Aufhebung gemäß § 299 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Stadlauer Straße 39/I/Top 12, 1220 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6, Rechnungs und Abgabewesen vom , mit welchen die Anträge auf Aufhebung der Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabebescheide für die Jahre 2008 und 2009 abgewiesen wurden, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Bei der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde für den Zeitraum 2007-2009 eine abgabenbehördliche Prüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG vorgenommen. Für die Jahre 2008 und 2009 wurde der gegenständlichen Kapitalgesellschaft ein zusätzlicher Personalaufwand zugeordnet und wurden zusätzliche Lohnabgaben (19,95%) im Schätzungswege angesetzt und passiviert.
Mit Bescheid vom wurde gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 für die Beschwerdeführerin für die in der Betriebsstätte in Wien gewährten Arbeitslöhne für 2008 Kommunalsteuer in Höhe von 9.627,48 € und für 2009 Kommunalsteuer in Höhe von 9.499,97 € festgesetzt. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die Kommunalsteuer für die an die Dienstnehmer in Wien gelegene Betriebsstätte des Unternehmens gewährten Arbeitslöhne nicht vollständig erklärt und entrichtet, weshalb die Voraussetzungen für die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe gegeben seien. Die Bemessungsgrundlage sei für die Jahre 2008 und 2009 im Zuge einer GPLA unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer Betriebsprüfung mit insgesamt 637.581,63 € ermittelt worden.
Mit Bescheid vom wurde gemäß § 201 BAO die Dienstgeberabgabe für 2008 mit 466,56 € und für 2009 mit 104,40 € festgesetzt, weil die Beschwerdeführerin für die in Wien bestehenden Dienstverhältnisse die Abgabe nicht vollständig erklärt und entrichtet habe.
Mit Schreiben vom stellte der damalige steuerliche Vertreter Anträge auf "Berichtigung gem. § 299 BAO" und führte aus, gegen die Festsetzung der Lohnabgaben sei Beschwerde eingebracht worden, weil diese zu Unrecht festgesetzt worden seien. Da die Festsetzung von Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe nur eine Folgerung der Festsetzung der Lohnabgaben sei, seien die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe ebenfalls nicht rechtens festgesetzt worden. Als Beilage zu den Anträgen wurde die Beschwerde des Almir Balkan gegen den Haftungsbescheid vom übermittelt, in welcher auch eine Beschwerde gegen die dieser Haftung zugrundeliegenden GPLA-Bescheide enthalten ist.
Mit Bescheiden vom wurden die Anträge vom als unbegründet abgewiesen und nach Zitat der gesetzlichen Bestimmung ausgeführt, die GPLA sei wie ein Gutachten zu betrachten und habe für die einzelnen Behörden im Festsetzungsverfahren keine Bindungswirkung. Beim Magistrat der Stadt Wien und beim Finanzamt handle es sich um zwei unterschiedliche Behörden. Die unterschiedlichen Abgaben seien laut Gesetz im Festsetzungsverfahren von jeder Behörde eigenständig durchzuführen.
Die Antragstellerin habe innerhalb der Rechtsmittelfrist die Möglichkeit gehabt, eine Beschwerde gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe einzubringen. Diese Möglichkeit sei jedoch nicht wahrgenommen worden.
Es liege somit kein falscher Spruch der Bescheide vor, der die Anwendung des § 299 BAO rechtfertigen würde.
In den fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerden führte der seinerzeitige steuerliche Vertreter aus, gegen die Festsetzung der finanzamtsbezogenen Abgaben Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sei ein Beschwerdeantrag gestellt worden, da diese Abgaben zu Unrecht festgesetzt worden seien. Da die falsche Festsetzung der Kommunalsteuer und der Dienstgeberabgabe nur auf falschen Annahmen betreffend die Festsetzung von L, DB und DZ, seien die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe ebenfalls nicht rechtens festgesetzt worden.
Mit Beschwerdevorentscheidungen wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, die GPLA sei wie ein Gutachten zu betrachten und habe für die einzelnen Behörden im Festsetzungsverfahren keine Bindungswirkung. Beim Magistrat der Stadt Wien handle es sich um eine Gemeinde- bzw. Bezirks- und Landesbehörde, beim Finanzamt um eine Bundesbehörde. Unbestreitbar handle es sich um zwei unterschiedliche Behörden, die unterschiedliche Abgaben vorzuschreiben hätten. Laut Gesetz bestehe im Festsetzungsverfahren auch keine Möglichkeit der gemeinsamen Bescheiderstellung. Das Argument, die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe seien noch nicht rechtens festgesetzt worden, da ein Vorlageantrag eingebracht worden sei, gehe daher ins Leere.
Die Antragstellerin habe innerhalb der Rechtsmittelfrist die Möglichkeit gehabt, eine Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid betreffend Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe einzubringen, diese Möglichkeit aber nicht wahrgenommen. Es liege somit kein falscher Spruch der Bescheide vor, der die Anwendung des § 299 BAO rechtfertigen würde.
Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin Anträge auf Vorlage der Beschwerden zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte vor, schon gegen die Vorschreibung des Finanzamtes, die auf unrichtigen Feststellungen einer Betriebsprüfung basierten, sei mit Rechtsmittel vorgegangen worden. Diese unrichtigen Feststellungen seien auch vom Magistrat übernommen und die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgaben unrichtig vorgeschrieben worden.
Die Zuständigkeit der Gerichtsabteilung 1046 zur Entscheidung über die Beschwerden vom fußt auf der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom , mit welcher die gegenständlichen Rechtssachen der bisher zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen worden sind. Die Umverteilung trat mit in Kraft.
Mit Schreiben vom zog der nunmehrige steuerliche Vertreter den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die beschwerdeführende Gesellschaft benötigte in den Jahren 2008 und 2009 für die Erbringung der von ihr ihren Auftraggebern in Rechnung gestellten Leistungen zusätzlich zum eigenen Personal Arbeiter. Dabei handelte es sich um diesselben Personen, die von einer Subfirma zur nächsten angemeldet wurden. Die Beschwerdeführerin gab die Abwicklungs- und Abrechnungsmodalität vor. Die Arbeiter wurden gemeinsam mit dem eigenen Personal der Beschwerdeführerin auf den diversen Baustellen eingesetzt. Die Beauftragung von Subunternehmen war lediglich vorgetäuscht, die Bauaufträge wurden von ihr durch nicht ordnungsgemäß angemeldete (und entsprechend billigere) Arbeitskräfte erfüllt. Die verrechneten Leistungen wurden neben dem offiziellen Eigenpersonal auch von "Schwarzarbeitern" erbracht. Der diesbezügliche Lohnaufwand wurde im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung mit 50% der erklärten Fremdleistungsbeträge geschätzt:
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2008 | 2009 |
208.806,64 € | 81.971,59 € |
Die darauf entfallenden Lohnabgaben wurden in Höhe von 19,95% in folgender Höhe passiviert:
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2008 | 2009 |
41.656,92 € | 16.353,33 € |
Im Zuge der GPLA wurden nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 12,88 % die Bemessungsgrundlagen für die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe in folgender Höhe ermittelt:
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2008 | 2009 |
181.908,00 € | 71.412,00 € |
Beweiswürdigung
Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die im Erkenntnis des , enthaltene Beweiswürdigung. Die Behandlung einer gegen dieses Erkenntnis eingebrachten Verfassungsgerichtshofbeschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt, eine Revision wurde nicht erhoben.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO (idF vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013) kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2010/15/0059, mwN). Sowohl die Aufhebung, aber auch die Abweisung des Aufhebungsantrages setzt die vorherige Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus (vgl. ; , mwN).
§ 299 Abs. 1 BAO räumt dem Steuerpflichtigen ein Antragsrecht auf Bescheidaufhebung ein. Den Aufhebungsgrund bestimmt bei der Aufhebung auf Antrag die betreffende Partei. Sie gibt im Aufhebungsantrag an, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachtet. Korrespondierend dazu legt bei der Bescheidaufhebung von Amts wegen die Abgabenbehörde erster Instanz mit der Erlassung des Aufhebungsbescheides fest, aus welchen Gründen sie den Bescheid als inhaltlich rechtswidrig ansieht. Daraus folgt, dass die Sache, über die in der Berufung gegen einen Aufhebungsbescheid oder einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, bei der beantragten Aufhebung durch die Partei im Aufhebungsantrag und bei der amtswegigen Aufhebung durch das Finanzamt im Rahmen der Erlassung des Aufhebungsbescheides festgelegt wird (; ).
Gemäß § 1 KommStG unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.
Gemäß § 5 Abs. 1 KommStG ist Bemessungsgrundlage die Summe der Arbeitslöhne, die an die Dienstnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer (Lohnsteuer) unterliegen.
Gemäß § 6 KommStG ist Steuerschuldner der Unternehmer, in dessen Unternehmen die Dienstnehmer beschäftigt werden.
Gemäß § 11 Abs. 3 KommStG hat die Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid zu erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag der Abgabenbehörde bekannt gegeben wird oder sich die Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Gemäß § 4 Dienstgeberabgabegesetz ist jeder Dienstgeber (physische oder juristische Person) abgabepflichtig, der mindestens einen Dienstnehmer im Sinne des § 1 beschäftigt.
Gemäß § 5 Dienstgeberabgabegesetz beträgt die Abgabe für jeden Dienstnehmer und für jede angefangene Woche eines bestehenden Dienstverhältnisses 0,72 Euro.
Den Aufhebungsanträgen ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin die inhaltliche Rechtswidrigkeit in der Unrichtigkeit der durch die abgabenbehördliche Prüfung und die GPLA festgestellten Bemessungsgrundlagen erachtet. Das Erkenntnis des , setzte sich ausführlich mit dem Beschwerdevorbringen auseinander und erwuchs letztlich in Rechtskraft.
Wie den im Sachverhalt getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, die auf dem Erkenntnis vom , RV/7100177/2014, basieren, wurden durch die beschwerdeführende Gesellschaft in den Jahren 2008 und 2009 Arbeitslöhne bezahlt, die bei der Selbstberechnung der Abgaben nicht berücksichtigt worden sind. Die Selbstberechnungen erwiesen sich daher als nicht richtig, die Festsetzungen hatten daher mit Abgabenbescheiden zu erfolgen.
Die in den Anträgen auf Aufhebung der Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabebescheide sowie in den Beschwerden behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit der Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabebescheide 2008 und 2009 lag daher nicht vor. Die Anträge auf Aufhebung gemäß § 299 BAO waren daher zu Recht von der belangten Behörde abgewiesen worden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Frage, ob die Beschwerdeführerin neben den gemeldeten Dienstnehmern weitere Arbeitnehmer beschäftigte, handelt es sich um eine Sachverhaltsfrage, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu beantworten war. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher zu verneinen und die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 11 Abs. 3 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400053.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at