Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 19.10.2022, RV/7500416/2022

Parkometerabgabe; Zustellung im Wege des Amts- und Rechtshilfeabkommens mit Deutschland; verspätet eingebrachte Beschwerde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Verwaltungsstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde der Beschuldigten vom , gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , GZ. MA67/Zahl/2021, betreffend eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs 1 Wiener Parkometergesetz 2006, den Beschluss gefasst:

  1. Die Beschwerde vom wird gemäß §§ 28 Abs 1 und 31 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als verspätet zurückgewiesen.

  2. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

    Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art 133 Abs 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Begründung

Das bisherige Verfahren stellt sich wie folgt dar:

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, lastete der in Deutschland wohnhaften Beschwerdeführerin (Bf.) mit Straferkenntnis vom an, sie habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna (D) am in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1180 Wien, Gersthofer Straße 91, ohne einen für die Beanstandungszeit 14:21 Uhr gültigen Parkschein abgestellt und demnach die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Wegen der Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs 2 Wiener Parkometerabgabever-ordnung iVm § 4 Abs 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über die Bf. eine Geldstrafe iHv 60,00 € verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stun-den festgesetzt. Zudem wurde gemäß § 64 Abs 2 Verwaltungsstrafgesetz ein Betrag von 10,00 € als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Die Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses enthielt den Hinweis, dass eine Beschwerde innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich bei der Behörde einzubringen sei.

Die Zustellung des Straferkenntnisses wurde von der MA 67 zunächst an die Adresse 70469 Stuttgart, Straße, mit internationalem Rückscheinbrief veranlasst.

Nachdem das Straferkenntnis mit dem Postvermerk "Nicht abgeholt" an die Behörde retourniert wurde, ersuchte die Magistratsabteilung 67 das Regierungspräsidium Freiburg mit Schreiben vom im Wege des Amts- und Rechtshilfevertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich (Art 10 - 13 des Abkommens) um Zustellung des Straferkenntnisses.

Laut Bestellungsurkunde Aktenzeichen 123 wurde der Bf. das Straferkenntnis am zugestellt, indem es in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wurde. Auf der Bestellungsurkunde wurde die Adresse auf ***Bf1-Adr*** berichtigt.

Die Bf. erhob gegen das Straferkenntnis am mit E-Mail Beschwerde und brachte vor, dass nach den vor der Reise beim ÖAMTC eingeholten Informationen das Parken für Elektro- und Hybridfahrzeuge mit einem E-Kennzeichen von der Parkgebühr befreit seien.

Die Magistratsabteilung 67 legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanz-gericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Feststellungen

Die Zustellung des Straferkenntnisses vom erfolgte im Wege des Amts- und Rechtshilfevertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich.

Die Zustellung war vom Regierungspräsidium Freiburg vorzunehmen.

Die Zustellung des Straferkenntnisses erfolgte nach einem Zustellversuch durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten am .

Die Bf. hat gegen das Straferkenntnis am mit E-Mail Beschwerde eingebracht.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere der vom Regierungspräsidium Freiburg übermittelten Zustellungsurkunde Aktenzeichen 123.

Aus dieser Zustellungsurkunde ergibt sich eindeutig der Zustellzeitpunkt.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung:

Zustellungen sind nach dem Zustellgesetz vorzunehmen (§ 21 AVG).

Gemäß § 11 Abs 1 Zustellgesetz sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Gemäß Art 1 Abs 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen (kurz: Rechtshilfevertrag), BGBl 526/1990, leisten die Vertragsstaaten unter anderem in öffentlich-rechtlichen Verfahren ihrer Verwaltungsbehörden und in österreichischen Verwaltungsstrafverfahren einander Amts- und Rechtshilfe.

Nach Art 10 Abs 1 des Rechtshilfevertrages werden Schriftstücke unmittelbar durch die Post übermittelt. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen.

Nach der Regelung des § 3 Abs 2 deutsches Verwaltungszustellgesetz (VwZG) sind bei Zustellungen durch die Post mit Zustellungsurkunde für die Ausführung der Zustellung die §§ 177 bis 182 der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden.

§ 180 dZPO normiert die Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten. Ist demnach die Zustellung nach § 178 Abs 1 Nr 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 dt. ZPO)

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG in den Fällen des Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerde-führer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

Gemäß § 32 Abs 2 AVG idF ab enden nach Wochen bestimmte Fristen mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch die Benennung dem Tag entspricht, an dem das fristauslösende Ereignis stattgefunden hat.

§ 33 AVG idF ab lautet:

(1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.

(4) Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.

Im vorliegenden Fall wurde der Bf. das Straferkenntnis vom im Wege des Amts- und Rechtshilfevertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich am nach einem Zustellversuch durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung zugestellt.

Entsprechend der vorangeführten für Deutschland geltenden Bestimmungen galt das Straferkenntnis mit der Einlegung als zugestellt.

Die vierwöchige Beschwerdefrist begann daher mit zu laufen und endete am .

Die Bf. hat gegen das Straferkenntnis jedoch erst am mit E-Mail Beschwerde eingebracht.

Die Beschwerde war somit verspätet und gemäß der §§ 28 Abs 1 VwGVG iVm § 31 Abs 1 VwGVG mit Beschluss zurückzuweisen (vgl. zB , ).

Dem Bundesfinanzgericht war es aus diesem Grund verwehrt, auf das (materielle) Vorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. , 0003, ).

Informationshalber wird zum Vorbringen der Bf. Folgendes mitgeteilt:

Wird ein Fahrzeug bei einer E-Ladestation zum Ladevorgang abgestellt, so ist für die Zeit des Ladevorganges keine Parkometerabgabe zu entrichten. Wird das Fahrzeug nach Ende des Ladevorganges nicht innerhalb von 15 Minuten entfernt, liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Parkometergesetz 2006 und eine Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung vor.

In Wien gibt es bis auf die angeführte Sonderregelung keine weitere Befreiung von der Parkgebühr für Elektrofahrzeuge oder sogen. Plug-in-Hybridfahrzeuge (nähere Informationen siehe zB https://www.oeamtc.at/mitgliedschaft/leistungen/rechtsberatung/e-autos-in-der-kurzparkzone-43372718 ). Elektroautos mit grünen Kennzeichen sind aber in vielen Gemeinden Österreichs von der Parkgebühr befreit (s. zB https://insta-drive.com/at/blog/gratis-parken-fuer-elektroautos-in-oesterreich / und https://www.austrian-mobile-power.at/de/zahlen-und-fakten/rechtliches/privilegien-fuer-e-fahrzeugnutzerinnen/gratis-parken-fuer-e-autos/.

Unzulässigkeit einer Revision

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG iVm Art 133 Abs 9 B-VG und § 25a Abs 1 VwGG ist gegen einen die Angelegenheit abschließenden Beschluss des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die rechtlichen Konsequenzen einer verspätet eingebrachten Beschwerde aus dem Gesetz ergeben, war die ordentliche Revision im gegenständlichen Fall für nicht zulässig zu erklären.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 7 Abs. 4 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 32 Abs. 2 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991
§ 33 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991
§ 31 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 1 Abs. 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 5 Abs. 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 1 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung, ABl. Nr. 33/2008
§ 54 Abs. 5 StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960
§ 28 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 11 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise







ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500416.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at