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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.11.2022, RV/2100525/2019

Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für Kind1, geb. xx.xx..2014, für den Zeitraum Jänner 2015 bis März 2018 und für Kind2, geb. yy.yy..2008, für den Zeitraum August 2013 bis April 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am für ihre am xx.xx..2014 geborene Pflegetochter bzw. Enkelin Kind1 ab 2015 und für ihren am yy.yy..2008 geborenen Adoptivsohn Kind2 ab die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe.

In den daraufhin über Ersuchen des Finanzamtes und im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, angeführter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund

1) für Kind1 die Gesundheitsschädigungen


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Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Entwicklungsstörung
Oberer Rahmensatzwert entspricht der Sprachentwicklungsstörung und der sozial-emotionalen Entwicklungsstörung bei psychosozialen Belastungsfaktoren
40
2
Neurodermitis
Mittlerer Rahmensatzwert entspricht der Ausbreitung der neurodermitischen Hautveränderungen unter Therapie
30

diagnostiziert und dafür nach den o.a. Richtsatzpositionen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v. H. seit 04/2018, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt.
Begründend wurde ausgeführt:
"Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung (GdB) wird gebildet von der führenden Gesundheitsschädigung (GS) 1. GS 2 hebt um 1 Stufe weiter an
."
Dem Gutachten wurden folgende von der Bf. vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
": Kinderklinik
Sprachentwicklungsstörung mit ausgeprägter Dyslalie, Verhaltensauffälligkeiten
: Logopädischer Befund
Sprachentwicklungsstörung. V.a. deutliche Defizite im aktiven Wortschatz, Beeinträchtigung des Sprachverstehen, Dysgrammatismus, Verzögerung der phonetisch-phonologischen Entwicklung. Sozial-kommunikativ große Schwierigkeiten. Testung von Teilbereichen mangels Compliance nicht möglich. IZB empfohlen.
: HNO
Sprachentwicklungsverzögerung in Abklärung
: Klinisch psychologischer Befund
Altersgemäße Entwicklung in den Bereichen Körpermotorik, Handmotorik. Leichte Schwächen in der kognitiven Entwicklung und in der sozial-emotionalen Entwicklung. Deutlichere Defizite in der aktiven Sprache.
: HNO
V.a. Sprachentwicklungsverzögerung
: HNO
Logopädische Therapie bei Sprachentwicklungsverzögerung
: HNO
Sprache: Entwicklungstand 12 bis 15 Monate, symbolische und sozial-kommunikative Kompetenz Entwicklungsstand 18 bis 24 Monate.
: Dr.
***1***, Kinder-FA
Atopisches Ekzem, Sprachentwicklungsverzögerung. Typisch schubhafte verlaufende z.t. schwere Neurodermitis. Auffällige Schüchternheit und sozialer Rückzug.
"

2) für Kind2
eine "Entwicklungsstörung mittleren Grades; unterer Rahmensatzwert entspricht der kombinierten Störung schulischer Fertigkeiten bei Aufmerksamkeitsdefizit und den Verhaltensschwierigkeiten im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung, SPF und Psychotherapie erforderlich" diagnostiziert und dafür nach der Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v. H. seit 05/2017, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt.
Begründend wurde ausgeführt:
"Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung (GdB) wird gebildet von der alleinigen Gesundheitsschädigung (GS) 1.
"
Dem Gutachten wurden folgende von der Bf. vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
": LSR Steiermark
SPF. Unruhiges, reizsuchendes Kind, Probleme mit Sozialkontakten. In Einzelbetreuung umgänglich. Deutliche Entwicklungsrückstände in Deutsch und Mathematik. Kurze Konzentration. Geringe Frustrationstoleranz.
: Land Steiermark
Zusätzliche Betreuungsperson in der Schule
: Land Steiermark
Zusätzliche Betreuungsperson in der Schule
: Betreuungsbericht
Posttraumatische Belastungsstörung. Aufmerksamkeit schwer aufrecht zu erhalten. Muss an Regeln erinnert werden. Schnell frustriert. Braucht manchmal Auszeit. Phasen mit rücksichtslosem bis aggressivem Verhalten. Mitfühlend. Bei vielen Mitschülern beliebt.
: Dr.
***1***, Kinder-FA
Posttraumatische Belastungsstörung, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsrückstand
"
Diese Gutachten vidierte der leitende Arzt am .

Im Bescheid vom wurde unter Verweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) der Antrag der Bf. für Kind1, geb. xx.xx..2014, für den Zeitraum Jänner 2015 bis März 2018 und für Kind2, geb. yy.yy..2008, für den Zeitraum August 2013 bis April 2017 abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass lt. ärztlichen Gutachten des Sozialministeriumservice vom für Kind1 ein Grad der Behinderung von 50 vH rückwirkend ab April 2018 und für Kind2 ein Grad der Behinderung von 50 vH rückwirkend ab Mai 2017 festgestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde mit der Begründung ein, dass Kind1 wegen der Neurodermitis seit Sommer 2014 und hinsichtlich der Sprachentwicklung seit Herbst 2016 in ärztlicher Behandlung sei. Die Pflegetochter habe durch die schwere Neurodermitis keinen ungestörten Schlaf, der Juckreiz könne nur durch mehrmaliges Auftragen einer verschriebenen Salbe gemildert werden. Diese ärztlich bestätigte Krankheit bestehe schon seit langer Zeit und sei somit auch nachgewiesen. Als Beilagen wurden ein Klinisch-Psychologischer Befund der Kinderklinik des LKH Graz vom und die Therapieempfehlung der Dr. ***2***, FA für Dermatologie, vom übermittelt.
Zu Kind2 wurde begründend ausgeführt, dass der Adoptivsohn seit April 2012 in Therapie sei, durch sein Krankheitsbild sei zur besseren Weiterentwicklung ein Schulwechsel nach dem Besuch der ersten Klasse notwendig geworden. Auch diese ärztlich bestätigte Krankheit bestehe schon seit langer Zeit und sei somit auch nachgewiesen. Als Beilagen wurden eine Bestätigung über Therapien des Mag. ***3***, Psychotherapeut, vom und die Stellungnahme betr. psychologischer Behandlung der Mag. ***4***, Psychologin, vom übermittelt.

Vom Finanzamt wurde unter Vorlage der Beschwerden und der beiliegenden Unterlagen weitere Gutachten beim Sozialministeriumservice beantragt.
Sodann wurden weitere ärztliche Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen für Kind1 am und für Kind2 am unter Einbeziehung der von der Beschwerdeführerin zusätzlich vorgelegten Unterlagen erstellt:

1) für Kind1 wurden die Gesundheitsschädigungen


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Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Entwicklungsstörung
Oberer Rahmensatzwert entspricht der Sprachentwicklungsstörung und der sozialemotionalen Entwicklungsstörung bei psychosozialen Belastungsfaktoren
40
2
Neurodermitis
Mittlerer Rahmensatzwert entspricht der Ausbreitung der neurodermitischen Hautveränderungen unter Therapie
30

diagnostiziert und dafür nach den o.a. Richtsatzpositionen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. seit 04/2018, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt. Dazu wurde auszugsweise ausgeführt:
"Stellungnahme zu Vorgutachten:
unveränderte Einschätzung gegenüber dem Vorgutachten. Die neu vorgelegten Befunde belegen die Einschätzung. Ein Befund, der einen Gesamtgrad der Behinderung vor April 2018 belegt, wurde nicht vorgelegt.
………….
GdB liegt vor seit: 04/2018
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
siehe Befund 04/2018, seit 2016 Zunahme des Entwicklungsabstandes gegenüber gesunden Gleichaltrigen."

Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

2) für Kind2 wurde eine "Entwicklungsstörung mittleren Grades; unterer Rahmensatzwert entspricht der kombinierten Störung schulischer Fertigkeiten bei Aufmerksamkeitsdefizit und den Verhaltensschwierigkeiten im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung, SPF und Psychotherapie erforderlich" diagnostiziert und dafür nach der Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. seit 05/2017, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt. Dazu wurde auszugsweise ausgeführt:
"Stellungnahme zu Vorgutachten:
unverändert zum Vorgutachten
………………….
GdB liegt vor seit: 05/2017
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Rückwirkende Anerkennung: siehe Befund 05/2017. Die GS1
[Gesundheitsstörung] umfasst die kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten als auch Verhaltensschwierigkeiten im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung. In den neu vorgelegten Befunden ist belegt, dass eine posttraumatische Belastungsstörung ab 4/2012 therapiert wurde. Es liegt aber kein Befund über eine gleichzeitige wesentliche kognitive Entwicklungsstörung vor, ein sonderpädagogischer Förderbedarf war erst ab 05/2017 erforderlich, sodass ein Grad der Behinderung von 50 v.H. vor diesem Zeitraum nicht angenommen werden kann."
Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung unter Verweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ab und führte aus, dass im Gutachten vom für Kind2 erneut ein Grad der Behinderung von 50% ab und im Gutachten vom für Kind1 erneut ein Grad der Behinderung von 50% ab bescheinigt worden sei.

Daraufhin erhob die Beschwerdeführerin erneut Beschwerden (gemeint: Anträge auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag)) und führte ergänzend aus, dass Kind1 durch den Juckreiz einen unruhigen Schlaf habe, sie sie mehrmals nachts einschmiere, damit das Kind weiterschlafen könne. Kind1 sei seit Juli 2014 bei Dr. ***1*** (private Kinderärztin) und bei Dr. ***2*** (private Hautärztin) für diese Erkrankung in Behandlung, habe damals aber keine Befunde ausgehändigt erhalten. Kind1 sei auch seit auf der HNO im LKH Graz in Behandlung. Ab diesem Zeitpunkt habe Kind1 1-mal wöchentlich bis 14-tägig die Logopädie im Krankenhaus besucht, die Bf. sei mit ihrem eigenen PKW gefahren und habe in der Tiefgarage geparkt, jedes Mal seien Kosten von mindestens 4-5 Euro angefallen. Seit Oktober 2018 werde Kind1 im Kindergarten durch das IZB Team in ihrer Sprachentwicklung gefördert. Ergänzend wurde eine ärztliche Bestätigung der Dr. ***1***, FA für Kinder- und Jugendheilkunde, vom wie folgt beigelegt:
"Diagnosen: Schwere Neurodermitis, Sprachentwicklungsstörung
Aufgrund der o.g. Diagnosen besteht bei
Kind1 ein deutlicher Mehraufwand an Therapien und Arztbesuchen. Die kleine Patientin leidet seit dem Säuglingsalter an einer schweren Neurodermitis, die eine intensive, regelmäßige Pflege und wiederholte Arztbesuche erfordert, zusätzlich ist aufgrund der relevanten Sprachentwicklungsstörung eine regelmäßige Förderung im Sinne einer logopädischen Therapie nötig."

Weiters führte die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag aus, dass auch Kind2 unruhig schlafe und schlecht träume. Auf Grund der schwierigen Lebensumstände seiner Eltern bzw. später seiner Mutter mit dem neuen Freund habe Kind2 schon sehr früh Gewalt miterleben müssen und dadurch ein Trauma erlitten. Vom Frühjahr 2011 gebe es auch einen Befund des LKH Graz über eine Kopfverletzung des Kindes, den die Bf. aber nicht finde. Da Kind2 zunehmend aggressiver geworden sei, sei die Bf. mit ihm seit bis 1-mal wöchentlich zur psychologischen Unterstützung bei Mag. ***3*** gewesen (Fahrt mit PKW und Parkgebühr) und seit Juli 2016 sei Kind2 bei Mag. ***4***, spezialisierte Psychotherapeutin für traumatisierte Kinder, in Behandlung.
Auf Anraten der Psychotherapeutin würde die Beschwerdeführerin mit den Kindern wegen der Erdung und der guten Luft oft im Frühling ans Meer fahren.
Leider habe sie im Beisein des Kindes der Sachverständigen dessen Erlebnisse nicht mitteilen können, da er nicht daran erinnert werden sollte, was er in seiner frühen Kindheit durchmachen habe müssen.
Derzeit besuche Kind2 die 4. Klasse in der Volksschule und habe seit eine Schulassistenz und werde in Mathematik und Deutsch nach dem ASO Lehrplan unterrichtet.
Ergänzend wurden die Bewilligung der GKK vom für die psychotherapeutische Behandlung von Kind2 ab ; das Schreiben (AVG-Parteiengehör) der BH-Graz-Umgebung, Sozialreferat, vom über die Ablehnung der Übernahme der Kosten für die Schulassistenz (mit zwei klinisch-psychologischen Gutachten); der Bescheid der BH-Graz-Umgebung, Sozialreferat, vom über die Gewährung der Kostenübernahme für eine zusätzliche Betreuungsperson in der Volksschule im Ausmaß von 10 Stunden pro Woche und der Betreuungsbericht der Schulassistenz vom übermittelt.

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes wurden vom Finanzamt unter Vorlage des Vorlageantrages und der beigelegten Unterlagen weitere Gutachten beim Sozialministeriumservice beantragt.
Daraufhin wurden am weitere ärztliche Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen für Kind1 und für Kind2 unter Einbeziehung des Vorlageantrages und der von der Beschwerdeführerin beigelegten Unterlagen erstellt:

1) Kind1:
es wurde wie in den Vorgutachten wieder ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. seit April 2018 festgestellt.
"Begründung-GdB liegt rückwirkend vor:
Bei
Kind1 besteht eine Entwicklungsstörung, bei der die Sprachentwicklungsstörung im Vordergrund steht, auffällig ist aber auch die sozial-emotionale Entwicklung bei psychosozialen Belastungsstörungen, wobei eine gegenseitige negative Beeinflussung von Sprache und sozio-emotionaler Entwicklung besteht. Im Befund von der HNO-Klinik besteht bei dem damaligen 29 Monate alten Kind ein Sprachentwicklungstand von 12 bis 15 Monaten und ein Entwicklungsstand in der symbolischen und sozial-kommunikativen Kompetenz von 18 bis 24 Monaten, was einen deutlichen Entwicklungsrückstand in der Sprache und einen leichten Entwicklungsrückstand in der sozio-emotionalen Entwicklung bedeutet. Im logopädischen Befund vom sind große sozial-kommunikative Schwierigkeiten beschrieben, eine IZB-Betreuung und damit multidisziplinäre Betreuung wurde vorgeschlagen. Daraus lässt sich schließen, dass sich die Situation von 2016 bis 2018 verschlechtert hat und die Einschätzung der Entwicklungsstörung mit 40 v.H. ab 04/2018 anzunehmen ist.
Eine Neurodermitis ist laut vorliegenden Befunden bereits im ersten Lebensjahr bekannt, der Verlauf ist in typischer Weise schubhaft variierend, auch mit teils schweren Exazerbationen. Die Einschätzung mit 30 v.H. entspricht diesem Schweregrad der Erkrankung. Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass im Gutachten angeführt sei, dass der Schlaf ungestört sei, dies aber nicht den Tatsachen entspreche. Die Untersuchung fand am statt, daher kann keine Stellungnahme darüber abgegeben werden, welche Angaben genau gemacht wurden. Die Exazerbation einer Neurodermitis stört sicher die Nachtruhe, sodass in diesen Phasen der Schlaf gestört ist, dies ist in der Beurteilung der GS 2 auch berücksichtigt. Ein unruhiger Schlaf allein ist nicht als Schlafstörung zu werten
."
Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

2) Kind2:
es wurde wie in den Vorgutachten wieder ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. seit Mai 2017 festgestellt.
"Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Die GS 1 umfasst die kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten als auch Verhaltensschwierigkeiten im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese war auch das zentrale Thema einer Psychotherapie, die bei Herrn Mag.
***3*** von 04/2012 bis 04/2016 in Anspruch genommen wurde. Zum Zeitpunkt der Begutachtung wurde eine Traumatherapie 1x wöchentlich angegeben. Die Verhaltensauffälligkeiten variieren laut Betreuungsbericht 04/2017 tagesabhängig, von auffälligem Verhalten mit Grobheiten anderen gegenüber bis zu entspannten Tagen. In den Gutachten zur Feststellung der Notwendigkeit einer individuellen Betreuungsperson in der Schule wurde zunächst von 2 Psychologinnen festgehalten, dass das Verhalten in der jeweiligen Verhaltensbeobachtung nicht wesentlich von anderen Kindern abgewichen ist. Bei einer Verhaltensstörung, die nicht wesentlich vom Verhalten anderer Kinder abweicht, kann nicht von einer Verhaltensstörung ausgegangen werden, die einen Behinderungsgrad von 50 v.H. erreicht. Ein voll- oder teilstationärer Aufenthalt an einer Kinderpsychiatrie oder in einem heilpädagogischen Zentrum wegen der Verhaltensstörung sind ebenso wenig wie der Versuch einer pharmakologischen Therapie bekannt, was ebenso zum Schluss führt, dass die Verhaltensstörung im Rahmen der posttraumatischen Belastungsstörung allein keinen Grad der Behinderung von 50 v.H. erreicht. Vor 05/2017 liegt kein Befund über eine gleichzeitige wesentliche kognitive Entwicklungsstörung oder gravierende Lernstörung vor. Im psychologischen Gutachten von Frau Mag. ***5*** vom ist eine kognitive Leistungsfähigkeit im untersten Durchschnittsbereich angeführt. Eine integrative Zusatzbetreuung im Kindergarten hat nicht stattgefunden. Ein sonderpädagogischer Förderbedarf war erst ab 05/2017 erforderlich, sodass ein Grad der Behinderung von 50 v.H. erst ab diesem Zeitraum angenommen werden kann. Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass im Gutachten angeführt sei, dass der Schlaf ungestört sei, dies aber nicht den Tatsachen entspreche. Die Untersuchung fand am statt, daher kann keine Stellungnahme darüber abgegeben werden, welche Angaben genau gemacht wurden. Es kann nur angemerkt werden, dass ein unruhiger Schlaf allein nicht als Schlafstörung gewertet wird. Ein fachärztlicher Befund über eine Schlafstörung liegt nicht vor."
Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der gemäß § 8 Abs. 2 und 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF zustehende Betrag an Familienbeihilfe erhöht sich gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v. H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Der Behinderungsgrad hängt bei gleichbleibendem Krankheitsbild auch vom Alter des Kindes ab. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes etwa stellt sich je nach Alter des Kindes unterschiedlich dar, da die Fertigkeiten, die ein Kind im Kindergartenalter beherrschen sollte, sich wesentlich von jenen, die von einem Schulkind erwartet werden, unterscheiden. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes ist daher immer im Vergleich zum Entwicklungsstand gleichaltriger gesunder Kinder zu sehen. So kann schon im Kindergartenalter ein gewisser Entwicklungsrückstand vorliegen, der sich aber bis zum Schulalter weiter vergrößern und einen höheren Behinderungsgrad herbeiführen kann (vgl. und Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 8 Rz 11).

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Auf die Notwendigkeit der Vorlage entsprechender Beweismittel ("sämtlicher Behandlungsunterlagen") wird im Vordruck Beih 3 (Antragsformular für den Erhöhungsbetrag) deutlich hingewiesen.

Ein Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (vgl. etwa und mwN).

Im Erkenntnis vom (VwGH 2013/16/0170) hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf VwGH Ra 2014/16/0010 vom auszugsweise wörtlich ausgeführt:
"Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht."

Nach § 10 Abs. 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 4 FLAG 1967 ist als materielle Voraussetzung des Anspruchs auf Familienbeihilfe in dem Monat zu erfüllen, für den Familienbeihilfe beantragt wird, nicht in dem Monat, in welchem der Antrag (rückwirkend) gestellt wird (vgl. und ). Denn die Bestimmung des § 10 Abs. 3 FLAG, wonach die Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend von Beginn des Monats der Antragstellung gewährt wird, betrifft ausschließlich das Recht zur Geltendmachung eines bereits entstandenen Anspruches, legt sohin lediglich eine Frist zur Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche auf Familienbeihilfe fest und ermöglicht nicht eine rückwirkende Erfüllung von Voraussetzungen zur Entstehung des Anspruches.

Die Bf. bemängelt, dass die Sachverständigen des Sozialministeriumservice in ihren Gutachten für Kind2 nicht einen Grad der Behinderung von zumindest 50% für fünf Jahre rückwirkend und für Kind1 nicht ab 2015 festgestellt haben, da die jeweiligen Erkrankungen lt. den vorgelegten Unterlagen und den Krankheitsverläufen bei Kind2 nicht erst ab Mai 2017 und bei Kind1 nicht erst ab April 2018 aufgetreten seien.

Sämtliche von der Beschwerdeführerin bei der Sachverständigen und im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde und sonstige Nachweise wurden in den Sachverständigengutachten des Sozialministeriumsservice berücksichtigt (siehe "Zusammenfassung relevanter Befunde" in den Gutachten).

Auch die mit dem Vorlageantrag zusätzlich übermittelten Unterlagen widersprechen den Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice nicht, da damit ein Nachweis, dass eine Behinderung mit einem GdB von 50 v. H. der Kinder vor den in den Sachverständigengutachten genannten Zeitpunkten vorliegt, nicht erbracht werden konnte, was auch den ausführlichen Begründungen der weiteren ärztlichen Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom zu entnehmen ist.

Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. kann die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde für Kind1 ein Befund, der einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. vor April 2018 belegt, nicht vorgelegt. Die Zunahme ihres Entwicklungsabstandes gegenüber gesunden Gleichaltrigen seit 2016 wurde in den Sachverständigengutachten berücksichtigt.
Für Kind2 wurde in den Sachverständigengutachten ausgeführt, dass in den vorgelegten Befunden belegt ist, dass eine posttraumatische Belastungsstörung ab April 2012 therapiert wurde. Es liegt aber kein Befund über eine gleichzeitige wesentliche kognitive Entwicklungsstörung vor, ein sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) war erst ab Mai 2017 erforderlich, sodass ein Grad der Behinderung von 50 v.H. vor diesem Zeitraum nicht angenommen werden kann.

Die vorliegenden Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice berücksichtigen die vorgelegten Befunde und Unterlagen und tragen der nach diesen Unterlagen zu erfolgenden Einstufung nach der Einschätzungsverordnung, auch was die Rückwirkung betrifft, Rechnung. Die Gutachten sind schlüssig, vollständig und widersprechen einander nicht. Es wurde in jeweils drei Gutachten übereinstimmend festgestellt, dass für Kind1 ein Grad der Behinderung von 50% ab April 2018 und für Kind2 ab Mai 2017 vorliegt. Das Finanzamt hat sich rechtlich zutreffend an diese in den Gutachten enthaltenen Zeitpunkte gehalten, zu denen die bestehenden Erkrankungen der Kinder einen Grad der Behinderung von 50 v.H. erreicht haben. sodass ab diesen Zeitpunkten, und nicht rückwirkend 5 Jahre ab Antragstellung bzw. ab 2015, die erhöhte Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Somit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 für Kind1 für den Zeitraum Jänner 2015 bis März 2018 und für Kind2 für den Zeitraum August 2013 bis April 2017 nicht vor (die erhöhte Familienbeihilfe wurde für Kind1 ab April 2018 und für Kind2 ab Mai 2017 gewährt).

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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