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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.10.2022, RV/7100150/2022

Anspruch auf Familienbeihilfe einer Drittstaatsangehörigen für ihr Kind mit österreichischer Staatsbürgerschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in den Beschwerdesachen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Gregor Armin Klammer, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, über
1.) die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für ***S...[Kind]*** ab April 2020,
2.) die Beschwerde vom gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom ,
Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Über Aufforderung des Finanzamtes vom (mit ALF 3-Schreiben) an die Beschwerdeführerin (Bf.) die fehlenden Daten zur Feststellung der Anspruchsberechtigung und Auszahlung der Familienbeihilfe für ihren im April 2020 geborenen Sohn zu ergänzen, wurden auf dem rückgesendeten, am beim Finanzamt eingegangenen und als Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gewerteten Schreiben ein IBAN und als Nachweis über den rechtmäßigen Aufenthalt der Mutter (der Bf.) im Bundesgebiet "Asyl Karten" bekannt gegeben; dem Schreiben war die Kopie einer von der Republik Österreich-Bundesasylamt am ausgestellte Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG beigelegt, aus der hervorgeht, dass die Bf. Asylwerberin ist und die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzt.

Das Finanzamt erließ den beschwerdegegenständlichen Abweisungsbescheid vom , mit dem der Antrag der Bf. auf Familienbeihilfe für das Kind ***S...[Kind]*** (im Folgenden: S.) ab April 2020 mit folgender Begründung abgewiesen wurde:
Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, gewährt wurde, haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch für jene Kinder, denen ebenfalls Asyl nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Maßgebend für den Beginn des Beihilfenanspruchs ist jener Monat, in dem sowohl die antragstellende Person als auch das Kind über den Asylstatus verfügen. Dieser muss durch Vorlage positiver Asylbescheide dokumentiert werden.
Da Sie über keinen gültigen Asylstatus verfügen, besteht für den oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf die Familienbeihilfe.

Die gegen den Abweisungsbescheid erhobene Beschwerde vom wurde wie folgt begründet:
Der hier angefochtene Bescheid wird für qualifiziert rechtswidrig gehalten, weil ich nie behauptet hatte über einen Asylstatus zu verfügen und auch Personen, die nicht über einen Asylstatus verfügen, das Recht haben für sich und ihr Kind Familienbeihilfe zu beziehen.
Tatsächlich besitzt mein Kind die österreichische Staatsbürgerschaft. Gemäß der Rsp des EuGH/OGH/BFG halte ich mich sohin seit der Geburt des Kindes in Ableitung von Art 20 AEUV rechtmäßig in Österreich auf und habe auch Anspruch auf Familienbeihilfe, siehe dazu: , ; RV/7101450/2013, in Bezug auf Kinderbetreuungsgeld ; 10 ObS 64/17k, zuletzt ; 10ObS 178/19b.
Die Angelegenheit ist bereits mehrfach ausjudiziert.
Die Bf. stellte den Antrag, ihr die Familienbeihilfe im gesetzlichen Ausmaß für ihr Kind ab April 2020 zuzuerkennen.
Laut angeschlossener Kopie des am ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweises des am ***[Geb.dat.]*** geborenen Sohnes der Bf. besitzt dieser die österreichische Staatsbürgerschaft.

Mit stattgebender Beschwerdevorentscheidung vom hob das Finanzamt den angefochtenen Bescheid auf.

Nach Aufforderung des rechtsfreundlichen Vertreters der Bf. an die Finanzprokuratur zur Anerkennung eines auf das Amtshaftungsgesetz gestützten Ersatzanspruches und nach Weisung seitens des Bundesministeriums für Arbeit, Familie und Jugend hob das Finanzamt die stattgebende Beschwerdevorentscheidung mit Bescheid vom (zugestellt am ) mit folgender Begründung auf:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde einen Bescheid aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung hat, war die Aufhebung des im Spruch bezeichneten Bescheides von Amts wegen zu verfügen.
Gemäß § 3 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Sie als der anspruchsberechtigte Elternteil sind kein österreichischer Staatsbürger und erfüllen die Voraussetzungen des § 3 FLAG nicht, da dem Finanzamt kein Titel nach § 8 des Aufenthalts- und Niederlassungsgesetzes (NAG) vorliegt; sie verfügen lediglich über einen Aufenthaltstitel gemäß § 51 des Asylgesetzes. Damit sind sie nicht zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt.
In Ergänzung zu § 9 NAG räumt § 54 NAG Drittstaatsangehörigen, sofern sie Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR/EU Bürgern sind, die Möglichkeit ein, einen, vom EWR/EU-Bürger abgeleiteten, rechtmäßigen Aufenthalt von mehr als drei Monaten in Österreich zu begründen, wenn sie die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Zi 1-3 erfüllen. Bis dato wurde weder von Ihnen noch von ihrem Rechtsvertreter eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG vorgelegt.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Familienbeihilfe nicht vor. Die Beschwerdevorentscheidung wird daher gemäß § 299 der Bundesabgabenordnung als rechtswidrig aufgehoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gleichen Tag (; zugestellt am ) wies das Finanzamt die Beschwerde vom mit folgender Begründung ab:
Sachverhalt:
Sie sind nigerianische Staatsbürgerin. Es wurde Ihnen weder Asyl zuerkannt noch verfügen Sie über einen sonstigen gültigen Aufenthaltstitel, der sie gemäß § 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigen würde. Ihr Sohn S. ist österreichischer Staatsbürger.
Am haben Sie einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren am ***[Geb.dat.]*** geborenen Sohn gestellt. Vorgelegt wurden der Nachweis über die österreichische Staatsbürgerschaft des Sohnes und ein Aufenthaltstitel des Bundesasylamtes gemäß § 51 des Asylgesetzes für sie. Der Antrag wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom abgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde am vom bevollmächtigten Rechtsvertreter das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Der Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom vom Finanzamt stattgegeben.
Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 299 BAO als rechtswidrig aufgehoben.
Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG), in der jeweils gültigen Fassung, haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre minderjährigen Kinder.
Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Nach § 3 Abs. 2 FLAG besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Gemäß § 54 NAG sind Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern, die die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt in Österreich für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen.
Würdigung:
§ 3 FLAG stellt für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind oder die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates haben, weitere besondere Voraussetzungen auf. Diese Bestimmung enthält Regelungen für den Familienbeihilfenbezug durch Fremde, also jeweils durch oder für Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.
Drittstaatsangehörige haben grundsätzlich nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach der geltenden Rechtslage kommt es darauf an, ob für den Anspruchsberechtigten ein aufrechter Aufenthaltstitel nach § 8 NAG besteht. Es besteht somit kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt.
Da dem Finanzamt kein Titel nach § 8 NAG, sondern ein Aufenthaltstitel gemäß § 51 des Asylgesetzes vorgelegt wurde, sind sie nicht zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt.
In Ergänzung zu § 9 NAG räumt § 54 NAG Drittstaatsangehörigen, sofern sie Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR/EU Bürgern sind, die Möglichkeit ein, einen, vom EWR/EU-Bürger abgeleiteten, rechtmäßigen Aufenthalt von mehr als drei Monaten in Österreich zu begründen, wenn sie die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Z 1-3 erfüllen.
Bis dato wurde weder von Ihnen noch von ihrem Rechtsvertreter eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG vorgelegt. Damit liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Familienbeihilfe nicht vor.
Ihre Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom brachte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid vom und den Vorlageantrag betreffend die Beschwerde vom ein und begründete die Rechtsmittel wie folgt:
Es trifft zu, dass gemäß § 3 Abs 1 FLAG Personen, die nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen, nur Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie sich gemäß §§ 8 u 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Ich verweise hiezu auf das in meiner Beschwerde vom genannte Urteil des OGH in einer Kinderbetreuungsgeldsache vom ; 10 ObS 64/17k, dort wird ausgeführt:
9.5 Im hier eröffneten Anwendungsbereich des Unionsrechts ist zu beachten, dass das unionsrechtliche Grundrecht des Kindeswohls gemäß Art 24 Abs 2 GRC bei allen das Kind betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen immer eine vorrangige Erwägung sein muss. Maßnahmen betreffen dann die Kinder, wenn sie ihrer Natur nach allein oder im Wesentlichen bei Kindern zur Anwendung kommen (Lemke in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht7 Art 24 GRC Rn 7). Träger des Grundrechts gemäß Art 24 Abs 2 GRC ist das Kind, hier also die Tochter der Klägerin (Fuchs in Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar Art 24 Rz 13). Die Mitgliedstaaten haben die Erfordernisse des Schutzes der in der Unionsrechtsordnung anerkannten allgemeinen Grundsätze, zu denen auch die Grundrechte zählen, bei der Durchführung unionsrechtlicher Regelungen zu beachten; sie müssen diese Regelungen deshalb, soweit irgend möglich, so anwenden, dass diese Erfordernisse nicht verkannt werden (EuGH C-540/03, Parlament/Rat, Rn 105 mwH).

10. Vor diesem Hintergrund ist im konkreten Fall zur Wahrung der aus Art 20 AEUV resultierenden Rechte aus der Unionsbürgerschaft der Tochter der Klägerin für den hier zu beurteilenden Zeitraum bis ein daraus unionsrechtlich abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Klägerin zu bejahen.
Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich das Aufenthaltsrecht gemäß § 9 NAG aus dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht ergibt und einer diesbezüglichen Dokumentation lediglich deklaratorische Wirkung zukommt, ist zutreffend (vgl nur VwGH ZI Ra 2015/09/0137 mwH).
Ich halte mich demnach gemäß § 9 NAG rechtmäßig in Österreich auf, zumal das österreichische Kind von mir gestillt wird und im Falle meiner Ausreise aus Österreich nach Nigeria schon deshalb mit mir reisen müsste.
Dem kann das Finanzamt nicht entgegenhalten, dass ich keine Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG beigebracht habe, denn, siehe ; Ra 2019/22/0177:
Eine Aufenthaltskarte nach § 54 NAG 2005 zählt zu den Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts. In diesen Fällen ergibt sich das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht nicht aus einer nationalen gesetzlichen Berechtigung, sondern kraft unmittelbar anwendbaren Unionsrechts. Diese Bescheinigung hat bloß deklaratorische Wirkung, ein das Aufenthaltsrecht konstitutiv begründender "Aufenthaltstitel" liegt mit der Aufenthaltskarte nicht vor (vgl. )
und :
Folglich kommt es für einen Unionsbürger nicht auf die Beibringung eines § 9 NAG-Titels in Form einer öffentlichen Urkunde an. Vielmehr hat die Abgabenbehörde zu prüfen, ob der Unionsbürger jene Tatbestände erfüllt, an die das Gesetz die Ausstellung eines § 9 NAG-Titels knüpft (vgl ).
Schließlich noch ; RV/7104415/2016-RS3:
Die Mutter eines Kleinkindes, das die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, dem Haushalt der Mutter angehört und auf die Obsorge der Mutter angewiesen ist, hält sich solange diese Voraussetzungen zutreffen kraft Unionsrechts rechtmäßig in Österreich auf, auch wenn sie Drittstaatsangehörige ist; sie erfüllt die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 FLAG 1967.
Da sich sohin der Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom als richtig erwiesen hat - der Bescheid vom war rechtswidrig und daher aufzuheben - erscheint der gegenständliche Aufhebungsbescheid unrichtig und stelle ich daher den Antrag
Das Bundesfinanzgericht möge den hier angefochtenen Aufhebungsbescheid vom ersatzlos beheben.
Schließlich stelle ich noch den Antrag
Das Finanzamt möge meine Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorlegen.

Nach Abweisung der Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom brachte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. einen Vorlageantrag vom auch hinsichtlich dieser Beschwerde ein und verwies auf seine Beschwerdeschrift vom .

Nach zwei Ergänzungsersuchen des Finanzamtes, mehreren Antwortschreiben und Urkundenvorlagen seitens der Bf. (die in die Erwägungen miteinbezogen werden), aber auch diversen Fristerstreckungsantragen des rechtsfreundlichen Vertreters der Bf. erfolgte die Beschwerdevorlage durch das Finanzamt als belangte Behörde mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Verfahrensgang:
Am erging ein ALF-Schreiben an die Bf, das am beantwortet wurde und somit als Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gewertet wurde. Dieser wurde mit Bescheid vom bzgl des Sohnes der Bf, S., ab April 2020 (Geburtsmonat) abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass kein gültiger Asylstatus der Antragstellerin/KM bestehe.
Am wurde Beschwerde erhoben, in der vorgebracht wurde, dass der Sohn österreichischer Staatsbürger sei und die KM somit ein aus Art 20 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht habe. Am wurde der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung stattgegeben und der Abweisungsbescheid vom aufgehoben.
Am machte die Bf einen Amtshaftungsanspruch geltend und beantragte den Ersatz der bei ihr angefallenen Vertretungskosten.
Folglich erteilte das Bundesministeriums für Familie und Jugend die Weisung, die stattgebende

Beschwerdevorentscheidung vom aufzuheben und die Beschwerde abzuweisen, welcher mit Bescheiden vom jeweils nachgekommen wurde.
Der Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom und der Abweisungsbescheid vom sind Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Sachverhalt:
Die Bf ist nigerianische Staatsangehörige, ihr Sohn ist österreichischer Staatsbürger.
Die Bf ist 2007 illegal nach Österreich eingereist, kam der darauffolgenden Ausreiseverpflichtung nicht nach und blieb illegal im Bundesgebiet. Nach Geburt ihres Sohnes stellte die Bf einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 (Aufenthaltsberechtigung plus), der abgelehnt wurde. Stattdessen wurde ein Aufenthaltstitel des Bundesasylamtes gemäß § 55 Abs 2 AsylG erteilt.
Des Weiteren stellte die Bf einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe.
Die Bf lebt mit ihrem Sohn und ihrem Lebensgefährten, ***2***, nigerianischer Staatsangehöriger, (nicht der Kindesvater) im gemeinsamen Haushalt in Wien.
Der Kindesvater, ***1***, ist ebenfalls in Wien wohnhaft und vollzeitbeschäftigt. Die Bf hat die alleinige Obsorge inne und es besteht grundsätzlich kein Kontakt zum Kindesvater.
Die Bf ist nicht erwerbstätig, wird finanziell von Freunden unterstützt und steht in der Grundversorgung der Caritas (365€ monatlich, bestehend aus Verpflegungsgeld und Mietzuschuss).
Die Bf erhält laut eigenen Angaben Unterhaltszahlungen vom Kindesvater iHv 150€ monatlich (wobei in einem anderen Schreiben nur von "gelegentlich etwas Geld" gesprochen wurde) und finanzielle Unterstützung von Freunden, allerdings alles jeweils in bar, weswegen Kontoauszüge oä nicht vorgelegt werden konnten.
Es wurde eine Bestätigung eines/einer Freundes/Freundin vorgelegt, die bestätigte, dass diese Person die Bf mit monatlich 50€ freiwillig finanziell unterstütze.
Eine Bestätigung der Unterhaltszahlungen des Kindesvaters wurde von der Bf selbst ausgestellt.
Stellungnahme:
§ 3 des FLAG bestimmt die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe, wenn der anspruchsberechtigte Elternteil kein österreichischer Staatsbürger ist.
[Die Bf.], die als nigerianische Staatsangehörige die Eigenschaft einer Drittstaatsangehörigen hat, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
Es liegt dem Finanzamt kein NAG-Titel nach § 8 des Aufenthalts- und Niederlassungsgesetzes (=NAG) für die Kindesmutter vor; Asyl wurde ihr nicht zuerkannt, sie verfügt lediglich über einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs 2 des Asylgesetzes.
Damit ist sie aber nicht zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt.
In Ergänzung zu § 9 NAG räumt § 54 NAG Drittstaatsangehörigen, sofern sie Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR/EU Bürgern sind, die Möglichkeit ein, einen, vom EWR/EU-Bürger abgeleiteten, rechtmäßigen Aufenthalt von mehr als drei Monaten in Österreich zu begründen, wenn sie die Voraussetzungen des § 52 Abs 1 Zi 1-3 erfüllen. Ihnen ist dann auf Antrag eine Aufenthaltskarte auszustellen.
Es fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach dem Aufenthalts- und Niederlassungsgesetz zu prüfen und das Bestehen eines Aufenthaltsrechtes für eine Drittstaatsangehörige im Sinne des § 54 NAG festzustellen.
Auch wenn das Aufenthaltsrecht - bei Vorliegen der Voraussetzungen - von alleine besteht und nicht durch einen Behördenakt begründet wird, ist die Prüfung und Feststellung Aufgabe der Fremdenbehörde.
Für [die Bf.] wurde weder von ihr selbst noch von ihrem Rechtsvertreter eine Aufenthaltskarte gem § 54 NAG vorgelegt.
Gemäß der Rechtsprechung des EuGH zur Unionsbürgerschaft (Art. 20 AEUV) sind nationale Maßnahmen, die dazu führen würden, dass einem Unionsbürger der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der Rechte, die ihm der Status als Unionsbürger verleiht, verwehrt wird, nicht zulässig (s. dazu (Dereci); , C-133/15 (Chavez-Vilchez u.a.)).
Wäre das Kind gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen, wenn der Mutter ein Aufenthaltsrecht verweigert würde, weil der österreichische Vater die Obsorge nicht wahrnehmen kann, wäre eine solche Verweigerung des Aufenthaltsrechts unzulässig.
Die erforderlichen Informationen muss die Mutter, die sich auf eine solche Situation mit "de facto Zwang" berufen will, bei der Antragstellung für einen Aufenthaltstitel vorbringen. Die Prüfung der Umstände, welcher Elternteil die tatsächliche Obsorge für das Kind wahrnimmt bzw. wahrnehmen kann und ob ein tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis zu dem drittstaatszugehörigen Elternteil und damit ein "de facto Zwang" gegeben ist, ist immer eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände.
Dementsprechend war im Zuge des Verfahrens auch zu prüfen, ob der Kindesvater in der Lage wäre, die tägliche und tatsächliche Sorge für das Kind allein wahrzunehmen.
Die drittstaatszugehörige Mutter ist dabei verpflichtet, für diese Feststellungen entsprechende Informationen im Verfahren beizubringen.
Die belangte Behörde geht aufgrund der Vollzeitbeschäftigung und des Wohnortes in Wien davon aus, dass der Kindesvater sehr wohl in der Lage wäre, die tatsächliche Sorge für das Kind wahrzunehmen.
Die Rechtsprechung des EuGH erkennt somit in Ausnahmefällen drittstaatsangehörigen Elternteilen ein Aufenthaltsrecht zu, das - unabhängig von der nationalen Gesetzgebung - kraft unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts begründet wird.
Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn eine drittstaatsangehörige Person im Wohnsitzstaat des minderjährigen Kindes, das diesem Mitgliedstaat angehört, lebt und dem Kind Unterhalt gewährt.
Der Begriff "Unterhalt gewähren" ist allerdings rechtlich nicht fassbar. Es ist nicht ersichtlich, ob eine Mutter, die lediglich das Kind bei sich hat, jedoch von vornherein (zur Gänze) auf Leistungen der öffentlichen Hand angewiesen ist, um das Überleben zu sichern, diese Voraussetzung erfüllt oder ob es - zumindest in gewissem Rahmen - eines finanziellen Beitrags durch die Familie selbst bedarf.
Im Hinblick auf den Wortlaut wird davon ausgegangen, dass zumindest ein gewisser wirtschaftlicher Beitrag durch die Kindesmutter selbst erbracht werden muss.
Aus diesem Grund wurden in einem längeren Vorhalteverfahren vor allem Nachweise, wie die Bf ihren täglichen Lebensunterhalt bestreitet, verlangt.
Da die Bf nicht nachweisen konnte, dass der Unterhalt, den sie für ihren Sohn gewährt, nicht nur durch öffentliche Mitteln bestritten wird und nach Ansicht der belangten Behörde auch der Kindesvater die Obsorge des Sohnes wahrnehmen könnte (Vollzeitbeschäftigung und Wohnsitz in Wien), wird davon ausgegangen, dass ein durch Gemeinschaftsrecht begründetes Aufenthaltsrecht nicht vorliegt und deswegen kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, weswegen die Beschwerden abzuweisen sind.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. ist nigerianische Staatsbürgerin.
Sie reiste am illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag (am wurde ihr vom Bundesasylamt eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG ausgestellt); der Asylantrag wurde abgelehnt. Nach der Bestätigung der Entscheidung mit Erkenntnis vom kam die Bf. ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb illegal im Bundesgebiet. Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom wurde abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Nach Durchlauf der Beschwerde durch sämtliche Instanzen erwuchs auch diese Entscheidung am in Rechtskraft.
Die Bf. verblieb illegal im Bundesgebiet.
Am ***[Geb.dat.]*** gebar sie Ihren Sohn S.; dieser besitzt nach dem Kindesvater, der österreichischer Staatsangehöriger ist, die österreichische Staatsbürgerschaft.

Die Bf. stellte am einen Antrag gemäß § 55 Abs. 1 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufenthaltsbestätigung plus") und begründete diesen Antrag mit der Obsorge als leibliche Mutter über ein österreichisches Kind.

Mit dem Kindesvater besteht laut Bf. kein regelmäßiger Kontakt, die alleinige Obsorge für das Kind trägt die Bf. Die Bf. lebt mit ihrem Sohn und ihrem Lebensgefährten, einem nigerianischen Staatsangehörigen (der gemäß der Geburtsurkunde nicht der Kindesvater ist) im gemeinsamen Haushalt in Wien.
Der Kindesvater ist ebenfalls in Wien wohnhaft und vollzeitbeschäftigt.

Die Bf ist nicht erwerbstätig, wird finanziell von Freunden unterstützt (lt. eigener Angabe 200 € - 300 € monatlich) und steht in der Grundversorgung der Caritas (365 € monatlich, bestehend aus Verpflegungsgeld und Mietzuschuss laut Bestätigungen der Caritas der Erzdiözese Wien, Asylzentrum, Servicestelle Grundversorgung für die Monate 03/2020 - 06/2020, 11/2020 - 02/2021, 09/2021 - 02/2022; für 03/2022 und 04/2022 nur 215 € Verpflegungsgeld).
Die Bf. erhält laut eigenen Angaben () Unterhaltszahlungen vom Kindesvater iHv 150 € monatlich; dies wurde vom leiblichen Vater des Kindes S. anlässlich einer Zeugenbefragung durch das Finanzamt ebenso bestätigt, wie die Vaterschaft für das Kind.
Das Geld werde jeweils in bar übergeben; einen höheren Unterhalt könne er sich nicht leisten, da er für weitere Kinder unterhaltspflichtig sei.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom wurde der Bf. ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" mangels Erfüllung der Voraussetzungen (Integrationsvereinbarung) nicht erteilt, aber gemäß § 55 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" ausschließlich deshalb erteilt, um die Rechte und das Kindeswohl des minderjährigen österreichischen Kindes in der Eigenschaft als EU-Bürger zu wahren (vgl. ua. ; , Ra 2016/22/0078; ). Der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt ist der Bf. keinesfalls verwehrt, sondern mit einer Beschäftigungsbewilligung (Arbeitsmarktdokument) möglich. (Begründung des Bescheides vom ).

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf der Aktenlage, den vorgelegten Unterlagen (bspw. Aufenthaltsberechtigungskarte, Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom , Aufenthaltstitel, Staatsbürgerschaftsnachweis des Kindes, Amtsbestätigung des BG Donaustadt etc.), dem Vorbringen der Bf. und den Feststellungen des Finanzamtes und sind unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Eingangs ist festzuhalten, dass der Streitzeitraum, für den über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Beihilfenanspruches mit der gegenständlichen Entscheidung abzusprehen ist, durch den in Beschwerde gezogenen Erstbescheid des Finanzamtes definiert wird. Da im Erstbescheid nur der Beginn des Zeitraums genannt wird ("ab April 2020"), ist für das Ende des Streitzeitraums das Datum der Bescheiderlassung maßgeblich. Abzusprechen ist daher nur über den Zeitraum April bis Mai 2020. Änderungen rechtlicher und tatsächlicher Verhältnisse in nachfolgenden Zeiträumen sind demzufolge von der Abgabenbehörde zu beurteilen.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Interessen hat.

Nach den obigen Feststellungen hat die Bf. im Spruchzeitraum ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich.

Zufolge § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 NAG wird zur Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, über Antrag eine "Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers" ausgestellt.

Die Bf. besaß im Streitzeitraum keinen österreichischen Aufenthaltstitel, sie bezog Grundversorgung von der Caritas.
(Eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG wurde ihr erst 2021 erteilt.)
Die Bf. erfüllte als Drittstaatsangehörige die Voraussetzungen der §§ 8 und 9 NAG nicht, da sie keinen derartigen Aufenthaltstitel hatte. Fremde haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 oder § 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten, sofern nicht der Aufenthalt schon nach dem direkt anzuwendenden Unionsrecht rechtmäßig ist (vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145).

Die Bf. beruft sich auf vorrangig anzuwendendes EU-Recht. Nach der Judikatur des EuGH besteht nämlich ein Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht. Unionsrecht ist vorrangig und unmittelbar anzuwenden und verdrängt insofern innerstaatliches Recht.

Der Sohn der Bf. ist als österreichischer Staatsbürger Unionsbürger iSd Art. 20 AEUV. Unionsbürger haben ua das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Sie brauchen keinen Aufenthaltstitel nach NAG bzw. ist dieser nur deklarativ.

Wie im Beschluss , RV/7104415/2016, ausgeführt, hat das Bundesfinanzgericht bereits mehrfach entschieden, dass Drittstaatsangehörigen, die nahe Angehörige von österreichischen Staatsbürgern sind, ein Aufenthaltsrecht kraft Unionsrechts zukommen kann (; ; ; ). Das Bundesfinanzgericht stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des EuGH.

So hat der EuGH entschieden (, Ruiz Zambrano), dass Art. 20 AEUV dahin auszulegen sei, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, zum einen den Aufenthalt im Wohnsitzmitgliedstaat der Kinder, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, zu verweigern und ihm zum anderen eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehren würde.

Im einzelnen hat der Gerichtshof unter anderem ausgeführt:

39 Vorab ist festzustellen, dass die Richtlinie 2004/38 gemäß Abs. 1 ihres Art. 3 ("Berechtigte") für jeden Unionsbürger gilt, "der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen". Daher gilt diese Richtlinie nicht in einem Fall, wie er dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt.

40 Art. 20 AEUV verleiht jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, den Status eines Unionsbürgers (vgl. insbesondere Urteile vom , D'Hoop, C-224/98, Slg. 2002, I-6191, Randnr. 27, und vom , Garcia Avello, C-148/02, Slg. 2003, I-11613, Randnr. 21). Da das zweite und das dritte Kind von Herrn Ruiz Zambrano die belgische Staatsangehörigkeit besitzen und die Bedingungen für den Erwerb derselben der Zuständigkeit des fraglichen Mitgliedstaats unterliegen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil vom , Rottmann, C-135/08, I-0000, Randnr. 39), genießen das zweite und das dritte Kind von Herrn Ruiz Zambrano eindeutig diesen Status (vgl. in diesem Sinne Urteile Garcia Avello, Randnr. 21, sowie Zhu und Chen, Randnr. 20).

41 Wie der Gerichtshof mehrfach hervorgehoben hat, ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein (vgl. insbesondere Urteile vom , Grzelczyk, C-184/99, Slg. 2001, I-6193, Randnr. 31, vom , Baumbast und R, C-413/99, Slg. 2002, I-7091, Randnr. 82, Garcia Avello, Randnr. 22, Zhu und Chen, Randnr. 25, sowie Rottmann, Randnr. 43).

42 Unter diesen Umständen steht Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Rottmann, Randnr. 42).

43 Eine derartige Auswirkung liegt vor, wenn einer einem Drittstaat angehörenden Person in dem Mitgliedstaat des Wohnsitzes ihrer minderjährigen Kinder, die diesem Mitgliedstaat angehören und denen sie Unterhalt gewährt, der Aufenthalt und eine Arbeitserlaubnis verweigert werden.

44 Eine solche Aufenthaltsverweigerung hat nämlich zur Folge, dass sich die genannten Kinder - Unionsbürger - gezwungen sehen, das Gebiet der Union zu verlassen, um ihre Eltern zu begleiten. Ebenso besteht die Gefahr, dass eine solche Person, wenn ihr keine Arbeitserlaubnis erteilt wird, nicht über die für ihren Unterhalt und den ihrer Angehörigen erforderlichen Mittel verfügt, was ebenfalls zur Folge hätte, dass sich ihre Kinder - Unionsbürger - gezwungen sähen, das Hoheitsgebiet der Union zu verlassen. Unter derartigen Umständen wäre es den genannten Unionsbürgern de facto unmöglich, den Kernbestand der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, in Anspruch zu nehmen.

Diese Rechtsprechung wurde vom EuGH in der Entscheidung , Alopka, bestätigt:
Der Gerichtshof wiederholt dort, "dass es ganz besondere Sachverhalte gibt, in denen - obwohl das für das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen geltende abgeleitete Recht nicht eingreift und der betreffende Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat - einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger dieses Unionsbürgers ist, ein Aufenthaltsrecht ausnahmsweise nicht verweigert werden darf, da sonst die Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde, wenn sich der Unionsbürger infolge einer solchen Weigerung de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm die Unionsbürgerschaft verleiht, verwehrt würde" (Rn 32).

So habe das nationale Gericht zu prüfen, ob der Mutter nicht "ausnahmsweise ein solches Aufenthaltsrecht gewährt werden kann, da sonst die Unionsbürgerschaft ihrer Kinder ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde, weil sie sich infolge dieser Weigerung de facto gezwungen sähen, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihnen dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen die Unionsbürgerschaft verleiht, verwehrt würde" (Rn 33).

Feststellungen darüber, womit die Bf und ihre Tochter (ihre Töchter) ihren Lebensunterhalt bestreiten, hat das Finanzamt nicht getroffen. Die Bf selbst bringt vor, dass der Vater von D wenig bis keinen Unterhalt leistet, und D bei ihr haushaltszugehörig ist.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ist der Begriff der Unterhaltsgewährung i.S.d. Rz 43 des Urteils in der Rs Ruiz Zambrano umfassend zu verstehen und nicht auf materielle Leistungen beschränkt.

Die Pflege des minderjährigen Kindes umfasst besonders die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf (§ 160 ABGB).

Es versteht sich von selbst, dass gerade für einen Säugling und später für ein Kleinkind die unmittelbare Pflege durch seine Mutter von ganz besonderer Bedeutung ist. Eine Trennung von Mutter und Kind wäre dem Kindeswohl (vgl. Art. 1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, BGBl. I Nr. 4/2011) in erheblichem Maße abträglich.

Müsste die Bf Österreich verlassen, wäre ihre Tochter D praktisch gezwungen, mit ihrer Mutter Österreich ebenfalls zu verlassen, da ihr Vater nicht für sie sorgt. Würde D von ihrer Mutter getrennt, müsste die Obsorge für D der Jugendwohlfahrtsträger übernehmen. Eine Trennung von Mutter und Tochter widerspräche dem nach der EMRK gebotenen Schutz der Familie und dem Wohl des Kindes. D wäre daher der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihr die Unionsbürgerschaft verleiht, verwehrt.

Die Bf hält sich somit, solange sie für ihre Tochter D E tatsächlich die Obsorge ausübt, kraft Unionsrechts rechtmäßig in Österreich auf.

Da dieser Aufenthalt einen gesonderten Aufenthaltstitel für seine Rechtmäßigkeit nicht erfordert, ist, wie etwa bei Unionsbürgern, ein Aufenthaltstitel nach § 9 NAG nur deklarativ (vgl. ; ; ).

Die Bf erfüllt daher im Beschwerdezeitraum (September 2014 bis Jänner 2015) die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 FLAG 1967 (vgl. ; ; ; ).

Am , RV/7105105/2016, erwog das Bundesfinanzgericht abermals (wie im o.a. Beschluss):
Insofern die Bf einwendet, ihren Kindern als österreichische Staatsbürger würde durch eine negative Entscheidung der tatsächliche Genuss des Kernbestands ihrer Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt, befindet sie sich aber im Recht.

Die Bf. ist, wie ausgeführt, zwar Drittstaatsangehörige, die weder asylberechtigt noch subsidiär schutzberechtigt ist, aber Mutter und damit Angehörige i.S.d. Art. 3 Abs. 1 RL 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie), jedenfalls eines österreichischen Staatsbürgers, nämlich ihres Sohnes S.

Da es sich beim Streitzeitraum um die ersten beiden Monate nach Geburt des Sohnes S. handelt, bedurfte der Sohn der Bf. als Neugeborener zweifelsohne der Betreuung durch die Mutter, die laut Sachverhaltsfeststellungen die alleinige Obsorge für das Kind trägt. Dass der leibliche Vater (österreichischer Staatsbürger, Vollzeitbeschäftigung und Wohnsitz in Wien), zu dem im Übrigen grundsätzlich kein Kontakt der Bf. und des Kindes besteht - abgesehen von den monatlichen Bargeldübergaben, in den Monaten nach der Geburt, in welchen das Kind von der Mutter gestillt wird, die Obsorge übernehmen könnte, ist von der Hand zu weisen.
Zu bedenken ist auch, dass der Minderjährige Sohn der Bf., würde seine Mutter, die durch die o.a. Unterstützungsleistungen von verschiedenen Seiten offensichtlich in der Lage ist, für das Kind zu sorgen, ausgewiesen, de facto gezwungen wäre, das Bundesgebiet zu verlassen, sodass der im Verfassungsrang stehende Schutz vor Ausweisung eines österreichischen Staatsbürgers dadurch umgangen würde.

Es war somit für den Streitzeitraum spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist im vorliegenden Fall zulässig, da über das sich aus der unmittelbaren Anwendung des primären Gemeinschaftsrechts (Art. 20 AEUV) für die Zuerkennung der Familienbeihilfe abgeleitete Recht auf Aufenthalt einer einem Drittstaat angehörigen Person in dem Mitgliedstaat des Wohnsitzes ihres minderjährigen Kindes, das diesem Mitgliedstaat angehört, vom Verwaltungsgerichtshof bisher noch nicht entschieden wurde.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 3 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100150.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at