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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.07.2022, RV/7101895/2020

Indexierung von österreichischen Familienleistungen nach der Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedstaaten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des (ehemaligen) Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe in Höhe der in § 8 Abs. 3 und 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 festgelegten Beträge und auf Gewährung des Kinderabsetzbetrages in Höhe des in § 33 Abs. 3 erster Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 festgelegten Betrages ab Jänner 2019, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am übermittelte die Beschwerdeführerin (in Folge kurz BF) nach Aufforderung durch die belangte Behörde die Formulare E401 (Familienstandsbescheinigung für die Gewährung von Familienleistungen) und E411 (Anfrage betreffend den Anspruch auf Familienleistungen (Kindergeld) in dem Mitgliedstaat, in dem die Familienangehörigen wohnen).

Am (eingelangt am ) richtete die BF folgendes Schreiben an die belangte Behörde:

" […] wie ich aufmeinen Kontoauszügen feststellen konnte ergibt sich bei der Auszahlung der Familienbeihilfe eine Differenz von EUR 157,74. Ich stelle hiermit den Antrag auf Gewährung der Differenz. Für die Erledigung danke ich Ihnen im Voraus […]."

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den "Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe in Höhe der in § 8 Abs. 3 und 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 festgelegten Beträge und auf Gewährung des Kinderabsetzbetrages in Höhe des in § 33 Abs. 3 erster Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 festgelegten Betrages" ab und führte dazu begründend aus:

"Ihr Schreiben vom wird als Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe in Höhe der in § 8 Abs. 3 und 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 festgelegten Beträge und auf Gewährung des Kinderabsetzbetrages in Höhe des in § 33 Abs. 3 erster Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 festgelegten Betrages gewertet.

Gemäß § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 sind die Beträge an Familienbeihilfe und gemäß § 33 Abs. 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 ist der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, an das Preisniveau des Wohnortstaates anzupassen. Die Beträge an Familienbeihilfe nach § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 und des Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs. 3 Z 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 wurden mit der Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung (BGBl. II Nr. 318/2018) kundgemacht und gelten ab .

Da sich ihr Kind/ihre Kinder ständig in der Tschechischen Republik aufhalten, besteht nur ein Anspruch auf die Familienbeihilfe nach § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 sowie auf den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988, und ihr Antrag wird daher abgewiesen."

Mit Schreiben vom , eingelangt am , erhob die BF Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom und führte unter anderem aus:

"[…] der vorgenommene Kürzung ist rechtswidrig da sie in eklatanter Weise gegen geltendes EU-Recht verstößt. Eine Indexierung von Familienleistungen sieht das EU-Recht nicht vor.

Ich verweise hierzu auf nachfolgende Verordnungen/Rechtsprechungen: Art. 4, Art. 7 und Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004; Art. 45 und Art. 48 AEUV; VO (EU) 492/2011: wie auch die Rechtssache "Pinna 41/84" - ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:1986:1, Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit - Generalklausel in Art. 12 EGV, die aussagen, dass alle EU-Bürger in gleicher Weise zu behandeln sind.

Vergl. hierzu den Artikel von Prof. Dr. Franz Leidenmühler (Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (Indexierung der Familienbeihilfe ist mit geltendem EU-Recht nicht vereinbar und die Stellungnahme der Volksanwaltschaft - MR Dr. Heidi Pacher vom an Fr. Mag. Dr. Juliana Bogner Strauß.

Durch die Indexierung werde ich zweifelsfrei gegenüber Ihren Landsleuten diskriminiert - obwohl ich Abgaben in dergleichen Höhe wie ein österreichischer Staatsbürger entrichte - und zwar nur deshalb, dass meine Kinder im Ausland wohnen.

Anmerkung: Die Grundlage für das Gesetz zur Indexierung von Familienleistungen basiert auf einem "Rechtsgutachten zur Neugestaltung der Familienbeihilfe für Kinder, die im EU-Ausland

leben für das BM für Finanzen, erstattet von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal Wien, den ". Weitere Gutachten wurden hier nicht zu Rate gezogen. Dieses Gutachten vernachlässigt die Tatsache, dass für eine Indexierung der Familienleistungen zuerst die EU-Verordnung 883/2004 zu ändern ist. Hierzu wäre eine 2/3 Mehrheit der noch verbliebenen EU-Staaten erforderlich. Eine derartige Abstimmung im EU-Parlament diesbezüglich ist derzeit weder geplant, noch absehbar. Entsprechende Mehrheiten werden kaum zu erreichen sein.

Daher gilt folgendes festzustellen: Die Abgaben entrichte ich in dergleichen Höhe wie ein österreichischer Staatsbürger. Der EuGH bereitet zwischenzeitlich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich vor. Die zuständige EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte Österreichs Pläne in der Vergangenheit wiederholt kritisch beurteilt und vor einer Diskriminierung gewarnt. So hatte Frau Thyssen erst vor wenigen Wochen in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage daran erinnert, dass der EU-Vertrag jegliche Diskriminierung - direkt oder indirekt- von Arbeitnehmern auf Grundlage der Nationalität verbiete. Nach geltendem EU-Recht haben mobile Arbeiter denselben Anspruch auf Familienleistungen wie lokale Arbeitnehmer, "unabhängig vom Wohnort der betroffenen Kinder. Für dieselben gezahlten Beiträge in einem Arbeitskontext haben dieselben Leistungen anzufallen und zu gelten. Das EU-Parlament hat sich gegen eine Indexierungausgesprochen. Insofern meine Beschwerde abgelehnt wird, werde ich entsprechende Rechtsmittel einlegen, eine Staatshaftungsklage gegen die Österreichische Republik vor dem EuGH veranlassen, sowie eine Rückforderung der mir ergangenen Verluste nebst Zinsen erwirken."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem angefochtenen Bescheid und ohne mit auch nur einem Wort (mit Ausnahme des Wohnortes der Kinder) in der Sache auf das Vorbringen des BF einzugehen aus:

"Sie haben mit Schreiben vom Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung in "voller" nicht indexierter Höhe beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen, wogegen sich Ihre Beschwerde vom richtet. Darin bringen Sie vor, dass das EU-Recht eine Indexierung von Familienleistungen nicht vorsehe und eine Diskriminierung vorliege, da Ihre Kinder im Ausland wohnen.

Nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs 3 Z 2 des EStG 1988 sind die Beträge an Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, an das Preisniveau des Wohnortstaates anzupassen. Die Beträge an Familienbeihilfe nach § 8a des FLAG 1967 und des Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs 3 Z 2 des EStG 1988 wurden mit der Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung (BGBl. II Nr. 318/2018) kundgemacht und gelten ab .

Da sich Ihre Kinder ständig in der Tschechische Republik aufhalten, besteht nur ein Anspruch auf die Familienbeihilfe nach § 8a FLAG 1967 sowie auf den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 3 Z 2 EStG 1988 (= indexierte Beträge). Ihre Beschwerde war daher abzuweisen."

Am (eingelangt am ) übermittelte die BF direkt an das Bundesfinanzgericht (BFG) einen Vorlageantrag, indem sie das Beschwerdevorbringen wiederholt und darin beantragt - sofern das Gericht zu keiner Entscheidung gelangt - den Fall an den Europäischen Gerichtshof zu verweisen. Das BFG leitete dieses Rechtsmittel unverzüglich an die belangte Behörde weiter.

Am legt die belangte Behörde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und führt darin aus:

"Sachverhalt: Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte einen Antrag auf Auszahlung der vollen, nicht indexierten Ausgleichszahlung, weil es durch die Indexierung der Familienbeihilfeleistungen ab zu einer Kürzung der Ausgleichszahlung gekommen ist. Dieser Antrag wurde als Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe in Höhe der in § 8 Abs 3 und 4 des FLAG 1967 festgelegten Beträge und auf Gewährung des Kinderabsetzbetrages in Höhe der in § 33 Abs 3 erster Satz des EStG 1988 festgelegten Betrages gewertet und, nachdem sich die Kinder der Bf. ständig in der Tschechischen Republik aufhalten, gemäß den gesetzlichen Vorschriften, die besagen, dass Beträge der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages an das Preisniveau des Wohnortstaates anzupassen sind, abgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde, die insbesondere die Rechtswidrigkeit der österreichischen Gesetzeslage ins Treffen führt, da sie zu einer Diskriminierung von EUBürgern führe und daher gegen geltendes Europarecht verstoße.

Beweismittel: laut Beilagen

Stellungnahme: Gemäß § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 sind die Beträge an Familienbeihilfe und gemäß § 33 Abs. 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 ist der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, an das Preisniveau des Wohnortstaates anzupassen. Die Beträge an Familienbeihilfe nach § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 und des Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs. 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 wurden mit der FamilienbeihilfeKinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung (BGBl. II Nr. 318/2018) kundgemacht und gelten ab . Da sich die Kinder ständig in der Tschechischen Republik aufhalten, besteht nur ein Anspruch auf die Familienbeihilfe nach § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 sowie auf den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988. Das FA hat aufgrund der geltenden österreichischen Rechtslage zu entscheiden und kann auf eine allfällige Europarechtswidrigkeit nicht Bedacht nehmen. Das BFG wird um Abweisung der Beschwerde ersucht."

Mit Beschluss vom setzte das BFG die Entscheidung über die Beschwerde gemäß § 271 BAO bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zur Zahl RV/7101361/2020 aus. Begründend wurde unter anderem ausgeführt:

"Mit Beschluss vom hat das Bundesfinanzgericht den EuGH mit der hier strittigen Rechtsfrage befasst. Die Entscheidung über das gegenständliche Verfahren ist daher gemäß § 271 BAO bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zur Zahl RV/7101361/2020, das dem Beschluss vom zugrunde liegt, auszusetzen.

Ein Vorhalt der beabsichtigen Aussetzung war schon deshalb nicht erforderlich, da vom Bf selbst die Befassung des EuGH beantragt wurde und daher die Entscheidung des Gerichtshofs abzuwarten ist."

Entscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union

Der Gerichtshof der Europäischen Union entschied mit C-328/20, ECLI:EU:C:2022:468, betreffend Indexierung der Familienbeihilfe sowie bestimmter familienbezogener Steuerbegünstigung im Vertragsverletzungsverfahren (Kommission gg. Österreich; die Indexierung nach der unterschiedlichen Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedstaaten bzw. Vertragsstaaten wird dort als Anpassungsmechanismus bezeichnet) - auszugsweise - wie folgt:

"1. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.

2. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen. […]

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die BF, welche Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist, bezog unstrittig im Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlich bekämpften Bescheides eine Ausgleichszahlung für ihre in Tschechien wohnhaften Kinder ***1*** und ***2***, welche aufgrund der innerstaatlichen Bestimmung des § 8a FLAG einer Indexierung unterworfen wurde. Auch die Kinderabsetzbeträge wurde einer Indexierung unterworfen.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen entsprechen dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt in Zusammenhalt mit den vorgelegten Unterlagen durch die BF. Darüber hinaus ergeben sich keinerlei Hinweise aus dem Verwaltungsakt, die an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zweifeln lassen. Der als erwiesen angenommene Sachverhalt ist sohin unstrittig. Streitgegenstand ist die Rechtsfrage der Höhe der Familienbeihilfe.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Rechtsgrundlagen:

§ 8 (1) FLAG 1967 idgF normiert: Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.

§ 8a (1) FLAG 1967 idgF lautet: Die Beträge an Familienbeihilfe (§ 8) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mit-gliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, sind auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen.

(2) Die Beträge an Familienbeihilfe nach Abs. 1 gelten erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte nach Abs. 1. Die Beträge sind in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

(3) Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend oder der Bundesminister für Frauen, Familien und Jugend hat gemeinsam mit der Bundesministerin für Finanzen oder dem Bundesminister für Finanzen die Berechnungsgrundlagen und die Beträge nach Abs. 1 und 2 sowie die Beträge nach § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 mit Verordnung kundzumachen.

§ 33 (3) EStG 1988 idgF lautet: Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Abweichend davon gilt:

1. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.

2. Für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, ist die Höhe des Kinderabsetzbetrages auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

a) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

b) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist gemäß § 8a Abs. 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 kundzumachen.

Rechtliche Beurteilung

Der Europäische Gerichtshof führte in seiner Entscheidung C-328/20, ECLI:EU:C:2022:468 im Einzelnen unter anderem aus:

"[…] Zur Klage

29 Die Kommission stützt ihre Klage auf zwei Rügen. Die erste betrifft einen Verstoß gegen die Art. 7 und 67 der Verordnung Nr. 883/2004 und die zweite einen Verstoß gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 sowie gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011.

Zur ersten Rüge: Verstoß gegen die Art. 7 und 67 der Verordnung Nr. 883/2004

[…] Würdigung durch den Gerichtshof

42 Zunächst ist festzustellen, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag, die Gegenstand der ersten Rüge sind, unstreitig Familienleistungen im Sinne von Art. 1 Buchst. z der Verordnung Nr. 883/2004 sind und dass diese Verordnung auf den Anpassungsmechanismus anwendbar ist, da sie für alle Rechtsvorschriften gilt, die Zweige der sozialen Sicherheit in Bezug auf Familienleistungen betreffen.

43 Daher müssen die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag insbesondere Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 entsprechen, wonach solche Leistungen, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, "nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden [dürfen], dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat".

44 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 den Grundsatz festlegt, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, so erheben kann, als würden sie in dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen (Urteil vom , Trapkowski, C-378/14, EU:C:2015:720, Rn. 35).

45 Da Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 speziell in Bezug auf Familienleistungen die Vorgaben von Art. 7 dieser Verordnung übernimmt, führt ein Verstoß gegen Art. 67 auch zu einem Verstoß gegen Art. 7 dieser Verordnung.

46 Des Weiteren hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass mit den Art. 7 und 67 der Verordnung Nr. 883/2004 verhindert werden soll, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung oder die Höhe von Familienleistungen davon abhängig machen kann, dass die Familienangehörigen des Erwerbstätigen in dem die Leistungen erbringenden Mitgliedstaat wohnen (vgl. u. a. Urteil vom , Finanzamt Österreich [Familienleistungen für Entwicklungshelfer], C-372/20, EU:C:2021:962, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47 Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 ist daher dahin auszulegen, dass die Familienleistungen, die ein Mitgliedstaat Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in diesem Mitgliedstaat wohnen, exakt jenen entsprechen müssen, die er Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich rechtfertigen es die Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf diese Bestimmung nicht, dass ein Mitgliedstaat dieser zweiten Personengruppe Leistungen in anderer Höhe gewährt als der ersten Personengruppe.

48 Sicherlich ist der in Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 normierte Grundsatz der Gleichstellung insofern kein absoluter, als die Antikumulierungsvorschriften des Art. 68 dieser Verordnung Anwendung finden, wenn mehrere Ansprüche aufgrund unterschiedlicher Rechtsordnungen geschuldet werden (Urteil vom , Moser, C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49 Der Gerichtshof hat konkret zu Art. 68 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 entschieden, dass solche Antikumulierungsvorschriften dem Empfänger der von mehreren Mitgliedstaaten gezahlten Leistungen einen Gesamtbetrag an Leistungen garantieren sollen, der gleich dem Betrag der günstigsten Leistung ist, die ihm nach dem Recht nur eines dieser Staaten zusteht (Urteil vom , Moser, C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50 Bei der Prüfung der Behandlung der von der Verordnung Nr. 883/2004 erfassten Arbeitnehmer kommt es daher auf den wirtschaftlichen Wert dieser Leistungen nicht im Hinblick auf die Kaufkraft und das Preisniveau am Wohnort der betreffenden Personen, sondern im Hinblick auf die Höhe der geschuldeten Leistungen an.

51 In Anbetracht der in Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Fiktion, wonach eine Person für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung von Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf diese Leistungen hat, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden, und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Wanderarbeitnehmern die sozialpolitischen Maßnahmen des Aufnahmemitgliedstaats unter den gleichen Bedingungen zugutekommen müssen wie inländischen Arbeitnehmern, da sie mit den Steuern und Sozialabgaben, die sie in diesem Staat aufgrund der dort von ihnen ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit entrichten, zur Finanzierung dieser Maßnahmen beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Aubriet, C-410/18, EU:C:2019:582, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung), dürfen die Mitgliedstaaten gemäß dieser Verordnung die Familienleistungen nicht nach Maßgabe des Wohnstaats der Kinder des Begünstigten anpassen.

52 Genau dies ist hier der Fall. Nur die Empfänger von Familienleistungen, deren Kinder nicht in Österreich wohnen, unterliegen nämlich dem Mechanismus zur Anpassung der Höhe dieser Leistungen an das Preisniveau und die Kaufkraft am Wohnort ihrer Kinder. Ein solcher Mechanismus gilt nicht für Familienleistungen, die für Kinder gewährt werden, die in verschiedenen Regionen Österreichs wohnen, obwohl zwischen diesen Regionen Preisniveauunterschiede bestehen, die mit denen vergleichbar sind, die zwischen der Republik Österreich und anderen Mitgliedstaaten bestehen können.

53 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass - wie der Generalanwalt in den Nrn. 77 bis 79 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - nicht feststeht, dass die Höhe der von der Republik Österreich gewährten Familienleistungen je nach den tatsächlichen Lebenshaltungskosten oder den tatsächlichen Ausgaben für den Unterhalt der Kinder variiert, da diese Beträge pauschal nach Maßgabe der Zahl und gegebenenfalls des Alters der Kinder oder einer Behinderung der Kinder gewährt werden.

54 Folglich kann nicht damit argumentiert werden, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom , Moser (C-32/18, EU:C:2019:752, Rn. 53 und 54), festgestellt hat, dass das mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgte Ziel entscheidend ist und dass ein Mitgliedstaat die tatsächlichen Einkommensverhältnisse im Beschäftigungsstaat berücksichtigen kann. In der Rechtssache, die diesem Urteil zugrunde lag, ging es nämlich um ein Kinderbetreuungsgeld, das in seiner einkommensabhängigen Variante eine Ersatzleistung für das vorherige Erwerbseinkommen darstellte und keine Familienleistung betraf, die keinen Zusammenhang mit den tatsächlichen Kosten aufwies und deren Höhe unabhängig von einer im Ermessen liegenden individuellen Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit der Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands bemessen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 36).

55 Außerdem trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof - wie die Republik Österreich geltend gemacht hat - in seinem Urteil vom , Lenoir (313/86, EU:C:1988:452), anerkannt hat, dass Leistungen, die zur Deckung gewisser durch den Beginn des Schuljahres der Kinder veranlasster Kosten bestimmt sind, eng an das soziale Umfeld und damit auch an den Wohnort der Betroffenen gebunden sind, so dass dieser Wohnort berücksichtigt werden kann, doch hat der Gerichtshof in Rn. 16 dieses Urteils entschieden, dass regelmäßige Geldleistungen, wenn sie "ausschließlich nach Maßgabe der Zahl und gegebenenfalls des Alters der Familienangehörigen" gewährt werden, "unabhängig vom Wohnort des Empfängers und seiner Familie zahlbar" bleiben. Die Republik Österreich kann sich daher nicht auf dieses Urteil berufen.

56 Was schließlich die Relevanz des von der Republik Österreich angeführten Urteils vom , Pinna (41/84, EU:C:1986:1), anbelangt, genügt der Hinweis, dass - wie der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat - der dieser Rechtssache zugrunde liegende Rechtsstreit einen Unterschied hinsichtlich des Betrags oder der Höhe der Leistungen je nachdem, in welchem Staat die betreffenden Familienangehörigen wohnten, zum Gegenstand hatte, was zur Folge hatte, dass die erworbenen Rechte des Wanderarbeitnehmers geschmälert wurden und damit das Ziel, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Union zu gewährleisten, missachtet wurde. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass im Hinblick auf die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Unionsrechtsvorschriften keine Unterschiede eingeführt werden dürfen, die zu denen hinzutreten, die sich bereits aus der mangelnden Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit ergeben. Diese Beurteilung gilt erst recht für eine nationale Bestimmung, die von dem vom Unionsgesetzgeber aufgestellten und in Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Grundsatz der Gleichstellung abweicht.

57 Zur Vereinbarkeit des Indexierungsmechanismus, der in der neuen Regelung für das Vereinigte Königreich innerhalb der Europäischen Union vorgesehen war, mit dem Unionsrecht ist auf zwei Gesichtspunkte hinzuweisen. Zum einen ist diese Regelung nie in Kraft getreten, weshalb die Kommission auch keinen Vorschlag zur Änderung der Verordnung Nr. 883/2004 vorgelegt hat, der es den Mitgliedstaaten erlaubt hätte, die Sozialleistungen für Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen als der Arbeitnehmer, zu indexieren. Zum anderen wäre eine solche Änderung - wenn sie vom Unionsgesetzgeber angenommen worden wäre - wie das Urteil vom , Pinna (41/84, EU:C:1986:1), zeigt, jedenfalls im Hinblick auf Art. 45 AEUV ungültig gewesen.

58 Nach alledem ist die erste Rüge, mit der ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 geltend gemacht wird, begründet.

Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011

[...] Würdigung durch den Gerichtshof

93 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71, der im Wesentlichen denselben Wortlaut wie Art. 4 der Verordnung Nr. 492/2011 hatte, entsprechend Art. 39 EG (jetzt Art. 45 AEUV) zugunsten der Personen, für die die Verordnung galt, die Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit ohne Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit dadurch sicherstellen sollte, dass er alle Diskriminierungen beseitigt, die sich insoweit aus den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben (Urteil vom , Landtová, C-399/09, EU:C:2011:415, Rn. 42).

94 Der in Art. 45 AEUV verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 konkretisiert, der klarstellt, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen genießt wie die inländischen Arbeitnehmer, wobei diese Bestimmung ebenso auszulegen ist wie Art. 45 AEUV (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 24 und 70 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

95 Der durch Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 auf Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, erstreckte Begriff der "sozialen Vergünstigung" umfasst alle Vergünstigungen, die - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern im Allgemeinen gewährt werden, und zwar hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland, und deren Erstreckung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Union und daher auch ihre Integration im Aufnahmemitgliedstaat zu fördern, und dieser Begriff der sozialen Vergünstigung darf nicht eng ausgelegt werden (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 25 und 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

96 Des Weiteren ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass bestimmte Leistungen sowohl Familienleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 883/2004 als auch soziale Vergünstigungen im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 bilden können (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

97 Wie der Generalanwalt in Nr. 124 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag sowohl Familienleistungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 unterliegen, als auch soziale Vergünstigungen, die in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 fallen, sind, während der Familienbonus Plus, der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Alleinerzieherabsetzbetrag und der Unterhaltsabsetzbetrag nur dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 unterliegen.

98 Jedenfalls konkretisieren sowohl Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 als auch Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 den in Art. 45 AEUV verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit. Daher sind diese beiden Bestimmungen grundsätzlich in gleicher Weise und im Einklang mit Art. 45 AEUV auszulegen.

99 Eine auf dem Wohnsitz beruhende Unterscheidung, die sich stärker zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken kann, da Gebietsfremde meist Ausländer sind, stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nur dann zulässig wäre, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100 Im vorliegenden Fall bewirkt der Anpassungsmechanismus, dass sich die Höhe der Familienleistungen und der sozialen Vergünstigungen, auf die er abzielt, nach dem Preisniveau am Wohnort der Kinder ändert. Anpassungen nach oben oder unten werden daher nur vorgenommen, wenn das Kind nicht in Österreich wohnt. Unter diesen Umständen lässt sich die unmittelbare Verbindung zum Wohnstaat der Kinder nicht bestreiten.

101 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 130 und 131 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, betrifft die Verringerung der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen, die sich aus dem im Anpassungsmechanismus festgelegten Kriterium des Wohnsitzes der Kinder ergibt, im Wesentlichen die Wanderarbeitnehmer, da insbesondere ihre Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen können (Urteil vom , Giersch u. a., C-20/12, EU:C:2013:411, Rn. 44). Außerdem lässt sich der dem Gerichtshof vorliegende Akte entnehmen, dass aufgrund der Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten in diesen Staaten im Vergleich zu jenen in Österreich, die sich in den in der Anpassungsverordnung enthaltenen Anpassungsfaktoren widerspiegeln, die Arbeitnehmer, die von diesen Staaten aus von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, Familienleistungen sowie soziale und steuerliche Vergünstigungen großteils in geringerer Höhe erhalten als inländische Arbeitnehmer.

102 Zum Vorbringen der Republik Österreich, der Anpassungsmechanismus stelle angesichts der Unterschiede im Preisniveau im Vergleich zu den betreffenden Staaten sicher, dass ungleiche Sachverhalte auch entsprechend differenziert behandelt würden, genügt der Hinweis, dass die dem Anpassungsmechanismus unterliegenden Familienleistungen sowie sozialen und steuerlichen Vergünstigungen nicht nach Maßgabe der tatsächlichen Kosten für den Unterhalt der Kinder festgesetzt werden. Diese Leistungen und Vergünstigungen werden nämlich pauschal gewährt und richten sich nach der Zahl und gegebenenfalls dem Alter der Kinder, ohne deren tatsächlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

103 Folglich betrifft der Anpassungsmechanismus, nach dem das für die Höhe der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen maßgebliche Kriterium der Auslandswohnsitz der Kinder ist, Wanderarbeitnehmer stärker. Er stellt daher eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nur zulässig ist, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist.

104 Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass eine solche mittelbare Diskriminierung dann gerechtfertigt ist, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung eines legitimen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C-802/18, EU:C:2020:269, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105 Die von der Republik Österreich angeführte Rechtfertigung, wonach mit der Anpassung der Höhe der Leistungen für gebietsfremde Kinder sichergestellt werden solle, dass die Unterstützung und die daraus folgende Erleichterung der Familienlasten wertmäßig den für in Österreich wohnhaften Kindern gewährten Leistungen entsprächen, entbehrt aus den oben in Rn. 102 angeführten Gründen jeder Grundlage. Darüber hinaus unterliegen die in Rede stehenden Familienleistungen und sozialen Vergünstigungen, wie bereits oben in Rn. 52 ausgeführt worden ist, nicht dem Anpassungsmechanismus, wenn die Kinder in Österreich wohnen, obwohl zwischen den Regionen dieses Mitgliedstaats unstreitig Unterschiede im Preisniveau bestehen, die mit jenen vergleichbar sind, die möglicherweise zwischen der Republik Österreich und anderen Mitgliedstaaten bestehen. Diese mangelnde Kohärenz bei der Anwendung des Anpassungsmechanismus bestätigt, dass die von der Republik Österreich geltend gemachte Rechtfertigung nicht durchgreifen kann.

106 Außerdem kann die Ungleichbehandlung, die sich aus dem Anpassungsmechanismus ergibt, nicht mit dem von der Republik Österreich geltend gemachten Ziel der Gewährleistung der Unterhaltsfunktion sowie der Ausgewogenheit des Sozialsystems gerechtfertigt werden.

107 Zunächst ergibt sich nämlich, wie die Kommission im schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof ausgeführt hat, aus dem Rechnungshofbericht weder, dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts besteht, der durch die bloße Einführung eines Anpassungsmechanismus abgeholfen werden könnte, noch, dass der Anpassungsmechanismus geeignet ist, die Verwaltung der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen zu vereinfachen. Denn selbst wenn man - wie die Republik Österreich - davon ausgeht, dass die zusätzlichen Kosten des Anpassungsmechanismus sehr beschränkt seien, ändert dies nichts daran, dass es solche zusätzlichen Kosten gibt. Wie der Generalanwalt in Nr. 142 seiner Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat, wird jedoch nicht bestritten, dass diese Kosten von allen getragen werden, die Beiträge zum Staatshaushalt leisten. Außerdem lässt sich dem Rechnungshofbericht entnehmen, dass das Risiko einer Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit nicht von der Zahlung von Leistungen an Arbeitnehmer, deren Kinder außerhalb Österreichs wohnen, herrührt, da diese Leistungen nur etwa 6 % der Aufwendungen für Familienleistungen ausmachen, sondern dass dieses Risiko sich aus dem Fehlen einer angemessenen Kontrolle in Bezug auf die Gewährung dieser Leistungen ergeben könnte.

108 Sodann beruht die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union auf einer Reihe von Grundsätzen, darunter dem der Gleichbehandlung. Seine Umsetzung im Bereich der sozialen Sicherheit wird zudem durch eine Unionsregelung gewährleistet, die insbesondere auf dem Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts in diesem Bereich beruht. Mit diesem in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 verankerten Grundsatz sollen Ungleichbehandlungen beseitigt werden, die bei Arbeitnehmern, die innerhalb der Union zu- und abwandern, die Folge einer teilweisen oder vollständigen Kumulierung der anwendbaren Rechtsvorschriften wären. Um die Gleichbehandlung aller im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Personen am besten zu gewährleisten, unterliegt daher nach Art. 11 Abs. 3 dieser Verordnung eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, in der Regel den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats und muss nach Art. 4 dieser Verordnung dort die gleichen Leistungen erhalten wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats.

109 Schließlich hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass Wanderarbeitnehmer mit den Steuern und Sozialabgaben, die sie im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund der dort von ihnen ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit entrichten, zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen dieses Staats beitragen. Daher müssen ihnen diese Maßnahmen unter den gleichen Bedingungen zugutekommen wie inländischen Arbeitnehmern (Urteil vom , Aubriet, C-410/18, EU:C:2019:582, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dadurch wird die Bedeutung des Ansatzes bestätigt, wonach Wanderarbeitnehmer in Bezug auf Familienleistungen sowie steuerliche und soziale Vergünstigungen gleichbehandelt werden müssen.

110 Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass die österreichische Familienbeihilfe durch Arbeitgeberbeiträge finanziert wird, die auf der Grundlage des Gesamtbetrags der Löhne der von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer berechnet werden, so dass der Wanderarbeitnehmer in gleicher Weise wie ein inländischer Arbeitnehmer an der Festsetzung der Höhe der von seinem Arbeitgeber gezahlten Beträge beteiligt ist, ohne dass es auf den Wohnort der Kinder der Arbeitnehmer ankommt. Gleiches gilt für den Familienbonus Plus und die anderen Absetzbeträge, die dem Anpassungsmechanismus unterliegen, da diese steuerlichen Vergünstigungen aus der Steuer auf die Einkommen der Arbeitnehmer finanziert werden, ohne danach zu unterscheiden, ob ihr Kind in Österreich wohnt oder nicht.

111 Unter diesen Umständen ist, wie der Generalanwalt in Nr. 146 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, davon auszugehen, dass die durch den Anpassungsmechanismus eingeführte unterschiedliche Behandlung je nach dem Wohnort des Kindes des betreffenden Arbeitnehmers weder geeignet noch erforderlich ist, um die Unterhaltsfunktion sowie die Ausgewogenheit des Sozialsystems zu gewährleisten.

112 Die zweite Rüge der Kommission ist daher ebenfalls begründet. […]"

Wie im /2022 näher dargestellt, war auf Grund des das mit /2020 gestellte Vorabentscheidungsersuchen zurückzunehmen.

Verdrängungswirkung des Unionsrechts

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die Wirkungen des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts für alle Einrichtungen eines Mitgliedstaats verbindlich, ohne dass dem insbesondere die innerstaatlichen Bestimmungen, auch wenn sie - was hier nicht der Fall ist - Verfassungsrang haben, entgegenstehen könnten (vgl. , Internationale Handelsgesellschaft, EU:C:1970:114, Rn. 3; , C-379/19, C-547/19, C-811/19 und C-840/19, Euro Box Promotion u. a., EU:C:2021:1034, Rn 251; , RS, EU:C:2022:99, Rn. 50).

Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts besagt, dass das Unionsrecht dem Recht der Mitgliedstaaten vorgeht. Dieser Grundsatz verpflichtet daher alle mitgliedstaatlichen Stellen, den verschiedenen Bestimmungen des Unionsrechts volle Wirksamkeit zu verschaffen, wobei das Recht der Mitgliedstaaten die diesen Bestimmungen zuerkannte Wirkung im Hoheitsgebiet dieser Staaten nicht beeinträchtigen darf. Nach diesem Grundsatz ist ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat und nationale Rechtsvorschriften nicht im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts auslegen kann, verpflichtet, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede - auch spätere - entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (vgl. , Costa, 6/64, EU:C:1964:66, S. 1270 und 1271; , C-624/18 und C-625/18, A. K. u. a., EU:C:2019:982, Rn. 157, 158 und 160; , C-512/18 und C-520/18, La Quadrature du Net u. a., EU:C:2020:791, Rn. 214 und 215; , G. D., EU:C:2022:258, Rn. 118).

Die Entscheidungen des EuGH binden alle Gerichte der Mitgliedstaaten auch für andere Fälle; sie schaffen objektives Recht (vgl. u. v. a.). Alle Gerichte der Mitgliedstaaten haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und für die volle Wirksamkeit der unionsrechtlichen Normen Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen (vgl. u. a.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof vornimmt, erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift und vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (vgl. , TE, EU:C:2019:665, Rn. 53; , Hein, EU:C:2018:1018, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Nur der Gerichtshof kann in Ausnahmefällen und aus zwingenden Erwägungen der Rechtssicherheit eine vorübergehende Aussetzung der Verdrängungswirkung herbeiführen, die eine unionsrechtliche Vorschrift gegenüber mit ihr unvereinbarem nationalem Recht ausübt (vgl. , G. D., EU:C:2022:258, Rn. 119).

Eine solche zeitliche Beschränkung der Wirkungen einer Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof ist im nicht erfolgt.

Nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Steht der Anwendung einer nationalen Norm der Anwendungsvorrang unmittelbar anwendbaren Unionsrechts entgegen, wäre die Anwendung der nationalen Norm einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung gleichzuhalten, die mit den Vorgaben des gleichheitsrechtlichen Willkürverbotes nicht zu vereinbaren ist (vgl. ). Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale gesetzliche Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs erreicht die Verdrängung des nationalen Rechts "bloß jenes Ausmaß, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen" (vgl. ; ; ).

Lässt das Unionsrecht für eine bestimmte Konstellation mehrere Lösungen zu, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, innerhalb des vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmens eine nationale Regelung zu normieren. Solange der Gesetzgeber diese Entscheidung nicht getroffen hat, und soweit dem Unionsrecht unmittelbare Anwendbarkeit zukommt, muss der Rechtsanwender eine "bereinigte Rechtslage" zur Anwendung bringen. Bestehen mehrere gleichwertige unionsrechtskonforme Lösungen, hat nach dieser Rechtsprechung der Rechtsanwender nicht ein freies Wahlrecht, sondern hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jene Lösung zur Anwendung zu bringen, mit welcher materiell am wenigsten in das nationale Recht eingegriffen wird. Soweit als möglich ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die normative Anordnung des nationalen Gesetzgebers aufrechtzuerhalten (vgl. ; ; ; siehe ).

Unzulässigkeit einer Indexierung an Hand der Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedstaaten (Vertragsstaaten)

Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Der EuGH hat eindeutig ausgesprochen, dass Art. 67 VO 883/2004 dahin auszulegen ist, dass die Familienleistungen, die ein Mitgliedstaat (Vertragsstaat) Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in diesem Mitgliedstaat (Vertragsstaat) wohnen, exakt jenen entsprechen müssen, die er Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat (Vertragsstaat) wohnen (Rn. 47). Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten (Vertragsstaaten) rechtfertigen im Hinblick auf diese Bestimmung nicht, dass ein Mitgliedstaat (Vertragsstaat) dieser zweiten Personengruppe Leistungen in anderer Höhe gewährt als der ersten Personengruppe (Rn. 47).

Im Hinblick auf die Wohnsitzfiktion des Art. 67 VO 883/2004 und der Beiträge von Wanderarbeitnehmern zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen des Aufnahmemitgliedstaats dürfen die Mitgliedstaaten (Vertragsstaaten) gemäß dieser Verordnung die Familienleistungen nicht nach Maßgabe des Wohnstaats der Kinder des Begünstigten anpassen (Rn. 51).

Eine Indexierung von Sozialleistungen für Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat (Vertragsstaat) wohnen als der Arbeitnehmer, an Hand der Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten (Vertragsstaaten) wäre, selbst wenn dies das Sekundärrecht zuließe, was nicht der Fall ist, nach dem Primärrecht der Union (Art. 45 AEUV) ungültig (Rn. 57 unter Hinweis auf , Pinna, EU:C:1986:1).

Die BF in der hier anhängigen Rechtssache ist Unionsbürgerin, in Österreich erwerbstätig, ihre Kinder wohnen ständig in einem anderen Mitgliedstaat der Union.

Nichtanwendung von § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988

Die einzige unionsrechtskonforme Lösung der hier anhängigen Rechtssache kann nur darin bestehen, gemäß dem § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 infolge Verdrängung durch das Unionsrecht nicht anzuwenden.

Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG), er ist gemäß § 279 BAO ersatzlos aufzuheben.

Herstellung des der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustands

Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag.

Steht Familienbeihilfe zu, ist diese gemäß § 11 FLAG 1967 vom Finanzamt auszuzahlen und hierüber vom Finanzamt gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Nur wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht zur Gänze stattzugeben ist, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 26 Rz 3 m. w. N.).

Gemäß § 25 Abs 1 BFGG und § 282 BAO ist das Finanzamt verpflichtet, im gegenständlichen Fall mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die Auszahlung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags im ausgeführten Umfang, also ohne Anwendung der Indexierungsbestimmungen von § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988, vorzunehmen.

Beschluss des Nationalrats vom

Der Nationalrat hat in seiner 169. Sitzung der 27. Gesetzgebungsperiode am auf Grund des beschlossen, die Regelungen betreffend Indexierung nach der Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedstaaten bzw. Vertragsstaaten aufzuheben.

In Bezug auf die Indexierung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag wurde der dem Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 2678/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden sowie über den Antrag 415/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücknahme der Indexierung der Familienbeihilfe sowie über den Antrag 2282/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe sowie über den Antrag 470/A der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und das Bundesgesetz vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988) geändert wird, vom (AB 1633 BlgNR 27. GP) zugrunde liegende Gesetzesantrag am beschlossen (595/BNR):

"Artikel 1

Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967

Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. I Nr. 376/1967, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 43/2022, wird wie folgt geändert:

[...] 2. § 8a entfällt.

3. In § 14 Abs. 4 entfällt die Wendung "und § 8a".

[...] 5. § 53 Abs. 4 entfällt.

6. Dem § 55 werden folgende Abs. 55 und 56 angefügt:

" ... (56) § 8a entfällt rückwirkend ab mit folgenden Maßgaben:

1. Die Nachzahlungen an Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufgehalten haben oder aufhalten, erfolgen automationsunterstützt, soweit auf Grund der im Familienbeihilfenverfahren vorhandenen Daten eine Auszahlung durchführbar ist. Ist mangels Vorliegen von Daten keine Auszahlung durchführbar, ist ein Antrag zu stellen, wobei § 10 Abs. 3 keine Anwendung findet.

2. Familienbeihilfenbeträge für Kinder, die sich ständig in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich aufgehalten haben oder aufhalten, gelten bis zum in Bezug auf die Höhe als rechtmäßig zuerkannt.[...]"

Artikel 2

Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988

Das Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 63/2022, wird wie folgt geändert:

[...] 3. § 33 Abs. 3 lautet:

"(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden."

4. § 33 Abs. 3a Z 2 und Z 5 entfallen.

5. § 33 Abs. 4 Z 4 und 5 entfallen.

6. In § 33 Abs. 7 entfallen die Z 2 sowie die Nummerierung "1." und im letzten Satz entfällt die Wortfolge "oder den an seine Stelle tretenden Betrag."

[...] 11. In § 124b werden folgende Ziffern angefügt:

"409. § 33 Abs. 3 in der Fassung vor BGBl I Nr. XX/2022 entfällt rückwirkend ab und § 33 Abs. 3 in der Fassung BGBl I Nr. XX/2022 tritt mit in Kraft. Dabei gilt:

a) Die Nachzahlungen des Kinderabsetzbetrages für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufgehalten haben oder aufhalten, erfolgen im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe automationsunterstützt, soweit auf Grund der im Familienbeihilfenverfahren vorhandenen Daten eine Auszahlung durchführbar ist.

b) Der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich aufgehalten haben oder aufhalten, gilt bis zum in Bezug auf die Höhe als rechtmäßig zuerkannt.

410. a) § 33 Abs. 3a, Abs. 4 und Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 sind für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufhalten, erstmalig anzuwenden, wenn

- die Einkommensteuer veranlagt oder durch Veranlagung festgesetzt wird, bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2019; die Änderung des § 33 mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2022 stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar.

- die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben wird, für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden. Wurden für derartige Lohnzahlungszeiträume § 33 Abs. 3a und Abs. 4 in der Fassung des BGBl. I Nr. xx/2022 noch nicht berücksichtigt, hat der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer eine Aufrollung gemäß § 77 Abs. 3 so bald wie möglich, jedoch spätestens bis durchzuführen, sofern die technischen und organisatorischen Möglichkeiten dazu vorliegen.

§ 205 BAO ist nicht anzuwenden.

b) § 33 Abs. 3a, Abs. 4 und Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 sind für Kinder, die sich ständig in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich aufhalten, erstmalig anzuwenden, wenn

- die Einkommensteuer veranlagt oder durch Veranlagung festgesetzt wird, bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2023,

- die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben wird, für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden.

c) Für Kinder, die sich ständig in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich aufhalten, sind § 33 Abs. 3a, Abs. 4 und Abs. 7 im Rahmen der Veranlagung des Kalenderjahres 2022 wie folgt anzuwenden:

- Für die Kalendermonate Jänner bis Juli 2022 sind § 33 Abs. 3a und Abs. 4 Z 3 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2022 anzuwenden und für die Kalendermonate August bis Dezember 2022 sind § 33 Abs. 3a und Abs. 4 Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 anzuwenden.

- Für die Kalendermonate Jänner bis Juli 2022 ist jeweils ein Zwölftel der Beträge gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 und 2 und Abs. 7 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2022 heranzuziehen und für die Kalendermonate August bis Dezember 2022 ist jeweils ein Zwölftel der Beträge gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 und 2 und Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 heranzuziehen."

Stattgabe der Beschwerde

Wie im Erkenntnis ausgeführt, ist § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 infolge Verdrängung durch das Unionsrecht in der in diesem Verfahren gegebenen Sachverhaltskonstellation nicht anzuwenden. Die Indexierungsbestimmungen des § 8a FLAG und des § 33 Abs. 3 Z. 2 EStG widersprechen dem Unionsrecht und sind daher in Fällen, in denen Angehörige von Erwerbstätigen, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht haben und deren Kinder in anderen Mitgliedsstaaten wohnen, nicht mehr anzuwenden ().

In Bezug auf die strittige Rechtsfrage entspricht der hier maßgebende Sachverhalt jenem der Entscheidung :

Die BF in der hier anhängigen Rechtssache ist Unionsbürgerin, in Österreich nichtselbständig erwerbstätig, ihre Kinder wohnen ständig in einem anderen Mitgliedstaat der Union.

Der Bericht des Ausschusses für Jugend und Familie vom und der Beschluss des Nationalrats vom zu AB 1633 BlgNR 27. GP (595/BNR) bestätigen, dass auch aus der Sicht des österreichischen Gesetzgebers die Aufhebung von § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 (mit verschiedenen, im gegenständlichen Verfahren nicht maßgebenden Übergangsregelungen) die gesetzgeberische Lösung zur Umsetzung des ist.

Hieraus folgt, dass der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) behaftet gemäß § 279 BAO ersatzlos aufzuheben und auf die der beschwerdeführenden Partei zustehenden Familienleistungen die Indexierung nach § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 nicht anzuwenden ist.

Zur Herstellung des der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustands ist gleichfalls auf das Erkenntnis zu verweisen.

Der Gesetzesbeschluss des Nationalrats betreffend Aufhebung der Indexierungsregelungen (595/BNR) ist Teil des Verfahrens der Bundesgesetzgebung, an dem auch der Bundesrat mitwirkt (Art. 42 B-VG). Das verfassungsmäßige Zustandekommen der Bundesgesetze wird gemäß Art. 47 B-VG vom Bundespräsidenten und Gegenzeichnung des Bundeskanzlers beurkundet; Bundesgesetze treten, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft (Art. 49 B-VG).

Ein wirksames Bundesgesetz, das vom Bundesfinanzgericht anzuwenden wäre, liegt daher mangels Beurkundung und Kundmachung im Zeitpunkt der Approbation (und Bekanntgabe) dieses Erkenntnisses noch nicht vor.

Im Hinblick auf die bisherige Verfahrensdauer und die voraussichtlich erforderliche Zeit bis zur automationsunterstützten Auszahlung nach Inkrafttreten der beschlossenen Novellierung war im Interesse einer raschen Auszahlung das Inkrafttreten der Änderungen und die automationsunterstützte generelle Auszahlung nicht abzuwarten, sondern spruchgemäß zu entscheiden.

Finanzamt Österreich

§ 323b Abs. 1 bis 3 BAO lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 99/2020 (2. FORG):

§ 323b. (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.

(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.

(3) Eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.

Die gegenständliche Entscheidung ergeht daher an das Finanzamt Österreich.

Zuständigkeitsänderung

Durch den Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der unbesetzten Gerichtsabteilung 1064 abgenommen und zum Stichtag der Gerichtsabteilung 1078 neu zugeteilt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Rechtsfrage, ob ein Anpassungsmechanismus in Form der Indexierung nach der Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedsstaaten bzw. Vertragsstaaten in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, eindeutig beantwortet. Basierend auf der geltenden österreichischen Rechtslage gibt es nur eine unionsrechtskonforme Lösung, nämlich auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids und damit die Auszahlung des Unterschiedsbetrags ohne Anwendung einer Indexierung in Bezug auf Kaufkraftunterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten. Es liegt daher nunmehr keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Die Revision ist daher nicht zuzulassen.

Wien, am

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Verweise
/2022
/2020


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101895.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at