Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.11.2022, RV/5100721/2022

Zahlungen an Kinder in Afghanistan und Nachweise

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Einziger Streitpunkt ist die Frage, ob die vom Beschwerdeführer (Bf.), im Verfahren vorgelegten Unterlagen betreffend Geldüberweisungen an seine in Afghanistan bei der Kindesmutter aufhältigen Kinder als geeignete Nachweise mit steuerlicher Wirkung (außergewöhnliche Belastung nach dem österreichischen EStG 1988) einzustufen sind.

Verfahrensgang

Am reichte der Bf. seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 beim ***FA*** ein. Dabei wurde auf eine Beilage L1 ab (ao, Belastung) verwiesen, die allerdings beim ***FA*** niemals einlangte.

Mit Einkommensteuerbescheid 2021 vom (neue Sachentscheidung nach einer Wiederaufnahme v. -unstrittig) ergab sich aus der Arbeitnehmerveranlagung 2021 eine Nachforderung v. € 161,00.

In der Begründung des Einkommensteuerbescheides 2021 wurde auf die steuerfreien Leistungen und deren Hochrechnung gem. § 3 Abs. 2 EStG 1988 hingewiesen (Umrechnungsvariante bzw. Kontrollrechnung). Im Falle des Bfs. wurde die Kontrollrechnung angewendet.

Gegen den neuen Einkommensteuer-Sachbescheid v. wurde vom Bf. fristgerecht Beschwerde erhoben (Einwurf im Briefkasten des ***FA*** am ).

"Mit dem angefochtenen Bescheid wurde mir für das Kalenderjahr 2021 eine Lohnsteuernachzahlung in Höhe von € 161,00 vorgeschrieben. Bei der Berechnung des Betrages blieb jedoch Folgendes unberücksichtigt: Meine Ehefrau ***1***, geboren am ***2*** und meine beiden Kinder, ***3***, geboren am ***4*** und ***5***, geboren am ***6***, leben in Afghanistan. Ich leiste regelmäßig Unterhaltsleistungen für die Kinder (siehe beiliegende Bestätigungen über Geldtransfers nach Afghanistan) und ich ersuche daher um Berücksichtigung des pauschalen Betrages iHv 600 € pro Jahr und pro Kind (50 € pro Monat) als Unterhaltsleistungen für Kinder in Drittstaaten. Ich beantrage die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Erlassung eines neuen Bescheides, mit dem meinem Beschwerdevorbringen Rechnung getragen wird. Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212 a BAO Ich beantrage die Aussetzung der Einhebung in Höhe des strittigen Betrages von € 161,00 bis zur neuen Bescheiderlassung. Ich bedanke mich für Ihre Bemühungen und verbleibe mit freundlichen Grüßen!"

Dabei wurden von ihm folgende "Beweismittel" vorgelegt:

  1. zum Teil unleserliche Kopien betreffend Reisepässe für seine beiden Kinder

  2. Überweisungsbelege über die Moneyplattform R, und zwar v. hinsichtlich eines überwiesenen Betrages von € 650 mit Zielort Afghanistan bzw. der Sendeoption "Bargeldabholung"

  3. sowie eines Überweisungsbetrages von € 200 v. sowie eines Überweisungsbetrages von € 1.302,99 ebenfalls mit Zielort Afghanistan und der Sendeoption Bargeldabholung lautend auf den Empfängernamen jeweils "***7***."

Mit Ergänzungsersuchen vom mit Fristsetzung bis wurde der Bf. ersucht,

-die Geburtsurkunden der behaupteten unterhaltsempfangenden Kinder und

- die amtlichen Bescheinigungen der jeweiligen Heimatländer der Kinder

zu übermitteln. Sollte die Urkunde nicht in deutscher Sprache sein, übermitteln Sie bitte auch eine amtliche Übersetzung in dieser Sprache.

Mit Beschwerdevorentscheidung v. wurde die Beschwerde des unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde Folgendes ausgeführt: "Da Sie trotz Aufforderung keine Geburtsurkunden der unterhaltsempfangenden Kinder sowie eine amtliche Bescheinigung der jeweiligen Heimatsbehörde vorgelegt haben, konnten die beantragten Unterhaltszahlungen folglich nicht berücksichtigt werden."

Dagegen wurde am Vorlageantrag mit folgender Begründung erhoben:

Die Behörde bringe vor, er habe trotz Aufforderung nicht die gewünschten Unterlagen vorgelegt. Sie werden daher diesem Schreiben die geforderten Unterlagen nachgereicht. Diese Unterlagen betreffend die Geburtsurkunden der Kinder sowie eine Bescheinigung der Heimatsbehörde seiner Kinder. Er leiste regelmäßig Unterhalt und ersuche um Korrektur seines Einkommensteuerbescheides 2021.

Dem Vorlageantrag war ein in englischer Sprache verfasster Brief zum Nachweis der Identität der Kinder angeschlossen. Leider konnten die Daten der Kinder nur teilweise entschlüsselt werden. Weiters war dem Vorlageantrag eine Bestätigung - offenbar der afghanischen Meldebehörde zur Nr. **** angeschlossen.

Der Beschwerdefall wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist afghanischer Staatsbürger. Seine minderjährigen Kinder ***3***, geboren am ***4*** und ***5***, geboren am ***6***, leben in Afghanistan bei der Kindesmutter. In Österreich war von - in ***9*** und ist seitdem in ***10***. wohnhaft. Er war im Beschwerdezeitraum mit Unterbrechungen in verschiedenen Dienstverhältnissen tätig (siehe Lohnzettel für 2021 -in Summe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit v. € 23.769,21 incl. Arbeitslosengeld) - Steuernummer ***BF1StNr1*** seit - davor ***BF1StNr***), Sozialversicherungsnummer ***8***). Weiters bezog er auch Arbeitslosengeld für 41 Tage im Zeitraum - sowie für 25 Tage in Zeitraum - in der Höhe v. € 1.437,87 bzw. € v. 876,75.

Es ist im gegenständlichen Beschwerdefall davon auszugehen, dass der Bf. keine Transferleistungen (wie Familienbeihilfe, Kinderabsetzbeträge) für seine beiden Kinder, welche sich bei der Mutter in Afghanistan aufhalten, erhält.

Beweiswürdigung

Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Dokumenten lt. elektronischem Akt und den näheren Ausführungen beider Parteien.

Gemäß § 115 Abs. 1 zweiter Satz BAO wird die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen eingeschränkt, welche im Wesentlichen in den Fällen besteht, in denen durch faktische Gegebenheiten oder rechtliche Schranken die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes eingeschränkt oder verhindert ist. Dieser erhöhten Mitwirkungspflicht muss der Abgabepflichtige im Rahmen des § 138 Abs. 1 BAO nachkommen und hat dementsprechend die Richtigkeit seiner Angaben zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen. Eine Verletzung dieser erhöhten Mitwirkungspflicht hat beispielsweise zur Folge, dass nur auf Antrag zustehende Begünstigungen nicht zuzuerkennen sind.

Der gegenständliche Beschwerdefall betrifft ausschließlich eine Beweiswürdigungsfrage (geeignete Nachweise?),

und zwar

- hinsichtlich der Kopien der Reispässe im Beschwerdeverfahren vor der belangten Behörde sowie

- die nach Erlassung der BVE an das Gericht vorgelegten "Beweismittel" im Zuge des Vorlageantrages vom .

Geeignete Nachweise im Rahmen der Identitätsprüfung der Kinder des Bfs. ?

Die Existenz der Kinder anhand einer Geburtsurkunde und einer amtlichen Bescheinigung der jeweiligen Heimatländer ist vom Bf. nachzuweisen. Dabei handelt es sich um im Herkunftsland oder einer ausländischen Vertretung amtlich bescheinigte Geburtsurkunde bzw. Meldebestätigung.

Für diese Urkunden bzw. Bescheinigungen wären - auf Verlangen der belangten Behörde v. - deutsche Übersetzungen beizubringen gewesen. Innerhalb der aufgetragenen Frist () wurden keine Nachweise vorgelegt.

Erst im Zuge des Vorlageantrages v. wurde noch ergänzende - allerdings wiederum nach Ansicht des Gerichtes- nicht beweiskräftige-Unterlagen vorgelegt.

Auch wenn die im Beschwerdezeitraum und auch derzeit vorherrschenden schwierigen Verhältnisse in Afghanistan zu berücksichtigen sind, sind dennoch die geforderten Nachweise zumutbar.

Zu den vorgelegten Beweismittel im Einzelnen:

1. Ablichtungen der Reisepässe für die Kinder:

Es besteht gem. § 167 BAO der Grundsatz der freien Beweiswürdigung:

Die "Qualität" dieser Kopien ist derart schlecht, dass eine Überprüfung vom Gericht nicht möglich war.

2. Kopien betreffend Meldebehörde im Bezirk in Afghanistan

Zu den in englischer Sprache verfassten Unterlagen wird vom Gericht festgehalten, dass im Schreiben der belangten Behörde v. beglaubigte Übersetzungen in deutscher Sprache vom Bf. abverlangt wurden.

Der Bf., der steuerlich unvertreten ist, hat solche amtlich bescheinigte und in deutscher Sprache verfasste Urkunden aber nicht vorgelegt.

Da ein Auslandssachverhalt vorliegt, ist eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen gegeben. Diese erhöhte Mitwirkungspflicht wurde im gegenständlichen Fall vom Bf. nicht beachtet.

3. Zu den Geldüberweisungen nach Afghanistan über eine Money-Datenbank:

In den vorgelegten Geldtransferbestätigungen scheint jeweils als Empfängerin der Unterhaltszahlungen ein Name "***7***" auf. Nachweise über diese Person wurden vom Bf. im Verfahren nicht erbracht. Der Verwandtschaftsgrad (in gerader oder Seitenlinie) zum Bf. ergründete sich für das Gericht nicht. Ob tatsächlich die Kinder in Afghanistan die Unterhaltsempfänger waren, blieb für das Gericht offen. Es könnten sich daher bei diesen Zahlungen auch um andere - aus einem anderen Grund - geleisteten Zahlungen an die besagte Person ***7*** handeln. Auch bloße gelegentliche Unterstützungsleistungen, die nicht den Charakter einer Unterhaltszahlung haben - wären denkbar. Erläuterungen zur angeführten Person machte der Bf. nicht. Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch das Beweismittel erwiesen werden sollen, brauchen die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht nicht zu entsprechen (vgl. , mwN).

Auch Unterhaltsvereinbarungen über die tatsächlichen - angeblichen regelmäßigen -Unterhaltszahlungen) wurden nicht vorgelegt. Wie hoch der gesetzliche Unterhaltsanspruch nach dem hier anzuwendenden ausländischem Recht ist, war auch für das Gericht nicht ersichtlich.

Es ging hier ausschließlich um die Vorlage von geeigneten Nachweisen. Es wäre Sache des Bfs. gewesen, die abverlangten Urkundennachweise in deutscher Sprache vorzulegen.

Wie sich im Einzelnen die familiäre Situation des Bfs. im Zusammenhang mit den behaupteten "Unterhaltszahlungen" gestaltet, wurde daher nicht ausreichend belegt, was aber für die Anerkennung als ao.Belastung Voraussetzung gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Der rechtzeitig eingebrachte Vorlageantrag vom betreffend der Beschwerdevorentscheidung vom bewirkt, dass gemäß § 264 Abs. 3 BAO die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 vom wiederum als unerledigt gilt.

Erwägungen

Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2366/00, wird angeführt, dass der Gesetzgeber der verfassungsrechtlichen Pflicht zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltslasten auch dann gerecht wird, wenn er hierfür nicht den Weg der Gewährung von Transferzahlungen wählt, sondern die Berücksichtigung im Wege des Steuerrechts ermöglicht.

Unterhaltsleistungen von in Österreich beschäftigten Steuerpflichtigen , für deren nicht haushaltszugehörigen Kinder, die sich ständig in einem Drittstaat aufhalten, sind als außergewöhnliche Belastung zur berücksichtigen ( ).

Aus den Ausführungen des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses ergibt sich somit, dass grundsätzlich Unterhaltsleistungen an im Ausland lebende Kinder nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 berücksichtigt werden können.

Unterhaltsleistungen an minderjährige haushaltszugehörige Kinder in einem Staat außerhalb der EU, des EWR-Raumes und der Schweiz, für die kein Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Kinderabsetzbetrag gegeben ist, können im Umfang des halben Unterhalts (, G285/96; ), und zwar ohne Abzug eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (siehe Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm 52a).Die Finanzverwaltung schätzt diese vereinfachend als außergewöhnliche Belastung mit 50 € pro Monat und Kind (ohne Abzug eines Selbstbehaltes). Die Unterhaltsleistungen sind bis zum vollendeten 15. Lebensjahr zu berücksichtigen, darüber hinaus ist ein entsprechender Nachweis über die fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit (Schulbescheinigung) usw. zu erbringen. Ab der Volljährigkeit des Kindes kann keine außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (vgl. Lohnsteuerrichtlinien 2022 Rz 865 ff).

Zusammenfassung

Der Begründung einer Beschwerdevorentscheidung kommt der Charakter eines Vorhalts zu ().

Die Vorlage von Orginalunterlagen bzw. von beglaubigten Übersetzungen von Geburtsurkunden/Meldebestätigungen in deutscher Sprache wurden im Verfahren nicht übermittelt. Die vom Bf. vorgelegten Unterlagen waren für die Behörde bzw. das Gericht nicht nachvollziehbar.

Da auch im Vorlageantrag bzw. allfälligen Beilagen die geforderten Nachweise letztlich vom Bf. nicht erbracht wurden (siehe Abschnitt Beweiswürdigung), war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall waren nur Beweiswürdigungsfragen zu diversen "Beweismitteln" zu klären. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag nicht vor, weswegen eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 34 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 167 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Zahlungen für Kinder in Afghanistan
Nachweise
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100721.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at