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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.11.2022, RV/7200031/2019

Erstattung der Mineralölsteuer für Luftfahrtbetriebsstoffe gem. § 5 Abs. 3 MinStG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, vertreten durch ***NN***, über die Beschwerden gegen die Bescheide des damaligen Zollamtes Eisenstadt Flughafen Wien

Zl. ***1*** vom und

Zl. ***2*** vom

betreffend Erstattung von Mineralölsteuer, Nachforderung von Mineralölsteuer und Säumniszuschlag nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

  1. Zu Bescheid Zl. ***1***:
    zu Bescheid I:
    der zu erstattende Betrag wird abgeändert auf € 14.999,87
    zu Bescheid II:
    der Nachforderungsbescheid wird aufgehoben
    zu Bescheid III:
    der Bescheid betreffend Säumniszuschlag wird aufgehoben

  2. Zu Bescheid Zl. ***2***:
    zu Bescheid I:
    der zu erstattende Betrag wird abgeändert auf € 4.514,68
    zu Bescheid II:
    der Nachforderungsbescheid wird aufgehoben
    zu Bescheid III:
    der Bescheid betreffend Säumniszuschlag wird aufgehoben

  3. Im Übrigen werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

  4. Die Berechnung der Erstattungsbeträge ist den beiden Tabellen in den nachstehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen, die einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bilden.

  5. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Zu Bescheid Zl. ***1***:

Am erging seitens des damaligen Zollamtes Eisenstadt Flughafen Wien (kurz: Zollamt) der an die nunmehrige Beschwerdeführerin (Bf.), die ***Bf.***, gerichtete o.a. Sammelbescheid.

Mit Bescheid I gab das Zollamt dem Erstattungsantrag der Bf. vom teilweise statt und erstattete gem. § 5 Abs. 3 Mineralölsteuergesetz (MinStG) einen Betrag in der Höhe von € 555,80.

Mit Bescheid II setzte das Zollamt der Bf. gem. §§ 4 Abs. 1 Z 1 und 21 Abs. 1 Z 1 MinStG iVm § 201 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO für 6.512.431 Liter Mineralöl, das im Zeitraum Jänner bis Dezember 2011 aus dem Steuerlager der Bf. verbrauchsteuerfrei abgegeben worden war die Mineralölsteuer in der Höhe von € 2.585.435,11 fest.

Mit Bescheid III setzte das Zollamt der Bf. gem. § 217 Abs. 2 BAO Säumniszuschlag in der Höhe von € 51.708,70 fest.

Gegen diesen Sammelbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .

Das Zollamt entschied über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***3***, und wies die Beschwerde gegen den Bescheid I als unbegründet ab. Zu Bescheid II und Bescheid III änderte das Zollamt mit dieser Beschwerdevorentscheidung die Abgabenfestsetzung zu Lasten der Bf. ab.

Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag.

Mit Eingabe vom zog die Bf. den Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurück.

Zu Bescheid Zl. ***2***:

Am erließ das Zollamt Bf. den an die Bf. gerichteten o.a. Sammelbescheid.

Mit Bescheid I gab das Zollamt dem Erstattungsantrag der Bf. vom teilweise statt und erstattete gem. § 5 Abs. 3 MinStG einen Betrag in der Höhe von € 460,92.

Mit Bescheid II setzte das Zollamt der Bf. gem. §§ 4 Abs. 1 Z 1 und 21 Abs. 1 Z 1 MinStG iVm § 201 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO für 6.791.997 Liter Mineralöl, das im Zeitraum Jänner bis Dezember 2012 aus dem Steuerlager der Bf. verbrauchsteuerfrei abgegeben worden war die Mineralölsteuer in der Höhe von € 2.696.422,81 fest.

Mit Bescheid III setzte das Zollamt der Bf. gem. § 217 Abs. 2 BAO Säumniszuschlag in der Höhe von € 53.928,46 fest.

Gegen diesen Sammelbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .

Das Zollamt entschied über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***4***, und gab der Beschwerde gegen den Bescheid I teilweise statt, indem es einen Betrag in der Höhe von € 1.474,86 erstattete. Hinsichtlich Bescheid II und Bescheid III wies das Zollamt mit dieser Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde als unbegründet ab.

Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag.

Mit Eingabe vom zog die Bf. den Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurück.

Am fand in Wien die mündliche Verhandlung statt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Zu Bescheid Zl. ***1***:

Zu Bescheid I:

Mit Eingabe vom stellte die Bf. gem. § 5 Abs. 3 MinStG beim Zollamt den Antrag auf Erstattung der Mineralölsteuer für gem. § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG von der Mineralölsteuer befreite Luftfahrtbetriebsstoffe betreffend den Zeitraum Jänner bis Dezember 2011.

Dieser Antrag betrifft eine Menge von 43.753 Liter Mineralöl und eine Mineralölsteuer in der Höhe von insgesamt € 17.369,97.

Das Zollamt stellte dazu fest, den von der Bf. vorgelegten Unterlagen sei nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass die in Rede stehenden Mengen an Luftfahrtbetriebsstoffen an Luftfahrzeuge zur ausschließlichen Verwendung im Rahmen der gewerbsmäßigen Nutzung abgegeben worden seien.

Lediglich hinsichtlich des Luftfahrtunternehmens ***a*** sei dem Antrag stattzugeben.

Zu Bescheid II:

Beim Unternehmen der Bf. habe eine Betriebsprüfung/Zoll stattgefunden. Für die im Bescheid näher bezeichneten Betankungen habe die Bf. die Nachweise der Rechtmäßigkeit der steuerfreien Abgabe iSd § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2011 nicht oder nicht vollständig erbringen können.

Zu Bescheid Zl. ***2***:

Zu Bescheid I:

Mit Eingabe vom stellte die Bf. gem. § 5 Abs. 3 MinStG beim Zollamt den Antrag auf Erstattung der Mineralölsteuer für gem. § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG von der Mineralölsteuer befreite Luftfahrtbetriebsstoffe betreffend den Zeitraum Jänner bis Dezember 2012.

Dieser Antrag betrifft eine Menge von 15.400 Liter Mineralöl und eine Mineralölsteuer in der Höhe von insgesamt € 6.113,80.

Das Zollamt stellte dazu fest, den von der Bf. vorgelegten Unterlagen sei nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass die in Rede stehenden Mengen an Luftfahrtbetriebsstoffen an Luftfahrzeuge zur ausschließlichen Verwendung im Rahmen der gewerbsmäßigen Nutzung abgegeben worden seien.

Lediglich hinsichtlich des Luftfahrtunternehmens ***b*** sei dem Antrag stattzugeben.

Zu Bescheid II:

Beim Unternehmen der Bf. habe eine Betriebsprüfung/Zoll stattgefunden. Für die im Bescheid näher bezeichneten Betankungen habe die Bf. die Nachweise der Rechtmäßigkeit der steuerfreien Abgabe iSd § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2012 nicht oder nicht vollständig erbringen können.

Beweiswürdigung

Der dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der dem Bundesfinanzgericht vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse des Zollamts und der Angaben der Bf.

Darüber hinaus wurde auch auf die im Zuge der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse Bedacht genommen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Rechtslage

§ 4 Abs. 1 Z 1 Mineralölsteuergesetz in der entscheidungsmaßgeblichen Fassung lautet:

Von der Mineralölsteuer ist befreit:

Mineralöl, das als Luftfahrtbetriebsstoff an Luftfahrtunternehmen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen oder für sonstige gewerbsmäßige Dienstleistungen, die mittels eines Luftfahrzeuges erbracht werden, aus Steuerlagern oder Zollagern abgegeben wird;

§ 5 Abs. 3, 5 und 6 Mineralölsteuergesetz in der entscheidungsmaßgeblichen Fassung lauten:

(3) Wurde für Mineralöle, Kraftstoffe oder Heizstoffe, die nach § 4 Abs. 1 Z 1 bis 9 steuerfrei sind, die Mineralölsteuer entrichtet, so ist sie, außer in den Fällen des § 4 Abs. 1 Z 5, 7 und 9, auf Antrag des Steuerschuldners zu erstatten.

(5) Die Erstattung oder Vergütung der Mineralölsteuer obliegt

1. in den Fällen des Abs. 1 Z 1 dem Zollamt, in dessen Bereich sich das Steuerlager befindet,

1a. in den Fällen des Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Z 1 oder 2 dem Zollamt, in dessen Bereich sich das Steuerlager oder Zolllager befindet, aus welchem das Mineralöl abgegeben wurde,

2. in den Fällen des Abs. 4 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Z 5 dem Zollamt Wien,

3. in den übrigen Fällen dem Zollamt, in dessen Bereich sich der Betrieb oder der Geschäfts- oder Wohnsitz des Verwenders befindet, in Ermangelung eines solchen, dem Zollamt Innsbruck.

(6) Erstattungs- und Vergütungsanträge sind nur für volle Kalendermonate zulässig. Sie sind bei sonstigem Verlust des Anspruchs bis zum Ablauf des auf die Aufnahme oder die Verwendung des Mineralöls, Kraftstoffs oder Heizstoffs folgenden Kalenderjahres zu stellen.

§ 4 Abs. 1 Z 1 MinStG ist unionsrechtskonform iSd Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. L 283 vom , auszulegen (vgl. ).

Art. 14 der Richtlinie 2003/96/EG lautet:

"(1) Über die allgemeinen Vorschriften für die steuerbefreite Verwendung steuerpflichtiger Erzeugnisse gemäß der Richtlinie 92/12/EWG hinaus und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch festlegen, die nachstehenden Erzeugnisse von der Steuer:

a) [...]

b) Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt.

Im Sinne dieser Richtlinie ist unter der ,privaten nichtgewerblichen Luftfahrt' zu verstehen, dass das Luftfahrzeug von seinem Eigentümer oder der durch Anmietung oder aus sonstigen Gründen nutzungsberechtigten natürlichen oder juristischen Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen oder für behördliche Zwecke genutzt wird.

[...]"

§ 217 Abs. 8 BAO bestimmt:

Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen; dies gilt sinngemäß

  1. für bei Veranlagung durch Anrechnung von Vorauszahlungen entstehende Gutschriften und

  2. für Nachforderungszinsen (§ 205), soweit nachträglich dieselbe Abgabe betreffende Gutschriftszinsen festgesetzt werden.

Erwägungen:

Zu den Bescheiden II der beiden angefochtenen Sammelbescheide:

Es handelt sich dabei um die Nachforderung von Mineralölsteuer für Luftfahrtbetriebsstoffe, die die Bf. im Zeitraum Jänner bis Dezember 2011 bzw. Jänner bis Dezember 2012 aus ihrem Steuerlager abgab.

Das Zollamt legt der Bf. zur Last, sie habe für die im Bescheid näher bezeichneten Betankungen die Nachweise der Rechtmäßigkeit der steuerfreien Abgabe iSd § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG nicht oder nicht vollständig erbringen können.

Im Wesentlichen vermisst das Zollamt folgende Unterlagen:

  1. Die Vorlage eines zum Zeitpunkt des Fluges gültigen Air Operator Certificates (AOC)

  2. Die Vorlage einer nicht veränderten ("ungeschwärzten") Rechnung

  3. Die Vorlage eines Auszugs aus dem Tech-Log, aus dem die Anzahl der Passagiere klar hervorgeht

Das Zollamt verweist in den beiden o.a. BVE auf eine Besprechung im Jahr 2016, bei der u.a. auch Vertreter der Bf. teilgenommen hätten. Damals sei vereinbart worden, dass die eben angeführten Unterlagen für die damals anhängigen Prüfungsfälle als ausreichende Beweismittel anzusehen seien (das Zollamt spricht in diesem Zusammenhang von einer "vereinfachten Nachweispflicht").

Dass ohne Vorlage dieser Unterlagen die steuerfreie Abgabe von Luftfahrtbetriebsstoffen gem. § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG nach nunmehriger Ansicht des Zollamts unzulässig ist, war für die Bf. nach der Aktenlage zum Zeitpunkt der Betankungen in den hier in Rede stehenden Fällen der Jahre 2011 und 2012 nicht erkennbar. Weder die zur Anwendung gelangenden gesetzlichen Bestimmungen noch die seitens des BMF ergangenen Dienstanweisungen enthalten diesbezügliche ausdrückliche Hinweise. Auch das Zollamt hat die Bf. im Vorhinein nicht darauf aufmerksam gemacht, dass sie genau die angesprochenen Unterlagen für den Fall späterer Kontrollen bereithalten müsse.

Die Bf. macht geltend, dass es ihr schlicht unmöglich sei, diese Nachweise nachträglich zu besorgen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall der Mineralölsteuerbefreiung gem. § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/16/0014, u.a. ausgesprochen:

"Für den Normadressaten muss berechenbar, vorhersehbar, sein, wozu er verpflichtet ist ( 1957/78 = Slg 5363/F, mwN; vgl. auch die in Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11, unter Rz. 165 referierte Rechtsprechung); für den Abgabenpflichtigen muss folglich vorhersehbar sein, ob und in welcher Art und Weise und in welchem Umfang ihn in einem - unter Umständen Jahre später geführten - Abgabenverfahren eine Mitwirkungspflicht an der Stoffsammlung treffen kann.

Zunächst kann nicht gesagt werden, dass die Betankung von Luftfahrzeugen im Inland mit einem allfälligen Zielflughafen im Ausland einen Auslandssachverhalt im Sinn des § 115 Abs. 1 zweiter Satz BAO verwirklichte, der eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Revisionswerberin bedingte.

Für die Revisionswerberin ergaben sich während der gegenständlichen Abgabenzeiträume im Jahr 2010 aus Gesetz oder Verordnung keine näheren Anhaltspunkte dafür, anhand welcher Kriterien sie das Vorliegen der Voraussetzungen der Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG zu überprüfen und - für den Fall eines späteren Abgabenverfahrens - festzuhalten hatte.

Wohl sieht das Mineralölsteuergesetz 1995 in § 51 für den Inhaber eines Steuerlagers die zeitnahe Anzeige jeder Wegbringung von Mineralöl und für den Inhaber eines Mineralöllagers nach § 53 leg. cit. Aufzeichnungspflichten vor, deren Erfüllung im Zuge des Abgabenverfahrens aber nicht in Frage standen. Soweit die Revisionswerberin den Ausführungen der Revisionsbeantwortung zufolge dem "nur bedingt nachgekommen" sei, legt die Revisionsbeantwortung auch nicht näher dar, worin eine Einschränkung der Erfüllung der Aufzeichnungspflichten gelegen sein sollte.

Lediglich der Wiedergabe des Vorbringens im angefochtenen Erkenntnis ist zu entnehmen, dass die Revisionswerberin - bisherigen Gepflogenheiten folgend - zum Nachweis der Voraussetzungen der Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG "AOCs" und gewerbliche Flugpläne vorgelegt habe, die nun zum Nachweis nicht mehr ausreichten. Dagegen trifft das angefochtene Erkenntnis keine Aussage darüber, welche (zeitnahen) Aufzeichnungen die Revisionswerberin, sei es in Erfüllung des § 53 MinStG, sei es darüber hinausgehend vornahm, sammelte und diese den Abgabenbehörden im Rahmen des Verfahrens als Beweismittel zur Verfügung stellte.

Die letztlich vom Verwaltungsgericht vermissten Beweise, nämlich die Vorlage gültiger Air Operator Certificates, sohin von Bewilligungen Dritter, weiters von "nicht veränderten/verfälschten" Rechnungen (offenbar gemeint von Ausgangsrechnungen Dritter, die nicht in die Buchhaltung der Revisionswerberin Eingang gefunden hatten) sowie von Aufzeichnungen (offenbar von Luftfahrtunternehmen) über die Zahl der Passagiere der jeweiligen Flüge, betreffen allesamt Beweismittel in der Sphäre außenstehender Dritter, deren nachträgliche lückenlose Beschaffung Jahre später Hürden faktischer Natur begegnen kann - so seien dem unwiderlegten Vorbringen der Revisionswerberin zufolge von 115 Kunden in den Jahren 2010 bis 2018 41 in Konkurs gegangen -, aber auch solcher rechtlicher, etwa datenschutzrechtlicher Natur, die das Verwaltungsgericht nicht in Erwägungen über die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Mitwirkung der Revisionswerberin im Verfahren einfließen ließ.

Schließlich leitete das Verwaltungsgericht aus der Anmeldepflicht nach § 23 Abs. 1 und 3 MinStG die allgemeine Verpflichtung der Revisionswerberin ab, von den belieferten Luftfahrtunternehmen Nachweise dafür abzuverlangen, dass die aus dem Steuerlager abgenommenen Mengen an Luftfahrtbetriebsstoffen unmittelbar der gewerblichen Erbringung von Luftfahrtdienstleistungen gedient hätten.

Die Frage der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Mitwirkung der Revisionswerberin im revisionsgegenständlichen Abgabenverfahren bestimmt sich jedoch danach, ob bzw. inwiefern für die Revisionswerberin während der verfahrensgegenständlichen Abgabenzeiträume im Jahr 2010 ex ante vorhersehbar war, welche konkreten Nachweise sie für den Fall ihrer späteren Mitwirkung in einem Abgabenverfahren, in dem die Voraussetzungen für die Mineralölsteuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG Beweisthema sein könnten, dokumentieren oder von anderen abverlangen und sicherstellen sollte. Dass sich dies für die letztlich vom Verwaltungsgericht vermissten Unterlagen bereits im Jahr 2010 konkret aus Gesetz oder Verordnung oder aus Bescheiden (z.B. Bewilligungen, Auflagen) für die Revisionswerberin ergeben hätte, ist nach dem Gesagten nicht der Fall.

Damit kann der Revisionswerberin auch keine für die Frage ihrer Mitwirkung im Verfahren relevante Verletzung ihrer Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach der BAO angelastet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof kann daher beim derzeitigen Stand des Verfahrens die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes nicht teilen, dass die Revisionswerberin eine Mitwirkungspflicht im Verfahren zur Ermittlung des Vorliegens von Mineralölsteuer befreiender Sachverhalte verletzt hätte."

Seitens des BFG besteht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Dafür, dass für die Bf. im Hinblick auf die hier verfahrensgegenständlichen Abgabenzeiträume 2011 und 2012 ex ante vorhersehbar war, welche konkreten Nachweise sie für den Fall ihrer späteren Mitwirkung in einem Abgabenverfahren, in dem die Voraussetzungen für die Mineralölsteuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG Beweisthema sein könnten, dokumentieren oder von Dritten abverlangen und sicherstellen sollte, gibt es keine Anhaltspunkte in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen bzw. Bescheiden.

Dies räumte auch der Vertreter des Zollamtes im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein, indem er darauf hinwies, die Bf. habe spätestens im Jahr 2013 wissen müssen, dass für die Gewährung der Begünstigung die Vorlage von Fakturen notwendig sei. Das Zollamt habe die Bf. im Mai 2013 davon in Kenntnis gesetzt, dass die Unterlagen wie AOC und Lieferschein nicht mehr als ausreichend anzusehen seien.

Die Beschaffung der von der belangten Behörde erst anlässlich einer Betriebsprüfung (beginnend ab dem Jahr 2013) geforderten zusätzlichen Beweismittel, die zudem allesamt die Sphäre außenstehender Dritter betreffen, war der Bf. daher nicht zumutbar und wegen der von der Bf. geltend gemachten Hindernissen rechtlicher und faktischer Natur teilweise unmöglich.

Dem Vorwurf in den angefochtenen Bescheiden, die Bf. habe ihre Nachweispflicht nicht erfüllt, kommt somit keine Berechtigung zu.

Bezogen auf die hier verfahrensgegenständlichen Zeiträume 2011 bis 2012 sind nachträglich keine Umstände hervorgekommen, die die Inanspruchnahme der Mineralölsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG als rechtswidrig erscheinen lassen.

Die Nachforderungsbescheide waren somit aufzuheben.

Zu den Bescheiden I der beiden angefochtenen Sammelbescheide:

Diese beiden Bescheide haben jeweils die Abweisung von Erstattungsanträgen gem. § 5 Abs. 3 MinStG laut den beiden nachstehend angeführten Aufstellungen zum Gegenstand.

Erstattungsanträge 2011:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
Luftfahrtunternehmen
Menge in Liter
Steuersatz
Betrag
01/2011
***5***
2.609,00
397,00
1.035,77
02/2011
***5***
5.248,00
397,00
2.083,46
02/2011
***6***
1.079,00
397,00
428,36
03/2011
***5***
2.185,00
397,00
867,45
04/2011
***5***
1.125,00
397,00
446,63
04/2011
***6***
1.004,00
397,00
398,59
04/2011
***7***
805,00
397,00
319,59
05/2011
***5***
3.887,00
397,00
1.543,14
05/2011
***6***
495,00
397,00
196,52
06/2011
***5***
1.130,00
397,00
448,61
06/2011
***8***
1.400,00
397,00
555,80
07/2011
***5***
498,00
397,00
197,71
07/2011
***9***
1.919,00
397,00
761,84
08/2011
***5***
1.941,00
397,00
770,58
09/2011
***5***
800,00
397,00
317,60
10/2011
***5***
2.700,00
397,00
1.071,90
11/2011
***5***
4.243,00
397,00
1.684,47
11/2011
***6***
2.091,00
397,00
830,13
11/2011
***10***
2.073,00
397,00
822,98
12/2011
***5***
5.220,00
397,00
2.072,34
12/2011
***6***
1.301,00
397,00
516,50
Summe
17.369,97
davon **6**
2.370,10
Summe ohne **6**
14.999,87

Erstattungsanträge 2012:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
Luftfahrtunternehmen
Menge in Liter
Steuersatz
Betrag
02/2012
***6***
403,00
397,00
159,99
02/2012
***10***
2.559,00
397,00
1.015,92
03/2012
***6***
1.494,00
397,00
593,12
04/2012
***6***
1.020,00
397,00
404,94
04/2012
***10***
1.760,00
397,00
698,72
05/2012
***11***
307,00
397,00
121,88
05/2012
***12***
1.206,00
397,00
478,78
07/2012
***6***
1.111,00
397,00
441,07
07/2012
***10***
1.955,00
397,00
776,13
08/2012
***13***
1.161,00
397,00
460,92
10/2012
***10***
2.424,00
397,00
962,33
Summe
6.113,80
davon **6**
1.599,12
Summe ohne **6**
4.514,68

Wurde für Mineralöle, Kraftstoffe oder Heizstoffe, die nach § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG steuerfrei sind, die Mineralölsteuer entrichtet, so ist sie auf Antrag des Steuerschuldners zu erstatten (§ 5 Abs. 3 MinStG).

Das Zollamt verwehrte die begehrte Erstattung der Mineralölsteuer mit der Begründung, die Bf. habe die geforderten Nachweise für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erbracht. Konkret vermisst das Zollamt die Vorlage von Ausgangsrechnungen der Kunden der Bf. Diese Argumentation aufrechterhaltend meinte der Vertreter des Zollamts dazu im Rahmen der mündlichen Verhandlung, es sei weiterhin davon auszugehen, dass solche Fakturen zum Nachweis dafür notwendig sind, dass es sich um gewerbliche Beförderungen handelt.

Dieser Ansicht kann nach dem oben Gesagten und nach der ebenfalls oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gefolgt werden. Denn wenn im Verfahren zur Ermittlung des Vorliegens von mineralölsteuerbefreienden Sachverhalten die Nichtvorlage von Fakturen Dritter dem Steuerschuldner nicht anzulasten ist, lässt sich (bei hier gegebener unveränderter Rechtslage - die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG blieben in dem hier zu betrachtenden Zeitraum von 2010 bis 2012 unverändert) nicht erfolgreich argumentieren, dass die Erstattung der Mineralölsteuer für die Jahre 2011 und 2012 genau daran scheitern soll.

Dafür, dass die Behörde in den Fällen der Erstattung strengere Maßstäbe anzusetzen habe, als in Fällen der Nachforderung, finden sich keine Anhaltspunkte in den heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen, zumal es in beiden Fällen entscheidungsmaßgeblich darauf ankommt, ob die in § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG normierten Voraussetzungen vorliegen.

Hinsichtlich der ***5*** GmbH versagte das Zollamt die Erstattung mit der Begründung, das genannte Unternehmen habe die von ihr erbrachten Leistungen pauschal verrechnet. Die Voraussetzungen für die Mineralölsteuerbefreiung seien aber für jeden Einzelfall, d.h. für jede Betankung (jede Beförderungsleistung) zu prüfen.

Dem ist zu entgegnen, dass weder den zur Anwendung gelangenden maßgeblichen abgabenrechtlichen Bestimmungen noch der dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH und des EuGH zu entnehmen ist, dass jeder Flug gesondert zu verrechnen sei bzw. dass Sammelabrechnungen unzulässig seien. Der Fokus liegt vielmehr auf einer entgeltlichen Beförderung von Passagieren oder Waren bzw. auf einer entgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen.

Dass dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt wird, steht aber auf Grund der bei diesem Unternehmen durchgeführten Betriebsprüfung fest. In der diesbezüglichen Niederschrift, auf die im angefochtenen Bescheid Bezug genommen wird, heißt es dazu: "Die ***5*** GmbH ist ein Unternehmen der Bertsch-Gruppe, das entgeltliche Beförderungen von Personen mittels eines Luftfahrzeuges durchführt."

Der erwähnten Niederschrift ist auch zu entnehmen, dass nach Ansicht des Prüforgans keine gewerbsmäßige Personenbeförderung iSd § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG vorliege. Dies wird damit begründet, dass das Flugzeug überwiegend nur Mitarbeitern der Bertsch-Gruppe zur Verfügung stehe und dass sich die Tätigkeit der ***5*** GmbH daher nicht als eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstelle.

Dem kann auf Grund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht gefolgt werden. Der VwGH hat in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen, dass es der Annahme des Befreiungstatbestandes nicht entgegensteht, wenn Personen anderer Konzerngesellschaften im Rahmen von Geschäftsreisen (sohin zu gewerblichen und nicht zu privaten nichtgewerblichen Zwecken) befördert werden ().

Seitens des Bundesfinanzgerichts besteht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Die diesbezügliche Mineralölsteuer war daher ebenfalls zu erstatten.

Hinsichtlich der ***6*** war hingegen die Erstattung zu versagen. Das Bundesfinanzgericht ist in einem gesonderten Verfahren nach eingehender Prüfung zum Ergebnis gelangt, dass dieses Unternehmen die Voraussetzungen für die Erstattung gem. § 5 Abs. 3 MinStG nicht erfüllt, weil es erwiesenermaßen zu keiner Verrechnung der Beförderungsleistungen gekommen ist und somit das im Gesetz geforderte Tatbestandsmerkmal der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrtdienstleistungen nicht gegeben ist (siehe ). Dieses unangefochten in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis betrifft das Jahr 2011 und Luftfahrtbetriebsstoffe, die - im Gegensatz zu den vorliegenden Fällen - aus einem Steuerlager in Graz abgegeben wurden. Dass sich bei diesem Unternehmen die für eine Erstattung maßgeblichen Verhältnisse im Zusammenhang mit den hier zu betrachtenden Betankungen am Flughafen Wien in den Jahren 2011 und 2012 geändert hätten, ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Auch die Bf. trägt Derartiges nicht vor. Es ist daher weiterhin davon auszugehen, dass hinsichtlich der in Rede stehenden Mengen für die beiden angeführten Jahre eine Steuerbefreiung gem. § 4 Abs. 1 1 Z 1 MinStG nicht in Betracht kommt.

Den Erstattungsanträgen war daher mit Ausnahme der Betankungen der Firma ***6*** statt zu geben.

Zu den Bescheiden III der beiden angefochtenen Sammelbescheide:

Durch die Stattgabe der Beschwerden gegen die Bescheide II der o.a. Sammelbescheide fällt auch die Rechtsgrundlage für die Vorschreibung des akzessorisch an die "Stammabgabe" anknüpfenden Säumniszuschlages gem. § 217 BAO weg.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b RL 2003/96/EG, ABl. Nr. L 283 vom S. 51
Art. 14 RL 2003/96/EG, ABl. Nr. L 283 vom S. 51
§ 217 Abs. 8 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5 Abs. 3 MinStG 2022, Mineralölsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 630/1994
§ 4 Abs. 1 Z 1 MinStG 2022, Mineralölsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 630/1994
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7200031.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at