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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2021, RV/7500467/2021

Vermeintliche Ortsabwesenheit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde des ***Bf2***, ***Bf1-Adr*** vom , gegen die Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, vom , Zl. MA67/206700941613/2020, in Zusammenhang mit einer Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die angefochtene Vollstreckungsverfügung bestätigt.

Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Dem Beschwerdeführer (Bf) werden Verstöße gegen § 5 Abs. 2 (Wiener) Parkometerabgabeverordnung, iVm § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 (Abstellen des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen ***1*** in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone) vorgeworfen - im Verfahren MA67/206700920452/2020 am um 19:18 Uhr in Wien 9., Bleichergasse 11; im Verfahren MA67/206700941613/2020 am um 21:39 Uhr in Wien 6., Gumpendorfer Straße 151. Dafür wurden von der belangten Behörde mit Strafverfügungen vom Strafen von je 60 € verhängt.

Aufgrund von Zustellschwierigkeiten - der Bf meldet sich häufig ortsabwesend - wurde vom Erhebungs- und Vollstreckungsdienst am festgestellt, dass der Bf an seiner Meldeadresse in der ***Bf1-Adr*** weiterhin bekannt und wohnhaft sei. Ein weiteres Erhebungsersuchen vom wurde vom Erhebungs- und Vollstreckungsdienst am dahingehend beantwortet, dass der Hausbriefkasten ausgehoben werde. Bei der Erhebung am habe durch Befragen anderer Hausbewohner festgestellt werden können, dass der Bf an der Meldeadresse weiterhin wohnhaft und aufhältig sei, zuletzt vor drei Wochen gesehen wurde und sich auch immer wieder bei Freunden "am Land" aufhalte. Am sei eine Hinterlegungsanzeige zugestellt worden, von der er Kenntnis erlangt habe, weil er per Mail darauf geantwortet habe, er sei bis ortsabwesend.

Die besagten Strafverfügungen wurde am versucht, am Hauptwohnsitz des Bf zuzustellen. Dabei wurde eine Verständigung in seinem Brieffach hinterlegt, dass die Strafverfügungen ab bei der Behörde abholbereit sind. Die Sendungen wurden nicht behoben.

Am erließ die belangte Behörde zu den beiden Strafverfügungen Vollstreckungsverfügungen. Am erhob der Bf mittels Mail Beschwerde zu MA67/206700941613/2020 mit der Verantwortung, er sei im Zeitraum der Zustellung der Strafverfügung ortsabwesend gewesen, weshalb diesbezüglich ein Zustellmangel vorliege. Am erhob der Bf mittels Mail Beschwerde zu MA67/206700920452/2020 mit der Verantwortung, seiner Mutter seien die Autoschlüssel gestohlen worden, und er habe das Fahrzeug entfernen lassen. Die Ortsabwesenheit wird hierbei nicht vorgebracht.

Da die behauptete Ortsabwesenheit zweifelhaft ist, wurde der Bf vom Verwaltungsgericht aufgefordert, Nachweise darüber vorzulegen, dass er im Zustellzeitraum der Strafverfügungen nicht an der Abgabestelle anzutreffen war (zB Hotelrechnung bei Verreisen) und Angaben darüber zu machen, wo er in dieser Zeit aufhältig war (unter Nennung der Unterkunftgeber). Die Aufforderung erging sowohl an seinen Hauptwohnsitz, als auch an den Nebenwohnsitz in der ***Adr2*** in Gablitz, wo der Bf seit auch gemeldet ist.

Der Bf gibt dazu an, er sei von 26.3. bis 15.4. in Gablitz (Niederoesterreich) ansässig gewesen. Er habe die Post nicht entleert. Wahrscheinlich habe ein Mitbewohner die Post dem Pfleger seiner Mutter übergeben. Er habe jedenfalls den Postkasten nicht entleert, weil er nicht da war, sondern in Gablitz, was Frau ***2*** bestätigen könne, in deren Wohnung er in besagtem Zeitraum gewesen sei.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 8 Abs 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Der Bf hatte von den Verfahren Kenntnis, denn er hat im Verfahren zu MA67/206700920452/2020 am und zu MA67/206700941613/2020 am jeweils die ergangene Anonymverfügung beeinsprucht.

§ 8 Abs. 1 ZustG setzt voraus, dass sich die Abgabestelle der Partei während des Verfahrens ändert. Dabei bedarf es einer Verlegung auf Dauer und nicht etwa nur einer Abwesenheit, die so lange währt, dass die regelmäßige Anwesenheit des Empfängers nicht mehr anzunehmen und eine Hinterlegung oder Ersatzzustellung daher nicht möglich ist. Mit dem Begriff "Änderung" ist die Vorstellung der Verlegung, der Aufgabe, des Wechsels verbunden ().

Der Bf hält sich immer wieder länger in Gablitz auf, wo er seit einen Nebenwohnsitz hat. Er war jedoch in der Zeit davor auch in der ***Adr1*** anzutreffen. Dass andere Bewohner ihn mitunter drei Wochen lang nicht gesehen haben, spricht in einem Mehrparteienhaus noch nicht dafür, dass er in dieser Zeit nie anwesend war. Gablitz ist 25 Autominuten und 17 km vom Hauptwohnsitz des Bf entfernt. Es erscheint unglaubwürdig, dass er drei Wochen hindurch (von 26.3. bis 15.4.) nicht seinen Hauptwohnsitz aufgesucht hat, zumal dort auch seine pflegebedürftige Mutter wohnt (was sich aus seinen Vorbringen und der Einsicht in das Zentrale Melderegister ergibt), er vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt hat (was sich aus dem Verwaltungsakt ergibt) und in einer Entfernung Unterkunft genommen hat, die einen täglichen Besuch der Abgabestelle problemlos ermöglicht.

Gemessen an diesen Umständen vermag das Verhalten des Bf gar keine Ortsabwesenheit zu begründen, es erweckt lediglich den Eindruck, dass er durch deren Behauptung die Zustellung verwaltungsbehördlicher Schriftstücke wiederholt erschweren will (siehe zB auch seine Vorbringen in ; , RV/7500196/2021; , RV/7500172/2021). Schließlich wäre in Gablitz -bei zutreffender Ortsabwesenheit am Hauptwohnsitz - eine alternative Abgabestelle greifbar gewesen, die bekanntzugeben dem Bf zumutbar gewesen wäre.

Sollte aber der Bf tatsächlich bereits vor der Meldung im Juni regelmäßig und für längere Zeit an der Gablitzer Adresse aufhältig gewesen sein, so läge eine Änderung der Abgabestelle vor. Wird die Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen, so ist die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs 2 ZustG).

Mit der Unterlassung der ihr obliegenden Mitteilung der Änderung der Abgabestelle trägt die Partei die Gefahr, dass die Behörde diese Änderung nicht erkennen und die Zustellung an der bisherigen Abgabestelle bewirkt werden kann, gleichgültig, wo sich die Partei tatsächlich aufgehalten hat und welche Abgabestelle für sie zu diesem Zeitpunkt sonst in Betracht gekommen wäre (). Eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch ist nur dann mit der Wirkung der Zustellung ausgestattet, wenn die Behörde ergebnislos den ihr zumutbaren und ohne Schwierigkeiten zu bewältigenden Versuch unternommen hat, eine (neue, andere) Abgabestelle festzustellen. Da bei der versuchten Zustellung eines Bescheides (an der nicht mehr bestehenden Abgabestelle) mit einem Bewohner des Hauses Kontakt aufgenommen wurde und der Beschwerdeführer eine polizeiliche Meldung an seiner neuen Adresse nicht vorgenommen hat, ist die weitere Tatbestandsvoraussetzung für eine Hinterlegung ohne Zustellversuch erfüllt, weil eine Abgabestelle jedenfalls bis zur Hinterlegung nicht "ohne Schwierigkeiten" festgestellt werden konnte ().

In jedem Fall wurde die Zustellung der Grundlagenbescheide - hier der Strafverfügungen - mit der Hinterlegung bei der Behörde nach § 23 iVm § 8 Abs 2 ZustG bewirkt, denn entweder war die Behauptung der Ortsabwesenheit trotz nahen Aufenthalts, regelmäßiger Rückkehr und Kenntnis des Zustellvorganges rechtsmissbräuchlich, oder die unterlassene Meldung der Änderung der Abgabestelle war dem Bf anzulasten.

Nach der ständigen Rechtsprechung zu den für die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen einschlägigen Normen (siehe §§ 1a, 3, 10 VVG, § 54b VStG, § 35 EO) ist eine Vollstreckungsverfügung unter den nachstehend angeführten Voraussetzungen rechtmäßig erlassen worden:

• Der Vollstreckungsverfügung muss ein entsprechender zu vollstreckender Bescheid (Titel-bescheid) zu Grunde liegen (vgl. zB ; , 2009/05/0001).

• Der Bescheid muss gegenüber dem Verpflichteten wirksam ergangen sein (vgl. zB ; , 2009/05/0001).

• Der Verpflichtete ist seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen (vgl. zB ; , Fe 2016/05/0001).

• Die Leistung im Titelbescheid muss mit dem zu vollstreckenden Bescheid übereinstimmen (). Verweist die Vollstreckungsverfügung auf den Titelbe-scheid, so ist sie eindeutig (vgl. zB ).

Die Vollstreckungsbehörde hat nur zu prüfen, ob ein exekutierbarer Titel vorliegt und die Vollstreckung zulässig ist (, ).

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Leistung im Titelbescheid (Straf¬verfügung) mit dem zu vollstreckenden Bescheid übereinstimmt und die mit der rechtswirksam zugestellten Strafverfügung vom auferlegte Geldstrafe von 60 Euro bis zur Erlassung der Vollstreckungsverfügung am und bis zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht nicht entrichtet wurde.

Aufgrund der notorischen Zustellprobleme wird dem Bf an beide gerichtsbekannten Adressen zugestellt.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt der in den oben angeführten Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 35 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
§ 10 Abs. 1 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 10 Abs. 2 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 1a VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 3 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 54b VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 8 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7500467.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at