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Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 29.09.2022, VH/7500012/2022

Parkometerabgabe; Abweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe, da weder ein schwieriger Sachverhalt noch eine schwierige Rechtsfrage vorliegt

Entscheidungstext

BESCHLUSS-Verfahrenshilfe

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über den Antrag des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gegen die Straferkenntnisse des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, sämtliche vom , GZlen. MA67/Z1/2022, MA67/Z2/2022 und MA67/Z3/2022, den Beschluss gefasst:

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

Ad 1)MA67/Z1/2022

Mit Straferkenntnis vom , GZlen. MA67/Z1/2022 wurde der Antragsteller für schuldig befunden, das in Rede stehende Kraftfahrzeug am in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1210 Wien, Josef-Zapf-Gasse ggü 35, ohne einen für den Beanstandungszeitpunkt 15:35 Uhr gültigen Parkschein abgestellt zu haben, da sich im Fahrzeug der Parkschein Nr. 273900EF, gültig für 15 Minuten mit den Entwertungen 10:18 Uhr befunden habe und die Parkzeit somit überschritten worden sei. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Ad 2) MA67/Z2/2022

Mit Straferkenntnis vom , GZlen. MA67/Z2/2022, wurde der Antragsteller für schuldig befunden, das in Rede stehende Kraftfahrzeug am in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1210 Wien, Josef-Zapf-Gasse ggü 35, ohne einen für den Beanstandungszeitpunkt 13:40 Uhr gültigen Parkschein abgestellt zu haben, da sich im Fahrzeug die Parkscheine Nr. 273900EF, gültig für 15 Minuten mit den Entwertungen 09:15 Uhr und Nr. 273900EF, gültig für 15 Minuten mit den Entwertungen 10:54 Uhr befunden hätten und die Parkzeit somit überschritten worden sei. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Ad 3) MA67/Z3/2022

Mit Straferkenntnis vom , GZlen. MA67/Z3/2022, wurde der Antragsteller für schuldig befunden, das in Rede stehende Kraftfahrzeug am in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1210 Wien, Josef-Zapf-Gasse ggü 33, ohne einen für den Beanstandungszeitpunkt 20:03 Uhr gültigen Parkschein abgestellt zu haben. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Ad 1) bis 3)

Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Antragsteller eine Geldstrafe von je € 60,00 verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit je 14 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt. Zudem wurde gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz ein Betrag von je € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Begründend stellte die Behörde in den Straferkenntnissen nach Wiedergabe des jeweiligen Verwaltungsgeschehens und des Einspruchsvorbringens sowie unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung fest, dass eine Überprüfung beim Magistratischen Bezirksamt für den 21. Bezirk ergeben habe, dass für das gegenständliche Fahrzeug mit dem Kennzeichen Vienna zu den Tatzeiten kein Parkkleber ausgestellt gewesen sei. Die Ausstellung eines Parkklebers für dieses Fahrzeug sei mit Bescheid GZ. 123-2022 vom für den Gültigkeitszeitraum bis erfolgt.

Seine Einwendungen seien somit nicht geeignet gewesen, ihn vom gegenständlichen Tatvorhalt zu entlasten.

Im Zuge des Verfahrens seien somit keine Tatsachen hervorgekommen, die zu dessen Ein-stellung führen hätten können, zumal die Übertretung vom Bf. auch nicht bestritten worden sei.

Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahms-weise erlaube bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liege im gegenständlichen Fall nicht vor. Der Antragsteller habe daher den objektiven Tatbestand der angelasteten Übertretung verwirklicht.

Nach näheren Ausführungen zum Fahrlässigkeitsbegriff stellte die Behörde fest, dass die Übertretung mit der Einhaltung der gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu vermeiden gewesen wäre, weshalb der dem Antragsteller angelastete strafbare Tatbestand auch subjektiv als erwiesen anzusehen gewesen sei.

Weiters enthält das Straferkenntnis die maßgeblichen Bestimmungen für die Strafbemessung (§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, § 19 Abs. 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991), erläutert diese näher und führt die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Strafzumessungs-gründe an.

Der Antragsteller stellte fristgerecht einen Antrag auf Verfahrenshilfe.

Dem Antrag war Vermögensbekenntnis beigelegt, demzufolge der Antragsteller Pensionist ist und eine Pension von € 1.087,00 bezieht (nachgewiesen durch das Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom ). Die Kosten für die Wohnung (einschl. Betriebs-, Strom- und Heizkosten) betragen monatlich € 847,67 (nachgewiesen durch ein Schreiben der Stadt Wien). Die Schulden belaufen sich auf € 181.000,00.

Der Bf. nannte folgende Gründe für die Benötigung eines Verfahrenshilfeverteidigers:

Vertretung in der Verhandlung
Erhebung einer Beschwerde
Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens

Weiters führte der Bf. - soweit relevant - wörtlich aus:

"Der Kastenwagen wurde Ende Februar gekauft und danach den Antrag auf Parkpickerl bei MA 65 für den 21. Bezirk (als Wohnadresse) und 3. Bezirk (für die Putzerei, um schmutzige Wäsche abzuholen und saubere zuzustellen). Ich fragte einen Kontrollor im 3. Bezirk, der mir empfohlen, den Pickerlantrag vor dem Windschutzscheib zu kleben, dann wird nichts passieren (Strafe). Noch 3 weitere Kontrollore im 21. Bezirk habe ich befragt und alle meinen Vorgang zugestimmt. …Meine Frage: Werden die Kontrollore von MA 67 auch auf Verlogenheit ausgebildet? ICH BRAUCHE UNBEDINGT EINEN RECHTSANWALT/IN ZUR VERTEIDIGUNG"

Das Verwaltungsgericht Wien leitete den Antrag auf Verfahrenshilfe zuständigkeitshalber an das Bundesfinanzgericht weiter (Datum des Einlangens beim Bundesfinanzgericht: ).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung:

§ 40 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

(1) Ist ein Beschuldigter außerstande, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, so hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich und auf Grund des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist.

(2) § 8a Abs. 3 bis 10 ist sinngemäß anzuwenden, § 8 Abs. 3 mit der Maßgabe, dass der Antrag auch mündlich gestellt werden kann.

§ 40 VwGVG sieht die Gewährung von Verfahrenshilfe nur für das verwaltungsgerichtliche Verwaltungsstrafverfahren vor.

Rechtsprechung des EuGH

Durch die Bezugnahme auf Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit c EMRK und Art 47 GRC soll sichergestellt werden, dass der Verfahrenshilfeverteidiger im verwaltungsgerichtlichen Strafverfahren den Anforderungen des europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (s ErläutRV 1255 BlgNR 25. GP 5, aber auch unten Rz 6, vgl. , , , s. auch Lewisch/Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 40 VwGVG (Stand , rdb.at)).

Bei der Beurteilung der Frage des wirksamen Zugangs zu den Gerichten können in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH folgende Kriterien zur Prüfung herangezogen werden:

1. begründete Erfolgsaussichten des Antragstellers/der Antragstellerin,
2. die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen/diese,
3. die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens und
4. die Fähigkeit des Antragstellers/der Antragstellerin, sein/ihr Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen.

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH)

Gründe für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers sind

eine besondere Schwierigkeiten der Sach- oder Rechtslage,
besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und
die (allfällige) besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei, wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohende Strafe, zu berücksichtigen (siehe etwa , ).

Interesse der Rechtspflege

Bei der Beurteilung der Interessen der Rechtspflege ist vor allem auf die zweckentsprechende Verteidigung Bedacht zu nehmen. Es stellt eine Rechtsfrage des Einzelfalls dar, ob im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und iSd Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. c EMRK Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu gewähren ist (, , ).

Dabei ist auf allfällige besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung oder Beurteilung des Sachverhalts und dessen rechtliche Komplexität (zB ) sowie auf besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei abzustellen (vgl ).

Sind sowohl die Sachverhaltsfragen als auch die Rechtsfragen vergleichsweise einfach, so ist Verfahrenshilfe nicht zu gewähren, selbst wenn es sich beim Beschuldigten um eine Person ohne juristische Ausbildung handelt (vgl. etwa ; , ).

Mittellosigkeit des Beschuldigten

Als notwendiger Unterhalt ist ein zwischen dem notdürftigen und dem standesgemäßen Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem Existenzminimum liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet (vgl ; ).

Die Mittellosigkeit des Beschuldigten ist zweckmäßigerweise durch ein Vermögensverzeichnis nachzuweisen. Ob der notwendige Unterhalt beeinträchtigt ist, stellt eine Frage des Einzelfalls dar, die idR nicht revisibel ist (vgl ).

Kumulatives Vorliegen der in § 40 Abs. 1 VwGVG genannten Gründe

Die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers setzt voraus, dass beide in § 40 Abs 1 VwGVG genannten Voraussetzungen - Mittellosigkeit des Beschuldigten und Interessen der Rechtspflege (dazu unten Anm 9) - kumulativ vorliegen (vgl. zB ; , , uvm.).

Für den vorliegenden Fall wird Folgendes festgestellt:

Der Antragsteller bestreitet nicht die ihm von der belangten Behörde angelastete Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 (kein gültiger Parkschein zu den Beanstandungszeiten). Es liegt somit ein unstrittiger Sachverhalt vor.

Der Antragsteller bringt auch nicht vor, dass in seinem Fall eine besonders schwierige Rechtsfrage vorliegt, sondern nur, dass er insgesamt vier Kontrollorgane der Parkraumüberwachung gefragt habe und diese ihm gesagt hätten, er solle den "Pickerlantrag" hinter der Windschutzscheibe anbringen, dann werde er keine Strafe erhalten (gemeint wohl: für das Abstellen des Fahrzeuges in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein).

Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren zeichnet sich in Anbetracht dieses Vorbringens weder durch eine schwierige Sachverhaltsfrage noch durch eine besondere rechtliche Komplexität aus. Die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers im Interesse der Rechtspflege ist daher zu verneinen.

Zufolge des vom Antragsteller vorgelegten Vermögensbekenntnisses (samt Bestätigung des Pensionsbezuges und Vorschreibung der Wohnkosten durch die Stadt Wien) bezieht der Antragsteller eine Pension von € 1.078,00 und zahlt für die Benützung der Wohnung (einschl. Betriebs-, Strom- und Heizkosten) monatlich € 846,00. Die Schulden betragen laut Angaben des Antragstellers € 181.000,00 (kein Nachweis).

Dem Antragsteller droht im Beschwerdeverfahren keine höhere Geldstrafe als insgesamt € 180,00 = 3 x € 60,00 Geldstrafe), da gemäß § 42 VwGVG in einem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes keine höhere Strafe verhängt werden darf als im angefochtenen Bescheid. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe (€ 60,00) droht dem Bf. eine Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt 42 Stunden (3 x 14 Stunden).

Die vom Antragsteller erteilten Auskünfte hinsichtlich seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse lassen auf den ersten Blick den Schluss auf eine Mittellosigkeit zu. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beschuldigte kein Einkommen und Vermögen hat, liegt aber die in § 40 Abs. 1 VwGVG zweite Voraussetzung für die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers (Interesse der Rechtspflege) nicht vor.

Nachdem die in § 40 Abs. 1 VwGVG genannten Gründe kumulativ vorliegen müssen, war daher die Verfahrenshilfe nicht zu gewähren.

Festgehalten wird noch, dass das inhaltliche Vorbringen des Antragstellers in seinem Antrag auf Verfahrenshilfe zeigt, dass er durchwegs in der Lage ist, seinen Standpunkt vorzutragen sowie sich zu verteidigen. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern dem Antragsteller in einer Beschwerde die Erstattung des aufgezeigten Vorbringens ohne Beigebung eines Verteidigers oder die Stellung von Beweisanträgen nicht möglich wäre.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Eine Revision wegen Verletzung in Rechten ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und überdies im Erkenntnis eine Geldstrafe von nicht mehr als 400 Euro verhängt wurde.

Eine Angelegenheit, die einen Antrag zum Gegenstand hat, der mit einem Verwaltungsstraf-verfahren untrennbar verbunden ist, stellt eine Verwaltungsstrafsache iSd § 25a Abs. 4 VwGG dar und es kommt daher der Revisionsausschluss zum Tragen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:VH.7500012.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at