigenes Arbeitszimmer, von dem aus der Home-Office-Tätigkeit gut nachgegangen werden könne.

In der Beschwerde wurde gem. § 262 Abs. 2 BAO auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet und diese daher unmittelbar dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Weiters wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Dieser Antrag wurde mit Schreiben des Bf. vom zurückgezogen.

Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom wurden dem Bf. folgende aus dem Zentralen Melderegister ersichtlichen Meldedaten vorgelegt:

Bf.:

***7***: -: HWS

-: NWS

***1***, ***5***: ab : HWS

***13***:

***7***: -: NWS

***1***, ***5***: -: HWS

***7***: ab : HWS.

Weiters wurde ihm auszugsweise folgendes vorgehalten:

……………. Ihre Ehefrau den HWS mit Jänner 2016 wiederum nach ***12*** Wien verlegte, um, wie Sie vorbringen, Ihrem Sohn in Wien einen Kindergartenplatz zu sichern. Dies deshalb, weil es, wie sich aus Internetrecherche ergibt, in ***1*** ebenfalls einen Kindergarten gibt…………..

…………Online-Studium Ihrer Ehefrau an der Donau-Uni Krems gerade nicht die Anwesenheit in Wien erfordern……..

………..Ihr Vorbringen, dass Sie maximal 2x pro Woche in Wien nächtigten, ist nicht nachvollziehbar, zumal es lt. den von Ihnen vorgelegten Arbeitsnachweisen durchaus etliche Wochen gibt, in denen Sie nicht auf Dienstreise waren oder nur an einzelnen Tagen wie am Donnerstag oder nur am Freitag, am Mittwoch, Sonntag bis Dienstag usw.. Im Hinblick auf Ihr Vorbringen, Ihre Ehefrau sei am Montag früh nach Wien und am Donnerstag Mittag nach ***1*** gefahren, erscheint es daher wahrscheinlicher, dass Sie Montag, Dienstag und Mittwoch Abend in der Wohnung in ***12*** Wien verbrachten. Es ist nicht glaubwürdig, dass Sie an Tagen, an deren darauffolgenden Sie wiederum in Wien arbeiteten am Abend nach ***1*** gefahren sind.

Gleiches gilt für den Aufbruch zu oder die Rückkehr von einer Dienstreise an Tagen, an denen

sich Ihre Ehefrau und Ihr Sohn in der Wohnung in Wien befanden.

Der Bf. führte in der E-Mail vom dazu folgendes aus:

Die Wohnung in der ***14*** ist eine Mietwohnung, Vermieter ***15*** GmbH. Diese Wohnung ist eine "Altbaurichtwertmietzinswohnung", unbefristet vermietet, zu einem "relativ" günstigen Mietzins, die wir immer bezahlt haben, da wir diese Wohnung mit der Lage und zu den Konditionen nicht aufgeben wollten/wollen. Diese Wohnung verfügt auch über einen Garagenplatz, den ich dann auch verwendet habe.

Nach der Karenz meiner Frau im Jahr 2015 und dem Konkurs ihres Arbeitgebers, begann meine Frau ein Studium an der Donau-Universität Krems. Unser Sohn war zu dieser Zeit noch nicht einmal 2 Jahre alt und für dieses Alter gab es meines Wissens keine "günstige" Möglichkeit der Kinderbetreuung im Waldviertel. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob es zu dieser Zeit überhaupt eine Möglichkeit der Betreuung für dieses Alter gab.

Daher hat sich meine Frau entschieden, ***4*** in diesen Jahren in einen Kindergarten in Wien (nicht in den Betriebskindergarten der ***16*** - da kein Garten) zu geben. Dafür musste Sie sich mit ***4*** in Wien melden. Darüber hinaus, und das haben wir in den Erläuterungen mit dem Steuerberater als moderne Beziehung tituliert (weil wir immer davon ausgegangen sind das sei privat) gab es in dieser Zeit Probleme in der Ehe. (Arbeitslosigkeit, Gesundheitliche Probleme in der Familie, Meinungsverschiedenheiten zwischen Ehepartner etc.) Dies erklärt auch - wie in meinen Ausführungen - meine häufige Pendeltätigkeit zwischen Wien und ***1***. Gerade sehr relevant für die Abgabenjahre 2016 und 2017. Wie auch erläutert und beschrieben verbrachte ich in dieser Zeit natürlich Tage in Wien und habe hier auch genächtigt. Auch die Gewohnheiten meiner Familie waren so wie in der Erläuterungen dargestellt mit engstem Bezug zu ***1*** und den dort lebenden Großeltern.

Meine Frau begann im Frühjahr 2018 - wie in den Erläuterungen ersichtlich - in Teilzeit bei ***17*** zu arbeiten. An unseren Gewohnheiten hat sich hier wenig verändert. Die Ehe hat sich auch hier in 2018/2019 wieder stabilisert. Hier entstand auch dann der Plan die Wohnung in ***1*** aufzugeben und ein gemeinsames Haus in ***1*** zu bauen.

Im Jahr 2020 - Pandemie Jahr, war gerade ab März ebenfalls der Lebensmittelpunkt ***1***, der Kindergarten war tw. geschlossen, die Kindergartepflicht im letzten Kindergartenjahr wurde aufgehoben, wir beide waren im Homeoffice (das belegen auch die Auszüge meiner Arbeitszeitaufzeichnungen). Meine Frau hat sich auch hier nicht (da man ja nicht wissen konnte wie lange die Situation andauert) mit ***4*** irgendwie umgemeldet, da ja beide immer auch in ***1*** einen offiziell gemeldeten Nebenwohnsitz hatten.

Diese Äußerung wurde der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, die darauf u.a. folgendes replizierte:

…………."Aus Sicht des Finanzamt Österreich ändert das nunmehrige neue Hervorbringen an der

bisherigen Rechtsansicht nichts……………

…………….Wie Herr Mag. ***9*** selbst ausführt, hat er trotz Eheproblemen fallweise immer wieder in der Wohnung in Wien genächtigt. Die Erziehung und die Betreuung des minderjährigen Kindes und die Bewahrung des familiären Umfeldes für dieses Kind stellen ebenfalls gewichtige Gründe dar und sprechen für das Vorliegen des Familienwohnsitzes in Wien."

Diese Stellungnahme wurde dem Bf. per E-Mail vom zur Kenntnis gebracht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf.) verfügte in den beschwerdegegenständlichen Jahren über zwei Wohnsitze. Lt. Auszug aus dem Zentralen Melderegister befand sich sein Hauptwohnsitz in ***8***, sein Nebenwohnsitz in ***18***

Der Bf. arbeitet in Wien. Lt. den vorgelegten Unterlagen umfasst sein Tätigkeitsbereich auch die Durchführung von ein- bis mehrtägigen Dienstreisen. Im Jahr 2020 arbeitete er zumindest ab März im "Homeoffice".

Der Bf. ist verheiratet und Vater eines Sohnes, ***4***, geb. am xx.xx.2014.

Die Ehefrau des Bf. hatte lt. Auszug aus dem Zentralen Melderegister bis ihren Hauptwohnsitz ebenfalls in ***19***, und verlegte diesen mit wiederum in die Wiener Wohnung. Bei dieser Wohnung handelt es sich um eine Mietwohnung, die von dem (jetzigen) Ehepaar jedenfalls bereits seit 2002 bewohnt wird.

In den Jahren 2014 und 2015 befand sich die Ehefrau des Bf. in Karenz. Im Jahr 2016 begann sie ein Online-Studium an der Donau-Uni Krems, der Sohn des Bf. besuchte ab den Kindergarten in Wien.

Vor der Karenzzeit und dann wieder ab März 2018 arbeitete bzw. arbeitet die Ehefrau in Wien.

Im Jahr 2020 wurde in ***1*** ein Einfamilienhaus errichtet.

Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch weitere vom Bundesfinanzgericht durchgeführte Ermittlungen wie in den Entscheidungsgründen dargelegt.

Gem. § 167 Abs. 2 Bundesabgabenordung (BAO) hat das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltunggserichtshofes zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen ***9*** Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO).

Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I

§ 16 Abs. 1 Z 6 lit a bis e EStG 1988 lauten wie folgt:

"6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

b) Wird dem Arbeitnehmer ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung gestellt, steht kein Pendlerpauschale zu.

c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:

Bei mindestens 20 km bis 40 km 696 Euro jährlich,

bei mehr als 40 km bis 60 km 1 356 Euro jährlich,

bei mehr als 60 km 2 016 Euro jährlich.

d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:

Bei mindestens 2 km bis 20 km 372 Euro jährlich,

bei mehr als 20 km bis 40 km 1 476 Euro jährlich,

bei mehr als 40 km bis 60 km 2 568 Euro jährlich,

bei mehr als 60 km 3 672 Euro jährlich.

e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes:

- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.

- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.

Einem Steuerpflichtigen steht im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu.

Gemäß § 33 Abs 5 Z 4 EStG 1988 stehen bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis ein Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 hat. Für die Berücksichtigung des Pendlereuros gelten die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. e bis j entsprechend.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit f EStG 1988 ist bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) maßgeblich.

Gemäß § 4 Abs. 1 der Pendlerverordnung liegt ein Familienwohnsitz (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f und § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dort, wo

1. ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder

2. ein alleinstehender Steuerpflichtiger

seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand (Abs. 2) hat.

Nach § 4 Abs. 2 der Pendlerverordnung hat der Steuerpflichtige einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt.

§ 124b Zif. 349 EStG 1988 lautet:

"§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. h und § 68 Abs. 7 sind auch im Falle von COVID-19-Kurzarbeit, Telearbeit wegen der COVID-19-Krise bzw. Dienstverhinderungen wegen der COVID-19-Krise anwendbar. Dies gilt für Lohnzahlungszeiträume, die vor dem enden."

Bei Vorliegen zweier Wohnsitze besteht also gemäß der genannten gesetzlichen Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit f grundsätzlich ein Wahlrecht, der Berechnung des Pendlerpauschales entweder die Wegstrecke des zur Arbeitsstätte nächstgelegenen Wohnsitzes oder die Wegstrecke zum Familienwohnsitz zugrunde zu legen.

Bei der Beurteilung der persönlichen Beziehungen kommt nach der Rechtsprechung der Gestaltung des Familienlebens eine überwiegende Bedeutung zu (vgl. ; , 98/14/0026; , 95/14/0145 und Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG45, § 1 Tz 9). Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig mit seiner Familie lebt.

Nicht von Relevanz sind im Allgemeinen hingegen eine bloß gefühlsmäßige Heimatverbundenheit, der Wunsch, später an einen bestimmten Ort zurückzukehren oder die Frage, wo Eltern und andere Verwandte leben (; , 1080/77).

Auch ein alleinstehender Abgabepflichtiger kann einen "Familienwohnsitz" haben. Dies ist jener Ort, an dem er seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Eltern, Freunde) hat.

Die Anwendung dieser von der Judikatur aufgestellten Grundsätze auf den gegenständlichen Sachverhalt führt zu folgendem Ergebnis:

Der Bf. ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Sohn, für den ihn Betreuungspflichten treffen.

Der Bf. ist in***1*** mit Hauptwohnsitz gemeldet, seine Ehefrau hingegen in Wien.

Der im § 16 Abs. 1 Zif. 6 lit. f EStG 1988 verwendete Begriff "Familienwohnsitz" scheint sich auf den ersten Blick mit dem Begriff "Hauptwohnsitz" iSd §1 Abs. 7 MeldeG 1991 zu decken. Doch ist die polizeiliche Meldung für die Frage der Wohnsitzqualität allenfalls ein Indiz, jedoch nicht entscheidend, da der Gesetzgeber hier keine formale Anknüpfung an den Begriff "Hauptwohnsitz" iSd § 1 Abs. 7 MeldeG vorgenommen hat. Vielmehr kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an.

Diese stellen sich für das Bundesfinanzgericht wie folgt dar:

Obwohl vorgebracht wird die Ehefrau habe sich nur wegen des Kindergartenplatzes in Wien hauptgemeldet, ist nach den geschilderten Verhältnissen (ausreichend große Mietwohnung mit Garagenplatz, Kindergartenbesuch des Sohnes in Wien, Aufenthalt in Wien regelmäßig zumindest von Montag bis Donnerstag, Arbeitsplatz vor der Geburt des Sohnes und ab März 2018 in Wien) davon auszugehen, dass sich der Familienwohnsitz der Ehefrau des Bf. in den Jahren 2016 bis 2019 in Wien befand.

Die vom Bf. in der Beschwerde zunächst ins Treffen geführte "moderne Beziehung", wonach auch ein mehrmaliges Übernachten an einem anderen Wohnsitz am Bestand der Beziehung nichts ändere, entspricht auch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes durchaus den vielfältigen Lebensmodellen der heutigen Zeit. Ob nun, wie der Bf. behauptet, zweimal bei der Familie genächtigt wird, oder täglich kann an der Definition dieser Lebensform als "Familie im engeren Sinn" nichts ändern. Der Familienwohnsitz wird dadurch nicht aufgehoben.

Auf das Vorbringen, er habe maximal zweimal in der Wiener Wohnung genächtigt braucht daher nicht näher eingegangen zu werden, wiewohl die vorgelegten Zeitaufzeichnungen auch Wochen ausweisen, in denen der Bf. nicht auf Dienstreise war oder nur tageweise, sodass nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein mehrmaliges Übernachten in Wien realistischer erscheint.

Wenn der Bf. nun im weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht vor allem für die Jahre 2016 und 2017 "Eheprobleme" für sein Pendeln nach ***1*** verantwortlich macht, so lässt dieses Vorbringen nicht erkennen, so es denn zuträfe, dass dadurch der gemeinsame Hausstand in Wien aufgehoben gewesen wäre, zumal der Bf. gleichzeitig vorbringt, dennoch weiterhin Wien genächtigt zu haben. Die emotionale Beziehung zum gemeinsamen Sohn sowie die den Bf. treffenden Betreuungspflichten geben hier jedenfalls den Ausschlag dafür, die engsten persönlichen Beziehungen des Bf. und damit den Familienwohnsitz weiterhin in Wien zusehen.

Diese Tatsache kann weder durch den Geburtsort noch der Ort des Aufwachsens, den Wohnort der Eltern oder allfällige zukünftige Pflegebedürftigkeit der Eltern oder Schwiegereltern entkräftet werden ( und , wonach eine teilweise Unterstützung der betagten Eltern durch die Kinder bei ihrer Haushalts- und Lebensführung dem familiären Beistandsgebot entspringt).

Ab den Jahren 2018 habe sich die Ehe wieder stabilisiert, sodass für die verfahrensgegenständlichen Jahre 2018 bis 2020 jedenfalls wiederum das zuvor Gesagte gilt, wonach, der Familienwohnsitz dort liegt, wo die engsten persönlichen Beziehungen bestehen, unabhängig davon wie oft die Kernfamilie an ein und dem selben Ort nächtigt.

Im Übrigen lässt das Vorbringen des Bf. keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Wiener Wohnung um eine solche handelt die den Lebensbedürfnissen einer dreiköpfigen Familie entspricht, selbst wenn "die Wohnung in ***1*** in Coronazeiten besser für das Arbeiten im Homeoffice geeignet gewesen sei".

Hinsichtlich des Jahres 2020 ist auf § 16 Abs. 1 Z 6 lit.h iVm § 124b Zif. 349 EStG 1988 zu verweisen, wonach die Gewährung von Pendlerpauschale (und Pendlereuro) auch für Zeiten von COVID-19-Kurzarbeit, Telearbeit wegen der COVID-19-Krise bzw. Dienstverhinderungen wegen der COVID-19-Krise zu gewähren sind. In Rz 250b der Lohnsteuerrichtlinien 2002 heßt es wörtlich:

"Kann die Strecke Wohnung - Arbeitsstätte aufgrund von COVID-19-Kurzarbeit, Telearbeit wegen der COVID-19-Krise sowie bei Dienstverhinderung (zB Quarantäne) wegen der COVID-19-Krise nicht mehr bzw. nicht an jedem Arbeitstag zurückgelegt werden, kann im Kalenderjahr 2020 sowie für Lohnzahlungszeiträume, die vor dem enden, das Pendlerpauschale im Ausmaß wie vor der COVID-19-Krise berücksichtigt werden."

Wie bereits ausgeführt stehen dem Bf. im Kalenderjahr 2019 weder Pendlerpauschale noch Pendlereuro zu.

Es liegt daher kein Sachverhalt vor, der zu einer gesetzlich vorgesehenen Begünstigung infolge der Covid 19 Pandemie, nämlich der Weitergewährung eines schon bisher zustehenden Pendlerpauschales, führen würde.

Pendlerpauschale und Pendlereuro stehen daher auch für das Jahr 2020 nicht zu.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Erkenntnis nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, war die ordentliche Revision auszuschließen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 4 Abs. 1 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100226.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at