Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.08.2022, RV/7100200/2013

Strittig ist, ob ein Versicherungsverhältnis iSd Versicherungssteuergesetzes vorliegt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.DDr. Hedwig Bavenek-Weber in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand AG Wirtschaftsprüfungs- u Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien über die Beschwerde vom gegen den Bescheid gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel als Vorgängerorganisation des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten, vom , StNr. ***BF1StNr1*** betreffend Versicherungssteuer (§ 1 Abs. 1 VersStG) zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensablauf und Sachverhalt

Strittig ist, ob ein Versicherungsverhältnis iSd Versicherungssteuergesetzes vorliegt.

Nach dem Inhalt der vorgelegten Finanzamtsakten hat die Bf. 680.433,00 Euro auf eine sogenannte Privat Insurance Universal (***1***) übertragen.

Nach der Versicherungspolizze vom ("Details Police ***1***") ist Versicherungsnehmerin die Bf., und zugleich auch versicherte Person. Die Versicherung beginnt am ***2***. Es handelt sich nach der Polizze um eine Versicherung auf den Todesfall oder bis zum vollständigen Rückkauf der Police.

Unter der Rubrik Anlagen heißt es:

  1. Einmalerlag: 680.428,00 Euro.

  2. Der Wert der Police steigt und fällt in dem Maße, in dem der Wert der Anlagen im Segregated Fund steigt oder sinkt. ***3*** kann deshalb für die Private-Insurance-Universal-Police keinen bestimmten Rückkaufwert garantieren.

  3. Versicherungsleistungen im Todesfall der versicherten Person (Aufzählung der Personen).

Anwendbare allgemeine Versicherungsbedingungen und Antrag: der vom Versicherungsnehmer ausgefüllte und auf ***7*** datierte Antrag für die fondsgebundene Lebensversicherung sowie die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Private-Insurance-Universal ***4*** gelten als integrierender Bestandteil.

Mit Bescheid gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO vom setzte das Finanzamt für die Bf. die Versicherungssteuer von einer Bemessungsgrundlage von 680.428,00 Euro x4% in Höhe von 27.217,12 Euro fest. In der Begründung gab das Finanzamt an, dass das Risiko des Ablebens (Versicherung auf den Todesfall der versicherten Person) versichert oder bis zum vollständigen Rückkauf der Police versichert werde, weswegen eine fondsgebundene Lebensversicherung vorliege. So werden auch im Antrag und in der Police die Vertragspartner ausdrücklich als Versicherungsnehmer bzw. die versicherten Personen als solche bezeichnet. Der Vertrag unterliege somit gemäß § 1 VersStG der Versicherungssteuer. Diese beträgt gemäß § 6 Abs. 1 Z 1b VersStG 4% vom Einmalerlag.

Dagegen wurde Berufung/Beschwerde erhoben (). Eingewendet wurde, dass nach ***5*** zur Private-Insurance-Universal im Todesfall das im Segregated Fund aufgelaufene Guthaben zur Auszahlung gelangt. Beim Segregated Fund handle es sich um die dem Versicherungsvertrag zugeordneten Vermögenswerte, denen passivseitig die von der Versicherung zu bildende Deckungsrückstellung entspricht. Ein zusätzliches Risikokapital für den Todesfall sei somit nicht vereinbart, aus diesem Grund falle keine Versicherungssteuer an. Der Bescheid sei daher aufzuheben.

Weiters gab die Bf. an, dass betreffend Klärung der Rechtsfrage zu transparenten Versicherungslösungen bereits ein Verfahren beim UFS anhängig sei und verwies auf die Erfassungsnummer (***6***).

Das Finanzamt erließ keine Berufungs-/Beschwerdevorentscheidung, was nach der damaligen Rechtslage möglich war, und legte diese der Rechtsmittelinstanz unter Hinweis auf den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 271 BAO vor.

Bemerkt wird, dass mit das Verfahren vom Unabhängigen Finanzsenat auf das Bundesfinanzgericht übergegangen ist.

2. Erwägungen

Bei dem Versicherungssteuerverfahren vor dem UFS (***6***), auf das die Bf. und das Finanzamt rekurriert haben, handelt es sich um das zu diesem Verfahren ergangene Erkenntnis , das durch aufgehoben wurde. Im fortgesetzten Verfahren wurde der Berufung/Beschwerde mit stattgegeben.

Die wesentlichen Aussagen des Erkenntnisses lauten:

"§ 1 Abs. 1 des Versicherungssteuergesetzes 1953 (VersStG) samt Überschrift lautet:

Gegenstand der Steuer

,§ 1 (1) Der Steuer unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgeltes auf Grund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.'

Als Versicherungsvertrag im Sinne des VersStG gilt gemäß § 2 Abs. 1 l leg. cit. auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste der Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können.

Als Versicherungsvertrag gilt gemäß § 2 Abs. 2 VersStG nicht ein Vertrag, durch den der Versicherer sich verpflichtet, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten.

….

Begrifflich entspringt eine Versicherung dem Bestreben, sich gegen die Folgen eines Risikos, die Folgen des Versicherungsfalles, abzusichern. Die Absicherung erfolgt somit nicht gegen das Risiko, welches mit Eintritt des Versicherungsfalls eben bereits verwirklicht ist, sondern gegen die Folgen desselben. So werden Sachversicherungen etwa nicht gegen das schädigende Ereignis oder den Schaden selbst abgesichert (z.B. Sturm oder Sturmschaden), sondern zur Absicherung, daraus entstehende Folgen (Kosten) nicht tragen zu müssen.

Einem Versicherungsverhältnis wohnt die Ungewissheit inne, ob im Einzelfall die Summe der bezahlten Versicherungsentgelte und des sich daraus (nach allfälliger Veranlagung) ergebenden Betrages dem im Versicherungsfall zu leistenden Betrag der Versicherungsleistung entspricht. Ein Versicherungsverhältnis erfordert das Wagnis des Versicherers (mit dem Versicherungsentgelt als Gegenleistung für die Übernahme dieses Wagnisses - vgl. auch Bavenek-Weber, Der Begriff der Leistung bei den Gebühren und Verkehrsteuern, in FJ 2000/ 7-8, 208), im Einzelfall mehr leisten zu müssen, als er vom Versicherungsnehmer erhalten hat, was dadurch ausgeglichen werden soll, dass in anderen Einzelfällen ein Versicherungsnehmer mehr leistet, als der Versicherer dann im Versicherungsfall zu leisten hat, oder ein Versicherungsnehmer etwas leistet, ohne dass der Versicherungsfall eintritt (vgl. auch Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht 3 , 32 und 34 ff).

Das Versicherungssteuergesetz 1953 knüpft in seinem § 1 an § 1 des Versicherungssteuergesetzes 1937 an.

Das Versicherungssteuergesetz 1937, DRGBl. I Nr. 83, bestimmte in § 2 Abs. 1 Z 2, dass als Versicherungsvertrag im Sinn dieses Gesetzes auch ein Kapitalansammlungsvertrag oder ein Sparversicherungsvertrag ohne Übernahme eines Wagnisses (Beispiel: Bausparvertrag) gelten.

Das Versicherungssteuergesetz 1937 sah bereits solche Verträge ohne Übernahme eines Wagnisses nicht als Versicherungsverträge oder Versicherungsverhältnisse, sondern stellte diese durch Fiktion ("gilt auch") den Versicherungsverhältnissen gleich.

Durch Art. I lit. a der Verkehrsteuernovelle 1948, BGBl. Nr. 57, wurde das Versicherungssteuergesetz 1937 geändert und entfiel in § 2 Abs. 1 die Z 2.

Das Versicherungssteuergesetz 1953 enthält eine Fiktion, wie sie bis zum Jahr 1948 im § 2 Abs. 1 Z 2 des Versicherungssteuergesetzes 1937 normiert war, nicht.

Auch daraus lässt sich ableiten, dass das Versicherungssteuergesetz 1953 für der Versicherungssteuer unterliegende Versicherungsverhältnisse ein durch den Versicherer übernommenes Wagnis, eine Ungewissheit des Verhältnisses zwischen einbezahltem und allenfalls veranlagtem Versicherungsentgelt (Prämien udgl.) und bei Eintritt des Versicherungsfalles zu zahlender Versicherungsleistung, erfordert.

Auch ein Versicherungsvertrag iSd Versicherungsaufsichtsgesetzes erfordert ein bestimmtes Wagnis und läge etwa nicht vor, wenn das Versicherungsunternehmen im Ablebensfall außer der Pflicht zur Rückerstattung des für das Ausmaß der Deckungsrückstellung maßgeblichen Werts der Fondsanteile im Zeitpunkt des Ablebens keine darüber hinaus gehende Verpflichtung zur Erbringung einer (Mindest-)Leistung träfe (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/17/0081). Ob es ausreicht, dass das Wagnis theoretisch vorhanden, dessen tatsächlicher Eintritt aber unwahrscheinlich ist (vgl. zu einer Mindesttodesfallleistung von 10 % der bis zum Versicherungsfall des Todes einbezahlten Nettoprämien das zum Ertragsteuerrecht ergangene hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0012), kann im vorliegenden Revisionsfall dahin gestellt bleiben.

Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass im Revisionsfall der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalles die am Depot vorhandene Summe zahlen müsse, welche sich aus der Einmalprämie des Revisionswerbers und der Veranlagung dieses Geldbetrages ergebe. Da somit kein Wagnis im erwähnten Sinn für den Versicherer ersichtlich ist, fehlt es an einem Versicherungsverhältnis im Sinn des § 1 des VersStG ."

Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Versicherungssteuerbescheid ersatzlos aufzuheben.

3. Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG i.V.m. § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung keine Revision zulässig, da es bereits eine Rechtsprechung gibt ( ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100200.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at