Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2022, RV/1100545/2016

Anerkennung des Berufsgruppenpauschale für Vertreter

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dipl.-BW (FH) Jörg Übelher Steuerberatung GmbH, Oberdorf 31, 6874 Bizau, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden abgekürzt Bf.) war im Streitjahr nichtselbständig bei einem Versicherungsverein im Sinne des § 5 Z 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG 2016) als Außendienstmitarbeiterin tätig. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 machte sie das Berufsgruppenpauschale für Vertreter geltend.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde um Mitteilung ersucht, ob die Bf. im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit auch Vertragsabschlüsse (Verkäufe) getätigt habe. Bejahendenfalls sei die Kopie eines Vertragsabschlusses vorzulegen.

In der Folge übermittelte die Bf. eine Bestätigung ihres Arbeitgebers, wonach sie überwiegend im Außendienst in der Kundenbetreuung tätig sei, sowie einen mit datierten Dienstvertrag. Ein Nachweis für einen Vertragsabschluss wurde nicht vorgelegt.

Im Einkommensteuerbescheid vom wurde das Berufsgruppenpauschale für Vertreter nicht berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt, unter Vertretern seien Personen zu verstehen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig seien. Eine Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen sei, zähle nicht als Vertretertätigkeit. Dem nichtselbständigen Versicherungsmakler bzw. Immobilienmakler stehe das Vertreterpauschale deshalb nicht zu, da dieser nur Verträge vermittle und nicht selbst Geschäftsabschlüsse tätige, wie dies für die Berufsgruppe der "Vertreter" typisch sei.

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde brachte die steuerliche Vertretung der Bf. vor, die Bf. sei ständig im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig. Ihr Aufgabenbereich falle daher in den Anwendungsbereich der Vertreterpauschalierung.

Der Beschwerde beigefügt war eine Bestätigung der Arbeitgeberin der Bf. vom , mit folgendem Inhalt: "Hiermit bestätigen wir, dass die Bf. im Außendienst tätig ist und dadurch auch selbständig Verträge mit unseren Kunden abschließt".

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde wiederum begründend ausgeführt, dem nichtselbständigen Versicherungsmakler stehe das Vertreterpauschale deshalb nicht zu, weil er nicht selbst Geschäftsabschlüsse tätige, wie dies für die Berufsgruppe der "Vertreter" typisch sei, sondern lediglich Versicherungsverträge vermittle (vgl. ; ).

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag vom wiederholte die steuerliche Vertretung der Bf. ihr Vorbringen, wonach die Bf. überwiegend im Außendienst tätig sei und ihre Haupttätigkeit die Erzielung von Vertragsabschlüssen sei. Unter Verweis auf die Ausführungen in § 1 Z 9 der VO zu § 17 Abs. 6 EStG 1988, BGBl. II 2001/382, wurde zudem ergänzend ausgeführt, ein Vertreter habe typischerweise einen großen potentiellen Kundenkreis, wobei er versuche, zahlreiche Geschäftsabschlüsse zu tätigen. Dies bedinge viele Kundenbesuche, Gespräche und Telefonate, die durch das Werbungskostenpauschale abgegolten werden sollten.

Dem Vorlageantrag beigefügt waren neben den bereits übermittelten Unterlagen (Bestätigung der Arbeitgeberin der Bf. vom sowie Kopie des Dienstvertrages vom ) folgende Schriftstücke:

  1. Ein fünfseitiges Protokoll, in dem jene im Jahr 2015 getätigten Vertragsabschlüsse aufgelistet werden, für die die Bf. Provisionszahlungen erhalten hat.

  2. Eine mit datierte Bestätigung, laut der die Bf. zu 100 % als Außendienstmitarbeiterin angestellt ist.

Im mit datierten Dienstvertrag wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

……

"Die Bf.ist seit bei der ***2*** als Außendienstmitarbeiter für die Kundenbetreuung, sowie die Gewinnung von Neukunden eingestellt. Der Bf. obliegen im Wesentlichen die Aufgaben:

Fachmännische und kompetente Beratung und Betreuung der ihm vom Dienstgeber zugewiesenen Versicherungsnehmer in allen Versicherungsfragen;

Erhaltung und Ausbau des zugewiesenen Versicherungsstockes;

Vermittlung der Eigenprodukte der ***3*** am Bedarf des jeweiligen Versicherungsnehmers sowie der Ausbau der Kunden zu Vollkunden durch die Vermittlung aller sonstigen Versicherungsprodukte, die vom Dienstgeber im Agenturbetrieb oder über die Maklertätigkeit angeboten werden können.

Unterstützung der Kunden bei den Schadensaufnahmen und der Schadensabwicklung - unabhängig davon, ob es um Verträge der ***3*** handelt oder über Kooperationspartner in jenen Bereichen, welche von der ***3*** nicht angeboten werden.

Sorgfältige Eingabe aller kundenrelevanten Informationen im Kundenverwaltungsprogramm.

Im Bedarfsfall auch die Unterstützung anderer Abteilungen.

……

VI.

Die Entlohnung des Dienstnehmers erfolgt nach den Grundsätzen eines bei der ***3*** für Außendienstmitarbeiter entwickelten Entlohnungsmodells, welches sich aus einem Fixum, einer Provisions- und Bonusregelung zusammensetzt und mit dem Dienstnehmer jährlich abgesprochen wird…..

…..

X.

Während des Dienstverhältnisses darf der Dienstnehmer ohne Zustimmung des Dienstgebers kein anderes Dienstverhältnis eingehen und auch nebenberuflich nicht für andere Versicherungen tätig werden.

……"

Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt in seiner Stellungnahme aus, die Bf. vermittle Verträge für verschiedenste Versicherungsgesellschaften. Sie sei deshalb kein Vertreter im Sinne des § 17 Abs. 6 EStG 1988 iVm § 1 Z 9 der Verordnung über Durchschnittssätze für Werbungskosten, sondern eine nichtselbständig angestellte Versicherungsmaklerin. Beantragt werde daher die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. war vom bis zum bei einem Versicherungsverein im Sinne des § 5 Z 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG 2016) als Außendienstmitarbeiterin nichtselbständig tätig. Ihr Aufgabengebiet umfasste die Kundenbetreuung sowie die Gewinnung von Neukunden, wobei sie die Verträge mit den Kunden selbständig abschloss.

Die Bf. verbrachte von ihrer Gesamtarbeitszeit mehr als die Hälfte im Außendienst. Sie vermittelte hierbei die Eigenprodukte des Arbeitgebers sowie alle sonstigen Versicherungsprodukte, die von ihrem Arbeitgeber im Agenturbetrieb oder über die Maklertätigkeit angeboten wurden.

Die Entlohnung der Bf. setzte sich aus einem Fixum sowie einer Provisions- und Bonusregelung zusammen. Im Streitjahr tätigte sie 176 Vertragsabschlüsse und erhielt dafür nachweislich Provisionszahlungen.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist, ob der Bf. im Streitjahr das Berufsgruppenpauschale für Vertreter zu gewähren ist.

Gemäß § 17 Abs. 6 EStG 1988 können vom Bundesminister für Finanzen zur Ermittlung von Werbungskosten Durchschnittssätze für Werbungskosten im Verordnungswege für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt werden.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:

"§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

(...)

9. Vertreter

5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 190 Euro jährlich.Der Vertreter muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."

Die obig auszugsweise wiedergegebene Verordnung enthält keine nähere Definition des Begriffs "Vertreter". Sie legt lediglich fest, dass der Außendienst den Innendienst zeitlich überwiegen muss und der Innendienst die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit umfassen darf.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (siehe dazu z.B. ; ; ) ist zum Begriff des Vertreters auf die Verkehrsauffassung abzustellen. Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind. Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, ist keine Vertretertätigkeit (z.B. Kontroll- oder Inkassotätigkeit, beratende Tätigkeit; vgl. , mwN). Auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst gehört zur Vertretertätigkeit. Hierzu zählen etwa Abrechnungen mit Kunden, Nachweis des Arbeitseinsatzes, Einholung von Weisungen oder Entgegennahme von Waren (vgl. und 2994/80).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch klargestellt (siehe dazu z.B. , VwSlg. 8008/F; ), dass es der Vertretertätigkeit gleichzuhalten ist, wenn Rechtsgeschäfte über Dienstleistungen im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers abgeschlossen werden. Vertreter im Sinne der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001, ist somit auch, wer Geschäftsabschlüsse lediglich anbahnt. Wesentlich ist, dass eine Außendiensttätigkeit vorliegt, deren vorrangiges Ziel die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen für den Arbeitgeber ist (siehe dazu ).

Für den Beschwerdefall ergibt sich aus obigen Ausführungen, dass der Bf., deren Aufgabenbereich darin bestand, überwiegend im Außendienst Eigenprodukte des Arbeitgebers sowie alle sonstigen Versicherungsprodukte, die von ihrem Arbeitgeber im Agenturbetrieb oder über die Maklertätigkeit angeboten wurden, zu vermitteln sowie Vertragsabschlüsse im Auftrag ihres Arbeitgebers selbständig zu tätigen, das Vertreterpauschale zweifelsfrei zusteht.

Dem Beschwerdebegehren war daher Folge zu geben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im gegenständlichen Verfahren zu beurteilende Rechtsfrage ist bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Gesamthaft war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Z 9 Durchschnittssätze für Werbungskosten, BGBl. II Nr. 382/2001
§ 17 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100545.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at