Unzuständigkeit des BFG aufgrund rechtswidriger Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch eine Landesabgabenbehörde; Verfahrenseinstellung und Verständigung nach § 281a BAO
Entscheidungstext
Verständigung
Das Bundesfinanzgericht teilt durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler im Beschwerdeverfahren über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, MA 6, Buchhaltungsabteilung 15, MA 6 -275508-2016, betreffend die Zurückweisung des Antrags vom auf Einstellung aller Vollstreckungsverfahren vom , mit:
I. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts ist in Bezug auf die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom mit Beschwerdevorentscheidungabzusprechen.
Die Parteien werden hierüber gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.
II. Das Beschwerdeverfahren in Bezug auf die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom wird eingestellt.
Begründung
Bisheriger Verfahrensgang:
Mit Eingabe vom beantragten der hier beschwerdeführende Herr ***1*** (in Folge kurz BF) und die von ihm vertretene ***2*** beim Magistrat der Stadt Wien (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) die Einstellung aller laufenden Vollstreckungsverfahren. Zur Begründung wurde zusammengefasst vorgebracht, dass eine Forderungsausbuchung der Stadt Wien gegenüber dem BF vorliegen würde. Da die Hauptschuld nicht mehr bestehen würde, bestünden auch keine strittigen Haftungen nach der Wiener Abgabenordnung bzw. der BAO. Die Fortführung der bereits eingeleiteten Exekutionsverfahren wäre somit rechtswidrig.
Die belangte Behörde wies den Antrag vom mit Bescheid vom , GZ. MA 6 - 275508-2016, zurück und führte zur Begründung wie folgt aus:
"Der Antrag wird damit begründet, dass der Wiener Gemeinderat am Forderungen in der Höhe von 300.000,-EUR abgeschrieben habe und hinsichtlich dieser nicht näher bezeichneten Forderungen keine Schuld mehr bestehe. Der Antrag ist daher auf diese Forderungen gerichtet zu verstehen.Zum Antrag ist festzustellen, dass Forderungen der MA 25 für Ersatzvornahmen in der Höhe von 218.691,74 EUR wegen derzeitiger Uneinbringlichkeit abgeschrieben wurden, hinsichtlich derer derzeit keine Vollstreckungsverfahren anhängig sind. Aus diesem Grund war der Antrag zurückzuweisen.Bemerkt wird, dass es sich bei der Abschreibung einer Forderung wegen Uneinbringlichkeit nur um einen internen Buchungsvorgang handelt, der als solcher - was den Bestand der Forderung betrifft - nach außen rechtlich keine Wirkung entfaltet ( 90/09/0042)."
Gegen diesen Bescheid erhob der BF am fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die Ausbuchung von Gebühren, Abgaben oder Steuern iHv 300.000,- EUR bzw. hilfsweise die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides. Die belangte Behörde stelle sich aktenwidrig auf den Standpunkt, dass nur ein interner Verwaltungsmodus festgelegt worden sei, die Forderungen nicht zu betreiben. Einen Forderungsverzicht bedeute dies aber nicht. Dem werde entgegnet, dass sehr wohl ein Forderungsverzicht vorliege. Denn der Beschluss im Gemeinderat habe auch medialen Anklang gefunden. Der Verzicht auf die Betreibung stelle auch einen meritorischen Verzicht dar.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde des BF dem VerwaltungsgerichtWien zur Entscheidung vor. In weiterer Folge leitete das Verwaltungsgericht Wien am die Beschwerde zuständigkeitshalber an das Bundesfinanzgericht weiter. (Anm: Die ebenfalls vom BF eingebrachte Beschwerde der ***2*** wurde dabei nach der Geschäftsverteilung des Bundesfinanzgerichtes einer anderen Gerichtsabteilung zugewiesen.)
Zur verfahrensgegenständlichen Beschwerde führte das Verwaltungsgericht Wien aus, dass gegen den BF ausschließlich Abgabenforderungen offen seien (siehe Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom ), woraus sich für das Beschwerdeverfahren die ausschließliche Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes gemäß § 5 iVm §§ 1 und 2 WAOR (Gesetz über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien) ergebe. Im erwähnten Schreiben hatte die belangte Behörde ausgeführt, dass gegenüber dem BF die gerichtliche Exekution von Abgabenforderungen iHv von 61.192,39 EUR sowie eine gerichtliche Exekution einer Forderung für eine Ersatzvornahme in Höhe von 7.004,34 EUR anhängig sei.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung
Zur grundsätzlichen Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes (BFG):
Art. 131 Abs. 3 B-VG idF BGBl I 51/2012 lautet: "(3) Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen erkennt über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden."
Art. 131 Abs. 5 B-VG idF BGBl I 51/2012 lautet: "(5) Durch Landesgesetz kann in Rechtssachen in den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden. Art. 97 Abs. 2 gilt sinngemäß."
Das (Wiener) Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz Abgaben, LGBl 45/2013, änderte das Landesgesetz mit der abgekürzten Bezeichnung ´WAOR´ (Gesetz über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien). § 5 WAOR lautet nunmehr: "§ 5. Über Beschwerden in Angelegenheiten der in den §§ 1 und 2 genannten Landes- und Gemeindeabgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben entscheidet das Bundesfinanzgericht."
Gemäß § 1 Abs 1 BAO gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
Gemäß § 2a BAO gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung sinngemäß im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. § 54 VwGVG gilt jedoch sinngemäß für das Verfahren der Verwaltungsgerichte der Länder.
Nach § 1 Abs. 1 BAO sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben, sohin auch in jenen der Landes- und Gemeindeabgaben anzuwenden.
Diesen Bestimmungen zufolge wäre das Bundesfinanzgericht (Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen) - und nicht das Verwaltungsgericht Wien - für die Entscheidung über die Beschwerde des BF vom zuständig, sofern der hier verfahrensgegenständliche Antrag des BF vom in den oben angeführten Zuständigkeitsbereich des BFG fällt. Dazu erlaubt sich das Gericht anzumerken, dass der vorgelegte Akt des Magistrates nur spärliche bzw. widersprüchliche Informationen enthält: Im hier bekämpften Zurückweisungsbescheid vom ist erwähnt, dass Forderungen der MA 25 für Ersatzvornahmen in der Höhe von 218.691,74 Euro wegen derzeitiger Uneinbringlichkeit abgeschrieben wurden, hinsichtlich derer derzeit keine Vollstreckungsverfahren anhängig sind; in der Auskunft vom lautet es (hingegen): […] gegen ***1*** ist die gerichtliche Exekution von Abgabenforderungen in Höhe von 61.192,39Euro anhängig. Zudem ist gegen ***1*** die gerichtliche Exekution einer Forderung für eine Ersatzvornahme in Höhe von 7.004,34 Euro anhängig.
Es wird sich jedoch im Folgenden erweisen, dass zum jetzigen Zeitpunkt, zu welchem (noch) keine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden ist, nach der Bundesabgabenordnung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (noch) keine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit zu einer Entscheidung (in der Sache) besteht.
Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat gemäß § 262 BAO zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt (Abs. 2), wenn in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird (Abs. 3) und schließlich, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat (Abs. 4).
Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).
Gemäß § 265 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen. Gemäß § 265 Abs. 2 hat die Vorlage der Bescheidbeschwerde jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.
Im Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0001 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass (unter Hinweis auf § 291 Abs. 1 BAO) der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde unterliegt. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) sei das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde.
Der BF muss in der Bescheidbeschwerde einen ausdrücklichen Antrag auf das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung iSd § 262 Abs. 2 lit. a BAO stellen (vgl. ; siehe auch Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³, § 262 Anm 7). Ein Vorlageantrag setzt unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus (Ritz, BAO6, § 264 Tz 6).
Wie dem oben dargestellten Verfahrensgang und den dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Unterlagen zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde keine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Auf die Beschwerde vom trifft auch keine der Ausnahmen des § 262 Abs. 2-4 BAO zu, weshalb zwingend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen wäre.
Da somit hinsichtlich des im Spruch genannten Bescheides weder von der belangten Behörde eine Beschwerdevorentscheidung noch vom Beschwerdeführer ein Vorlageantrag vorliegen, kann das Bundesfinanzgericht (derzeit) nicht über die Beschwerde vom entscheiden. Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist daher einzustellen.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden hiervon gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.
Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO ist hinsichtlich dieser Verständigung von einer Verhandlung abzusehen, da keine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes gegeben ist und zudem auch die Aktenlage keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung getroffen werden könnte.
Information für die Parteien
(Belehrung gemäß § 280 Abs. 4 BAO)
Gegen diese Verständigung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 Abs. 2 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 Abs. 2 bis 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400056.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at