TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.11.2022, RV/2100352/2019

Wiederaufnahme des Verfahrens und keine Vorsteuererstattung für Roaminggebühren, weil Inlandsumsätze vorliegen

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Folgerechtssätze
RV/2100352/2019-RS1
wie RV/2101058/2018-RS1
Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren „tatsächliche Nutzung oder Auswertung“ im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, vertreten durch ***1*** Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, ***2***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des (nunmehr) FAÖ vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend

a) Wiederaufnahme des Verfahrens der Erstattung von Vorsteuern für die Zeiträume
1-12/2013, 1-3/2014, 4-6/2014, 7-9/2014, 10-12/2014, 1-12/2014, 1-3/2015, 7-9/2015

b) Erstattung von Vorsteuern für die Zeiträume
1-12/2013, 1-3/2014, 4-6/2014, 7-9/2014, 10-12/2014, 1-12/2014, 1-3/2015, 7-9/2015

I. zu Recht erkannt:

Der Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens für 1-12/2013 wird aufgehoben.
Die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens für die übrigen Zeiträume
1-3/2014, 4-6/2014, 7-9/2014, 10-12/2014, 1-12/2014, 1-3/2015, 7-9/2015
wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde betreffend die Erstattung von Vorsteuern für die Zeiträume
1-3/2014, 4-6/2014, 7-9/2014, 10-12/2014, 1-12/2014, 1-3/2015, 7-9/2015 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

III. Beschluss

Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Vorsteuererstattung 1-12/2013 wird gem. § 261 BAO als gegenstandslos erklärt.

IV. Gegen dieses Erkenntnis (und den Beschluss) ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist ein Telekommunikationsunternehmen mit Sitz im Drittland (Brasilien).
In den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen machte die Bf. Vorsteuern aus von österreichischen Unternehmen für Roaminggebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer im Erstattungsverfahren gem. VO BGBl 279/1995 idF BGBl 2014/158 geltend, da die Bf. der Ansicht war, keine Umsätze in Österreich zu erzielen.

Das Finanzamt erstattete zunächst die beantragten Vorsteuerbeträge mit Bescheiden betreffend die gegenständlichen Zeiträume.

Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt diese Verfahren wieder auf und begründete die Wiederaufnahmen durch Verweis auf die in der Begründung der Sachbescheide näher ausgeführten neu hervorgekommenen Tatsachen folgendermaßen:
"Seitens der österreichischen Finanzverwaltung wurde bekannt, dass auf Basis von zwischen der Konzernmutter des österreichischen Telekomunternehmers und dem Drittstaatstelekommunikationsunternehmer geschlossener Rabattvereinbarungen es zur nachträglichen Rabattierung von Roamingdienstleistungen kommt, wobei der Rabatt über die Konzernmutter verrechnet/weitergeleitet wird. Nach Minderung Bemessungsgrundlage beim österreichischen Telekomunternehmer wären die Vorsteuern des Leistungsempfängers zu korrigieren."

In der Beschwerde vom wurde seitens der steuerlichen Vertretung der Bf. vorgebracht, dass beim Mandanten auskunftsgemäß keine Gutschriften vorlägen.
Für den Fall, dass es diese gäbe, wäre es unstrittig, dass die Vorsteuern des Leistungsempfängers im gegenständlichen Zeitraum zu mindern seien.

In der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom führte das Finanzamt zur Wiederaufnahme aus, dass im Zuge der Ermittlungen der Außenprüfung Rabattzahlungen bzw. von neuerlichen Erstattungsanträgen die Nichtanwendung des Erstattungsverfahrens festgestellt worden sei, was als neue Tatsache gewertet werden könne. Diese Umstände seien im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt gewesen.
Eine wesentliche neue Tatsache sei eben gerade, dass sich durch die Prüfung die Steuerpflicht in Österreich und damit das Umsatzsteuerveranlagungsverfahren ergeben habe. Die Erstattungsverordnung finde keine Anwendung mit Verweis zur Begründung der BVE zu den Sachbescheiden: Es komme zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich und Steuerbarkeit der Umsätze im Inland.
Ob es im Drittland eine vergleichbare Umsatzsteuerbelastung gegeben habe, sei nicht nachgewiesen worden..
Auf die Umsatzsteuerveranlagungspflicht unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Gewinnaufschlages sowie gewährter Rabatte (§ 16 UStG 1994) werde verwiesen.

Mit wurde ein Vorlageantrag eingebracht und vertrat die Bf. die ausführlich begründete Ansicht, dass die VO 383/2003 idF 221/2009 unionsrechtswidrig sei. Weiters habe die Bf. keine Rabatte erhalten.
Der alleinige Umstand, dass das Finanzamt bei der Weiterverrechnung von Roamingdienstleistungen anders als im Rahmen des ursprünglichen Vorsteuererstattungsverfahrens nunmehr von einer Umsatzsteuerpflicht der Weiterverrechnung in Österreich ausgehe, stelle lediglich eine geänderte rechtliche Beurteilung eines bereits ursprünglich bekannten Sachverhaltes dar und bilde daher keinen Wiederaufnahmegrund.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Nach der Aktenlage machte die Bf. in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen Vorsteuern resultierend aus von österreichischen Mobiltelefonnetzbetreibern (Providern) für Roaminggebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer im Erstattungsverfahren gem. VO BGBl 279/1995 idF BGBl 2014/158 geltend.
Inhalt dieser Roamingleistungen ist die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers an die Bf. zur Nutzung durch deren Kunden.

Das Finanzamt erstattete diese Umsatzsteuer.
Im Zuge umfassender Überprüfungen durch die Außenprüfung, die mehrere Telekommunikationsunternehmen betraf, wurde festgestellt, dass österreichische Telekommunikationsunternehmen Drittlandsunternehmen nachträglich hohe Rabatte auf verrechnete Roaminggebühren gewährt hatten, so auch der Bf. in den Jahren 2014, 2015 und 2017.
Im Jahr 2013 wurden der Bf. keine Rabatte gutgeschrieben.

Die Zuordnung der Rabatte konnte anhand der TADIG (Transferred Account Data Interchange Group) Codes eindeutig den einzelnen Drittlandsunternehmen zugeordnet werden.
Der TADIG Code dient der eindeutigen Identifizierung von Netzwerk-Operatoren in einem mobilen (GSM) Netzwerk und wird für Zwecke von Roaming-Abrechnungen benötigt. Sie haben eine Länge von 5 Zeichen. Die ersten drei Zeichen repräsentieren den Ländercode. Die anschließenden zwei Zeichen identifizieren die Gesellschaft in diesem Land. Der Bf. sind die TADIG-Codes ***3***, ***4***, ***5*** und ***6*** zugeordnet und waren die festgestellten Gutschriften somit eindeutig zuordenbar.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.

Rechtslage

§ 323b Abs. 1 BAO: Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

§ 303 Abs. 1 BAO: Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder
4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen, ausgeführt hat.

Nach § 2 der Verordnung ist Erstattungszeitraum nach der Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr. Der Erstattungszeitraum kann weniger als drei Monate umfassen, wenn es sich um den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres handelt. In dem Antrag für diesen Zeitraum können auch abziehbare Vorsteuerbeträge aufgenommen werden, die in vorangegangene Erstattungszeiträume des betreffenden Kalenderjahres fallen.

Verordnung über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II Nr. 383/2003 idF BGBl II 221/2009:
§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.

Rechtliche Beurteilung

Wiederaufnahme

Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen.

Tatsachen in diesem Sinne sind Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente sind keine Tatsachen.

Die Tatsachen müssen auch neu hervorkommen, das heißt es muss sich um solche Tatsachen handeln, die bereits vor Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens bestanden haben, aber erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens der Behörde bekannt geworden sind ().

Im Beschwerdefall stützt das Finanzamt seine Wiederaufnahmen im Wesentlichen auf die Tatsache, dass der Bf. von österreichischen Mobilfunkunternehmen Rabatte gewährt worden sind.
Diese waren aufgrund der erfassten TADIG-Codes eindeutig der Bf. zuordenbar.
Für das BFG ist damit erwiesen, dass es diese Rabatte in den Jahren 2014 und 2015 gegeben hat.

Nachträglich gewährte Rabatte führen zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so haben
1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und
2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist (§ 16 Abs 1 UStG 1994).

Die Kenntnis allein dieser Umstände hätte im Spruch anders lautende Bescheide (nämlich jedenfalls solche mit niedrigeren Vorsteuerbeträgen) herbeigeführt, weshalb aus diesem Grund eine Wiederaufnahme grundsätzlich zulässig ist.

Betroffene Zeiträume

Das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln ist nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens betreffend die konkrete Abgabe und einen konkreten Zeitraum zu beurteilen (, vgl auch ).

Von der Tatsache der Rabatte sind nur jene Zeiträume betroffen, in denen es zu Rabattgutschriften gekommen ist, weil die Änderung der Bemessungsgrundlage in dem Zeitraum zu erfassen ist, in dem die Änderung des Entgelts eingetreten ist.

Für das Jahr 2014 und 2015 gilt:

Die Verordnung BGBl 279/1995, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird (im Folgenden kurz: Erstattungsverordnung) regelt, dass der Unternehmer den Erstattungszeitraum grundsätzlich im Ausmaß von 3 Monaten bis zu einem Kalenderjahr selbst wählen kann (vgl. dazu die Beispiele bei Kollmann in Melhardt/Tumpel, UStG § 21 Rz 70).

Die Bf. hat für das Jahr 2014 folgende Erstattungszeiträume gewählt: 1-3/2014, 4-6/2014, 7-9/2014, 10-12/2014, 1-12/2014.

Grundsätzlich kann für einen gewählten Erstattungszeitraum nur ein Antrag gestellt werden (Ruppe/Achatz, UStG 19945, § 21 Tz 58).

Die Bf. hat jedoch zusätzlich zu den quartalsmäßigen Erstattungsanträgen noch einen Jahresantrag gestellt, der sämtliche Quartale, für die bereits ein Antrag gestellt bzw. Vorsteuern vergütet wurden, umfasste. In diesem Antrag hat die Bf. offenbar in den Quartalsanträgen unberücksichtigt gebliebene Vorsteuern geltend gemacht, die das Finanzamt mit Erlassen des Bescheides für das gesamte Kalenderjahr zusätzlich vergütet hat.

In der Erstattungsverordnung ist eine solche Vorgangsweise weder ausdrücklich vorgesehen noch ausdrücklich verboten.

In Hinblick auf den Umstand, dass die Verordnung auf einer Ermächtigung des § 21 Abs 9 UStG 1994 beruht, kann der Erstattung für das ganze Kalenderjahr, die zusätzlich zur quartalsmäßigen Erstattung erfolgt ist, nur die Wirkung einer Jahresveranlagung zukommen, die gleich einem Umsatzsteuer-Jahresbescheid sämtliche Vorauszahlungszeiträume (im Beschwerdefall eben Erstattungszeiträume) umfasst und die bereits geleisteten Vorauszahlungen (im Beschwerdefall Erstattungen ) hinsichtlich der Zahllast als "Vorsoll" berücksichtigt.

Als Auszahlungsbetrag des Bescheides 1-12/2014 blieb damit nach Abzug der bereits erfolgten Erstattungen nur noch die "vergessene Vorsteuer", so wie sich beim Umsatzsteuer-Jahresbescheid die Zahllast als Differenz zwischen Jahressteuer und Vorauszahlungen berechnet.

Daraus folgt konsequenterweise, dass den Bescheiden betreffend die Quartale 1-3/2014, 4-6/2014, 7-9/2014 und 10-12/2014 die Wirkung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen iSd § 21 Abs. 1 UStG 1994 zukommt, für die durch die Erstattung des gesamten Jahres analog zu § 21 Abs. 5 UStG 1994 keine abweichende Fälligkeit begründet wird.

Durch die Zusammenfassung im Erstattungsbescheid 01-12/2014 sind von der Minderung der Bemessungsgrundlage im Jahr 2014 automatisch alle Zeiträume dieses Jahres betroffen, sodass aus Sicht sämtlicher wieder aufgenommener Bescheide zur Vorsteuererstattung eine Tatsache neu hervorgekommen ist.

Das Gleiche gilt für die wiederaufgenommenen Zeiträume 1-3/2015 und 7-9/2015. Auch hier gab es nach der Aktenlage einen Jahreserstattungsantrag 1-12/2015 und die Minderung der Bemessungsgrundlage im Jahr 2015 betrifft automatisch sämtliche in dem Jahr liegenden Zeiträume, sodass auch hier aus Sicht sämtlicher wiederaufgenommener Bescheide zur Vorsteuererstattung eine Tatsache neu hervorgekommen ist (vgl. auch ).

Für das Jahr 2013 sind allerdings keine Rabatte aktenkundig, daher erfolgte die Wiederaufnahme für 2013 zu Unrecht.
Der Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens für den Zeitraum 1-12/2013 war daher wie im Spruch ersichtlich aufzuheben, während die Beschwerde gegen die übrigen Wiederaufnahmebescheide abzuweisen war.

Das Ziel einer amtswegigen Wiederaufnahme ist es, insgesamt ein rechtmäßiges Ergebnis zu erreichen ( unter Hinweis VfGH E , B 2/96).

Bei der Wiederaufnahme von Amts wegen als Ermessensentscheidung ist eine Ermessensübung im Sinne des § 20 BAO zu treffen.

Dieses Ermessen ist vom BFG im Erkenntnis eigenverantwortlich zu üben (vgl. Ritz, BAO6, § 20 Tz 11f mwN). Dies gilt im Verfahren vor dem BFG im Anwendungsbereich der BAO zufolge Art. 130 Abs. 3 B-VG (idF BGBl. I 51/2012).

Unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dabei ist unter dem Gesetzesbegriff Billigkeit nach ständiger Rechtsprechung Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und unter dem Begriff Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben zu verstehen.

Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren. Bei Verfügungen der Wiederaufnahme iSd § 303 BAO ist insbesondere der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu beachten. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 67 mwN zur Rechtsprechung).

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass eine Wiederaufnahme für die gegenständlichen Zeiträume mit nachträglichen Rabattierungen ermessenskonform ausgeübt werden kann.

Bei der im Sinne des § 20 BAO vorzunehmenden Interessenabwägung ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Die steuerlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme sind auch nicht als geringfügig zu werten, wenn die Vorsteuerbeträge aufgrund der neuen Tatsachen im Erstattungsverfahren nicht gewährt werden können und ein Veranlagungsverfahren anzuwenden ist mit Erklärung und Festsetzung der Umsatzsteuer.
Im Übrigen ist ersichtlich, dass die Vorsteuerbeträge im Umsatzsteuerveranlagungsverfahren im Rahmen der Schätzung Berücksichtigung fanden.
Eine zusätzliche Festsetzung im Vorsteuererstattungsverfahren würde einer Doppelgewährung gleichkommen.

Gegenstandsloserklärung

Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde gemäß § 261 BAO mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.

Daher war die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid betreffend Vorsteuererstattung für das Jahr 2013 als gegenstandslos zu erklären, da dieser Bescheid durch Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheides gemäß § 307 Abs. 3 BAO ohnedies nicht mehr im Rechtsbestand ist.

Abweisung der Erstattungsanträge

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln.

Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 158/2014, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.

Nach § 3a Abs. 13 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 40/2014 werden Telekommunikationsdienstleistungen im Drittland ausgeführt, wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer ist und er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

Nach § 3a Abs. 13 lit. a iVm Abs. 14 Z 12 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 52/2009 werden Telekommunikationsdienste im Drittland ausgeführt, wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer ist und er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

Nach § 3a Abs. 16 UStG 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2014 kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich u.a. nach Abs. 13 UStG 1994 bestimmt, der Ort der sonstigen Leistungen danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen behandelt werden.

§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, bestimmt:
"Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird."

Liegt der Leistungsort von Telekommunikationsdienstleistungen nach den umsatzsteuerlichen Bestimmungen demnach im Drittland, verlagert er sich aufgrund der VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 in das Inland, wenn die Telekomdienstleistungen hier genutzt oder ausgewertet werden (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 3a Tz 142/11).

Der VwGH hat am , Ro 2016/15/0035 erkannt: "Während Art. 59a MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG (mit Wirkung vom ) die allgemeine, fakultative Möglichkeit der Besteuerung mittels Leistungsortverlagerung durch die Mitgliedstaaten vorsieht, schreibt Art. 59b MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG (mit Wirkung vom bis ) eine zwingende Leistungsortverschiebung für jene Fälle vor, in denen ein drittländischer Unternehmer Telekommunikationsleistungen an in der Gemeinschaft ansässige Nichtsteuerpflichtige erbringt. Für alle Fälle, die nicht durch Art. 59b MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG erfasst sind, besteht ein Wahlrecht nach Art. 59a MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer (Hrsg), Umsatzsteuergesetz 138. Lieferung (Juli 2017) Art. 43-59b MwStSystRL Rz. 134 ff). Von diesem Wahlrecht hat der österreichische Verordnungsgeber mit der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 Gebrauch gemacht. Die genannte Verordnung findet daher in Art. 59a MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG ihre unionsrechtliche Deckung (vgl. Ecker in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 3a Rz 274 f; Miladinovic, ecolex 2017/39, 75). Werden die Telekommunikationsdienste eines Drittlandunternehmens von einem nicht in der EU ansässigen Nichtunternehmer im Inland genutzt, verlagert sich der Ort der Leistung nach der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF 221/2009 in das Inland (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG4, § 3a Tz 190 (Fall 3); Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur MwSt, 46. Lfg (Dezember 2015), § 3a Abs 15 u 16 Tz 697)."

Das Bundesfinanzgericht stellte in einem anderen Fall zu dieser Rechtsfrage ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Auch der , "SK Telecom Co. Ltd" entschieden und bestätigt, dass die Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF 221/2009 dem Unionsrecht entspricht. Im Urteilstenor heißt es dazu:
"Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen."

Folglich stellen die Roamingleistungen der Bf. an ihre Drittlandskunden Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 im Inland dar, die die Anwendung der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 158/2014, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", ausschließen.

Sie sind als im Inland erbrachte Dienstleistungen in Österreich steuerbar, da deren tatsächliche Nutzung im Inland liegt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, welcher steuerlichen Behandlung diese Roamingleistungen im Drittland unterliegen bzw. mit welchem Umsatzsteuersatz diese dort allenfalls besteuert werden.
Eine Umsatzbesteuerung der Umsätze in Brasilien wurde im Übrigen während des gesamten Verfahrens nicht nachgewiesen.

Eine Erstattung der Vorsteuern im Erstattungsverfahren ist nicht möglich.
(vgl. dazu auch die gefestigte Rechtsprechung des ; , Ra 2019/15/0008; , Ra 2019/15/0010; , Ro 2016/15/0035; weiters die Erkenntnisse des ; , RV/2100402/2019; , RV/2100114/2020).

Damit ist höchstgerichtlich klargestellt, dass sich die entsprechenden Umsätze der Bf. nach der mit dem Unionsrecht in Einklang stehenden Verordnung BGBl II 383/2003 idF BGBl II 221/2009 in das Inland verlagern. Damit ist die Anwendung des Erstattungsverfahrens ausgeschlossen, weil die Bf. Umsätze im Inland erzielt hat.

Das Finanzamt hat die Erstattungsanträge 1-3/2014, 4-6/2014, 7-9/2014, 10-12/2014, 1-12/2014, 1-3/2015, 7-9/2015 zu Recht abgewiesen (durch Festsetzung des Erstattungsbetrages mit Null).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt IV. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Unionsrechtskonformität der VO BGBl. II Nr. 383/2003 liegt eindeutige Rechtsprechung durch EuGH und VwGH vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 261 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3a Abs. 16 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 1 Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003
§ 3a Abs. 14 Z 12 und 13 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 3a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100352.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at