Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 27.10.2022, RV/7102255/2022

Beschwerdevorentscheidung aufzuheben, da sie über einen nicht angefochtenen Bescheid abspricht

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende R-1, die Richterin R-2 und die fachkundigen Laienrichter R-3 und R-4 in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Stefanov Steuerberatung GmbH, Josefstädter Straße 75-77/20, 1080 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 12 BAO in nichtöffentlicher Sitzung vom beschlossen:

Die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend den Haftungsbescheid vom wird aufgehoben.

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) als Haftungspflichtiger der G-1 für nachstehende Abgaben gemäß § 12 BAO im Gesamtbetrag von € 12.400,00 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2013
400,00
Umsatzsteuer
10-11/2014
10.000,00
Umsatzsteuer
04-06/2015
2.000,00


Begründend wurde ausgeführt, dass Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit gemäß § 12 BAO persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung hafteten.

Dieser Bescheid wurde am durch Hinterlegung gemäß § 17 Zustellgesetz an die Adresse A-1, zugestellt.

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Mit Schreiben vom brachte der steuerliche Vertreter des Bf. gegen einen "Haftungsbescheid 2022" das Rechtsmittel der "Berufung" (gemeint wohl: Beschwerde) ein, brachte im Wesentlichen vor, dass bereits Einhebungsverjährung eingetreten sei und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde des Bf. gegen den Haftungsbescheid vom als verspätet zurück, da der Haftungsbescheid laut Rückschein am "" (gemeint wohl: ) am zuständigen Postamt hinterlegt worden sei und am ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt gelte.

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Mit Schreiben vom beantragte der steuerliche Vertreter des Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch einen "verstärkten" Senat.

Begründend wurde vorgebracht, dass der Bf. an der österreichischen Wohnadresse nicht wohnhaft gewesen sei. Somit habe keine rechtsgültige Zustellung erfolgen können, weil diese Wohnung keine Abgabestelle begründe. Der Haftungsbescheid gelte somit als nicht zugestellt.

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In Beantwortung eines Ersuchens des Bundesfinanzgerichtes gab der steuerliche Vertreter des Bf. mit Schreiben vom bekannt, dass sein Mandant 2019 bis 10/2020 in A-1, gelebt habe und im November 2020 nach Sofia, Bulgarien, gezogen sei. Dazu übermittelte er einen nicht übersetzten Mietvertrag ab , den die Ehefrau des Bf. abgeschlossen habe, weiters einen ebenfalls nicht übersetzten bulgarischen Meldezettel ab dem sowie beglaubigt übersetzte Bestätigungen von der bulgarischen Sozialversicherung und über bezahlte Abgaben.

Außerdem übermittelte er Screenshots vom Handy des Bf., aus denen ersichtlich sei, dass er alle behördlichen Schreiben per WhatsApp von dem neuen Mieter in A-1, am um ca. 18:00 Uhr erhalten habe.

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Mit Schreiben vom gab der steuerliche Vertreter bekannt, dass der Bf. bis dato das Original des Haftungsbescheides vom samt den beiliegenden Umsatzsteuerbescheiden nicht erhalten habe.

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Mit Vorhalt vom übermittelte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt den dem Bf. angeblich per Screenshots über WhatsApp von seinem Nachmieter in der A-1, zugekommenen Haftungsbescheid vom . Es werde um Bestätigung und zutreffendenfalls um Begründung ersucht, dass bzw. warum der gleichlautende ursprüngliche Haftungsbescheid vom tatsächlich mit dem ausgebesserten Datum neuzugestellt worden sei.

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In Beantwortung des Vorhaltes teilte das Finanzamt am mit, dass der Haftungsbescheid am mit drei Beilagen mittels RSb versendet worden sei, der Zustellversuch sei am erfolgt. Die Verständigung über die Hinterlegung sei in der Abgabeneinrichtung eingelegt worden, der Beginn der Abholfrist sei am gewesen. Dieser RSb-Brief sei nicht retour gekommen und müsste vom Pflichtigen abgeholt und daher zugestellt worden sein.

Ende Jänner 2022 sei eine weitere Zustellung des Haftungsbescheides samt Beilagen mittels RSa und Zustellversuchs am erfolgt. Die Verständigung über die Hinterlegung sei in der Abgabeneinrichtung eingelegt worden, der Beginn der Abholfrist sei am gewesen. Dieser RSa-Brief sei mit dem Vermerk "nicht behoben" retour gekommen.

Die Mahnung zum Haftungsbescheid sei am mittels RSb versendet worden, der Zustellversuch sei am erfolgt. Die Verständigung über die Hinterlegung sei in der Abgabeneinrichtung eingelegt worden, der Beginn der Abholfrist sei am gewesen. Dieser RSb-Brief sei mit dem Vermerk "nicht behoben" retour gekommen.

Darüber wurde erwogen:

Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind gemäß § 243 BAO Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 245 Abs. 1 erster Satz BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

Über Bescheidbeschwerden ist gemäß § 262 Abs. 1 BAO nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Gemäß § 264 Abs. 7 BAO scheidet durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.

Festzustellen ist, dass gegen den Haftungsbescheid vom kein Rechtsmittel ergriffen wurde, da in Punkt 6. der Beschwerde vom auf einen "Haftungsbescheid 2022" Bezug genommen wurde, und übermittelte der Vertreter des Bf. dazu Screenshots, auf denen man neben den haftungsgegenständlichen Umsatzsteuerbescheiden einen weiteren gleichlautenden und an die gleiche Adresse zugestellten Haftungsbescheid, bei dem das ursprüngliche Datum mit dem Hinweis "Neuzustellung" auf den ausgebessert wurde.

Da zudem die Beschwerde vom innerhalb der Rechtsmittelfrist gemäß § 245 Abs. 1 BAO erhoben wurde, erscheint auch plausibel, dass damit der "neuzugestellte" Haftungsbescheid vom angefochten wurde.

Die Beschwerde kann sich auch nicht auf die vom Finanzamt bekanntgegebene am erfolgte Neuzustellung des Haftungsbescheides vom beziehen, da ihm dieser Zustellversuch gar nicht zur Kenntnis gelangte.

Allerdings bezieht sich die Beschwerdevorentscheidung vom nicht auf den Bescheid vom , sondern auf den ursprünglichen Haftungsbescheid vom , der gar nicht Gegenstand der Beschwerde vom war.

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde gegen den Bescheid vom vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes ().

Der Vorlageantrag vom war aber grundsätzlich zulässig, da zwar eine rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt (vgl. ; ; ).

Die Beschwerdevorentscheidung vom war daher aufzuheben, womit gemäß § 264 Abs. 7 BAO der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand ausscheidet.

In der Folge wird durch die belangte Behörde zur Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen sein, wobei noch die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung dieses dem Bf. bisher aktenkundig lediglich mittels WhatsApp zur Kenntnis gelangten Bescheides sowie der Wirksamkeit der Zustellung in Anbetracht zweier vorangegangener "Zustellungen" des Bescheides vom am und zu klären sein wird.

Über die Beschwerde hat gemäß § 274 Abs. 1 BAO eine mündliche Verhandlung stattzufinden, 1. wenn es beantragt wird a) in der Beschwerde, b) im Vorlageantrag, c) in der Beitrittserklärung oder d) wenn ein Bescheid gemäß § 253 BAO an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe des späteren Bescheides, oder 2. wenn es der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter für erforderlich hält.

Da es sich bei dem gegenständlichen Beschluss um eine Formalentscheidung handelt und das Finanzamt nunmehr eine Entscheidung über die Beschwerde vom zu treffen haben wird, liegt eine Beschwer des Bf. durch das Unterbleiben der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102255.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at