Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2022, RV/7101869/2022

Grobes Verschulden an der Säumnis: Bronchitis des Geschäftsführers der GmbH

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** über die Beschwerde der W.GmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , StNr., über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf.), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einen Säumniszuschlag in der Höhe von 1.100 Euro (2 % des Abgabenbetrages) fest, weil die Kapitalertragsteuer
30-12/2021 in der Höhe von 55.000 Euro nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet wurde.

In der gegen diesen Bescheid bei der Abgabenbehörde eingebrachten Beschwerde beantragte die Bf., von der Verhängung eines Säumniszuschlages abzusehen und den Bescheid vom aufzuheben:
"In unserer Buchhaltung war die Überweisung von EUR 55.000 als KESt ordnungsgemäß für die erste Kalenderwoche des Jahres 2022 vorbereitet. Leider war unser Geschäftsführer G, der als einziger im Unternehmen eine Überweisung in dieser Höhe freigeben kann, krank wegen einer akuten Bronchitis, wie im hier beigelegten ärztlichen Attest nachgewiesen wird. Als er am 12/1 nach dem Krankenstand wieder im Büro war, hat er sofort am selben Tag die Überweisung freigegeben, der somit nur 5 Tage nach Fälligkeit von unserem Konto gegangen ist, wie vom hier beigelegten Überweisungsauftrag nachgewiesen wird."
Der Beschwerde angeschlossen war ein undatiertes ärztliches Attest der Allgemeinmedizinerin A, in der diese dem Bf. wegen eines akuten respiratorischen Infektes für die Dauer vom bis Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.
Ebenfalls der Beschwerde angeschlossen war der Ausdruck der Übernahmebestätigung der Bank vom , über den Auftrag, eine Finanzamtszahlung von 55.807,42 Euro durchzuführen.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit der Begründung ab, für die Entscheidung sei das bisherige Zahlungsverhalten der Bf. heranzuziehen. In Anbetracht der Tatsache, dass in der Vergangenheit wiederhalt Abgabenschuldigkeiten nicht fristgerecht entrichtet wurden (z.B. K 10-12/2021,
KU 04-06/2021, KU 01-03/2021, Lohnabgaben 07 und 08/2021), könne in der verspäteten Entrichtung der KA 30-12/2021 kein minderer Grad des Versehens gesehen werden.

Mit dem Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte aus:
"….. Die Beschwerdevorentscheidung hat die konkreten Argumente und Belege, die in unserer Beschwerde vorgebracht wurden, überhaupt nicht gewürdigt, und stattdessen den Satz angeführt: "Kein grobes Verschulden kann nur dann anzunehmen sein, wenn der/die Abgabepflichtige in der Vergangenheit den abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.", welcher geeignet erscheint, gegebenenfalls die automationsunterstützte Verhängung eines Säumniszuschlages in Folge einer Auswertung von Bewegungen am Abgabenkonto, zu begründen, nicht aber der Sachverhaltsdarstellung aus unserer Beschwerde zu widerlegen. Die Beschwerdevorentscheidung erscheint uns daher als unbegründet.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO ist, wenn eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, ein erster Säumniszuschlag in der Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages zu entrichten.

Gemäß § 217 Abs. 5 BAO besteht keine Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages, wenn die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als den Abgabepflichtigen an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen (§ 217 Abs. 10 BAO).

Das (grobe) Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (-0008). Dies gilt auch für Organe juristischer Personen ().

G ist seit dem Jahr X alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer und 100%-Gesellschafter der W. GmbH. Ihm anzulastendes grobes Verschulden ist daher einem Verschulden der Bf. gleichzuhalten.
P, der von 2003 bis X gemeinsam mit G handelsrechtlicher Geschäftsführer war, ist seit dem Jahr X Prokurist der Gesellschaft.

Laut vorliegenden Unterlagen wurde von der Bf. am die Kapitalertragsteuer für
30-12/2021 mit 55.000 Euro gemeldet; die Entrichtung der Kapitalertragsteuer erfolgte am (Buchungsabfrage Abgabenkonto StNr.).

Da die Kapitalertragsteuer 30-12/2021 somit nachweislich nicht bis zu ihrem Fälligkeitstag entrichtet wurde, war das Finanzamt gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO verpflichtet, den hier angefochtenen Säumniszuschlagsbescheid zu erlassen.
Auch lagen im vorliegenden Fall weder die Voraussetzungen des § 217 Abs. 10 BAO (die Höhe des Säumniszuschlages übersteigt die Freigrenze von 50 Euro), noch die Voraussetzungen für eine Abstandnahme von der Festsetzung des Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 5 BAO vor, weil die Säumnis mehr als fünf Tage betrug (Fälligkeit , Entrichtung ) und überdies innerhalb der letzten sechs Monate eine weitere Säumnis vorliegt: So wurde die am fällige Körperschaftsteuer-Vorauszahlung 10-12/2021 in der Höhe von 6.250 Euro erst am entrichtet (Säumniszuschlagsbescheid vom über 125 Euro).

Die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand. Ein derartiges, auf die Erlangung bzw. die Gewährung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtetes Verfahren wird wesentlich vom sogenannten Antragsprinzip getragen und ist von einer erhöhten Mitwirkungspflicht des Antragstellers beherrscht. Das bedeutet, dass der allgemeine Grundsatz der Amtswegigkeit der behördlichen bzw. (verwaltungs)gerichtlichen Sachverhaltsermittlung (vgl. §§ 115, 269 BAO) gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt (vgl. ; ; ). Der Antragsteller hat also selbst und von sich aus, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels, das Vorliegen jener Umstände aufzuzeigen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann. Aus dieser erhöhten Behauptungs- und Beweislast des Antragstellers folgt, dass es grundsätzlich Sache des säumigen Abgabenschuldners ist, ein fehlendes grobes Verschulden an der verfahrensgegenständlichen Säumnis aufzuzeigen (zur erhöhten Behauptungs- und Beweislast siehe etwa Fischerlehner, ecolex 2004, 411).

Die Bf. bringt vor, ihr Geschäftsführer G sei vom 03. bis an einer akuten Bronchitis erkrankt gewesen. Am , seinem ersten Tag im Büro, habe er die Überweisung sofort freigegeben. Für die Freigabe von Überweisungen in dieser Höhe sei der Geschäftsführer im Unternehmen als einziger befugt.
Während der Zeitspanne seiner Erkrankung wurden die anfallenden Agenden (Meldung der Kapitalertragsteuer 30-12/2021 am , Meldung der Lohnabgaben 12/2021 am , siehe Buchungsabfrage Abgabenkonto StNr.) offensichtlich von Angestellten bzw. dem Prokuristen der Bf. wahrgenommen.

Ein grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO liegt dann nicht vor, wenn dem Abgabepflichtigen überhaupt kein Verschulden oder nur eine leichte Fahrlässigkeit angelastet werden kann (siehe ; bzw. Ritz, BAO6, § 217 Tz 43f, mwN). Eine derartige leichte Fahrlässigkeit bzw. ein lediglich minderer Grad des Versehens liegt dann vor, wenn (dem säumigen Abgabenschuldner im Hinblick auf die Nichtentrichtung bzw. verspätete Entrichtung) ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. etwa ).
Eine bloß leichte Fahrlässigkeit liegt aber nicht vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (vgl. ). Auffallend sorglos handelt stets derjenige, der die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von gesetzlichen bzw. behördlichen Terminen und Fristen erforderliche, nach den persönlichen Verhältnissen ihm auch zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (etwa ; ).

Während ein grobes Verschulden des gesetzlichen Vertreters des Abgabepflichtigen dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten ist (vgl. etwa ), ist ein (auch grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei grundsätzlich nicht schädlich. Entscheidend für die Schuldfrage ist, ob dem Abgabepflichtigen selbst (bzw. seinem gesetzlichen Vertreter) ein entsprechendes, grobes Verschulden, und nicht ein bloß leichtes Auswahl- oder Kontrollverschulden, anzulasten ist (vgl. Ritz, aaO, § 217 Tz 46, bzw. § 308 Tz 17).
Eine vom Abgabepflichtigen bzw. seinem Vertreter daher - im Rahmen der ihm obliegenden Sorgfaltsverpflichtung - gegenüber den Mitarbeitern wahrzunehmende Kontroll- bzw. Aufsichtspflicht umfasst neben der Schaffung geeigneter innerbetrieblicher Organisationsmaßnahmen zur Überwachung der Einhaltung von gesetzlichen oder behördlichen Terminen (beispielsweise in Form entsprechend geführter Termin- und Fristenvormerke) auch eine laufende, stichprobenweise durchzuführende, Kontrolle des Funktionierens der Organisationsabläufe.
Bei der Beurteilung eines gegebenenfalls vorliegenden betriebsinternen Überwachungssystems, ist jedoch zu beachten, dass eine bloß einmalige Versäumung einer Zahlungsfrist in aller Regel noch nicht den Rückschluss zulassen wird, dass die richtige Vormerkung von Terminen und die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen (durch ein bestehendes Kontrollsystem) generell nicht entsprechend gesichert ist (vgl. ).

Im vorliegenden Fall liegt nach dem Beschwerdevorbringen ein den Arbeitnehmern bzw. dem Prokuristen der Bf. anzulastendes grobes Verschulden nicht vor, weil sich der Vertreter der Bf. die Überweisung von Geldbeträgen (zumindest in bestimmter Höhe) vorbehalten hat. Damit ist eine rechtzeitige Abgabenentrichtung im Fall einer krankheitsbedingten oder auf andere Gründe zurückzuführenden Abwesenheit des Geschäftsführers von vornherein nicht gewährleistet. Welche Maßnahmen innerhalb der Büroorganisation der Bf. für derartige Fälle getroffen wurden, wird nicht dargelegt.

Mit den Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung (die nach der Judikatur des VwGH als Vorhalt gilt, siehe ), wonach in der Vergangenheit wiederholt Abgaben nicht fristgerecht entrichtet wurden (z.B. K 10-12/2021, KU 04-06/2021, KU 01-03/2021, Lohnabgaben 07/2021 und 08/2021), wird verdeutlicht, dass eine bloß einmalige Versäumung einer Zahlungsfrist bei der Bf. nicht vorliegt.
Die vom Finanzamt festgestellten Säumnisse lassen erkennen, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Zahlungsverzögerungen bei der Bf. gekommen ist, sodass der Vertreter der Bf. bereits ein erhöhtes Augenmerk auf die fristgerechte Abgabenentrichtung hätte richten müssen.
Es wäre daher im Hinblick auf die in diesem Verfahren erhöhte Behauptungs- und Beweislast an der Bf. gelegen, diesen Vorwürfen mit der Darstellung ihrer Büroorganisation entgegenzutreten und die Einrichtung ihres betriebsinternen Überwachungssystems zur Einhaltung von Fristen und Terminen darzulegen. Ein solches Vorbringen wurde von der Bf. nicht erstattet.

Es ist davon auszugehen, dass der alleinige handelsrechtliche Geschäftsführer und Alleingesellschafter von der Auszahlung der Kapitalerträge in der Höhe von 200.000 Euro am und damit auch von der Fälligkeit der Kapitalertragsteuer am Kenntnis hatte, zumal auch die Geschäftsanschrift der Bf. mit der Wohnadresse des Geschäftsführers ident ist.
Selbst wenn daher, wie die Bf. geltend macht, allein und erstmals die nachgewiesene Erkrankung des Geschäftsführers die Ursache für die verspätete Entrichtung der Kapitalertragsteuer 30-12/2021 gewesen ist, wurde nicht vorgebracht, dass der einwöchige Krankheitsverlauf des von der Ärztin diagnostizierten respiratorischen Infektes von einer derartigen Intensität war oder einen derart schweren, atypischen Verlauf genommen hat, dass dem Geschäftsführer in Kenntnis der Abfuhrverpflichtung der Kapitalertragsteuer die Kontaktaufnahme mit einem Mitarbeiter, dem Prokuristen oder der Bank oder die Einbringung eines Zahlungserleichterungsansuchens (etwa über FinanzOnline) nicht möglich gewesen wäre.

Da die Bf. somit nicht nachgewiesen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie an der verfahrensgegenständlichen Säumnis kein grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO trifft, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Entscheidung der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101869.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at