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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.10.2022, RV/7102390/2021

Zielstrebige Ausbildung an einer AHS für Berufstätige

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde der ***1*** ***2*** ***3***-***4***, ***5***, ***6***, vom , Telefaxaufgabe gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 2/20/21/22, nunmehr Finanzamt Österreich, 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, vom , Sozialversicherungsnummer ***7***, wonach zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe (€ 495,30) und Kinderabsetzbetrag (€ 175,20), insgesamt € 670,50, für die im August 1999 geborene ***8*** ***9*** ***4*** für den Zeitraum November 2019 bis Jänner 2020 gemäß § 26 FLAG 1967 und § 33 EStG 1988 zurückgefordert werden, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Antrag

Am stellte die Beschwerdeführerin (Bf) ***1*** ***2*** ***3***-***4*** mit dem Formular Beih 100 Antrag auf Familienbeihilfe und gab an:

Die Antragstellerin sei bulgarische Staatsbürgerin und wohne in ***5***, ***6***, Österreich. Es werde ohne Angabe eines Beginndatums und Grundes Familienbeihilfe für die im August 1999 geborene Tochter ***8*** ***9*** ***4***, bulgarische Staatsbürgerin, beantragt. Beigefügt war eine Schulbesuchsbestätigung einer höheren Schule für Berufstätige in Wien vom . ***8*** ***4*** sei an der AHS für Berufstätige, Abend-AHS, als ordentliche Studierende angemeldet und habe im Wintersemester 2019/20 ( bis ) folgende Module inskribiert (insgesamt 21 Wochenstunden):

Weiters war eine Schulbesuchsbestätigung dieser höheren Schule für Berufstätige in Wien vom , wonach ***8*** ***4*** an der AHS für Berufstätige, Abend-AHS, als ordentliche Studierende angemeldet sei und im Sommersemester 2018 ( bis ) folgende Module inskribiert habe, beigefügt (insgesamt 17 Wochenstunden):

Weiters war eine Schulbesuchsbestätigung dieser höheren Schule für Berufstätige in Wien vom , wonach ***8*** ***4*** an der AHS für Berufstätige, Abend-AHS, als ordentliche Studierende angemeldet sei und im Sommersemester 2019 ( bis ) folgende Module inskribiert habe, beigefügt (insgesamt 22 Wochenstunden):

Ein Zeugnis der AHS für Berufstätige vom für das Sommersemester 2019 wurde vorgelegt:

Auch ein Zeugnis der AHS für Berufstätige vom für das Wintersemester 2018/19 wurde vorgelegt:

Weiters wurde ein Zeugnis der AHS für Berufstätige vom für das Sommersemester 2018 vorgelegt:

Laut Anmeldung bei der AHS für Berufstätige vom war der erste Schultag der (= Beginn Sommersemester 2018).

Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe

Die Bf beantwortete ein Überprüfungsschreiben des Finanzamts vom betreffend Anspruch auf Familienbeihilfe (Vorlage von Schulbestätigung und Schulnachricht/Jahreszeugnis von ***8***) am . Sie übermittelte dem Finanzamt die drei mit dem Beihilfeantrag vorgelegten Zeugnisse und die Schulbesuchsbestätigungen vom , und nochmals.

Ein weiteres Überprüfungsschreiben vom (Vorlage von Schulbestätigung vom Sommersemester 2020 und Schulnachricht/Jahreszeugnis vom Wintersemester 2019/20) wurde am wie folgt beantwortet:

Kein Zeugnis vorhanden. Der Grund: ich muss noch ein paar Prüfungen ablegen. Ich werde sie möglichst schnell ablegen, damit ich ein Zeugnis bekommen kann und es ihnen abgeben. Mit freundlichen Grüßen ***8*** ***4***.

Beifgefügt war eine Schulbesuchsbestätigung der AHS für Berufstätige vom für das Sommersemester 2020 ( bis ). Folgende Module wurden inskribiert (insgesamt 25 Wochenstunden):

Bescheid

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bf zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe (€ 495,30) und Kinderabsetzbetrag (€ 175,20), insgesamt € 670,50, für die im August 1999 geborene ***8*** ***9*** ***4*** für den Zeitraum November 2019 bis Jänner 2020 gemäß § 26 FLAG 1967 und § 33 EStG 1988 mit folgender Begründung zurück:

Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird.

Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.

Da Ihre Tochter ***8*** im Wintersemester 2019/20 überwiegend nicht bzw. negativ beurteilt wurde ist die Familienbeihilfe für oben angeführten Zeitraum rückzufordern.

Gleichzeitig mit dem Rückforderungsbescheid ersuchte das Finanzamt am um Zusendung einer Kopie des Zeugnisses von Frau ***4*** vom Wintersemester 2019/20. Diesem Ersuchen kam die Schule am selben Tag nach und legte folgende Zeugniskopie vom vor:

Beschwerde

Ersichtlich im Namen ihrer Mutter ***1*** ***2*** ***3***-***4*** erhob die Tochter ***8*** ***9*** ***4*** am , bei einer Post mit Telefax am aufgegeben, Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid und führte unter anderem aus:

Aufgrund des Todes meines Großvaters musste ich kurz vor dem Schulbeginn nach Bulgarien fahren. Selbstverständlich hatte dies eine Wirkung auf meine Ausbildung.

Trotzdem ist die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben, da ich mich im fünften Semester befinde. Ich gehe in die Schulen werde sie auch abschließen.

Das Ablegung der Prüfungen konnte aufgrund der Coronakrise nicht stattfinden. Sie erwähnten in ihrer Begründung, dass das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antreten muss. Ich nehme diese Begründung als Unklaren. Ich bitte Sie, mir zu erklären, was und einem angemessenen Zeitraum verstehen. Der Brief wurde von ihnen am geschrieben. Ich sollte eine Prüfung am ablegen. Aufgrund der Coronakrise gibt es gewisse Verzögerungen.

Bei dem positiven Bestehen der Prüfungen werde ich Ihnen mein Zeugnis vom Wintersemester 2019/2020 mit den positiven Leistungen schicken. Sie sollten unbedingt wissen, dass das Abendgymnasium anders als eines Tageschule ist. Es können gewisse Verzögerungen vorkommen, da es aber keine Klassen gibt, schon Module, kommt man weiter in dem nächsten Semester. Voraussetzung ist das positive Bestehen der Prüfungen. Bei den Hauptfächern handelt es sich um den Zeitraum bis zum September. Ich verstehe aber nicht, warum ich das erklären soll. Sie sollten schon wissen.

Da sie von mir betriebene Ausbildung als un ernst und ziellos beschreiben möchte ich Ihnen die Situation vom 279.2018 erinnern. Ich zahle einen Betrag von € 1988,20 zurück. Damals schickten sie mir zwei verschiedene Briefe. Auf dem ersten Brief erwähnten Sie, dass das Kind 20 Stunden pro Woche haben muss, damit es Familienbeihilfe bekommen kann. Auf dem zweiten Brief an mindestens 30 Stunden pro Woche. Ich finde es unseriös von ihnen. Außen bestand keine Möglichkeit mehrere Stunden pro Woche zu nehmen, dass keine freien Plätze gab.

Ich bin 20 Jahre alt und haben meine Prioritäten auf meine Ausbildung gesetzt. Ich unterbrach nie meine Schullaufbahn. Ich möchte nicht in Streit mit ihnen stehen.

Ich bitte, die Beschwerde genauer anzusehen. Ich hoffe, dass meine Bitte ernst aufgenommen wird. Auf weiteren Komplikationen werde ich es meinem Anwalt übergeben.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Ordnungsbegriff ***10***, wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab (bemerkt wird, dass Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens nur der Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 ist):

Sachverhalt:

Ihre Tochter ***8*** ***9***, geboren am ***11*** besuchte im Wintersemester 2019/20das Bundesgymnasium für Berufstätige in Wien. In diesem Semester hat ***8*** ***9*** 10beurteilte Wochenstunden erreicht.

Die Familienbeihilfe wurde in der Folge für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner2020 und September 2018 bis Jänner 2019 rückgefordert.

In Ihrer Beschwerdebegründung führen Sie aus, dass die erforderlichen Prüfungen erstabgelegt werden müssen.

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) stehtFamilienbeihilfe u.a. dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht.

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, dieentsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Würdigung:

Der Begriff "Berufsausbildung" ist im Gesetz nicht näher definiert. Auf Grund der Judikaturdes Verwaltungsgerichtshofes ergeben sich als wesentliche Merkmale einer Berufsausbildungim Sinne des FLAG 1967 praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches,nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemesseneUnterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung. Der laufendeBesuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich alleinnoch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anzunehmen. Die Ausbildung muss ernsthaft und zielstrebig betrieben werden. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind durch Prüfungsantritte innerhalb eines angemessenen Zeitraumes die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung erfüllt (vgl. ZI. 98/15/0001).

Jede Berufsausbildung umfasst somit eine quantitative und eine qualitative Komponente. Zur Berufsausbildung gehört zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung. Aus der Judikatur des UFS/BFG ergibt sich hinsichtlich der quantitativen Komponente als Vergleichsmaßstab der auch für den Besuch einer AFIS oder BHS erforderliche Zeitaufwand von zumindest 30 Wochenstunden (vgl. u.a. RV/2100463/2015).

***8*** ***9*** hat im Wintersemester 2019/20 lediglich 10 beurteilte erreicht, daher sind die oben skizzierten Voraussetzungen einer zielstrebigen und ernsthaften Berufsausbildung im Rückforderungszeitraum nicht gegeben.

Ihre Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Vorlageantrag

Am stellte die Bf, von ihr selbst unterschrieben, Vorlageantrag und fügte folgende von ihrer Tochter verfasste Begründung bei:

Die Schule, die ich besuche, ist eine Abendschule. Das ist keine normale Tagesschule. Der Schulablauf unterscheidet sich. Ich habe die Prüfungen positiv bestanden. Außerdem werde ich ab September 2021 in der achten Klasse sein. D. h. dass ich meine Ausbildung nicht unterbrochen habe. Die Schule habe ich auch nicht gewechselt. Sollten Sie nicht in schulischen Weg des Kindes Unterstützung nicht verhindern? Wir haben schon einmal ein Betrag i.H.v. € 2000 zurückbezahlt. Damals haben sie meine Ausbildung als ziellos beschrieben. Ich werde nächstes Jahr die Matura in der Hand halten und sie sagen, dass die Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde. Außerdem bekomme ich ihre Beschwerdevorentscheidung nach einem Jahr und zwei Monaten.

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid 11/2019 bis 1/2020 vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte aus:

Bezughabende Normen

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 26 Abs. 1 FLAG 1967

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Die Bf bezog Familienbeihilfe für Ihre Tochter ***8*** ***9***, geboren am ***11***. Sie besuchte im Wintersemester 2019/20 das Bundesgymnasium für Berufstätige in Wien. In diesem Semester erreichte sie 10 beurteilte Wochenstunden.

In Ermangelung einer ernsthaft und zielstrebig geführten Ausbildung wurde die Familienbeihilfe für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 rückgefordert.

Der Rückforderungsbetrag beträgt 670,50 €.

Beweismittel:

siehe Inhaltsverzeichnis

Stellungnahme:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 steht Familienbeihilfe u.a. dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht. Auf Grund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergeben sich als wesentliche Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967. Für den Bezug der Familienbeihilfe ist es unabdingbar, dass die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Die Ausbildung muss die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Aus der Judikatur des UFS/BFG ergibt sich hinsichtlich der quantitativen Komponente als Vergleichsmaßstab der auch für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand von zumindest 30 Wochenstunden (vgl. u.a. RV/2100463/2015).

Allerdings hat ***8*** ***9*** im Wintersemester 2019/20 lediglich 10 beurteilte Wochenstunden erreicht, weshalb sie damit die Voraussetzungen einer zielstrebigen und ernsthaften Berufsausbildung im Rückforderungszeitrum nicht erfüllen konnte.

Gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum maßgebenden Fassung steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wurde, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe monatlich 58,40 € für jedes Kind zu. § 26 FLAG ist auch hierbei anzuwenden.

§ 26 Abs 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungs-pflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. 2008/15/0329).

Da die Tochter der Bf im Streitzeitraum nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe erfüllte, bezog die Bf in diesen Monaten die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für diese zu Unrecht.

Damit trifft sie die objektive Verpflichtung, die zu Unrecht bezogenen Beträge in Höhe von insgesamt 670,-- € zusammengesetzt aus 495,30 € Familienbeihilfe sowie 175,20 € an Kinderabsetzbeträgen zurückzuzahlen.

Aus diesen Gründen beantragt das Finanzamt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

FABIAN

Wie aus dem elektronischen Familienbeihilfeprogramm FABIAN zu ersehen ist, wird dort lediglich der angefochtene Bescheid samt Beschwerdevorentscheidung als "Bescheide" geführt:

Vom Vater ***12*** ***13*** ***4*** wurde von April 2015 bis August 2017 Familienbeihilfe für ***8*** ***9*** ***4*** bezogen.

Weitere Zeugnisse

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichts übermittelte die Schule am folgende weitere Zeugnisse:

Sommersemester 2020 (Zeugnis vom ):

Wintersemester 2020/21 (Zeugnis vom ):

Sommersemester 2021 (Zeugnis vom ):

Wintersemester 2021/22 (Zeugnis vom ):

Sommersemester 2022 (Zeugnis vom ):

Die Schule teilte dem Gericht mit Schreiben vom mit:

... Frau ***8*** ***4*** (geb. ***11***) ist durch ihre Anmeldung vom Studierende der h.o. Anstalt. Sie ist seit durchgehend als ordentliche Schülerin inskribiert.

Die Studierende hat bisher folgende mündliche Teilprüfungen der Reifeprüfung abgeschlossen:

Informatik () Note: 2

Geschichte und Sozialkunde () Note: 4

Sie bereitet sich derzeit auf die Reifeprüfung in Deutsch vor und arbeitet an ihrer VWA. ...

Die Vertreterin des Finanzamts gab am dazu folgende Stellungnahme ab:

Da der Rückforderungsbescheid den Zeitraum Nov. 2019-Jän. 2020 betrifft, und die Anhänge (Zeugnisse) diesen Zeitraum nicht betreffen, wird die Ansicht im Vorlagebericht aufrecht gehalten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die im August 1999 geborene ***8*** ***9*** ***4*** ist die Tochter der Bf ***1*** ***2*** ***3***-***4***. Mutter und Tochter sind bulgarische Staatsbürger und leben in Österreich.

Seit ist ***8*** ***9*** ***4*** als ordentliche Schülerin an einer AHS für Berufstätige inskribiert. In den einzelnen Semestern wurden Module mit durchschnittlich mehr als 20 Wochenstunden Anwesenheit in der Schule belegt. Im Wintersemester 2019/20 betrug die Anwesenheitspflicht 21 Wochenstunden. ***8*** ***9*** ***4*** trat seit regelmäßig zu Prüfungen an, wobei in den einzelnen Semestern alle Gegenstände oder die Mehrzahl der Gegenstände positiv beurteilt wurden (zu Details siehe die im Verfahrensgang dargestellten Zeugnisse). Im Wintersemester 2019/20 wurden drei Gegenstände nicht beurteilt, drei Gegenstände positiv beurteilt und ein Gegenstand negativ. Bei der vorgezogenen Teilprüfung zur Reifeprüfung wurden zwei Prüfungen positiv abgelegt. Derzeit (September 2022) bereitet sich ***8*** ***9*** ***4*** auf die Reifeprüfung in Deutsch vor und arbeitet an ihrer vorwissenschaftlichen Arbeit.

Kurz vor Beginn des Wintersemesters 2019/20 starb der Großvater von ***8*** ***9*** ***4*** und verbrachte ***8*** ***9*** ***4*** deswegen einige Zeit in Bulgarien. Zu weiteren Verzögerungen kam es wegen der COVID-19-Pandemie, die ab dem zu einem ersten bundesweiten Lockdown führte.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage.

Soweit vom Finanzamt die Wochenstundenzahl erhoben wurde, lag in allen Semestern die Wochenstundenzahl über 20, nur im (nicht verfahrensgegenständlichen) Sommersemester 2018 knapp unter 20. Im Durchschnitt wurden ((17+21+22+25)/4=21,25) rund 21 Wochenstunden belegt.

Rechtsgrundlagen

§ 2 FLAG 1967 lautet:

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a)für minderjährige Kinder,

b)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

c)für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

d)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,

e)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird,

(Anm.: lit. f aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

g)für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Kinder keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. l gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,

h)für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

i)für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

j)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa)bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb)die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc)die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

k)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

l)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die teilnehmen am

aa)Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb)Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc)Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd)Europäischen Solidaritätskorps nach der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

(3) Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person

a)deren Nachkommen,

b)deren Wahlkinder und deren Nachkommen,

c)deren Stiefkinder,

d)deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

(3a) Kinder im Sinne dieses Abschnittes sind auch Kinder, die aufgrund einer akut gefährdenden Lebenssituation kurzfristig von Krisenpflegepersonen betreut werden (Krisenpflegekinder). Krisenpflegepersonen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen, die im Auftrag des zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgers ausgebildet und von diesem mit der vorübergehenden Pflege und Erziehung eines Kindes für die Dauer der Gefährdungsabklärung betraut wurden.

(4) Die Kosten des Unterhalts umfassen bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder der Berufsfortbildung.

(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a)sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b)das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,

c)sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

(6) Bezieht ein Kind Einkünfte, die durch Gesetz als einkommensteuerfrei erklärt sind, ist bei Beurteilung der Frage, ob ein Kind auf Kosten einer Person unterhalten wird, von dem um jene Einkünfte geminderten Betrag der Kosten des Unterhalts auszugehen; in diesen Fällen trägt eine Person die Kosten des Unterhalts jedoch nur dann überwiegend, wenn sie hiezu monatlich mindestens in einem Ausmaß beiträgt, das betragsmäßig der Familienbeihilfe für ein Kind (§ 8 Abs. 2) oder, wenn es sich um ein erheblich behindertes Kind handelt, der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 2 und 4) entspricht.

(7) Unterhaltsleistungen auf Grund eines Ausgedinges gelten als auf Kosten des Unterhaltsleistenden erbracht, wenn der Unterhaltsleistende mit dem Empfänger der Unterhaltsleistungen verwandt oder verschwägert ist; solche Unterhaltsleistungen zählen für den Anspruch auf Familienbeihilfe auch nicht als eigene Einkünfte des Kindes.

(8) Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

(9) Die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b und lit. d bis j verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

a)für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung absolvieren, über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, bei einer vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise,

b)für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise,

c)für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung beginnen oder fortsetzen möchten (Abs. 1 lit. d bis g), über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung der Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist,

d)für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen möchten (Abs. 1 lit. d bis g), abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein Semester oder um ein Ausbildungsjahr, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung des Studiums infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

§ 11 FLAG 1967 lautet:

§ 11. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Finanzamt Österreich automationsunterstützt ausgezahlt.

(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.

(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen.

§ 12 FLAG 1967 lautet:

§ 12. (1) Das Finanzamt Österreich hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.

§ 13 FLAG 1967 lautet:

§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Finanzamt Österreich zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

§ 15 FLAG 1967 lautet:

§ 15. (1) Für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, finden die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

(2) Für die Maßnahme nach Abs. 1 ist ein Betrag von höchstens 102 Mio. Euro aus Mitteln des COVID 19-Krisenbewältigungsfonds bereitzustellen.

§ 26 FLAG 1967 lautet:

§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

(4) Die Oberbehörde ist ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes das zuständige Finanzamt anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre.

§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

§ 37 Abs. 3 SchOG lautet:

(3) Das Gymnasium für Berufstätige, das Realgymnasium für Berufstätige und das Wirtschaftskundliche Realgymnasium für Berufstätige umfassen acht Semester. Sie haben die Aufgabe, Personen, die die achte Schulstufe erfolgreich abgeschlossen haben und das 17. Lebensjahr spätestens im Kalenderjahr der Aufnahme vollenden sowie eine Berufsausbildung abgeschlossen haben oder in das Berufsleben eingetreten sind, zum Bildungsziel einer allgemeinbildenden höheren Schule zu führen.

Rückzahlung zu Unrecht bezogener Familienleistungen

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe (allenfalls in Form einer Ausgleichszahlung / Differenzzahlung) und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 12 zitierte Rechtsprechung). Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung / Differenzzahlung), ist auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ). Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 16 zitierte Rechtsprechung). Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. ; ).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ). Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ist nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 derjenige verpflichtet, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. ). Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag müssen demjenigen, von dem sie zurückgefordert wird, tatsächlich ausbezahlt worden sein.

Es ist somit zu prüfen, ob die Bf im Rückforderungszeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag hatte.

Rückforderungszeitraum

Rückforderungszeitraum ist der Zeitraum November 2019 bis Jänner 2020. In dieser Zeit besuchte die damals 20jährige Tochter das Wintersemester 2019/20 eines Gymnasiums für Berufstätige, wobei die Ausbildung im Februar 2018 begonnen hat.

Ausbildung

Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Eine Berufsausbildung kann unabhängig davon vorliegen, ob ein "gesetzlich anerkannter Ausbildungsweg", "ein gesetzlich definiertes Berufsbild" oder ein "gesetzlicher Schutz der Berufsbezeichnung" existiert (vgl. ). Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein (vgl. ). Auch der Besuch einer allgemeinbildenden Schule ist Berufsausbildung (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 2 Rz 35).

Eine Ausbildung i.S. FLAG 1967 muss die volle Zeit des Auszubildenden in Anspruch nehmen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 2 Rz 39). Die Lehre (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § Rz 40) geht von einer Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 dann aus, wenn bei kursmäßigen Ausbildungen oder bei Maturaschulen ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kursbesuch und Vorbereitungszeit außerhalb des Kurses von mindestens 30 Stunden anfällt. Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. ), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. ; "Echtstunden" zu 60 Minuten, ), um von einer Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 zu sprechen (vgl. ; ).

Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen erforderte die Ausbildung an der AHS für Berufstätige im Rückforderungszeitraum mindestens 20 Wochenstunden Anwesenheit an der Schule, wozu noch die entsprechende Vorbereitungszeit kommt, sodass die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts erforderliche zeitliche Auslastung von mindestens 30 Wochenstunden Ausbildungszeit insgesamt gegeben war.

Gemäß § 37 Abs. 3 SchOG umfasst das Gymnasium für Berufstätige acht Semester, also vier Schuljahre. Die Ausbildung der Tochter begann im Sommersemester 2018. Ausbildungsabschluss in der Mindestzeit wäre daher das Wintersemester 2022/23. Die Tochter bereitet sich derzeit (September 2022) auf die Reifeprüfung in Deutsch vor und arbeitet an ihrer vorwissenschaftlichen Arbeit. Die Tochter hat daher ihre Ausbildung ohne wesentliche Verzögerungen betrieben. Auch wenn die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ist, also für jeden Monat (vgl. ), bedeutet dies nicht, dass bei Ausbildungen, die über einen längeren Zeitraum gehen, Verzögerungen in einzelnen Ausbildungsmonaten zum Versagen des Familienbeihilfeanspruchs für diesen Zeitraum führen, wenn insgesamt die Ausbildung zielstrebig betrieben wird.

Das ergibt sich schon aus den Anordnungen des Gesetzgebers in Bezug auf ein Universitätsstudium in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967. Hier wird auf Semester oder Ausbildungsjahre abgestellt, wobei der Gesetzgeber mit dem grundsätzlichen Mindesterfordernis von positiven Prüfungen von 16 ECTS für ein Studienjahr bei einem vorgesehenen Arbeitsaufwand durchschnittlich 60 ECTS/Jahr (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § Rz 40) keineswegs fordert, dass laufend Studienerfolge erzielt werden, die ein Studium in der Mindeststudienzeit möglich machen. Auch räumt der Gesetzgeber Studenten mehr Zeit für ihr Studium ein als die vorgesehene Studienzeit ("Toleranzsemester", "Toleranzausbildungsjahr"). Diese Überlegungen sind zur Vermeidung gleichheitswidriger Ergebnisse auch auf andere Ausbildungen, die über einen längeren Zeitraum strukturiert erfolgen, zu übertragen. Die Tochter der Bf hat seit der Erstinskription als ordentliche Schülerin durchgehend studiert, sie ist regelmäßig zu Prüfungen angetreten, sie wurde in den einzelnen Semestern regelmäßig zumindest überwiegend positiv beurteilt und befindet sich nunmehr plangemäß in der Vorbereitung auf die Reifeprüfung. Das Bundesfinanzgericht stellt nicht fest, dass im Rückforderungszeitraum keine Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 vorgelegen habe, auch wenn im Wintersemester 2019/20 einige Gegenstände nicht beurteilt wurden, da bisher insgesamt eine zielstrebige Ausbildung gemäß dem vom Gesetz vorgegebenen Rahmen vorliegt.

Der Bf stand daher für ihre Tochter im Zeitraum November 2019 bis Jänner 2020 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu.

Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG), der Beschwerde ist gemäß § 279 BAO Folge zu geben.

Keine Zulassung einer Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da der hier zu lösenden Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Tatfrage, ob und wann eine Ausbildung ernsthaft betrieben wurde, ist einer Revision grundsätzlich nicht zugänglich.

Wien, am

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