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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.07.2021, RV/7100024/2021

Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag einer Partei (§ 303 BAO)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***A*** vom , betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2018, zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) beantragte über FinanzOnline am die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2018 und begründete diese mit der Bitte um Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen für ein Kind für den Zeitraum Monat 02 bis Monat 12. Im Anhang übermittelte der Bf einen Beschluss des Bezirksgerichts ***B*** vom aus dem unter anderem hervorgeht, dass dem Bf mit Beschluss des Bezirksgerichts ***B*** vom monatliche Unterhaltszahlungen von 350 € für seinen Sohn auferlegt wurden.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2018 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass es sich um keinen Neuerungstatbestand handle.

In seiner am über FinanzOnline eingebrachten Beschwerde ersuchte der Bf um Berücksichtigung

  1. des Pendlerpauschales, da er "damals auch in ***C*** gearbeitet habe und jeden Montag hingefahren und Freitag zurückgefahren sei" und

  2. der Unterhaltszahlungen, da er "mtl 350,-- für ein Kind Unterhalt zahlte und es nicht berücksichtigt worden sei".

Im Anhang übermittelte der Bf das "Ergebnis der Berechnung" der Pendlerpauschale und des Pendlereuros.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich Einkommensteuer 2018 vom abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass dem Bf die Tatsache der Geltendmachung von Pendlerpauschale und Unterhaltsabsetzbetrag vor Abschluss des Einkommensteuerverfahrens 2018 bekannt gewesen sei (das Wissen über (selbst) verwirklichte Sachverhalte sei in der Regel anzunehmen), handle es sich bei diesem Umstand nicht um neu hervorgekommene Tatsachen iSd § 303 Abs 1 BAO.

Im Vorlageantrag vom führte der Bf aus, dass "wenn ihm das bekannt gewesen wäre, dass man das beantragen könne, hätte er es beantragt."

Mit Vorhalt vom wurde dem Bf mitgeteilt, dass sein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2018 abzuweisen sei, da die vorgebrachten Neuerungen aus Sicht des Bf nicht neu gewesen seien. Zwecks etwaiger amtswegiger Wiederaufnahme des Verfahrens wurde der Bf ersucht, nachzuweisen, dass der geschuldete Kindesunterhalt von 350 € pro Monat im Jahr 2018 tatsächlich geleistet worden sei und hinsichtlich des Pendlerpauschales noch einen Auszug aus dem Pendlerrechner vorzulegen.

Am übermittelte der Bf ein Schreiben vom von der Mutter seines Sohnes, in dem bestätigt wurde, dass sie Alimente in Höhe von 350 € monatlich in bar vom Bf im Jahr 2018 erhalten habe und sie deswegen keine weiteren Beweise habe.

Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor und verwies darauf, dass das Wissen über selbst verwirklichte Sachverhalte in der Regel anzunehmen sei, weshalb es denkunmöglich erscheine, dass dem Bf vor Abschluss des Einkommensteuerverfahrens 2018 nicht bekannt gewesen sei, dass ihm im Jahr 2018 Aufwendungen für das Zurücklegen der Wegstrecke Arbeitsort-Wohnort angefallen seien bzw dass er im Jahr 2018 Unterhalt für sein Kind geleistet habe.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bf begründete seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2018 mit der Bitte um Berücksichtigung der bis dahin nicht geltend gemachten Unterhaltszahlungen für ein Kind für elf Monate.

In der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid ersuchte der Bf neben den Unterhaltszahlungen auch das Pendlerpauschale zu berücksichtigen.

Im Vorlageantrag führte der Bf aus, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die Möglichkeit bestünde, die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen und des Pendlerpauschales zu beantragen.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht von der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ist in folgender Weise rechtlich zu würdigen:

Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Als Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (vgl zB ; ; ).

Keine neu hervorgekommenen Tatsachen sind hingegen zB neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (; ; ).

Soweit der Bf seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Bitte um Berücksichtigung der bis dahin nicht geltend gemachten Unterhaltszahlungen für ein Kind für elf Monate begründet, ist darauf zu verweisen, dass die Beseitigung der Folgen einer Unterlassung der Geltendmachung von Ausgaben, sei es auf Grund Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften oder auf Grund unzutreffender rechtlicher Würdigung, durch den Bf nicht durch die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgen kann. Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl ). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl ).

Gemäß § 303 Abs 2 lit b BAO hat der Wiederaufnahmeantrag die Bezeichnung jener Umstände zu enthalten, auf die der Antrag gestützt wird. Hierbei ist der Antragsteller behauptungs- und beweispflichtig für das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes (vgl zB ; ; ).

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht anzusehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei (vgl ).

Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs 1 lit b iVm Abs 2 lit b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (vgl ; sowie , und die dort wiedergegebene Literatur).

Wenn der Bf in der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid ersuchte, neben den Unterhaltszahlungen auch das Pendlerpauschale zu berücksichtigen und im Vorlageantrag ausführte, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die Möglichkeit bestünde, die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen und des Pendlerpauschales zu beantragen, zeigt der Bf aber damit nicht auf, welche die Veranlagung zur Einkommensteuer 2018 betreffenden Tatsachen und Umstände dem Bf erst nach Bescheiderlassung bekannt geworden sein sollen, hat doch der Bf laut Bestätigung der Mutter seines Sohnes an diese im Streitjahr 2018 Unterhaltszahlungen geleistet und hat der Bf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte selbst zurückgelegt, die für die Geltendmachung von Ausgaben für diese Fahrten als Werbungskosten Voraussetzung sind.

Aber auch die Ausführungen des Bf im Vorlageantrag, dass "ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die Möglichkeit bestünde, die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen und des Pendlerpauschales zu beantragen", können dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen, da neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - keine Tatsachen iSd § 303 Abs 1 lit b BAO sind. Für das Neuhervorkommen von Tatsachen kommt es allein auf den Kenntnisstand des Abgabepflichtigen, als Partei des Wiederaufnahmeverfahrens an (; , ). Ein diesbezügliches Neuhervorkommen von bestimmten Tatsachen im Hinblick auf den Kenntnisstand des Bf wurde aber im Verfahren weder behauptet noch bewiesen.

Umstände, die der Partei bekannt waren, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund für die Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (vgl Ritz, BAO6, § 303 Tz 23).

Das Bundesfinanzgericht geht somit davon aus, dass der Tatbestand des § 303 Abs 1 lit b BAO nicht erfüllt ist.

Die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über die zu beurteilende Rechtsfrage, ob die vom Bf bekanntgegebenen Umstände eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag des Bf rechtfertigen, im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 2 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Neuhervorkommen
Neuerungstatbestand
Wiederaufnahme des Verfahrens
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100024.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at