Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.09.2022, RV/7500374/2022

Parkometerabgabe; verspäteter Einspruch gegen Strafverfügung; Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , GZ. MA67/Zahl/2020, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde vom abgewiesen und der Bescheid der belangten Behörde vom bestätigt.

Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 (MA 67) forderte die Zulassungsbesitzerin des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna, Fa. X. m.b.H., mit Schreiben vom gemäß § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 auf, der Behörde binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens Auskunft darüber zu erteilen, wem sie das Fahrzeug am um 15:46 Uhr überlassen habe, sodass dieses in 1150 Wien, Goldschlagstraße 1, stand.

Das Lenkerauskunftsersuchen enthielt folgenden Hinweis:

"Ihre Auskunft muss den vollen Namen und die vollständige Anschrift der betreffenden Person enthalten. Es wird darauf hingewiesen, dass das Nichterteilen bzw. die unrichtige, unvollständige oder nicht fristgerechte Erteilung dieser Lenkerauskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist. Die Lenkerauskunft ist auch dann zu erteilen, wenn Sie der Meinung sein sollten, das betreffende Delikt nicht begangen oder den Strafbetrag bereits beglichen zu haben."

Das Auskunftsersuchen wurde nach einem Zustellversuch am durch Hinterlegung bei der Post-Geschäftsstelle 1150 Wien, Europaplatz 3, am Freitag, den zugestellt und ab diesem Tag zur Abholung bereitgehalten. Die Übernahme des Schriftstückes erfolgte nachweislich am (Übernahmebestätigung RSb).

Mit E-Mail vom wurde von der Zulassungsbesitzerin kein Lenker namhaft gemacht, sondern ua. mitgeteilt, dass W. M. mit einem Kunden im Auto gesessen sei, da er sich wegen überhöhter Hitze nicht wohl gefühlt habe.

Mit Schreiben vom übermittelte die MA 67 W. M. zwei vom Kontrollorgan der Parkraumüberwachung zur Beanstandungszeit angefertigte Fotos (Kopie) und forderte ihn zu einer mündlichen oder schriftlichen Rechtfertigung binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens aufgefordert.

Aus dem Verwaltungsakt geht nicht hervor, ob eine Rechtfertigung abgegeben wurde.

Mit Strafverfügung vom lastete der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, ***Bf1*** (Beschwerdeführerin, kurz: Bf.) an, als zur Vertretung nach außen berufene Person der Zulassungsbesitzerin ("X") des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges dem ordnungsgemäß zugestellten Verlangen der MA 67 vom , innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Auskunft zu geben, wem sie dieses Fahrzeug überlassen gehabt habe, sodass dieses am in Wien 15., Goldschlagstraße 1, gestanden sei, nicht entsprochen habe.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 2 iVm § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über die Bf. eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Die Strafverfügung wurde der Bf. an die Adresse 1150 Wien, Gasse, am durch den Zusteller mit der Personalnummer: [...] zugestellt (Übernahmeabschnitt RSb). Im Unterschriftsfeld der Übernahmebestätigung RSb steht "iA". Die Unterschrift ist nicht lesbar.

Die mit der Strafverfügung verhängte Geldstrafe wurde nicht bezahlt.

Mit Schreiben vom erging an die Bf. wegen der noch offenen Forderung eine Mahnung (Pkt. I) und wurde gemäß § 54b Abs. 1 VStG eine Mahngebühr von € 5,00 vorgeschrieben.

Unter Pkt. II des Schreibens (Vollstreckungsverfügung) verfügte die MA 6 für den Fall, dass der Betrag nicht binnen zwei Wochen beglichen wird, gemäß §§ 3 und 10 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) die Zwangsvollstreckung.

Am langte bei der MA 67 ein Schreiben der Bf., datiert mit , ein.

In diesem Schreiben stellte die Bf. unter Bezugnahme auf die Mahnung vom mit folgender Begründung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in das laufende Verfahren:

"…"W. M. saß mit einem Kunden im Auto, da wg überhöhter Hitze er sich nicht wohl befand und vom Mitarbeiter ein Glas Wasser holend der Beamte trotz bittender Erklärung und sehend, sodaß das Wasser schließlich reichend, trotzdem der Beamte dies abgetan hat.

Daraufhin wurde per Post beiliegendes Schreiben - mit der Bitte um Abstandnahme einer Verfolgung - gesandt und in der Folge noch Mails gesandt - es hat die Meldung gegeben wir sollen nochmals per Mail senden, dies erfolgt mit Mail 7.9. und , worauf wir die Antwort erhielten, daß die Angelegenheit als ERLEDIGT anzusehen ist."

Es ist wohlweislich der Nachweis erbracht worden, daß das Fahrzeug nicht geparkt gewesen und keine Überschreitung oder gg. die Parkverordnung verstossen hat, sondern gegenüber unseren Geschäft G. Parkett im Auto sitzend die Person auf ein Glas Wasser wartend zur Weiterfahrt getätigt hat und eigentlich vom Beamten überschießend gehandelt wurde und sonach eigentlich überdies die Behörde verständnisvoll als Erledigung mitgeteilt hat, es hat auch keine Strafverfügung Zustellung erfolgt, falls dies der Fall war erbitte ich höflich der Wiedereinsetzung stattzugeben, sodaß wir eine weitere Stellungnahme und Beweise der Person als Parteiengehör abgeben können.

Sodaß die Mahnung bzw. Eintreibung des eigentlich zu Unrecht geforderten Betrag bis zur Erledigung auszusetzen bzw. unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gegebenheiten, der Ablaufs, das Mahnverfahren einzustellen…"

Der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, wertete das Schreiben als Einspruch gegen die Strafverfügung vom und wies diesen unter Pkt. I des Bescheides vom gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) als verspätet zurück.

Unter Pkt. II wurde der Antrag der Bf. vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen die Strafverfügung vom , MA67/Zahl/2020 gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) mit folgender Begründung abgewiesen:

"Mit Eingabe vom haben Sie Einspruch gegen diese Strafverfügung eingebracht und gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Begründet wurde dies damit, dass in dieser Sache keine Parkometerverordnungübertretung begangen worden wäre. Vielmehr wäre ausführlich beim Magistrat bereits schriftlich Einspruch erhoben worden.

Daraufhin wären per Post beiliegendes Schreiben mit der Bitte um Abstandnahme einer Verfolgung und in weiterer Folge noch Mails gesandt. Es hätte die Meldung gegeben, Sie sollten dies nochmals per Mail senden. Dies wäre mit 7.9. und erfolgt, worauf Sie die Antwort erhalten hätten, dass die Angelegenheit als ERLEDIGT anzusehen wäre.

I.Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Die Strafverfügung wurde am laut Zustellnachweis zugestellt. Die im § 49 Abs. 1 VStG festgesetzte zweiwöchige Einspruchsfrist begann daher am und endete am .

Sie haben den Einspruch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am , somit nach Ablauf der Einspruchsfrist zur Post gegeben, sodass der Einspruch als verspätet zurückgewiesen werden musste.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsmittelfrist eine zwingende, auch durch die Behörde nicht erstreckbare gesetzliche Frist. Der Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruchs rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung, durch deren Versäumung die Partei einen Rechtsnachteil erleidet, zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis verhindert wurde, eine Frist einzuhalten oder zu einer Verhandlung zu erscheinen. Die Partei darf dabei kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffen.

Dazu wird ausgeführt, dass ein Ereignis "unvorhergesehen" ist, wenn ein solches von der Partei nicht mit einberechnet wurde und sein Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. "Unabwendbar" ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann. Darüber hinaus darf lediglich ein minderer Grad des Verschuldens der Partei vorliegen.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 2 AVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung, durch deren Versäumung die Partei einen Rechtsnachteil erleidet, zu bewilligen, wenn die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit des Einspruchs bzw. der Beschwerde Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Gemäß § 71 Abs. 3 AVG hat die Partei im Fall der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Ihr Antrag beinhaltet keinen konkreten Wiedereinsetzungsgrund (samt dafür in Betracht kommender Beweismittel).

Weiters fehlen klare Angaben über die Rechtzeitigkeit des Antrages.

Sie haben somit weder konkrete Angaben über die Rechtzeitigkeit des Antrages gemacht, noch Gründe angeführt, die ein Vorliegen jenes unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses beschreiben, dass Sie an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Nur die alleinige Behauptung eines solchen reicht nicht aus.

Der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen."

Die Bf. brachte gegen den nachweislich am übernommenen Zurückweisungsbescheid am folgende Beschwerde ein:

"Betr.:MA67/Zahl/2020 Beschwerde und Wiederholung: Einspruch und Wiedereinsetzung

Gegen Zurückweisungsbescheid wird in offener Frist

1.) BESCHWERDE eingebracht
2.) EINSPRUCH gg. eine Strafverfügung vom
3.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
4. ) Antrag auf Verjährung
5.) Nachsicht

mit folgender BEGRÜNDUNG:

Zu 1.) der Bescheid ist zu Unrecht ergangen, weil eine Strafverfügung vom nicht übernommen wurde und auch sonach nicht zugestellt wurde; auch nicht am It angeblichen Zustellnachweis. Es herrschte in diesem Zeitraum COVID-Pandemie und gesetzliche Geschäftsschließungen und HOME OFFICE, ob es möglicherweise damit zusammenhängt, wäre wesentlich, weil auch bis dato eine solche uns nicht zur Verfügung gestellt wurde.

Es wurde ein Mahnverfahren über € 65,- eröffnet und dagegen haben wir eine ausführliche Stellungnahme abgegeben.

Beweise: Schr. vom ,,,,

Zu 2) mit gleichzeitigen Einspruch, weil der Einspruch gg. die Strafverfolgung mit dem Mail vom auch erfolgt ist und

zu 3.) Wiedereinsetzung im Falle einer Zustellung dieser Strafverfügung, eine solche wurde auch bis dato nicht uns zur Kenntnis gebracht, so auch keine Rechtsmittelbelehrung bzw. übernommen, sondern durch das Mahnverfahren wir Kenntnis erlangt haben (off Betrag € 65,-siehe zu 1) u 2) die og Beweise, welche die Behörde unberücksichtigt ließen und es angenommen war - was aus den Beweisen ausführlich nachgewiesen lediglich " als Notfall "ERLEDIGT" ist.

Zumal wir hier nochmals aufzeigen wollen, daß bereits aus diesen Beweise, speziell das Mail , fristgerecht bereits EINSPRUCH gg. eine Strafverfolgung erhoben wurde, jedoch auch hier die Behörde keine Reaktion abgegeben hat, was lebensnah ist, daß diese Angelegenheit durch den Beamten überschießend abgehandelt wurde und eben als " als Notfall "ERLEDIGT" ist.

Der Zurückweisungsbescheid ist aufgrund dessen zu Unrecht ergangen und erbitte höflich die Strafverfolgung aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten einzustellen.

Zu4) weiters stellen wir den Antrag auf Verjährung. Der Vorfall stammt aus 2019 heute ist 2022 also 3 Jahre

Zu 5) weiteren Antrag stellen wir auf NACHSICHT, der gesamte Vorfall ist in der Stellungnahme vom und auch in sämtlichen Beweis-Mails und Schreiben deklariert und beschrieben, daß es KEIN Verstoss gg Parkverordung (der Parkbeamten hat überschießend gehandelt) gegeben oder einer Lenkererhebung, (siehe Schr/Mail ) gegeben hat.

Wir erbitten höflich um Aufhebung der Strafverfolgung und um Aussetzung der Eintreibung bis zur Erledigung."

Die MA 67 legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die belangte Behörde

  1. den Einspruch vom gegen die Strafverfügung vom zu Recht gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen hat

  2. der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen wurde.

Zu 1.) Verspäteter Einspruch gegen Strafverfügung

Gemäß § 49 Abs. 1 VStG ist der Einspruch innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG idF ab enden nach Wochen bestimmte Fristen mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch die Benennung dem Tag entspricht, an dem das fristauslösende Ereignis stattgefunden hat.

Gemäß § 33 AVG idF ab können durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.

Die Bf. bringt in ihrer Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom vor, dass die Strafverfügung vom nicht übernommen und sonach auch nicht zugestellt worden sei, auch nicht am laut angeblichem Zustellnachweis. In diesem Zeitraum sei die Covid-Pandemie mit gesetzlichen Geschäftsschließungen und Homeoffice gewesen. Es wäre wesentlich zu wissen, ob die Nichtzustellung damit zusammenhänge.

Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt (Übernahmebestätigung RSb) ergibt sich, dass die Strafverfügung vom am übernommen wurde.

Demgemäß endete die zweiwöchige Frist zur Einbringung eines Einspruches am .

Der Einspruch gegen die Strafverfügung langte jedoch erst am bei der Behörde ein. Er war daher als verspätet zurückzuweisen, weswegen auch die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid als unbegründet abzuweisen war.

2.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71 AVG idF ab lautet:

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung eines Rechtsmittels

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei auf Antrag zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (vgl. zB , ).

Ein Ereignis ist dann "unvorhergesehen", wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. etwa ).

Es ist "unabwendbar", wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (vgl. etwa ).

Geltendmachung eines Zustellmangels

Zustellmängel bilden grundsätzlich keinen Wiedereinsetzungsgrund, weil bei mangelhafter Zustellung die (versäumte) Frist nicht zu laufen beginnt (, bis 0234).

Ein Zustellmangel, der dazu geführt hat, dass eine Frist nicht in Gang gesetzt wurde, ist kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis und begründet daher keinen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. zB ).

Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages

Die Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages beginnt gemäß § 71 Abs. 2 AVG mit dem "Wegfall des Hindernisses". Als Hindernis ist dabei jenes Ereignis zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Beruht die Versäumung der Frist auf einem Versehen, hört das Hindernis im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG in jenem Zeitpunkt auf, zu welchem dieses Versehen als solches erkannt werden konnte und musste (vgl. bspw. , zum insoweit vergleichbaren § 46 Abs. 3 VwGG, sowie allgemein ). Wann eine Kenntnis in diesem Sinn anzunehmen ist, obliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung ().

Von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels ist bereits zu dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (, ).

Verpflichtung des Wiedereinsetzungswerbers

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen (). Es besteht die Pflicht zur Konkretisierung aller Umstände, die es ermöglichen, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen. Diese Konkretisierungspflicht umfasst auch die zeitlichen Komponenten, aus denen zum einen geschlossen werden kann, dass die Antragstellung rechtzeitig erfolgte und zum anderen, dass der Wiedereinsetzungswerber gehindert war, die versäumte Handlung rechtzeitig vorzunehmen, also Vorbringen dazu, wann das Hindernis in Form welches konkreten Ereignisses begonnen und wann es aufgehört hat. Der Wiedereinsetzungswerber hat von sich aus initiativ alles vorzubringen, was die Annahme eines die Rechtzeitigkeit der Vornahme einer Prozesshandlung hindernden Umstandes begründen kann (vgl zB , ).

Verjährung

Die Bf. stellt in ihrer Beschwerde "den Antrag auf Verjährung". Der Vorfall stamme aus 2019, heute sei 2022, also drei Jahre.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen wurde.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Nach den Bestimmungen des § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt.

Zufolge den Bestimmungen des § 31 Abs. 3 VStG darf eine Strafe nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind.

Aus den im Sachverhaltsteil wiedergegebenen Verfahrensgang und den vorstehend angeführten Bestimmungen ergibt sich, dass im vorliegenden Fall keine Verjährung eingetreten ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Nachsicht

Zum Nachsichtsansuchen der Bf. wird angemerkt, dass das Bundesfinanzgericht für Nachsichtsansuchen nicht zuständig ist. Anträge auf Nachsicht und Zahlungserleichterungen sind bei der MA 6, BA 32, einzubringen.

Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht:

Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist "Sache" eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (, 0003; ; , Ra 2019/14/0299).

Für den vorliegenden Fall wird zusammenfassend Folgendes festgestellt:

Die Bf. hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Sie hat als Wiedereinsetzungswerberin der Konkretisierungspflicht, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen, bereits zitierten Rechtsprechung fordert, nicht entsprochen, da sie - wie schon von der belangten Behörde ausgeführt - keinen konkreten Wiedereinsetzungsgrund (samt dafür in Betracht kommender Beweismittel) genannt hat.

Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte die Bf. spätestens mit der Zustellung des Schreibens vom (Mahnung und Vollstreckungsverfügung) Kenntnis von der Strafverfügung erlangen und demgemäß entsprechend den Bestimmungen des § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses einen Antrag auf Wiedereinsetzung bei der belangten Behörde einbringen müssen. Die Bf. hat jedoch erst mit Schreiben vom , eingelangt bei der Behörde am , Einspruch gegen die Strafverfügung vom erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist eingebracht.

Zufolge des hier vorliegenden Sachverhaltes hat die belangte Behörde den Einspruch gegen die Strafverfügung zu Recht zurückgewiesen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen.

Abschließend wird zum Beschwerdeeinwand der Bf., dass "KEINE Parkometerverordnung begangen" worden sei, informativ mitgeteilt, dass die Bf. mit der hier in Rede stehenden Strafverfügung vom als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Zulassungsbesitzerin des näher bezeichneten Kraftfahrzeuges wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft bestraft wurde und nicht wegen des Fehlens eines gültigen Parkscheins.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Entscheidung im Sinne der wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes getroffen wurde, lag verfahrensgegenständlich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Es war daher die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 31 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 32 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 31 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 31 Abs. 3 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 49 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 32 Abs. 2 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991
§ 33 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991
§ 71 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991
§ 71 Abs. 1 Z 1 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991
§ 71 Abs. 2 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991
Verweise




















ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500374.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at