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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.06.2022, RV/1100045/2021

Beschränkung des Übergangs von Verlustvorträgen nach einer verschmelzenden Umwandlung durch eine qualifizierte Umfangsminderung des Betriebes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die ECA Pfanner und Farmer Steuerberatung GmbH, Seestraße 12, 6971 Hard, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2018 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer war bis zum Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der ***X*** GmbH (in der Folge: GmbH). Unternehmensgegenstand der GmbH war die Unternehmensberatung. Mit Stichtag zum wurde die GmbH nach den Bestimmungen des Umgründungssteuergesetzes verschmelzend auf den Beschwerdeführer als Alleingesellschafter umgewandelt. Das Vermögen der Gesellschaft ging im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Beschwerdeführer über. Zum Umwandlungsstichtag hatte die GmbH noch nicht verrechnete Verlustvorträge in Höhe von 896.973 Euro, die sich aus Verlusten der Jahre 2009 (439.566 Euro), 2010 (368.926 Euro), 2011 (75.697 Euro) und 2015 (12.684 Euro) zusammensetzten. Das Unternehmen der GmbH wurde nach der Umwandlung vom Beschwerdeführer als nicht protokolliertes Unternehmen bis 2018 weitergeführt. Mit der Umwandlung erfolgte auch ein Wechsel in der Gewinnermittlungsart von § 5 EStG auf § 4 Abs. 3 EStG.

2. Im Streitjahr 2018 erklärte der Beschwerdeführer neben den seit dem Jahr 2011 bezogenen Einkünften aus Pensionszahlungen der Pensionsversicherung der gewerblichen Wirtschaft in Höhe von 37.135,41 Euro auch Einkünfte aus Gewerbetrieb im Zusammenhang mit dem in Folge der Umgründung übernommenen Betrieb in Höhe von 973,74 Euro. Bei der Ermittlung des Einkommens machte er einen Verlustabzug aus den nicht verrechneten Verlustvorträgen der GmbH als Sonderausgaben geltend.

3. Im Zuge einer Außenprüfung gemäß § 147 BAO der Jahre 2014 bis 2017 unterzog das Finanzamt den geltend gemachten Verlustabzug einer Prüfung und gelangte laut Niederschrift über die Schlussbesprechung vom zum Ergebnis, dass unter Beachtung der unternehmens- und branchenbezogenen Umstände und nach dem Gesamtbild der Verhältnisse das Vermögen der GmbH vor dem Jahr 2012 mit dem Vermögen zum Umwandlungsstichtag am nicht vergleichbar sei. Ein Vergleich von Umsatz, Bilanzsumme und Beschäftigtenzahl habe eine Verringerung des Umfangs von mehr als 75% ergeben. Somit habe eine qualifizierte Umfangsminderung stattgefunden und gingen die Verluste aus den Jahren 2009 bis 2011 daher für den Verlustabzug verloren. Die verbleibenden Verluste aus dem Jahr 2015 seien bereits bei der Veranlagung des Jahres 2017 als Sonderausgaben berücksichtigt worden.

4. Das Finanzamt folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und setzte im angefochtenenEinkommensteuerbescheid2018 die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung eines Verlustabzuges fest.

5. Mit Beschwerde vom wandte die steuerliche Vertretung gegen die Versagung des Verlustabzugs im Wesentlichen ein, § 4 Umgründungssteuergesetz sehe für Verschmelzungen ausdrücklich den Verlustvortrag vor. Im Gegensatz zum allgemeinen Ertragssteuerrecht, wo der Verlustvortrag ein höchstpersönliches Recht sei, gehe das Umgründungssteuerrecht vom Grundsatz der Objektbezogenheit des Übergangs von Verlustvorträgen aus. Daher gehe bei Umgründungen der Verlustvortrag auf den Rechtsnachfolger über.

Wirtschaftlich gesehen sei eine Umgründung als Rechtsformwechsel zusammen mit einer Vermögensübertragung zu charakterisieren. Von der bloßen Änderung der Rechtsform eines Unternehmens unterscheide sich eine Umgründung dadurch, dass es stets zu einer Übertragung von Vermögen komme. Von der Unternehmensveräußerung sei die Umgründung insofern abzugrenzen, als der Vermögensübergang das unternehmerische Engagement nicht beende, sondern die unternehmerische Einheit in einer anderen Unternehmensstruktur weiterhin fortgeführt werde. Das Nachfolgeunternehmen führe die Buchwerte des übertragenen Unternehmens weiter. Der äußere Wechsel in der Unternehmensorganisation ändere nichts an der wirtschaftlichen Identität und am wirtschaftlichen Fortbestand des umgegründeten Unternehmens. Komme es bei einer verlustbringenden Körperschaft zu einer wesentlichen und entgeltlichen Änderung der Gesellschafterstruktur (Beteiligungsverhältnisse) in Verbindung mit einer wesentlichen Änderung der organisatorischen (Geschäftsführung) und der wirtschaftlichen Struktur (Geschäftstätigkeit), so liege ein sog. "Mantelkauf" vor und stehe damit kein Verlustabzug mehr zu. Im Beschwerdefall sei es aber weder zu einer Änderung der Gesellschafterstruktur noch der organisatorischen Struktur gekommen. Der Beschwerdeführer sei immer der alleinige Gesellschafter und der faktische und wirtschaftliche Geschäftsführer der GmbH gewesen. In den Jahren 2009 bis 2011 habe es massive Probleme aufgrund der durch die Lehman Brothers Pleite verursachten Wirtschaftskrise gegeben, die beinahe zum Untergang des Betriebes geführt hätte. Durch einen stillen Ausgleich mit den Banken und Lieferanten habe das Unternehmen gerettet werden können. An der wirtschaftlichen Struktur des Unternehmens habe dies aber nichts geändert. Es sei nur zu einer Reduzierung des Geschäftsumfanges gekommen und nicht zu einer Änderung der wirtschaftlichen Struktur. Der Beschwerdeführer als Alleineigentümer und Geschäftsführer der GmbH habe die Verluste erwirtschaftet und sei daher auch persönlich der Verlustvortragsberechtige.

6. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Zur Begründung führte es zusammengefasst aus, der Beschwerde sei grundsätzlich nicht darin entgegenzutreten, dass sich im Beschwerdefall durch die Umwandlung weder eine Änderung des Unternehmensgegenstands noch der handelnden Personen ergeben habe. Allein aus dieser Feststellung sei für das Beschwerdebegehren nichts gewonnen. Denn zu einem Übergang der Verlustvorträge komme es nach den Bestimmungen des § 4 Z 1 lit. a und lit. c UmgrStG nur, wenn das verlustverursachende Vermögen noch tatsächlich vorhanden sei und eine Vergleichbarkeit aufgrund des Umfangs des Betriebes bestehe. Die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend die wirtschaftliche und organisatorische Identität des Betriebes bezögen sich auf die Bestimmung des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG über den Mantelkauf. Das Finanzamt sei aber zu keiner Zeit vom Vorliegen eines Mantelkaufs iSd § 8 Abs. 4 Z 2 KStG ausgegangen, weshalb die betreffenden Beschwerdeausführungen ins Leere gingen.

Die in diesem Zusammenhang vorgesehenen Regelungen des UmgrStG seien als lex specialis im Verhältnis zu den allgemeinen Regelungen des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG anzusehen. Es sei daher zu prüfen, ob bei der hier zu beurteilenden Umwandlung eine qualifizierte Umfangsminderung iSd § 4 Z 1 lit c UmgrStG vorgelegen habe.

Eine solche qualifizierte Umfangsminderung iSd § 4 Z 1 lit c UmgStG sei von der Außenprüfung festgestellt worden, indem sie maßgebende quantitative betriebswirtschaftliche Parameter wie Umsatz, Bilanzsumme und Beschäftigtenanzahl verglichen und in einer Gesamtschau gewürdigt habe. Dabei habe sie festgestellt, dass sich im Vergleich zum Basisjahr 2016 sowohl die Bilanzsummen als auch die Umsatzzahlen in den Jahren 2011 und davor wesentlich vermindert hätten. Die bis 2010 noch beschäftigten Mitarbeiter seien im Jahr 2011 komplett abgebaut und der Kundenstock im Jahr 2011 an ein deutsches Unternehmen verkauft worden. Es sei daher von einer qualifizierten Umfangsminderung iSd § 4 Z 1 lit c UmgrStG für die Veranlagungsjahre vor 2012 auszugehen gewesen. Habe sich aber der Umfang des Vermögens iSd § 4 Z 1 lit c UmgrStG qualifiziert vermindert, gehe ein von diesem Vermögen verursachter, aber noch nicht verrechneter Verlust zur Gänze verloren.

7. Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Die Beschwerde ergänzend führte seine steuerliche Vertretung aus, der Verlustabzug diene primär dazu, alle Steuerpflichtigen nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steuerlich zu erfassen. Ein Verlust in früheren Abgabeperioden könne im österreichischen Abgabenrecht nicht zu einer Steuergutschrift führen, weshalb spätere Gewinne mit Verlusten aus früheren Perioden ausgeglichen werden müssten. Der Verlustabzug trage dazu bei, das interperiodische Nettoprinzip zu verwirklichen. Ohne Verlustabzug würden positive Gesamtergebnisse einer Periode voll besteuert werden, während negative unberücksichtigt blieben. Das Versagen des Verlustabzuges habe auf der Ebene der Einkünfteerzielung eine "Erdrosselungswirkung" (mit Hinweis aus Wolf, SWK 2009, 800). Daher verbleibe der Verlustabzug nach den Bestimmungen des § 10 UmgrStG bei demjenigen Abgabepflichtigen, welcher den Verlust erlitten habe. Zwar könne eine Verlustübergangsbeschränkung des Verlustabzuges gerechtfertigt sein, wenn verhindert werden solle, dass Buchverluste auf Grund steuerlicher Förderungen auf rechtsgeschäftlicher Basis übertragen werden oder eine zeitlich begrenzte Vortragsfähigkeit von Verlusten umgangen werde (mit Hinweis auf Farmer in "Steuerberatung im Synergiebereich von Praxis und Wissenschaft", 2007, 105ff). Gegenständlich liege aber kein solcher Fall vor.

Mit der grundsätzlichen Übertragbarkeit von Verlustabzügen im Umgründungssteuerrecht sollen betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen erleichtert werden. Die Finanzverwaltung verstoße gegen diesen Zweck, wenn es Unternehmern den Verlustabzug nehme, die den Betrieb saniert hätten und kein Fall "eingekaufter" Verlustvorträge vorliege. Die Nichtanerkennung der Verluste führe zudem zu einem Verstoß gegen das Prinzip der Gesamtgewinnbesteuerung.

In einer Entscheidung zum Mantelkauf halte der VwGH unmissverständlich am tätigkeitsbezogenen Betriebsbegriff fest. Wörtlich führe der VwGH dazu aus: "Die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft ist gemäß § 1 Abs 2 Z 2 GewStG stets und im vollen Umfang Gewerbebetrieb. Ist die Kapitalgesellschaft ident, so ist es auch der in ihrer Tätigkeit gelegene Gewerbebetrieb" (). Eine objektbezogene Bindung einer Verlustübertragung könne sich daher rechtssystematisch nur auf eine von einer Person ausgeübte Tätigkeit ohne weitere sachliche oder personelle Voraussetzungen im Sinne einer organisatorischen Einheit beziehen.

Die Begründung des Finanzamtes beziehe zudem die Sachverhaltsumstände nicht korrekt in das Gesamtbild ein. Der Beschwerdeführer habe auch nach der Umwandlung den zuvor in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführten Beratungsbetrieb fortgeführt. Die betriebliche Tätigkeit sei im Zeitpunkt der Umwandlung nicht eingestellt gewesen. Bei einer Übertragung dieses Betriebes auf eine natürliche Person als Rechtsnachfolgerin im Todesfall wäre es zu keiner Kürzung des Verlustabzuges gekommen. Die materiellrechtliche Einschränkung des § 10 UmgrStG iVm § 4 Z 1 lit a und c UmgrStG behandle insoweit gleiche Sachverhalte ungleich. Ergänzend sei anzumerken, dass die wesentlichen Verluste auf ein einziges Rechtsgeschäft im Zusammenhang mit einer mangelhaften Lieferung zurückzuführen gewesen seien. Das diesbezügliche Regressverfahren der GmbH sei im Zeitpunkt der Umwandlung auf europäischer Ebene noch anhängig gewesen. Wäre der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde auf europäischer Ebene durchgedrungen und hätte er den Schaden ersetzt bekommen, wäre es nach der Auffassung der Finanzbehörde zu einer vollen Besteuerung der Einnahmen aus dem Schadenersatz ohne Kompensation mit den zuvor erlittenen Verlusten gekommen.

Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation des § 10 UmgrStG iVm § 4 Z 1 lit a und lit c UmgrStG sei der Umstand zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die Verluste durch Einbringung von Vermögen in die GmbH finanziert und daher der Verlust insoweit bereits bei ihm zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit geführt habe. Der Übergang der bei der GmbH nichtverrechneten Verluste im Wege der Umwandlung auf den Beschwerdeführer habe daher zu einer Übertragung der Verlustvorträge auf jene Person geführt, die auch tatsächlich und endgültig diese Verluste getragen habe. Eine Versagung des Verlustabzuges sei sachlich nicht zu rechtfertigen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer war Alleingesellschafter und zeitweise auch Geschäftsführer der ***X*** GmbH. Diese GmbH wurde im Jahr 1997 gegründet und ins Firmenbuch eingetragen. Geschäftszweck laut Firmenbuch war die Marketingberatung.

2. Die konkrete Geschäftstätigkeit der GmbH bestand in der Hauptsache im Ein- und Verkauf von Waren aus Fernost. Die Waren kamen auf dem Seeweg in die Überseehäfen Rotterdam und Hamburg. Wichtigste Absatzgebiete waren Deutschland, die Niederlande, Belgien und England. Im Jahr 2009 geriet das Unternehmen der GmbH aus mehreren Gründen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Jahr 2010 sollte die GmbH an ein deutsches Unternehmen veräußert werden. Der Veräußerungsplan scheiterte, das deutsche Unternehmen kaufte aber den Kundenstock der GmbH und diese arbeitete nunmehr auf Provisionsbasis für das deutsche Unternehmen. Im Jahr 2011 konnte mit den Banken ein stiller Ausgleich vereinbart werden. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten führten insbesondere in den Jahren 2009 bis 2011 zu hohen Verlusten.

3. Als Reaktion auf die schwierige Situation kam es ab dem Jahr 2010 zu einer deutlichen Reduzierung des Umfanges der Geschäftstätigkeit der GmbH. So verringerten sich die Umsätze (inklusive Bestandänderungen und sonstige Erträge) von 15.799.988,17 Euro im Jahr 2009 und 11.816.550,14 Euro im Jahr 2010 auf 1.964.550,14 Euro im Jahr 2011 und weiter auf 101.021,22 Euro im Jahr 2012 bis auf 51.962,93 Euro im Jahr 2016. Die Bilanzsumme fiel von 8.263.124,14 Euro im Jahr 2009 und 3.310.308,84 Euro im Jahr 2010 auf 132.486,84 im Jahr 2011 und weiter auf 108.013,91 Euro im Jahr 2012 und schließlich auf 16.668,13 Euro im Jahr 2016. 2009 hatte die GmbH 11 Dienstnehmer, 2010 noch 10, im Jahr 2011 nur mehr 4 und ab dem Jahr 2012 keine (siehe dazu auch die Tabelle in Punkt 3.1.2. der Beschwerde).

4. Mit Umwandlungsvertrag und Generalsversammlungsbeschluss vom wurde die GmbH zum Stichtag gemäß §§ 2 ff UmwG unter Inanspruchnahme der umgründungssteuerrechtlichen Begünstigungen des Art. II UmgrStG durch Übertragung des Vermögens der GmbH als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das durch den Umwandlungsvorgang entstehende nicht protokolliere Einzelunternehmen des Beschwerdeführers verschmelzend umgewandelt.

Mit der Umwandlung erfolgte auch der Wechsel der Gewinnermittlungsart auf die Einnahmen- Ausgabenrechnung und ermittelte der Beschwerdeführer ab 2017 den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988.

5. Zum waren Verlustvorträge aus folgenden Jahren noch nicht verrechnet:

2009 439.566

2010 368.926

2011 75.697

2015 12.864

Summe 896.873

Der Verlust aus dem Jahr 2015 wurde bei der Veranlagung 2017 in Abzug gebracht.

6. Bis zum Jahr 2011 hat der Beschwerdeführer aus der Tätigkeit als Geschäftsführer bei der GmbH Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt. Seit empfängt er Ruhebezüge von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, in den Jahren 2017 und 2018 erklärte er zudem Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Zusammenhang mit dem durch die Umwandlung übernommene Betrieb. Seit dem Jahr 2019 bezieht er nur mehr Einkünfte aus den Pensionszahlungen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

2. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen zum Sachverhalt gründen auf den Unternehmensbilanzen der GmbH der Jahre 2009 bis 2015, dem Umwandlungsvertrag und dem Protokoll über den Beschluss der Generalversammlung vom , Feststellungen der Betriebsprüfung zum Sachverhalt, den Firmenbuchauszug betreffend die GmbH und den Angaben in den Körperschaftsteuerbescheiden der GmbH und den Einkommensteuerbescheiden des Beschwerdeführers laut Abgabeninformationssystem.

Abweichend von den Feststellungen der Betriebsprüfung geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die GmbH im Jahr 2011 noch durchschnittlich 4 und nicht wie in der Niederschrift der Betriebsprüfung ausgeführt 0 Dienstnehmer beschäftigt hat. Zwar wird in der Steuerbilanz 2011 die Anzahl der Arbeitgeber mit 0 angegeben, in dem im Firmenbuch veröffentlichten Jahresabschluss 2011 wird diese Zahl aber mit 4 angegeben. Für die Richtigkeit letzterer Angabe spricht, dass im Jahr 2011 noch ein Personalaufwand von 120.476,59 Euro angefallen ist. Erst im Jahr 2012 ist der Personalaufwand auf 0,00 Euro gesunken.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Rechtsgrundlagen:

A) Bestimmungen zur Umwandlung

Umwandlungsgesetz- UmwG:

§ 1 Kapitalgesellschaften können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen unter Ausschluss der Abwicklung durch Übertragung des Unternehmens im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf einen Gesellschafter oder in eine offene Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft (Nachfolgerechtsträger) umgewandelt werden.

§ 2 (1) Die Hauptversammlung (Generalversammlung) der Kapitalgesellschaft kann die Umwandlung durch Übertragung des Unternehmens auf den Hauptgesellschafter beschließen, wenn ihm Anteilsrechte an mindestens neun Zehnteln des Grundkapitals (Stammkapitals) gehören und er für die Umwandlung stimmt, es sei denn, dass der Hauptgesellschafter eine Aktiengesellschaft, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder sonst eine Kapitalgesellschaft im Sinn des § 1 Abs. 2 EU-Verschmelzungsgesetz mit Sitz in einem Mitgliedstaat im Sinn des § 1 Abs. 3 EU-Verschmelzungsgesetz ist. Hiebei werden eigene Aktien der Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern nach dem Verhältnis ihrer Anteilsrechte zugerechnet.

(2) Mit der Eintragung der Umwandlung bei der übertragenden Gesellschaft treten folgende Rechtswirkungen ein:

1. Das Vermögen der Kapitalgesellschaft geht einschließlich der Schulden auf den Hauptgesellschafter über. Treffen aus gegenseitigen Verträgen, die zur Zeit der Umwandlung von keiner Seite vollständig erfüllt sind, Abnahme-, Lieferungs- oder ähnliche Verpflichtungen zusammen, die miteinander unvereinbar sind oder die beide zu erfüllen eine schwere Unbilligkeit für den Hauptgesellschafter bedeuten würde, so bestimmt sich der Umfang der Verpflichtungen nach Billigkeit unter Würdigung der vertraglichen Rechte aller Beteiligten.

2. Die Kapitalgesellschaft erlischt, einer besonderen Löschung bedarf es nicht.

Umgründungssteuergesetz - UmgrStG:

Artikel II: Umwandlung

§ 7 (1) Umwandlungen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

2. verschmelzende Umwandlungen nach dem Bundesgesetz über die Umwandlung von Handelsgesellschaften, BGBl Nr. 304/1996, wenn

- am Umwandlungsstichtag und am Tag des Umwandlungsbeschlusses ein Betrieb vorhanden ist oder

(3) Rechtsnachfolger sind der Hauptgesellschafter (§ 2 Abs 1 UmwG), beziehungsweise dessen Gesellschafter (Mitunternehmer), oder die Gesellschafter (Mitunternehmer) der errichtenden Personengesellschaft (§ 5 Abs 1 UmwG)

(4) Auf Umwandlungen sind die §§ 8 bis 11 anzuwenden.

B) Bestimmungen zum Verlustabzug

Körperschaftsteuergesetz - KStG 1988

§ 8 Abs. 4 KStG

Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:

1….

2. Der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988 nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

a)…

b)…

c) Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderung zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teils betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung still Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden.

Umgründungssteuergesetz - UmgrStG

§ 10. § 8 Abs. 4 Z 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 ist nach Maßgabe folgender Bestimmungen anzuwenden:

1.a) Für Verluste der übertragenden Körperschaft ist § 4 Z 1 lit. a, c und d anzuwenden.

b) Übergehende Verluste sind den Rechtsnachfolgern als Verluste gemäß § 18 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988 oder § 8 Abs. 4 Z 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 in jenem Ausmaß zuzurechnen, das sich aus der Höhe der Beteiligung an der umgewandelten Körperschaft im Zeitpunkt der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Firmenbuch ergibt. Dabei sind die Anteile abfindungsberechtigter Anteilsinhaber den Rechtsnachfolgern quotenmäßig zuzurechnen.

§ 4. § 8 Abs. 4 Z 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 ist nach Maßgabe folgender Bestimmungen anzuwenden:

1.a)Verluste der übertragenden Körperschaft, die bis zum Verschmelzungsstichtag entstanden und noch nicht verrechnet sind, gelten im Rahmen der Buchwertfortführung ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Veranlagungszeitraum der übernehmenden Körperschaft insoweit als abzugsfähige Verluste dieser Körperschaft, als sie den übertragenen Betrieben, Teilbetrieben oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteilen zugerechnet werden können. Voraussetzung ist weiters, dass das übertragene Vermögen am Verschmelzungsstichtag tatsächlich vorhanden ist.

b)Verluste der übernehmenden Körperschaft, die bis zum Verschmelzungsstichtag entstanden und noch nicht verrechnet sind, bleiben abzugsfähig, soweit die Betriebe, Teilbetriebe oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteile, die die Verluste verursacht haben, am Verschmelzungsstichtag tatsächlich vorhanden sind.

c)Ist in den Fällen der lit. a und b der Umfang der Betriebe, Teilbetriebe oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteile am Verschmelzungsstichtag gegenüber jenem im Zeitpunkt des Entstehens der Verluste derart vermindert, dass nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist, ist der von diesen Betrieben, Teilbetrieben oder Vermögensteilen verursachte Verlust vom Abzug ausgeschlossen.

Einkommensteuergesetz - EStG 1988

§ 18 (6) Als Sonderausgaben sind auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur,

  1. wenn die Verluste durch ordnungsgemäße Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sind und

  2. soweit die Verluste nicht bereits für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.

Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln.

2. Rechtliche Würdigung:

Unstrittig ist, dass durch eine verschmelzende Umwandlung gemäß § 7 Abs 1 Z 2 UmgrStG mit Ablauf des Umwandlungsstichtages das Vermögen der GmbH im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Beschwerdeführer als Hauptgesellschafter übergegangen ist.

Ebenfalls außer Streit steht, dass zum Umgründungsstichtag noch nicht verrechnete Verluste der GmbH in Höhe von 896.873 Euro vorhanden waren.

Strittig ist aber, ob diese noch nicht verrechneten Verlustvorträge auf den Beschwerdeführer als Gesamtrechtsnachfolger der GmbH übergegangen sind und dem Beschwerdeführer aus diesen Verlustvorträgen ein Verlustabzug zustand.

Aus dem Hinweis des § 4 Abs. 1 erster Satz UmgrStG auf § 8 Abs. 4 Z 2 UmgrStG folgt, dass die Bestimmungen der §§ 4 und 10 UmgrStG zum Verlustabzug leges speciales zu § 8 Abs. 4 Z 2 KStG sind. Letztere Vorschriften beinhalten allgemeine Regeln zum Verlustabzug bei zivilrechtlicher Identität der Körperschaft, während die Bestimmungen der §§ 4 und 10 UmgrStG den Übergang des Verlustabzugs von der übertragendenden Körperschaft auf die übernehmende Körperschaft bzw. den übernehmenden Rechtsnachfolger und somit zwischen zivilrechtlich verschiedenen Steuersubjekten regeln.

Mit den Bestimmungen der §§ 4 und 10 UmgrStG soll zwar der Übergang von Verlustvorträgen von der übertragenden Körperschaft auf die übertragende Körperschaft bzw. auf den Rechtnachfolger sichergestellt werden. Ein solcher Übergang findet aber nur insoweit statt, als die Verluste den übertragenden Betrieben, Teilbetrieben oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteilen zugerechnet werden können und das übertragene Vermögen am Verschmelzungsstichtag tatsächlich vorhanden ist (§ 4 Z 1 lit. a UmgrStG, objektbezogene Beschränkung des Verlustabzuges) und der Umfang der Betriebe, Teilbetriebe oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteilen am Verschmelzungsstichtrag gegenüber jenem im Zeitpunkt des Entstehens der Verluste derart vermindert, dass nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist (§ 4 Z 1 lit c UmgrStG, qualifizierte Umfangsminderung).

Der Übergang der Verlustvorträge ist also doppelt beschränkt, einerseits durch das Erfordernis der Objektbezogenheit des Verlustvortrages und andererseits durch das Erfordernis der umfanglichen Vergleichbarkeit des verlustbehafteten Vermögens.

Objektbezogenheit des Verlustvortrages

Mit dem Kriterium der Objektbezogenheit des Verlustvortrages soll die Verwertung von Verlusten einer Mantelgesellschaft bei einer gewinnbringenden Gesellschaft verhindert werden. Der Übergang des Verlustabzugsrechts knüpft daher an die Übertragung der entsprechenden Verlustentstehungsquelle. Ob die wirtschaftliche Betätigung der übernehmenden Gesellschaft mit jener der übertragenden Gesellschaft vergleichbar ist, ist daher irrelevant (Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 11. Aufl. (2022), § 4 Rz 47 und 48, mwN). Bei betriebsführenden Körperschaften ist entscheidend, dass der verlustverursachende Betrieb oder Teilbetrieb am Verschmelzungszeitpunkt als eigenständiges Verlustzuordnungsobjekt tatsächlich vorhanden ist. Der Wegfall von auch bedeutenden Wirtschaftsgütern führt noch zu keinem Verlust des Verlustabzugsrechtes. Erst wenn der verlustverursachende Betrieb oder Teilbetrieb seine Identität als eigenständige Einheit verloren hat, muss die Objektbezogenheit des Verlustvortrages verneint werden (vgl. Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 11. Aufl. (2022), § 4 Rz 47 und 48, mwN).

Die Objektbezogenheit des Verlustvortrages ist im Beschwerdefall zu bejahen. Die GmbH hat bis ins Jahr 2011 den Großhandel mit Waren und die Vermittlung dieses Handels auf Provisionsbasis nebeneinander betrieben. Beide Geschäftstätigkeiten waren in einem einheitlichen Betrieb zusammengefasst. Die spätere Einstellung des Großhandels hat daher an der Identität des Betriebes nichts geändert. Auch die Veräußerung von Teilen des Anlegevermögens und des Kundenstockes änderten nichts am (Weiter)Bestehen des Betriebes. Dieser Betrieb wurde mit der Umwandlung auf den Beschwerdeführer übertragen. Die Verluste blieben daher über dieselbe Verlustquelle verknüpft. Eine fehlende Objektbezogenheit hat im Übrigen auch das Finanzamt nicht unterstellt.

Umfangliche Vergleichbarkeit

Der Übertragung der Verlustvorträge hat ferner zur Voraussetzung, dass der Umfang der Betriebe, Teilbetriebe oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteile am Verschmelzungsstichtag gegenüber jenem im Zeitpunkt des Entstehens der Verluste nicht derart vermindert ist, dass nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist (qualifizierte Umfangsminderung; Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 11. Aufl. (2022), § 4 Rz 101).

Diese Beschränkung bezweckt, den Übergang bzw. Erhalt von Verlusten auch in jenen Gestaltungsfällen zu verhindern, in denen etwa ein unrentabler, verlustversursachender Betrieb zur Verwertung der Verluste bis zum Verschmelzungsstichtag nur mehr auf Sparflamme geführt wird (vgl. Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 11. Aufl. (2022), § 4 Rz 101 mwN).

Maßgeblich dabei ist, dass die Vergleichbarkeit am Umwandlungsstichtag gegeben ist. Das verlusterzeugende Vermögen muss daher mit jenem im Zeitpunkt des Umwandlungsstichtages vergleichbar sein. Der Vergleich erfolgt durch eine fraktionierte Rückwärtsbetrachtung: Verluste an oder vor jenem Bilanzstichtag, zu dem eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist, können verschmelzungsbedingt nicht übergehen bzw. können nicht mehr verwertet werden (vgl. Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 11. Aufl. (2022), § 4 Rz 102).

Das Gesetz gibt keine Auskunft darüber, anhand welcher betriebswirtschaftlicher Parameter die Vergleichbarkeit zu beurteilen ist. Aufgrund des verwendeten Begriffes "Umfang" ist aber auf quantitative und nicht auf qualitative betriebswirtschaftliche Kriterien abzustellen. Im Gegensatz zur Mantelkaufregelung des § 8 Abs.4 Z 2 KStG ist daher eine Änderung des Betriebsgegenstandes für die Beurteilung der umfanglichen Vergleichbarkeit irrelevant.

Bei betrieblichen Einheiten kommen nach herrschender Ansicht dafür vor allem folgende Kriterien in Frage (vgl. Kofler/Six in Kofler, UmgrStG, 10. Aufl. (2021), § 4 Rz 101):

  1. Umsatz

  2. Auftragsvolumen und Produktionsvolumen

  3. Anlagevermögen, Anlagenintensität

  4. Umlaufvermögen

  5. Bilanzsumme

  6. Substanzwert

  7. Beschäftigtenzahl

Die Grenze, ab der eine Vergleichbarkeit im Sinne des § 4 Z 1 lit c UmgrStG wegen Minderung eines für die "Identifizierung" einer Einkunftsquelle maßgeblichen betriebswirtschaftlichen Parameters nicht mehr gegeben ist, wird von einem Teil der Literatur und Verwaltungspraxis mit 25% angegeben. Demnach ist eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben, wenn maßgebliche Parameter auf ein nur 25%iges oder geringeres Ausmaß absinken. Ein anderer Teil der Literatur nimmt das Fehlen der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit erst bei einem Absinken auf 10% und weniger an. Dieser Ansicht haben sich auch der UFS () und im Ergebnis wohl auch das BFG im Erkenntnis vom , RV/5100439/2011, angeschlossen. Maßgeblich ist aber nicht das Absinken eines einzigen Parameters auf unter 10%, sondern das Gesamtbild der unternehmens- bzw. branchenbezogenen Parameter (vgl. Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 11. Aufl. (2022), § 4 Rz 104f.; mwN).

Hat sich der Umfang des Vermögens qualifiziert vermindert, geht ein von diesem Vermögen verursachter, aber noch nicht verrechneter Verlust zur Gänze verloren; eine anteilige Verminderung ist in lit. c nicht vorgesehen (Alles-oder-Nichts-Betrachtung; vgl. Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 11. Aufl. (2022), § 4 Rz 110).

Im Beschwerdefall erfolgt die Beurteilung der umfanglichen Vergleichbarkeit nach den für den Betrieb der GmbH in Frage kommenden Kriterien Anlagevermögen ohne Finanzvermögen, Umlaufvermögen, Bilanzsumme, Umsätze inklusive Bestandsveränderung und übrige Erträge sowie Anzahl der Dienstnehmer. Bei einem Beratungsunternehmen wie jenem der GmbH werden allerdings die Parameter Umsatz und Beschäftigtenzahl höher zu gewichten sein als etwa Anlagevermögen. Da die GmbH bis einschließlich 2011 mit Waren gehandelt und Warenumsätze erzielt hat, ist auch das Kriterium Umlaufvermögen von Gewicht.

Die vergleichende Rückwärtsbetrachtung anhand dieser Parameter zeigt folgendes Absinken des Umfangs im Basisjahr 2016 gegenüber den zurückliegenden Jahren bis zum ersten Verlustjahr 2009:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stichtag
Anlagevermögen ohne Finanzvermögen
Absinken
Umlaufvermögen
Absinken
Bilanzsumme
Absinken
1.857,37
13.514,69
16.668,13
2.839,80
65,40%
10.119,03
133,56%
12.959,83
128,61%
1.994,75
93,11%
59.671,71
22,64%
61.667,46
27,03%
2.656,55
69,91%
99.390,87
13,60%
102.048,42
16,33%
5.098,17
36,43%
102.914,74
13,13%
108.013,91
15,43%
9.469,20
19,61%
123.017,23
11,00%
132.486,43
12,58%
29.718,64
6,25%
2.988.651,64
0,45%
3.310.308,84
0,50%
43.383,66
4,28%
7.990.580,74
0,17%
8.263.124,14
0,20%


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Stichtag
Umsätze
Absinken
Dienstnehmer
Absinken
51.962,93
0
64.218,23
80,92%
0
80.031,88
64,93%
0
97.461,44
53,32%
0
101.021,22
51,43%
0
1.964.917,02
2,64%
4
0%
11.816.550,14
0,44%
11
0%
15.799.988,17
0,33%
11
0%

Die Tabelle zeigt, dass bei sämtlichen herangezogene Umfangskriterien der Stand zum Stichtag gegenüber den Vergleichsstichtagen und auf unter 10% gesunken ist.

Gegenüber dem Stichtag ist das Anlagevermögen ohne Finanzanlagen zwar "nur" auf 19,61%, das Umlaufvermögen auf 11% und die Bilanzsumme auf 12,58% gesunken, die Umsätze aber auf 2,64% und die Anzahl der Dienstnehmer auf 0%. Da bei einem Beratungsbetrieb wie jenem der GmbH die Parameter Dienstnehmer, Umsatz und Umlaufvermögen die für den Umfang wirklich aussagekräftigen Parameter sind, ist auch gegenüber dem ein deutliches Absinken des Umfangs auf unter 10% zu konstatieren.

Nach dem Gesamtbild der herangezogenen Parameter erfolgte der entscheidende Bruch beim Betriebsumfang in den Jahren 2009 bis 2012. Ab dem Jahr 2012 wurden nur noch Leistungserlöse und keine Warenerlöse mehr erzielt, wurden keine Dienstnehmer mehr beschäftigt und bewegten sich die Umsätze nur mehr auf einem Niveau zwischen ca. 100.000 Euro im Jahr 2012 und ca. 50.000 Euro im Jahr 2016. Gegenüber den Jahren 2009 bis 2011 kann daher nicht mehr von einer umfanglichen Vergleichbarkeit gesprochen, sodass die Verlustvorträge aus diesen Jahren nicht zum Verlustabzug zugelassen werden können.

Auch in der Beschwerde und im Vorlageantrag wird die qualifizierte Umsatzminderung nicht bestritten. Die in diesen Schriftsätzen gemachten Ausführungen richten sich nicht gegen die Feststellung der Umsatzminderung, sondern bekämpfen die Nichtzulassung der Verlustvorträge zum Verlustausgleich mit anderen Argumenten.

So bringen die Beschwerdeausführungen v.a. vor, im Beschwerdefall sei der Mantelkauftatbestand nicht erfüllt. Die Regelung zum Mantelkauf in § 8 Abs. 4 Z 2 lit. c KStG betrifft den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft ihre wirtschaftliche Tätigkeit weitgehend eingestellt hat, aber weiterhin in ihrer Rechtsform bestehen bleibt. Sie hat daher infolge von organisatorischen und strukturelle Änderungen ihre wirtschaftliche Identität geändert, nicht aber ihre zivilrechtliche. Ist bereits bei der übertragenden Körperschaft der Mantelkauftatbestand des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 erfüllt, ist der Verlustvortrag bereits bei dieser verloren gegangen und stellt sich die Frage des Übergangs des Verlustvortrages auf die übernehmende Körperschaft bzw. den Rechtsnachfolger infolge der Umgründung nicht mehr. Einen Mantelkauf bei der übertragenden Körperschaft hat das Finanzamt aber in keiner Phase des Verfahrens unterstellt und den geltend gemachten Verlustabzug auch nicht aus diesem Grund aberkannt. Daher gehen die Ausführungen in der Beschwerde zum Mantelkauf, wie schon in der Beschwerdevorentscheidung bemerkt wurde, tatsächlich ins Leere.

Im Vorlageantrag wird im Wesentlichen vorgebracht, mit der Anwendung des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG habe das Finanzamt gegen das Prinzip der Gesamtgewinnbesteuerung und das Prinzip der Leistungsfähigkeit verstoßen. Damit wird aber keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung aufgezeigt.

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, dass die Beschränkungen des Überganges des Verlustvortrages durch § 4 UmgrStG in der Kritik steht (vgl. Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 10. Aufl. (2021), § 4 Rz 5 mit der dort zitierten Literatur). Das ändert aber nichts daran, dass das Bundesfinanzgericht die entsprechenden Bestimmungen des § 4 UmgStG im Rahmen der Interpretationsmöglichkeiten zu beachten hat. § 4 Z 1 lit. c UmgrStG sieht aber ausdrücklich vor, dass Verluste vom Abzug ausgeschlossen sind, wenn es zwischen dem Entstehen der Verluste und dem Verschmelzungs- bzw. Umwandlungsstichtag zu einer qualifizierten Umfangsminderung gekommen ist. Eine Nichtbeachtung dieser gesetzlichen Einschränkung aufgrund etwaiger steuersystematischer oder steuerpolitischer Bedenken, wie sie im Vorlageantrag vorgebracht wurden, würde einen Verstoß gegen rechtsstaatlich grundlegende Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG darstellen und ist daher ausgeschlossen.

Gemäß Art. 89 Abs. 1 steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze den ordentlichen Gerichten nicht zusteht. Hat ein ordentliches Gericht gegen ein Gesetz aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Dasselbe gilt gemäß Art. 135 abs. 4 B-VG für Verwaltungsgerichte.

Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen steht somit in der ausschließlichen Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes. Hat das Verwaltungsgericht Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, kann es nur einen Antrag auf Aufhebung an den Verfassungsgerichtshof stellen, nicht aber selbst über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes befinden.

Das Bundesfinanzgericht hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung des Verlustabzuges bei den Verlusten der übertragenden Körperschaft durch § 10 Z 1 a iVm § 4 Z 1 a und c, steht dem Gesetzgeber doch hinsichtlich der Regelung des Verlustübergangs ein weiter Gestaltungsspielraum zu. So hat der VfGH im Hinblick auf § 10 ausgeführt, "dass es dem Gesetzgeber […] freisteht, das Recht auf Verlustabzug zur Erzielung sachgerechter Ergebnisse und zur Vermeidung von Missbräuchen - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, ohne auf das Motiv der Umwandlung Bedacht zu nehmen, zumal ein solcher Rechtsformwechsel im freien Belieben der handelnden Personen steht" (Kofler/Six in Kofler (Hrsg), UmgrStG, 11. Aufl. (2022), § 4, Rz 5 mwH).

Aufgrund der qualifizierten Umfangsminderung iSd § 4 Z 1 lit. c bei der GmbH zum Umwandlungsstichtag gegenüber den Jahren 2009 bis 2011 waren somit die noch nicht verrechneten Verlustvorträge aus diesen Jahren nach der Umwandlung nicht mehr zum Verlustabzug zuzulassen.

Lediglich gegenüber dem Jahr 2015 bestand eine umfangliche Vergleichbarkeit und wurde der Verlustvortrag aus diesem Jahr daher zu Recht bei der Veranlagung 2017 als Sonderausgabe berücksichtigt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Beurteilung einer qualifizierten Umfangsminderung im Sinne des § 4 Z 1 lit. a UmgrStG gibt es noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Die Revision ist daher zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Kofler/Six in Kofler(Hrsg), 11. Aufl. 2020, Rz 101 - 105
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100045.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at