Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.11.2022, RV/7102651/2022

Säumniszuschlag: Liegt ein grobes Verschulden an der verspäteten Entrichtung vor?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin (in der Folge Bf. genannt) von der Einkommensteuer 2021 in Höhe von € 5.696,00 gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 113,92 mit der Begründung fest, dass die Abgabenschuldigkeit nicht bis bezahlt worden sei.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte die Bf. aus, dass sie leider genau in der Zeit, wo die Zahlung der Einkommensteuer angedacht gewesen sei, eine TIA (transitorische ischemische Attacke), praktisch einen leichten Gehirnschlag erlitten habe.

Dieses sei im Ausland passiert, sie sei auch in Wroclaw/Breslau hospitalisiert worden. Gleich nach Rückkehr nach Österreich habe sie sich ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen widmen müssen.

Trotzdem habe sie versucht, ihren Pflichten Rechnung zu tragen. Sobald es ihr möglich gewesen sei, habe sie auch die Zahlungen erledigt. Die Zahlung an das Finanzamt sei am erledigt worden. Die kleine Verspätung sei also nicht durch ihre Nachlässigkeit, sondern aus akutem gesundheitlichen Grund passiert.

Die Bf. bitte also die angeführte Begründung in Betracht zu ziehen und den Säumniszuschlag aufzuheben.

Beigelegt war dieser Beschwerde ein Bericht des polnischen Krankenhauses vom .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus:

"§ 217 Bundesabgabenordnung bestimmt: Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines ersten Säumniszuschlages ein.

Die Zahlung in Höhe von € 5.696,00 langte auf dem Nebenkonto des Finanzamtes am ein; unter Berücksichtigung einer dreitägigen Respirofrist (gemäß § 211 Absatz 2 Bundesabgabenordnung) ergab sich somit als Entrichtungstag der . Dieser Entrichtungstag ist für die Fälligkeit der Einkommensteuer 2021 () als verspätet anzusehen; somit war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von € 113,92 (2% von € 5.696,00 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.

§ 217 Abs. 5 Bundesabgabenordnung bestimmt: Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten zeitgerecht entrichtet hat. Diese Bestimmung kann leider nicht zur Anwendung kommen, da innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis nicht alle Abgabenschuldigkeiten zeitgerecht entrichtet worden sind (Einkommensteuer 2020, Einkommensteuervorauszahlung 01-03/2022 und Einkommensteuervorauszahlung 04-06/2022).

Für weitere Auskünfte, steht Ihnen oben angeführter Sachbearbeiter gerne zur Verfügung."

Über FinanzOnline beantragte die Bf. am die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und wiederholte ihr bisheriges Vorbringen.

Am erging durch das Bundesfinanzgericht folgender Beschluss:

"In Ihrer Beschwerdesache werden Sie ersucht, nachstehende Fragen innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zu beantworten und die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:

In der Beschwerde bringen Sie vor, dass Sie am 7. und in Wroclaw/Breslau hospitalisiert waren und sich danach Untersuchungen in Österreich unterzogen hätten. Sobald es möglich gewesen sei, hätten Sie die Zahlung durchgeführt ().

Aus dem Spitalsbericht geht nicht hervor, dass Sie völlig dispositionsunfähig gewesen wären.

Es wird um Mitteilung ersucht, weshalb - neben den Untersuchungen - ein Aufsuchen der Bank zur Durchführung der Überweisung bzw. eine Online-Überweisung nicht eher möglich war.

Soferne möglich, bitte Angaben belegen.

Weshalb konnte eine dritte Person nicht mit der Durchführung der Überweisung beauftragt werden?"

Dieser Beschluss blieb bis dato unbeantwortet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtsgrundlagen:

§ 217 Abs. 1 BAO lautet:

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Gemäß § 217 Abs. 5 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213 BAO) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 und 3 BAO erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

Unbeschadet besonderer landes- oder gemeinderechtlicher Vorschriften gelten Abgaben gemäß § 211 Abs. 1 Z 1 BAO bei Überweisung auf das Konto der empfangsberechtigten Kasse am Tag der Gutschrift als entrichtet.

Erfolgt in den Fällen des Abs. 1 Z 1 die Gutschrift auf dem Konto der empfangsberechtigten Kasse zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der zur Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist, so bleibt die Verspätung gemäß § 211 Abs. 2 BAO ohne Rechtsfolgen; in den Lauf der dreitägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen.

Fälligkeit der Einkommensteuer

Gemäß § 210 Abs. 1 BAO werden Abgaben unbeschadet der in Abgabenvorschriften getroffenen besonderen Regelungen mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des Abgabenbescheides fällig.

Es ist unbestritten, dass die mit Bescheid vom festgesetzte Einkommensteuer für das Jahr 2021 zu einer Nachforderung in Höhe von € 5.696,00 führte, die gemäß § 210 Abs. 1 BAO am fällig war.

Zutreffend führte das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung vom aus, dass die Zahlung in Höhe von € 5.696,00 auf dem Nebenkonto des Finanzamtes am eingelangt sei und sich unter Berücksichtigung einer dreitägigen Respirofrist (gemäß § 211 Absatz 2 Bundesabgabenordnung als Entrichtungstag der ergeben habe.

§ 217 Abs. 5 BAO könne leider nicht zur Anwendung kommen, da innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis nicht alle Abgabenschuldigkeiten zeitgerecht entrichtet worden seien (Einkommensteuer 2020, Einkommensteuervorauszahlung 01-03/2022 und Einkommensteuervorauszahlung 04-06/2022).

Die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit sei daher verspätet erfolgt.

Dass die Einkommensteuernachforderung erst verspätet entrichtet wurde, wurde/wird von der Bf. gar nicht bestritten, sondern es wurde in der Beschwerde bzw. im Vorlageantrag vorgebracht, dass sie bei einem Aufenthalt in Polen einen leichten Gehirnschlag erlitten habe und in Wroclaw/Breslau hospitalisiert worden sei. Gleich nach Rückkehr nach Österreich habe sie sich ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen widmen müssen.

Trotzdem habe sie versucht, ihren Pflichten Rechnung zu tragen. Sobald es ihr möglich gewesen sei, habe sie auch die Zahlungen erledigt. Die Zahlung an das Finanzamt sei am erledigt worden. Die kleine Verspätung sei also nicht durch ihre Nachlässigkeit, sondern aus akutem gesundheitlichen Grund passiert.

Dieses Vorbringen ist als Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO anzusehen.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (). Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Es entspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (z.B. ), dass bei einem Begünstigungstatbestand wie § 217 Abs. 7 BAO die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Wer eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, hat einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.

Eine Krankheit schließt dann ein grobes Verschulden an der Säumnis aus, wenn dem Erkrankten wegen seines Zustandes nicht zugemutet werden kann, fällige Abgaben entweder selbst zu entrichten oder durch einen Dritten entrichten zu lassen (vgl. -I/10).

Mit dem der Beschwerde beigelegten Bericht ("Informationskarte") des Krankenhauses in Wroclaw/Breslau vom , wird der Krankenhausaufenthalt im Zeitraum 7.- mit folgenden Ausführungen bestätigt:

"Eine 67-jährige Frau ohne nennenswerte Anamnese wurde in der klinischen Abteilung für Neurologie wegen vorübergehender Sprachstörungen, Schwäche der rechten Gliedmaßen aufgenommen. Die Symptome traten am um 16:15 Uhr nach dem Essen auf, nach etwa einer Stunde verschwanden die Symptome plötzlich spontan. Interview mit dem Patienten aufgrund der Sprachbarriere schwierig zu erfassen, fehlende medizinische Dokumentation des Patienten.

Bei der Aufnahme zeigte eine neurologische Untersuchung, dass die Patientin bei Bewusstsein war, sich richtig in Bezug auf sich selbst orientierte und ihre Sprache korrekt war. Negative meningeale Symptome. Hirnnerven - der rechte Mundwinkel ist weniger beweglich, ansonsten regelrecht innerviert und symmetrisch. In Bezug auf die Gliedmaßen - normale Muskelkraft und -Spannung, tiefe Reflexe, mäßig schnell, gleichmäßig, pathologische Pyramidensymptome fehlen, Finger-Nase- und Fersen-Knie-Tests, keine Sensibilitätsstörungen in den Gliedmaßen und im Rumpf. Rombergtest ist negativ. Der Gang ist effizient und selbstständig. (…)

Im Labor: leicht erhöhte Harnstoffwerte, sonst keine Auffälligkeiten. Das Krankheitsbild spricht in ersterLinie für eine TIA.

Am wurde die Patientin aufeigenen Wunsch vor Abschluss des diagnostischen und therapeutischen Verfahrensentlassen."

Da aus dem Spitalsbericht nicht hervorgeht, dass die Bf. völlig dispositionsunfähig gewesen war, wurde sie mit um Mitteilung ersucht, weshalb - neben den Untersuchungen - ein Aufsuchen der Bank zur Durchführung der Überweisung bzw. eine Online-Überweisung nicht eher möglich war und weshalb eine dritte Person nicht mit der Durchführung der Überweisung beauftragt werden konnte.

Dieser Beschluss blieb unbeantwortet.

Bei Begünstigungstatbeständen wie dem des § 217 Abs. 7 BAO tritt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Derjenige, der eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, hat einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände aufzuzeigen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1274).

Die Bf. kam trotz entsprechender Aufforderung durch das BFG ihrer Verpflichtung, ihr Vorbringen in der Beschwerde zum Vorliegen des fehlenden groben Verschuldens zu präzisieren nicht nach.

Eine Beurteilung, ob die Bf. kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft, war daher nicht möglich.

Ergebnis:

Insgesamt ergaben sich keine Anhaltspunkte, die, gestützt auf § 217 Abs. 7 BAO, die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages gerechtfertigt hätten, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war ausschließlich die Verschuldensfrage im konkreten Einzelfall, somit keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Weiters weicht das Erkenntnis auch nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Eine ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102651.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at