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Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 30.05.2022, VH/6100028/2021

Verfahrenshilfe bei Vermögenslosigkeit

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger über den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe des Antragstellers ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom für das Beschwerdeverfahren betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020 beschlossen:

I)
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020 Verfahrenshilfebewilligt.

II)
Die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt der Salzburger Rechtsanwaltskammer.

III)
Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Der Antragsteller brachte den obigen Antrag am (persönliche Abgabe in der gemeinsamen Einlaufstelle des Finanzzentrums Salzburg) ein. Dieser langte schlussendlich am beim Bundesfinanzgericht ein.

Er beantragte damit Verfahrenshilfe für die Beschwerde gegen eine bzw. mehrere nur mit 91###/#### bezeichnete/n Bescheid/e vom (Zustellung ) ein. Dazu legte er in Kopie zwei entsprechend datierte Bescheide vor, von denen einer über die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2020 und einer über die Einkommensteuer 2020 absprach. Die Rechtswidrigkeit begründete er nur damit, die im Bescheid geltend gemachte Forderung bestünde nicht zurecht. Er beantragte die Bestellung eines Verfahrenshelfers durch die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer oder die Rechtsanwaltskammer.

Seine monatlichen Wohnaufwendungen bezifferte er mit EUR 356,11 und seine monatliche Pension mit EUR 1.349,20 netto. An Vermögen gab er nur ein Bankkonto mit EUR 4.000,00 und an Schulden ein Darlehen von EUR 3.560,00 an. Er gab an, über eine Rechtsschutzversicherung zu verfügen.

Nach Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages durch das Bundesfinanzgericht gab der Rechtsanwalt ***RA*** unter Bezugnahme auf den Einkommensteuerbescheid 2020 seine Vollmacht bekannt und beantragte, sämtliche Schriftstücke zu seinen Handen zustellen zu wollen.

  1. Er gab bekannt, die beabsichtigte Beschwerde richte sich gegen die Einkommensteuerbescheid 2020 vom .

  2. Er beantragte die Bestellung eines Verfahrenshelfers durch die Rechtsanwaltskammer Salzburg und erklärte sich bereit, die Verfahrenshilfe zu übernehmen.

  3. Die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides begründete er im Kern mit einem falschen Ansatz. Die Berechnung des Progressionsvorbehaltes sei falsch. Dem Beschwerdeführer sei nicht in diesem Ausmaß Entgelt zugeflossen. Dadurch sei ist der angefochtene Bescheid materiell rechtswidrig. Hätte man den Progressionsvorbehalt richtig gerechnet, wäre es jedenfalls zu keiner Nachforderung gekommen.

Weiters gab der nunmehr steuerlich vertretene Antragsteller bekannt, dass er bei der Abgabenbehörde einen Antrag gem. § 299 BAO eingebracht habe, den er in Kopie beilegte. Darin brachte er vor, der besondere Progressionsvorbehalt sei falsch berechnet worden. Er habe nicht Entgelt in einem derartigen Ausmaß erhalten und sei der gegenständliche Bescheid offensichtlich rechtswidrig.

Nach mehreren telefonischen Kontakten sowie einem Mailverkehr des zuständigen Richters mit der Bearbeiterin des mit Beschwerde zu bekämpfenden Bescheides sowie den Bearbeiterinnen des Antrages gem. § 299 BAO kristallisierte sich heraus, dass das Finanzamt Österreich (kurz FAÖ) unter Hinweis auf interne Vorgaben nicht beabsichtigt, dieses Anbringen des Antragstellers positiv zu erledigen. Es sieht sich offenbar gezwungen, auch nach einer Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO sowohl die Pension (Lohnzettel PVA) wie auch die AMS-Bezüge als steuerpflichtig in Ansatz zu bringen, räumte allerdings ein, dass dieses Rechtsproblem beim VwGH (unter anderem zur GZ Ra 2021/13/0101) anhängig und noch nicht endgültig geklärt sei. Für den Fall einer Beschwerde regte das FAÖ die Aussetzung der Entscheidung bis zur höchstgerichtlichen Entscheidung an.

Das Bundesfinanzgericht forderte den Antragsteller in der Folge zur Aktualisierung bzw. Konkretisierung seines Vermögensverzeichnisses auf. Dem kam dieser fristgerecht nach und ergänzte, der Saldo seines Bankkontos sei infolge der Tilgung seiner Schulden auf EUR 4,00 abgesunken. Die Rechtsschutzversicherung decke keine abgabenrechtlichen Streitigkeiten.

Über den Antrag auf Verfahrenshilfe wurde erwogen:

Zustellvollmacht

Gem. § 103 Abs. 2 BAO ist eine Zustellungsbevollmächtigung Abgabenbehörden und Verwaltungsgerichten gegenüber unwirksam, wenn sie ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen, oder ausdrücklich auf nur einige jener Abgaben eingeschränkt ist, deren Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird.

Hier bezieht sich die Vollmacht des Rechtsanwaltes ausdrücklich nur auf das Einkommensteuerverfahren 2020. Sie ist deshalb so weit eingeschränkt, dass sie nicht als Zustellvollmacht wirksam ist. Die Zustellung hat deshalb weiterhin an den Antragsteller direkt zu erfolgen.

Verfahrenshilfe

Gemäß § 292 Abs. 1 BAO ist auf Antrag einer Partei (§ 78), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Gemäß § 292 Abs. 7 Z 1 BAO kann der Antrag ab Erlassung des Bescheides, der mit Beschwerde angefochten werden soll, gestellt werden. Gemäß § 292 Abs. 8 BAO hat der Antrag zu enthalten
1. die Bezeichnung des Bescheides (Abs. 7 Z 1) bzw. der Amtshandlung (Abs. 7 Z 2) bzw. der unterlassenen Amtshandlung (Abs. 7 Z 3),
2. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
3. die Entscheidung der Partei, ob der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der Rechtsanwaltskammer die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt,
4. eine Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der wirtschaftlich Beteiligten.

Gemäß § 292 Abs. 10 BAO hat das Verwaltungsgericht über den Antrag mit Beschluss zu entscheiden. Hat das Gericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Rechtsanwaltskammer hievon zu benachrichtigen.

Gemäß § 292 Abs. 11 BAO hat die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Rechtsanwaltskammer mit Beschluss den Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt zu bestellen, dessen Kosten die Partei nicht zu tragen hat. Wünschen der Partei über die Auswahl der Person des Wirtschaftstreuhänders oder Rechtsanwaltes ist im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen. Von der Bestellung sind die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht zu verständigen.

Wird der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb einer für die Einbringung der Beschwerde (§ 243, § 283), des Vorlageantrages (§ 264) oder einer im Beschwerdeverfahren gegenüber dem Verwaltungsgericht einzuhaltenden Frist gestellt, so beginnt diese Frist gemäß § 292 Abs. 12 BAO mit dem Zeitpunkt, in dem
1. der Beschluss über die Bestellung des Wirtschaftstreuhänders bzw. Rechtsanwaltes zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid dem Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt bzw.
2. der den Antrag nicht stattgebende Beschluss der Partei zugestellt wurde,
von neuem zu laufen.

Besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art

Nach § 292 Abs. 1 BAO ist zunächst Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenshilfe, dass die zu entscheidenden Rechtsfragen "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" aufweisen.

Vom Verfassungsgerichtshof wurde dazu entschieden ():

"Die Wendung ,"dass zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen" erfordert und erlaubt eine Prüfung, ob im konkreten Einzelfall für den Antragsteller besondere Schwierigkeiten bestehen. Dabei sind alle Umstände des Falles wie der Streitgegenstand, die begründeten Erfolgsaussichten des Rechtsschutzsuchenden, die Bedeutung des Rechtsstreites für diesen, die Komplexität des geltenden Rechtes und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeiten des Rechtsschutzsuchenden, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, abzuwägen.

Damit schließt § 292 Abs. 1 BAO die Gewährung von Verfahrenshilfe im Einzelfall nicht schon deshalb aus, weil objektiv keine komplexe, besonders schwierige Frage rechtlicher Art vorliegt. In verfassungskonformer Auslegung können zum einen auch besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes, also Fragen tatsächlicher Natur, einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen, zumal Tatsachenfragen regelmäßig in Rechtsfragen münden; und zum anderen sind stets auch die Fähigkeiten des betroffenen Antragstellers zu berücksichtigen, sein Anliegen wirksam zu vertreten."

Hier wurde der Einkommensteuerbescheid 2020 vom - nach einer hier nicht relevanten Wiederaufnahme des Verfahrens - durch einen neuen mit datierten Bescheid ersetzt. Das FAÖ stützte sich dabei - laut Bescheidbegründung - auf nachträgliche Informationen zu Lohnzettelangaben oder Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Der Bf. habe 2020 steuerfreie Leistungen wie z. B. Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder bestimmte Bezüge als Soldat oder Zivildiener bezogen. Dies ziehe eine besondere Steuerberechnung nach sich (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Das FA habe daher die steuerpflichtigen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umgerechnet. Daraus ergebe sich ein Durchschnittssteuersatz, der auf das steuerpflichtige Einkommen angewendet werde.

Aus den dem Verfahrenshilfeantrag beiliegenden Unterlagen (Schreiben des AMS vom , Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom , Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom ) ergibt sich, dass dem Antragsteller für den Zeitraum 2. Juni bis vom AMS ein Pensionsvorschuss von täglich EUR 41,77 zugesprochen und wohl auch ausbezahlt wurde. Das deckt sich mit den Informationen laut Erstbescheid, wonach vom AMS für diesen Zeitraum insgesamt EUR 8.061,61 (193 Tage) ausbezahlt wurden. Exakt diesen Betrag hatte das FAÖ (zusammen mit dem Krankengeld während der Arbeitslosigkeit) im Erstbescheid im Wege der Kontrollrechnung der Besteuerung unterzogen und behielt in der Folge die Pensionsversicherungsanstalt im Jahr 2021 ein (Schreiben vom ).

Vom Verwaltungsgerichtshof wurde für Rehabilitationsgeld darauf hingewiesen (vgl. ), dass für den Fall, dass vom AMS ein Vorschuss (§ 23 Abs. 1 AlVG) geleistet und in der Folge steuerpflichtiges Rehabilitationsgeld zuerkannt wird, was zur Überweisung des Vorschusses von der Pensionsversicherungsanstalt an das AMS führt (Legalzession § 23 Abs. 6 AlVG), die Leistung des AMS als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte Leistung zu beurteilen ist. Thematisch ergänzend entschied das Höchstgericht (), dass bei der Berücksichtigung nach der "Hinzurechnungsvariante" die steuerfreien Einnahmen in Form von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe so behandelt werden, als bestünde die Steuerbefreiung nicht. Zurückgezahlte Einnahmen sind danach gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 im Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung (§ 19 Abs. 2 EStG 1988) als Werbungskosten zu berücksichtigen (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 T2 207 ff). Genauso wie die "Hinzurechnungsvariante" die zugeflossenen Arbeitslosenbezüge als steuerpflichtige Einnahmen behandelt wissen will, sind im Rahmen dieser Kontrollrechnung die in einem Veranlagungsjahr zurückgezahlten Arbeitslosengelder - wenn deren Zufluss steuerliche Auswirkungen, sei es im Wege der Umrechnungsvariante, sei es im Wege der Hinzurechnungsvariante, hatte - als Werbungskosten anzusetzen. Im Rahmen der Kontrollrechnung steht dem die Regelung des § 20 Abs. 2 EStG 1988 nicht entgegen, weil die "Hinzurechnungsvariante" ja gerade die Steuerpflicht der Bezüge unterstellt.

Hier wurde nicht Rehabilitationsgeld zuerkannt, sondern eine Invaliditätspension (Bescheid vom ). Das veranlasst das FAÖ auch, die Vorschüsse des AMS im Jahr 2020 als steuerpflichtig zu behandeln. Zusätzlich soll aber auch der gesamte, aufgrund der nachträglichen Zusicherung der Pension erst 2021 rückwirkend ausgestellte Lohnzettel der PVA (wohl aufgrund § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988) für 2020 als steuerpflichtig erfasst werden. Dieser beinhaltet auch die Vorschüsse des AMS, die 2021 im Wege der Legalzession an das AMS zurückflossen (siehe Schreiben der PVA vom ), was de facto zu einer Doppelerfassung im Jahr 2020 führt.

Genau darin liegt auch der Unterschied zum Rehabilitationsentgelt, für das § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nicht gilt (vgl. ). Das FAÖ selbst hält diese Konstellation für noch nicht ausreichend höchstgerichtlich geklärt und regte für den Fall einer Beschwerde die Aussetzung der Entscheidung an. Das beantwortet auch die Frage nach den besonderen Schwierigkeiten dieses Falles. Sie liegen mangels ausreichend gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung ohne Zweifel vor, was eine rechtsfreundliche Unterstützung des Antragstellers notwendig macht. Für den Fall, dass das FAÖ die angekündigte Vorgangsweise wie schon im zu bekämpfenden Bescheid auch im weiteren Verfahren umsetzt, wirft das nicht nur komplexe allgemeine Fragen auf, sondern auch verfassungsrechtliche Probleme.

Eine Beschwerde gegen den Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 kann aufgrund der vorgebrachten Beschwerdegründe und der offensichtlichen Doppelbesteuerung der Zuflüsse im Jahr 2020 weder als offenbar aussichtslos noch als mutwillig iSd § 292 Abs. 5 BAO bezeichnet werden. Es liegt somit kein Fall einer Versagung der Verfahrenshilfe nach § 292 Abs. 1 Z 2 BAO vor.

Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts

Der Antragswerber ist nach der letzten Aktualisierung seines Vermögensverzeichnisses vermögenslos. Zu prüfen ist deshalb nur, ob er über ein ausreichendes Einkommen zur Bestreitung des Beschwerdeverfahrens verfügt.

Vom Verwaltungsgerichtshof wurde zuletzt () unter Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2016 (ErläutRV 1352 BlgNR 25. GP 18 f) zusammenfassend festgestellt, dass die Bestimmungen des § 292 BAO über die Gewährung von Verfahrenshilfe den Regelungen der ZPO (§ 63 ff ZPO) nachgebildet wurden.
Dies gilt insbesondere für die Definition des notwendigen Unterhalts (§ 292 Abs. 2 BAO) und für die Definition der offenbar mutwillig oder aussichtlos erscheinenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 292 Abs. 5 BAO); diese entsprechen den Definitionen in der ZPO. Der Gleichklang der Bestimmungen über die Verfahrenshilfe in der BAO und in der ZPO ist jedoch nicht durchgängig, was sich gerade bei der Rechtsfrage der von der Verfahrenshilfe umfassten Verfahrensteile bzw. -schritte zeigt. So sieht § 292 Abs. 1 BAO die Gewährung der Verfahrenshilfe nur "für das Beschwerdeverfahren" vor (Hinweis auf Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 292 Anm 3, mit Hinweis auf die Erläuterungen), gilt hier allerdings für das gesamte Verfahren.

Aufgrund der Einschränkung der Verfahrenshilfe auf das zu führende "Beschwerdeverfahren" sind als "Kosten der Führung des Verfahrens" gemäß § 292 Abs. 1 Z 1 BAO nur die Kosten des Beschwerdeverfahrens anzusehen, somit jenes Verfahrens, für das Verfahrenshilfe gewährt werden kann. Für die Gewährung der Verfahrenshilfe nach § 292 BAO ist es somit nicht von Belang, ob die die Gewährung der Verfahrenshilfe beantragende Partei außerstande ist, die Kosten eines allfälligen Revisionsverfahrens zu bestreiten, ohne ihren notwendigen Unterhalt zu beeinträchtigen.

Schon angefallene Kosten können die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Partei und damit auch ihre Fähigkeit zur Tragung der "Kosten der Führung des Verfahrens" beeinträchtigen. Gegenstand der Schätzung - dieser letztgenannten Kosten - können aber nur solche Kosten sein, von deren Tragung die Partei durch die Gewährung der Verfahrenshilfe befreit würde.

Die Bestellung zum Verfahrenshelfer entfaltet erst Wirksamkeit mit Zustellung des Bestellungsbescheides der zuständigen Rechtsanwaltskammer. Dies gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt, der schon vor Zuerkennung der Verfahrenshilfe als Bevollmächtigter der antragstellenden Partei für diese Verfahrensschritte gesetzt hat (als frei gewählter Rechtsanwalt), zum Verfahrenshelfer bestellt wird. Der Ausschluss einer rückwirkenden Beigebung eines Verfahrenshelfers gewährleistet auch dann, wenn es sich um dieselbe Person handelt, eine klare Abgrenzung zwischen der auf privatrechtlicher Grundlage entfalteten Tätigkeit des frei gewählten Vertreters und der Tätigkeit des Verfahrenshelfers, dessen Verhältnis zur Partei ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur ist (vgl. OLG Linz , 2 R 93/84, RZ 1985,19; M. Bydlinski, a.a.O., § 64 ZPO Rz 17). Diese Grundsätze sind mangels gegenteiliger Regelung - und umso mehr, als die BAO keine dem § 64 Abs. 3 ZPO entsprechende Rückwirkungsanordnung enthält - auf § 292 BAO zu übertragen, was bedeutet, dass auch hier eine rückwirkende Bestellung zum Verfahrenshelfer nicht möglich ist. Demnach sind bei der Schätzung der "Kosten der Führung des Verfahrens" gemäß § 292 Abs. 1 Z 1 BAO nur zukünftig anfallende Kosten für den Rechtsvertreter zu berücksichtigen, weil bei Gewährung der Verfahrenshilfe in der Form der Beigebung eines Verfahrenshelfers der Antragsteller nur von diesen Kosten entlastet werden kann.

Bei der Beurteilung, ob die Verfahrenskosten ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestritten werden können, ist auf die Einkommens- und Vermögenslage im Beurteilungszeitpunkt abzustellen. Bei Verschlechterung der Einkommens- und Vermögenslage nach Abweisung des Antrags auf Verfahrenshilfe kann ein neuerlicher Antrag gestellt werden, wohingegen eine Verbesserung der Einkommens- und Vermögenslage gemäß § 292 Abs. 13 BAO auch den Widerruf der zunächst gewährten Verfahrenshilfe zur Folge haben kann (vgl. § 68 Abs. 1 ZPO). Bei der Entscheidung über die Verfahrenshilfe ist von den Angaben im Vermögensbekenntnis auszugehen, wenn dem Gericht diese Angaben nicht schon zufolge seiner Amtstätigkeit als unrichtig bekannt sind und zur Veranlassung einer weiteren Ergänzung kein Anlass besteht ( zu § 61 VwGG bzw. § 68 ZPO).

Als notwendiger Unterhalt iSd § 292 Abs. 1 Z 1 BAO ist ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen

  1. dem statistischen Durchschnittseinkommen und

  2. dem Existenzminimum

liegt und unter Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet. Dabei ist zur groben Bestimmung dieser Bandbreite der Mittelwert zwischen dem Existenzminimum und dem statistischen Durchschnittspensionseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen heranzuziehen (vgl. ; , Ra 2016/04/0041; , Ra 2017/13/0061; , Ra 2019/13/0107; ; , VH/7400001/2018; , VH/7100010/2021).

Fucik fasst in Rechberger/Klicka (Hrsg), ZPO5 § 63 ZPO Tz 3 zusammen, dass als Faustregel gelten kann, dass einem alleinstehenden Verfahrenshilfewerber etwa EUR 1.000 bis 1.400 monatlich verbleiben müssen (zuletzt Hinweis auf EFSlg 154.995 ff). Bemessungsgrundlage bei Unselbständigen sind alle zufließenden Nettobezüge (LG Salzburg EFSlg 128.392) samt Sonderzahlungen (LGZ Wien ua EFSlg 128.393).

Hier liegt das monatliche Nettoeinkommen des Antragswerbers, der auch Sonderzahlungen bezieht, bei EUR 1.350,00.

Daraus resultiert ein unpfändbares Existenzminimum von etwa EUR 1.120 (14 Mal). Im Jahr 2020 verdienten unselbständig Beschäftigte Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte zusammen im Mittel (Median) EUR 2.182 netto im Monat (inkl. anteiligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld; vgl. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/personen-einkommen/nettomonatseinkommen/index.html). Legt man das auf ein Gehalt um, das 14 mal bezogen wird, ergibt das netto in etwa EUR 1.870. Der Mittelwert aus dem Existenzminimum und dem Durchschnittsbezug eines unselbständig Erwerbstätigen beträgt damit in etwa EUR 1.495 pro Monat.

Die verfügbaren Mittel des Antragstellers liegen also auch ohne eine Belastung durch die Kosten eines Beschwerdeverfahrens deutlich unter der Grenze des notwendigen Unterhaltes.

Da er über kein Vermögen verfügt, fehlen ihm wohl auch ausreichende Sicherheiten um die Verfahrenskosten, die selbst auf EUR 700,00 schätzte, fremd zu finanzieren. Dazu kommt, dass sich diese Schätzung am untersten Ende der Schätzungsbandbreite befinden dürfte, deckt sie doch nur die Erstellung der Beschwerde sowie eine mündliche Verhandlung ab. Nicht gänzlich inkludiert dürfte darin deshalb ein allfälliges verwaltungsgerichtliches Verfahren nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung sein, mit der durchaus zu rechnen sein kann.

Daraus folgt, dass die Verfahrenshilfe hier in freiem Ermessen zu gewähren ist. Dies umso mehr als der zu bekämpfende Bescheid eine Nachforderung von annähernd EUR 3.000,00 ausweist, die zu einem großen Teil aus der potentiellen Doppelbesteuerung von Zuflüssen resultiert. Im Gegenzug wäre für 2021 bei der geplanten Vorgangsweise des FAÖ nicht mit einer entsprechenden Entlastung durch den Ansatz von Werbungskosten zu rechnen, was den Antragsteller geradezu zur Bekämpfung des Einkommensteuerbescheides 2020 vom und zur Prüfung verfassungsrechtlicher Fragen zwingt, was aufgrund der Komplexität eine rechtsfreundliche Unterstützung notwendig macht.

Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH und des VfGH.

Belehrung und Hinweise

Verfassungsgerichtshof

Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Personen mit geringem Einkommen und Vermögen können einen Antrag auf Gebührenbefreiung und/oder auf kostenlose Beigebung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes stellen. Der Verfahrenshilfeantrag selbst ist gebührenfrei und muss nicht von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Es muss aber die Rechtssache, für die Verfahrenshilfe begehrt wird, angegeben und bekannt gegeben werden, ob die beschwerdeführende Partei von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit werden will und/oder ob ihr eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beigestellt werden soll. Das Antragsformular samt Vermögensbekenntnis kann beim Verfassungsgerichtshof elektronisch, postalisch oder persönlich eingebracht werden. Das Formular für postalische oder persönliche Einbringung liegt in der Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofes auf; es kann auch von der Website des Verfassungsgerichtshofes (www.vfgh.gv.at; im Bereich Kompetenzen und Verfahren / Verfahrenshilfe) heruntergeladen werden. Die Einbringung per E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Verwaltungsgerichtshof

Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Bundesfinanzgericht, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (in Abgaben- und Abgabenstrafsachen auch von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer) abzufassen und einzubringen.

Bei entsprechend ungünstiger Einkommens- und Vermögenslage kann Verfahrenshilfe gewährt werden. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst. Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen; bereits der Antrag hat diesfalls eine Begründung zu enthalten, warum die Revision für zulässig erachtet wird. Das Antragsformular für postalische oder persönliche Einbringung ist im Servicecenter des Verwaltungsgerichtshofes (Judenplatz 11, 1010 Wien) oder elektronisch auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (www.vwgh.gv.at; im Bereich Verfahren/Verfahrenshilfe) erhältlich, auf welche auch zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen verwiesen wird.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühren von 240,00 Euro ergeben sich aus § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985.

Hinweis

Abschließend darf auf § 292 Abs. 12 BAO hingewiesen werden. Für den Fall, dass der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegenüber dem Verwaltungsgericht einzuhaltenden Frist gestellt wurde, beginnt die Frist zur Einbringung der Beschwerde mit dem Zeitpunkt neu zu laufen,

  1. in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwaltes zum Vertreter und

  2. der anzufechtende Bescheid dem Rechtsanwalt zugestellt wurden.

Fraglich erscheint nach Ritz/Koran, BAO7, § 292 Rz 51, ob mit "Zustellung" im § 292 Abs. 12 BAO eine Zustellung iSd ZustellG durch die Abgabenbehörde gemeint ist. Nach dem Normzweck könnte auch eine formlose Übermittlung (z.B. durch die Partei) ausreichend sein. Erfolge keine solche Übermittlung oder werde eine formelle Zustellung als vom § 292 Abs. 12 BAO gefordert angenommen, spreche § 292 Abs. 12 BAO für einen Rechtsanspruch des bestellten Parteienvertreters auf Zustellung des betreffenden Bescheids durch die Abgabenbehörde.

Die Abgabenbehörde und die Salzburger Rechtsanwaltskammer werden durch Zustellung einer Ausfertigung dieses Beschlusses von der Bewilligung der Verfahrenshilfe benachrichtigt, wobei darauf hingewiesen wird, dass sich der ausgewiesene Vertreter des Antragstellers Rechtsanwalt ***RA*** bereit erklärte, die Verfahrenshilfe zu übernehmen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 292 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 292 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:VH.6100028.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at