Übertragung stiller Reserven gem § 12 EStG bei unentgeltlicher Betriebsübertragung
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RV/2100113/2021-RS1 | Für die Behaltefrist des § 12 Abs 3 EStG 1988 ist - im Falle der Buchwertfortführung - der ununterbrochene Zeitraum maßgebend, währenddessen ein Wirtschaftsgut beim Rechtsvorgänger und beim Rechtsnachfolger zum Anlagevermögen gehört hat. Dies ist unabhängig davon, ob die unentgeltliche Betriebsübertragung im Rahmen einer Einzel- oder einer Gesamtrechtsnachfolge erfolgt. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf, Bf-Adr vertreten durch Fritz Wirtschaftstreuhand & Steuerberatungs GmbH, Roseggerstraße 10, 8670 Krieglach über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr gem § 323b BAO Finanzamt Österreich) vom betreffend Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO für das Jahr 2005, Steuernummer Bf-StNr zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gem § 188 BAO für das Kalenderjahr 2005 mit € 0,00 festgestellt.
Gemäß § 101 Abs 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs 1 lit a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die im Jahr 2005 erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 188 BAO iHv € 141.862,- und die Aufteilung der Anteile an die beiden Mitgesellschafter der Bf mit jeweils € 70.931,- festgestellt. Diese Summe setzte sich - lt "Beilage zur Erklärung Personengesellschaften 2005" - aus der "Veräußerung Waldgrundstück und Milchkontingent 2005" zusammen (€ 130.834,- stehendes Holz plus € 11.028,- Milchkontingent).
Die beiden Mitgesellschafter der Beschwerdeführerin (Bf) Herr S und Frau G hatten laut Übergabsvertrag vom ua das Grundstück EZ 20, KG 001, mit einer Waldfläche im Gesamtausmaß von 52,7340 ha sowie das Milchkontingent an der Z Molkerei Genossenschaft gegen Ausgedinge übertragen bekommen.
Mit Vertrag vom verkauften die beiden Mitgesellschafter der Bf einen Teil der genannten Liegenschaft (nämlich das mit Lageplan vom neu vermessene und 19,4154 ha große Grundstück mit dem auf diesem Grundstück stehenden Holz) zum Gesamtkaufpreis von insgesamt € 245.029,35 an die Agrargemeinschaft A; ebenso wurde im Jahr 2005 das Milchkontingent um € 18.852,- verkauft.
Wie aus der Beilage zur Feststellungserklärung sowie einem Schriftsatz vom hervorgeht, beantragte die Bf gegenständlichenfalls gemäß § 12 Abs 1 EStG 1988 die Übertragung stiller Reserven aus der Veräußerung des Waldes und des Milchkontingentes auf die im Jahr 2005 angefallenen Errichtungskosten des Betriebsgebäudes (€ 55.727,81 ), die Anschaffungskosten einer Kläranlage (€ 13.348,27 ), eines VW Sharan (€ 17.000,-), eines Traktors samt Schneeschild (€ 31.154,75), Stallumbau (€ 3.328,18) und die Bildung einer Übertragungsrücklage gemäß § 12 Abs 8 EStG 1988 in Höhe von € 21.302,99.
Das Finanzamt hat im nunmehr angefochtenen Feststellungsbescheid 2005 vom die Übertragung stiller Rücklagen (und die Bildung einer Übertragungsrücklage) als nicht zulässig erachtet, da die in § 12 Abs 3 Z 1 EStG 1988 normierte 7-Jahresfrist für die Zugehörigkeit der veräußerten Wirtschaftsgüter (des Waldgrundstückes und des Michkontingentes) zum Anlagevermögen dieses Betriebes im Zeitpunkt der Veräußerung noch nicht vorgelegen sei.
So hätten nämlich im vorliegenden Fall die in Rede stehenden, von S und G im Jahr 2005 veräußerten Wirtschaftsgüter nicht einmal ein Jahr zum Anlagevermögen ihres Betriebes gehört, da sie selbst das Grundstück mit Waldfläche im Gesamtausmaß von 52,7340 ha sowie das Milchkontingent erst mit Übergabsvertrag vom übertragen bekommen hätten. Den Argumenten im Schreiben vom (unentgeltlicher Erwerb, Buchwertfortführung) könne deshalb nicht gefolgt werden, da es sich bei der Übertragung des Grundstückes nicht um eine Gesamtrechtsnachfolge im Erbwege sondern um eine Einzelrechtsnachfolge handle. Diesbezüglich stelle Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 12, Tz 29 fest: "Wurde der Betrieb jedoch unentgeltlich im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworben, beginnt die Frist frühestens mit dem Erwerb des Betriebes zu laufen, weil das veräußerte Wirtschaftsgut nicht vor diesem Zeitpunkt zum Anlagevermögen dieses Betriebes des Steuerpflichtigen gehört haben kann".
Dazu komme - so das Finanzamt weiter -, dass gemäß § 12 Abs 4 EStG 1988 die Übertragung stiller Rücklagen nur von körperlichen Wirtschaftsgütern auf körperliche Wirtschaftsgüter oder von unkörperlichen Wirtschaftsgütern auf unkörperliche Wirtschaftsgüter zulässig sei, was auf die Veräußerung des Milchkontingentes nicht zutreffe (= unkörperliches Wirtschaftsgut, Anschaffungen lt Aufstellung betreffen jedoch ausschließlich körperliche Wirtschaftsgüter).
In der dagegen gerichteten Berufung (nunmehr Beschwerde) führt der steuerliche Vertreter der Bf ua aus, dass im Falle der unentgeltlichen Übernahme eines Betriebes der Rechtsnachfolger gemäß § 6 Z 9a EStG 1988 die Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers zu übernehmen habe (sog Buchwertfortführung).
In den EStR 2000 werde dazu unter Rz 3879 festgelegt, dass für die Berechnung der Behaltefrist im Falle der Buchwertfortführung lt Rz 2531 ff der Richtlinien "die Behaltefristen des Rechtsvorgängers weiterlaufen" würden.
Die Rechtsvorgänger Herr V und Frau M hätten den landwirtschaftlichen Betrieb im Jahr 1971 übernommen, weshalb als "Stichtag" für die Berechnung der Behaltefrist nicht der heranzuziehen wäre, sondern dieser bereits beim Rechtsvorgänger zu ermitteln sei. Da das verkaufte Waldgrundstück bereits im Jahr 1971 zu dem übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb gehört habe, sei diesbezüglich die Behaltefrist jedenfalls erfüllt. Bezüglich des Milchkontingentes werde festgestellt, dass dieses bereits mehr als sieben Jahre im Besitz des Rechtsvorgängers gewesen sei, weshalb auch hier die Behaltefrist erfüllt sei. Da dieses unkörperliche Wirtschaftsgut mangels Kaufes eines unkörperlichen Wirtschaftsgutes eine Übertragung von stillen Reserven ausschließe, sei jedenfalls die Bildung einer Übertragungsrücklage gemäß § 12 Abs 8 EStG 1988 zulässig.
In einem dem UFS (nunmehr BFG) ergänzend vorgelegten Schreiben vom brachte der steuerliche Vertreter ua noch vor, dass es nach Übernahme des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes die "erste Aufgabe" der Übernehmer gewesen wäre, den übernommenen Betrieb "betriebswirtschaftlich zu beurteilen". So sei es vor allem notwendig gewesen, Investitionen zu tätigen - einerseits wegen der im Übertragungsvertrag festgelegten Verpflichtung des Ausgedinges und andererseits zur zeitgemäßen Modernisierung des Betriebes. Die Entscheidung und Umsetzung dieser notwendigen Aufgabe sei "nach betriebswirtschaftlich Grundsätzen erfolgt, in dem man eine Finanzierung der notwendigen Investitionen durch Einsatz von Eigenkapital nutzt. Sofern Eigenkapital nicht vorhanden ist, hat der Unternehmer die Möglichkeit, durch Verkauf von Anlagevermögen Finanzierungskapital freizusetzen".
Eine GesbR werde steuerrechtlich als einheitlicher Betrieb betrachtet; es sei daher seitens der Bf die Fortführung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit den wesentlichen Betriebsgrundlagen der bisherigen Land- und Forstwirtschaft erfolgt.
Bei "wirtschaftlicher Betrachtungsweise" sei also - so die abschließenden Ausführungen des steuerlichen Vertreters - eine Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des EStG gegeben, bei der die Übernehmer in sämtliche Rechte und Pflichten der Übergeber eingetreten seien. Es sei daher eine Buchwertfortführung im Sinne des § 6 Z 9a EStG gegeben und bei der Ermittlung der 7-Jahresfrist gemäß § 12 Abs 3 EStG auch die Frist des/der Vorbesitzer mit zu berücksichtigen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Mit Bescheid vom über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO für das Kalenderjahr 2005 wurden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in der Höhe von € 141.862,- und die Aufteilung der Anteile an S sowie an G mit jeweils € 70.931,- festgestellt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung (nunmehr Beschwerde) vom . Die Beschwerde wurde dem UFS (nunmehr BFG) am zur Entscheidung vorgelegt. Nunmehr wird im fortgesetzten Verfahren, nach dem mit Erkenntnis des wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehobenen Erkenntnisses des entschieden.
Auf Grund des Übergabsvertrages vom haben Herr V und Frau M die Liegenschaft Grundstück EZ 20, KG 001 (vulgo "XY") übertragen erhalten. Diese Liegenschaft wurde mit Notariatsakt (Übergabsvertrag) von an deren Sohn Herrn S und dessen Gattin Frau G übergeben. Mit übergeben wurde mit selben Vertrag auch das Milchkontingent an der Z Molkerei Genossenschaft, welches bereits seit mehr als 7 Jahren im Besitz der Rechtsvorgänger war.
Zu der von der Bf in der Beilage zu ihrer Berufung vom behaupteten Unentgeltlichkeit des Erwerbes im Rahmen der Hofübergabe mittels Übergabsvertrag vom ist festzustellen:
Lt Übergabsvertrag vom wurde den beiden Mitgesellschaftern der Bf eine Land- und Forstwirtschaft im Flächenausmaß von 52,7340 Hektar übergeben. Als Gegenleistung wurde die Bezahlung zur elterlichen Erb- und Pflichtteilsentfertigung der Schwester eines der beiden Übernehmer in Höhe von € 5.000,- und die Übernahme des noch aushaftenden Kredites in der Höhe von rund € 97.000,- sowie ein Wohnrecht samt Ausgedinge für die beiden Altbauern und Eltern bzw Schwiegereltern der beiden Mitgesellschafter der Bf vereinbart. Im Hinblick auf den Schuldenstand wurde bereits mit selben Übergabsvertrag vereinbart, dass vom Gutsbestand eine Fläche von rund 22 Hektar abgetrennt werden kann. Schließlich wurde mit Verkaufsvertrag vom eine Fläche von 19,4154 Hektar um insgesamt
€ 245.029,85 verkauft. Weiters wurde im Jahr 2005 das Milchkontingent an der Z Molkerei Genossenschaft um € 18.852,- verkauft.
Unbestrittener Weise entspringen aus diesen Veräußerungen an stillen Reserven € 130.834,- aus dem Verkauf der Liegenschaft und € 11.028,- aus dem Verkauf des Milchkontingentes. Insgesamt ergibt sich sohin ein Betrag von € 141.862,- der als stille Reserve im Jahr 2005 durch Veräußerung aufgedeckt wurde.
Wie aus der Beilage zur Feststellungserklärung sowie einem Schriftsatz vom hervorgeht, beantragte die Bf gemäß § 12 Abs 1 EStG 1988 die Übertragung stiller Reserven aus der Veräußerung des Waldes und des Milchkontingentes auf die im Jahr 2005 angefallenen Errichtungskosten des Betriebsgebäudes (€ 55.727,81 ), die Anschaffungskosten einer Kläranlage (€ 13.348,27 ), eines VW Sharan (€ 17.000,-), eines Traktors samt Schneeschild (€ 31.154,75), Stallumbau (€ 3.328,18) und die Bildung einer Übertragungsrücklage gemäß § 12 Abs 8 EStG 1988 in Höhe von € 21.302,99. Diese Kosten sind im abgeführten Verwaltungsverfahren unstrittig geblieben.
Beweiswürdigung
Wie sich bereits aus der Gegenüberstellung der Gegenleistung, die aus dem Übergabsvertrag vom ersichtlich ist, und dem Verkaufserlös aus dem Verkauf eines Teiles der übergebenen Liegenschaft erschließen lässt, liegt jedenfalls ein Missverhältnis zwischen dem Wert der übergebenen Liegenschaft und der dafür geleisteten Gegenleistung vor. In seinem Erkenntnis hat der VwGH () ausgeführt, dass eine (gemischte) Schenkung bei einem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung naheliegt, wenn aus den Verhältnissen der Personen zu vermuten ist, dass sie - aus privaten Motiven - einen zum Teil entgeltlichen, zum Teil unentgeltlichen Vertrag schließen wollten. Ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist gegeben, wenn sich nach Lage des Falles für den einen Teil auf jeden Fall eine Vermögenseinbuße und für den anderen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung ergibt (). Ein krasses Missverhältnis des Wertes der beiderseitigen Leistungen reicht zwar für sich allein nicht aus, eine gemischte Schenkung anzunehmen, es kann jedoch - als einer der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles - den Schluss auf die Schenkungsabsicht der Parteien rechtfertigen (vgl ; , 2006/15/0356; , 2007/15/0113; , 2001/13/0211; , 90/15/0084 und Hofstätter/Reichel, EStG § 6 Z 9 Tz 6).
Da einerseits - wie oben bereits dargestellt - ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und andererseits die verwandschaftliche Stellung zwischen Übergeber (Eltern des Übernehmers bzw Schwiegereltern der Übernehmerin) und Übernehmer (Sohn der Übergeber und seine Gattin) darauf schließen lässt, dass das Motiv des Übergabsvertrages privat geprägt war, ist die Unentgeltlichkeit des Übergabevertrages vom schlüssig anzunehmen. Ergänzend darf hiezu noch erwähnt werden, dass auch das belangte Finanzamt in seiner schriftlichen Stellungnahme vom zu dem Schluss kommt, dass der Betrieb zum unentgeltlich übergeben wurde. Der vom BFG hier angenommenen Unentgeltlichkeit des Übergabsvertrages stehen keine widersprechenden Sachverhaltsfeststellungen entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Nach § 12 Abs 1 EStG 1988 idF BGBl I 180/2004 können natürliche Personen stille Reserven (Abs 2), die bei der Veräußerung von Anlagevermögen aufgedeckt werden, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des im Wirtschaftsjahr der Veräußerung angeschafften oder hergestellten Anlagevermögens absetzen.
Nach § 12 Abs 3 EStG 1988 ist eine Übertragung ua nur zulässig, wenn
1. das veräußerte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sieben Jahre zum Anlagevermögen dieses Betriebes gehört hat [...].
§ 12 Abs 4 EStG 1988 normiert:
Eine Übertragung ist nur zulässig auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von
1. körperlichen Wirtschaftsgütern, wenn auch die stillen Reserven aus der Veräußerung von körperlichen Wirtschaftsgütern stammen,
2. unkörperlichen Wirtschaftsgütern, wenn auch die stillen Reserven aus der Veräußerung von unkörperlichen Wirtschaftsgütern stammen.
Im § 12 Abs 8 EStG 1988 schließlich ist normiert, dass stille Reserven im Jahr der Aufdeckung einer steuerfreien Rücklage (Übertragungsrücklage) zugeführt werden können, soweit eine Übertragung im selben Wirtschaftsjahr nicht erfolgt ist. Diese Rücklage ist gesondert auszuweisen. Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG 1988 kann ein Betrag in dieser Höhe steuerfrei belassen werden. Dieser Betrag ist in einem Verzeichnis auszuweisen, aus dem seine Verwendung ersichtlich ist.
Bei Personengesellschaften wie im gegenständlichen Fall sind die Gesellschafter, soweit es sich um natürliche Personen handelt, anspruchsberechtigt (Kanduth-Kristen in Jakom, EStG 2012, § 12 Rz 6).
§ 6 Z 9 lit a EStG 1988 lautet: "Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) eines Betriebes anzusehen ist, unentgeltlich übernommen, so hat der Rechtsnachfolger die Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers (Anteilsinhabers) zu übernehmen (Buchwertfortführung)."
Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0052 bereits ausgeführt hat, stellt die Bestimmung des § 12 EStG 1988 eine Reinvestitionsförderung dar, die unter bestimmten Voraussetzungen eine vorübergehende Steuerfreistellung der stillen Reserven aus der Veräußerung von Anlagevermögen ermöglicht. Der Veräußerungserlös soll ertragsteuerlich unbelastet für (Re)Investitionen zur Verfügung stehen (vgl auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 12 Tz 1).
Gemäß § 12 Abs 3 Z 1 EStG 1988 sind stille Reserven nur dann übertragbar, wenn das veräußerte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sieben Jahre zum Anlagevermögen ein und desselben ("dieses") Betriebes gehört hat.
Wird ein Betrieb unentgeltlich übergeben, führt der Rechtsnachfolger gemäß § 6 Z 9 lit a EStG 1988 die Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers fort (Buchwertfortführung). Die in Wirtschaftsgütern des übertragenen Betriebes enthaltenen stillen Reserven gehen dadurch auf den Rechtsnachfolger über. Der Rechtsnachfolger übernimmt mit den Buchwerten die aus diesen stillen Reserven resultierende Nachversteuerungslatenz. Daraus erhellt, dass im Falle einer unentgeltlichen Betriebsübernahme - wegen der vom Gesetz angeordneten Buchwertfortführung - die Behaltefrist des Rechtsvorgängers weiterläuft (vgl idS auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 12 Tz 23; Kanduth-Kristen in Jakom EStG 202114, § 12 Rz 10 und 14; Kirchmayr/Hirsch in Doralt et al, EStG21, § 12 Rz 28; Hohenwarter-Mayr, Rechtsnachfolge im Unternehmenssteuerrecht, 730; Sulz/Hirschler, Die Übertragung stiller Reserven gem § 12 EStG nach unentgeltlichem Erwerb des Betriebes, immolex 2019, 260 ff). Für die Behaltefrist des § 12 Abs 3 EStG 1988 ist - im Falle der Buchwertfortführung - der ununterbrochene Zeitraum maßgebend, währenddessen ein Wirtschaftsgut beim Rechtsvorgänger und beim Rechtsnachfolger zum Anlagevermögen gehört hat. Dies ist unabhängig davon, ob die unentgeltliche Betriebsübertragung im Rahmen einer Einzel- oder einer Gesamtrechtsnachfolge erfolgt.
Aufgrund der Tatsache, dass die gegenständliche Betriebsübertragung eine unentgeltliche war und somit hinsichtlich der Behaltedauer iSd § 12 Abs 3 Z 1 EStG 1988 auf den ununterbrochenen Zeitraum der Behaltedauer beim Rechtsvorgänger und beim Rechtsnachfolger abzustellen war, war spruchgemäß zu entscheiden. Von den aufgedeckten stillen Reserven in der Höhe von € 141.862,- können somit in Summe antragsgemäß
€ 120.559,01 auf die Errichtungskosten des Betriebsgebäudes und der Kläranlage, auf die Anschaffungskosten des VW Sharan und eines Traktors samt Schneeschild sowie auf die Kosten des Stallumbaus im Beschwerdejahr übertragen werden. Der verbleibende Restbetrag von
€ 21.302,99 entfällt auf die Bildung einer Übertragungsrücklage gem § 12 Abs 8 EStG 1988 im Beschwerdejahr, wobei € 10.274,99 auf körperliche Wirtschaftsgüter und € 11.028,- auf unkörperliche Wirtschaftsgüter entfallen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Für die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage wurde auf das Erkenntnis des abgestellt. Insofern kommt diesem Erkenntnis keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 12 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 12 Abs. 3 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 12 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 6 Z 9a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 6 Z 9 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 12 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100113.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at