1. Verschulden an der Säumnis aufgrund manipulativer Fehlleistungen von Kanzleiangestellten 2. Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages beginnt ab vorwerfbarem Nichterkennen des Irrtums
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/7101651/2022-RS1 | Eine nur zufällige unglückliche Verkettung zweier - auf einem minderen Grad des Versehens beruhender - Fehlleistungen bei der manipulativen Durchführung der sorgfältig angeordneten und überwachten Versendung einer Beschwerde führt zu keinem eine Wiedereinsetzung ausschließenden Verschulden. |
RV/7101651/2022-RS2 | Die Frist zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Irrtum bei Einhaltung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt für den steuerlichen Vertreter erkennbar gewesen wäre. Ohne besondere Hinweise oder vorangegangene Fehlleistungen bestehen für einen Parteienvertreter keine Pflichten zur Kontrolle der ordnungsgemäßen manipulativen Durchführung einer sorgfältig angeordneten Versendung. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Ansgar Unterberger, den Richter Mag. Walter Aiglsdorfer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Kandlhofer und Gerald Kreuzer in der Beschwerdesache Bf, Bf-Adr, vertreten durch ***steuerliche Vertretung*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung § 308 BAO / KSt 01.2011-12.2015, Steuernummer Bf StNr, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Schinagl Kerstin zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung einer Beschwerde gegen die im Antrag vom unter Punkt II. 1.1. (2) genannten Bescheide wird bewilligt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Kurzdarstellung der Streitpunkte und der handelnden Personen
Strittig ist, ob das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, welches zur Versäumung der Beschwerdefrist geführt hat auf einem Verschulden der steuerlichen Vertretung der Bf (in der Folge: Bf), das über den minderen Grad des Verschuldens hinausgeht. Nach Ansicht des Finanzamtes schließe die Verkettung zweier Fehlleistungen das Vorliegen eines Verschuldens minderen Grades jedenfalls aus. Die Bf ist dagegen der Meinung, dass die zufällige Verkettung zweier geringfügiger Fehlleistungen bei der manipulativen Abwicklung der sorgfältig angeordneten Versendung der Beschwerde kein grobes Verschulden darstellen könne. Die unglücklichen Abläufe bei der Versendung würden lediglich auf einem minderen Grad des Versehens beruhen und die Wiedereinsetzung nicht ausschließen.
Strittig ist weiters, ob der von der Bf eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag binnen drei Monaten ab Wegfall des Hindernisses bzw ab "aufgrund der konkreten Umstände zumutbaren Erkennbarkeit" der Versäumung der Frist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde. Wie zu zeigen sein wird, ist diesbezüglich entscheidend, ob die steuerliche Vertretung der Bf die fristgerechte Einbringung der Beschwerde aus einem einen minderen Grad des Versehens übersteigenden Verschulden nicht kontrolliert hat. Das Finanzamt vertritt dazu die Ansicht, dass bei Einhaltung der gebotenen Aufmerksamkeit und der von einem fachkundigen berufsmäßigen Parteienvertreter anzuwendenden Sorgfalt bzw. Einhaltung der gebotenen Kontrollpflichten die Versäumnis und damit auch deren Ursache wesentlich früher, spätestens bei Erstellung der Beschwerdeergänzung am , erkannt werden hätte müssen. Somit wäre der Antrag auf Wiedereinsetzung vom verspätet eingebracht worden.
Die Bf vertritt dagegen die Rechtsansicht, dass die steuerliche Vertretung auf das Funktionieren ihrer Büroorganisation, auf die Befolgung der erteilten Weisungen sowie auf die Sicherstellung der Fristeinhaltung durch ihr Klienteninformationssystem (KIS) und den Vorgaben ihres Organisationshandbuches vertrauen hätte dürfen und weitere Verpflichtungen zur Nachkontrolle der Fristeinhaltung nicht bestehen würden. Im gerechtfertigten Vertrauen auf die Rechtzeitigkeit der Einbringung der Beschwerde hätte man keine Kontrollen durchgeführt bzw. sei die Säumnis auch sonst nicht aufgefallen und wäre die Fristversäumnis erst durch die Begründung der zurückweisenden Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom erkennbar gewesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom sei somit innerhalb der dreimonatigen Frist des § 308 BAO eingebracht worden.
Zur leichteren Verständlichkeit der folgenden Ausführungen werden zunächst die handelnden Personen dargestellt:
steuerliche Vertreterin (in der Folge: "die steuerliche Vertreterin"): die steuerliche Vertreterin der Bf mit ca. 70 Angestellten (laut eigenen Angaben) und laut Firmenbuch (FN 186032 b) im fraglichen Zeitraum mit sieben Gesellschaftern (Partnern).
C: (in der Folge: "im Büro anwesender Partner") einer der Partner und selbständig vertretender Geschäftsführer, der bei der Erstellung der Beschwerde infolge des Einlangens des die Fristverlängerung ablehnenden Bescheides am in der Kanzlei der steuerlichen Vertreterin anwesend war und die Beschwerde am auch unterfertigte.
A: (in der Folge: "Auftragspartnerin") die für die steuerliche Vertretung der Bf zuständige Partnerin und selbständig vertretende Geschäftsführerin, die bei der Erstellung der Beschwerde infolge des Einlangens des die Fristverlängerung ablehnenden Bescheides am in der Kanzlei der steuerlichen Vertreterin urlaubsbedingt nicht anwesend war, aber die wesentlichen Weisungen zur fristgerechten Absendung der Beschwerde gegeben hat.
M: (in der Folge: Sachbearbeiterin) Steuerberaterin, im fraglichen Zeitraum Prokuristin der steuerlichen Vertreterin und Mitarbeiterin der Auftragspartnerin, die aufgrund der Abwesenheit der Auftragspartnerin die Fristberechnung, Erstellung der bereits vorbereiteten Beschwerde, Unterfertigung der Beschwerde und rechtzeitige Versendung der Beschwerde am infolge der Weisungen der Auftragspartnerin durchgeführt bzw. veranlasst hat. Die Sachbearbeiterin nahm am aufgrund der Home-Office-Regelung (iZm der Covid-19 Pandemie) der steuerlichen Vertreterin diese Aufgaben von zu Hause aus war.
S: (in der Folge: Bote) grundsätzlich mit der Bf nicht befasster Bilanzbuchhalter bei der steuerlichen Vertreterin, der ausnahmsweise aufgrund seiner Anwesenheit im Büro als Bote aushalf und die unterfertigte Beschwerde am weisungsgemäß in die Postausgangsmappe einlegte.
II. Verfahrensgang
1. Bisheriges verwaltungsbehördliches Verfahren
Nach mehreren bereits bescheidmäßig erfolgten Rechtsmittelverlängerungen (zuletzt bis ) lehnte das Finanzamt einen weiteren Verlängerungsantrag vom (eingelangt am ) bis mit Bescheid vom ab. Dieser Abweisungsbescheid wurde am um 13:49 Uhr in die Databox der Bf eingelegt. Die gemäß § 245 Abs. 3 BAO gehemmte Frist endete gem. § 245 Abs. 4 BAO am (Tag der Einbringung 28.6., ursprüngliche Fristverlängerung bis 30.6.: plus drei verbleibende Tage der ursprünglich bis 30.6.verlängerten Frist: Fristende: ).
Hinzuweisen ist darauf, dass im Zeitpunkt (am ) der erstmaligen Einbringung eines Verlängerungsantrages nach der Zustellung des Erstbescheides vom noch 11 Tage bis zum Ablauf der ursprünglichen Rechtsmittelfrist offen waren (bis ).
Der Bescheid vom , mit dem eine weitere Fristverlängerung abgelehnt wurde, enthält dabei folgenden ausdrücklichen Hinweis: "Achtung! Durch Ihren Antrag auf Fristverlängerung wurde der Lauf der Beschwerdefrist (Antragsfrist) gehemmt. Die Hemmung des Fristenlaufs beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag, an dem Ihnen diese Entscheidung zugestellt wird."
Unstrittig und nach der im Akt aufliegenden Sendungsverfolgung der Post sowie dem am Kuvert angebrachten Poststempel wurde die fragliche Beschwerde am verfasst und am um 15:01 Uhr bei der Post aufgegeben. Am langte beim Finanzamt eine umfangreiche Ergänzung zu dieser Beschwerde ein.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom als nicht fristgerecht eingebracht zurück. In der Begründung dazu werden die entsprechenden Gesetzes- und einschlägigen Kommentarstellen sowie die Rechtsprechung des VwGH dazu angeführt. Unter anderem wurde auch § 245 Abs. 3 BAO und § 245 Abs. 4 BAO angeführt. Diese Bestimmungen würden besagen, dass der Lauf der Beschwerdefrist durch einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist gehemmt werde. Diese Hemmung beginne mit dem Tag der Einbringung des Antrages und ende mit dem Tag, an dem die Entscheidung über den Antrag zugestellt werde. Zu diesen Bestimmungen hätte der VwGH () unter Verweis auf weitere Erkenntnisse aus dem Jahr 2020 judiziert, dass noch offene Restfristen aus früheren Anträgen in der vom Finanzamt früher gewährten Verlängerungen "aufgehen" würden und daher auch nicht auf spätere Verlängerungsanträge "übertragbar" seien. Eine noch offene Frist sei immer im Hinblick auf den der Abweisung zugrundeliegenden letzten Antrag zu berechnen. Im Ergebnis bedeute dies hier, dass die Restfrist aus dem ersten Antrag von 11 Tagen in der damals erfolgten Verlängerung "aufgegangen" seien und vom Finanzamt richtigerweise die drei Resttage nach der Hemmung durch den letzten Antrag zum Ansatz gebracht worden seien.
Nach den im Akt aufliegenden Unterlagen erkundigte sich die steuerliche Vertretung beim Finanzamt telefonisch am , warum nicht die ursprüngliche restliche Rechtsmittelfrist nach der Fristhemmung weiterlaufe. (Anm. d. Ri: Einlangen des Erstantrages am und Ablauf der ursprünglichen Frist am : Verlängerung nach der letzten Abweisung nach dieser Ansicht am: 11 Tag; Ablauf am ). Das Finanzamt verwies in dessen Antwort auf die in der BVE wiedergegebenen Erkenntnisse des VwGH, wonach offene Restfristen iZm früheren Anträgen in den bereits zuvor verlängerten Fristen aufgehen würden und nicht auf spätere Verlängerungsanträge übertragbar seien. Wenn vor Ablauf einer verlängerten Frist ein erneuter Verlängerungsantrag gestellt und vom Finanzamt abgewiesen werde, sei die noch offene Frist daher hinsichtlich den der Abweisung zugrundeliegenden letzten Antrag zu berechnen.
Am langte sodann beim Finanzamt ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO ein. Darin wird zusammengefasst begründend ausgeführt, dass die am verfasste Beschwerde infolge äußerst unglücklicher Umstände im Ablauf der Organisation des Postausgangs bei der steuerlichen Vertretung der Bf erst am zur Post gebracht worden sei. Ausführlich wird dabei dargelegt, wie üblicherweise durch die Büroorganisation die Einhaltung der Fristen sichergestellt werde und aufgrund welcher unglücklicher Umstände, die auch nicht vorhersehbar gewesen seien, es in diesem konkreten Fall zur Nichteinhaltung der Frist um einen Tag gekommen sei. Die Wichtigkeit der Einhaltung der Frist per sei aber allen beteiligten Personen bewusst gewesen. Aufgrund des ansonsten funktionierenden Systems zur Fristeinhaltung habe man aber in der Folge darauf vertraut, dass auch hier die Beschwerde fristgerecht eingereicht worden wäre. Erst infolge des Einlangens des Zurückweisungsbescheides vom sei erkannt worden, dass die Beschwerde verspätet erst am zur Post gebracht worden sei. Dies sei davor auch nicht erkennbar gewesen. Daraus ergebe sich die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages innerhalb der Dreimonatsfrist des § 308 BAO. Weiters wurde ausführlich dargelegt, dass die geschilderten unglücklichen Umstände im Ergebnis ein unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis iSd § 308 BAO darstellen würden.
Zu verantworten hätte diese Fristversäumnis allenfalls ein Bote der steuerlichen Vertretung, der sich nicht an die Vorgaben des Organisationshandbuches gehalten hätte. Die steuerliche Vertretung betreffe aber weder ein Auswahlverschulden, noch grobe Mängel der Kanzleiorganisation oder eine mangelhafte Überwachung oder Kontrolle. Der Bote hätte sich bisher verlässlich und genau an die gegebenen Vorgaben gehalten. Es hätte keinerlei Grund gegeben, an der Zuverlässigkeit und getreulichen Aufgabenerfüllung durch den Boten zu zweifeln. Ein Parteienvertreter mit einem ordnungsgemäßen Kanzleibetrieb könne sich - sofern es nicht andere Hinweise gebe - darauf verlassen, dass sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung auch befolge. Daher müsse ein professioneller Parteienvertreter eine ausdrücklich angeordnete Postaufgabe als rein manuelle Tätigkeit nicht auf ihr tatsächliches Stattfinden kontrollieren. Die steuerliche Vertretung sei nicht dazu verpflichtet, anhand des Postaufgabescheines nachträglich die rechtzeitige Aufgabe der Sendung zu überprüfen. Es liege daher kein grobes Kontroll- und Überwachungsverschulden des steuerlichen Vertreters vor. Eine spätere Kontrolle, ob die Beschwerde vom fristgerecht beim Finanzamt Österreich eingelangt sei, wäre erst recht nicht notwendig gewesen. Die Überprüfung des Einlangens eines Antrages bei der Abgabenbehörde sei nicht erforderlich und stehe bei Unterlassung einer Wiedereinsetzung nicht entgegen. Ein Parteienvertreter habe die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass die wichtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt sei. Hier verfüge die steuerliche Vertretung über eine derartige Kanzleiorganisation. Im entsprechenden Organisationshandbuch seien die diesbezüglichen Prozeduren und Abläufe genau festgelegt. Aus diesen angeführten Gründen sei die Antragstellerin durch ein unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einreichung der Bescheidbeschwerde gehindert gewesen und hätte dadurch den Rechtsnachteil des Ausschlusses von Rechtsmitteln erlitten. Zu diesen Ausführungen merkte die Bf. zahlreiche Erkenntnisse des VwGH an.
Die Aufgaben iZm der steuerlichen Vertretung der Bf würden sich im Wesentlichen auf die Auftragspartnerin und die Sachbearbeiterin verteilen. Über Finanzonline einlangende Bescheide würden im KIS (Klienteninformationssystem) verwaltet und im System dem hinterlegten Sachbearbeiter zugeordnet werden. Es werde automatisiert als Rechtsmittelfrist eine Monatsfrist vergeben. Am Freitag, dem (um 13:49), sei der Ablehnungsbescheid in der Databox der steuerlichen Vertretung eingelangt, im KIS erfasst und der Sachbearbeiterin zugewiesen worden. Zu diesem Zeitpunkt der Zuweisung hätte der Bescheid noch keinen individualisierten Namen und als Rechtsmittelfrist wäre vom System eine Monatsfrist "generiert" worden. Die Sachbearbeiterin hätte - die Bedeutung hinsichtlich des nahenden Endes der Rechtsmittelfrist erkennend - den Bescheid umgehend an die Auftragspartnerin weitergeleitet, die dies allerdings an diesem Freitag urlaubsbedingt nicht mehr wahrgenommen hätte. Die Zuweisung eines individuellen Namens und die korrekte Frist sei dann am Morgen des von der Teamsekretärin in das KIS eingetragen worden.
Die Auftragspartnerin sei auch in der am beginnenden Woche urlaubsbedingt abwesend gewesen, sei aber von der Sachbearbeiterin am Montag, dem , telefonisch über den Bescheid informiert worden. Die Auftragspartnerin hätte sodann sofort alle Maßnahmen zur fristwahrenden Einreichung einer Beschwerde veranlasst. In weiterer Folge hätte die Sachbearbeiterin am (infolge der Covid-19 Pandemie im Home-Office) eine vorbereitete Beschwerde "finalisiert" und ins KIS transferiert. Danach hätte die Auftragspartnerin einen im Büro anwesenden langjährigen Bilanzbuchhalter ("Bote") ersucht, die Beschwerde auszudrucken und einem ebenfalls im Büro anwesenden zeichnungsberechtigten Partner der steuerlichen Vertretung der Bf zur Durchsicht und Unterschrift vorzulegen. Danach sollte der Bote die Beschwerde noch am selben Tag zur Post geben. Diese Vorgänge (Ausdruck, Unterschrift, Einlage in die Postausgangsmappe) fanden auch grundsätzlich weisungsgemäß am statt. Allerdings kam es in der Folge unstrittig zu den unglücklichen Abläufen, die entgegen den Kanzleirichtlinien der steuerlichen Vertretung letztlich dazu führten, dass die Beschwerde erst am per Post versandt wurde. Die Auftragspartnerin hätte den im Büro anwesenden Boten angewiesen, die von der Sachbearbeiterin fertiggestellte und im KIS gespeicherte Beschwerde auszudrucken, diese vom im Büro anwesenden Partner kontrollieren und unterfertigen zu lassen sowie die Beschwerde noch am selben Tag zur Post zu geben. Unmittelbar nach Unterfertigung der Beschwerde durch den im Büro anwesenden Partner (zwischen 14:45 und 15:00) hätte der Bote die Beschwerde weisungsgemäß in die dafür vorgesehene Postausgangsmappe des Teams der Auftragspartnerin eingelegt. Üblicherweise würden diese Mappen um 14:00 abgeholt und zum Postausgang gebracht und am nächsten Tag wieder in die Abteilungen zurückgebracht werden. Sollte ein Mitarbeiter ein Poststück nach 14:00 zur Post geben müssen, müsse er diese direkt zur Postausgangsstelle bringen. Da die Mappe des Teams der Auftragspartnerin um 14:00 noch keinen Inhalt hatte, verblieb sie ausnahmsweise am vorgesehenen Ort. Der Bote sei dann um 15:00 der Meinung gewesen, dass die noch immer aufliegende Mappe noch nicht abgeholt worden sei und sei der irrigen Meinung gewesen, dass die Mappe noch abgeholt werde und die in die Mappe eingelegte Beschwerde rechtzeitig und weisungsgemäß zur Post gebracht werde. Dies sei dann aber tatsächlich erst am nächsten Tag bei der routinemäßigen Abholung der Mappe um 14:00 erfolgt.
Am sei die offene Frist iZm der Abweisung des Fristerstreckungsantrages von einer Sekretärin "wegen Erledigung auf obsolet" gesetzt worden. Bis zur zurückweisenden BVE vom sei die steuerliche Vertretung der Bf davon ausgegangen, dass die Beschwerde fristwahrend am zur Post gebracht worden sei. Dass dies nicht der Fall war, sei nicht "ersichtlich" gewesen. Eine ausdrücklich angeordnete Postaufgabe als rein manuelle Tätigkeit müsse auch nicht auf ihre tatsächliche Durchführung überprüft werden. Durch die Organisation des Kanzleibetriebes in Form eines Organisationshandbuches sei die Wahrnehmung von Fristen sichergestellt.
Unter Punkt 12 und 13 der Sachverhaltsdarstellung in Beilage 1 zum Wiedereinsetzungsantrag wird ausgeführt, dass sowohl der Auftragspartnerin als auch der Sachbearbeiterin die Bedeutung der Dringlichkeit bewusst gewesen sei. Sie hätten sich aufgrund ihrer Abwesenheit (Urlaub, Home-Office) auf die bei der steuerlichen Vertretung der Bf geltenden strengen Richtlinien zur Fristwahrung verlassen und seien davon ausgegangen, dass bei Einhaltung der geltenden Richtlinien das Poststück zeitgerecht versandt worden wäre. Am sei dann aufgrund der näherhin geschilderten widrigen Umstände tatsächlich der Postausgang wie geregelt erfolgt und ins KIS eingetragen worden. Das Ausgangsdatum sei von der "Empfangsdame" von auf geändert worden.
Diesen Wiedereinsetzungsantrag hat das Finanzamt mit Bescheid vom als verspätet zurückgewiesen. Das Finanzamt ging somit nicht davon aus, dass der geschilderte Wiedereinsetzungsgrund nicht vorliege, sondern vertrat die Ansicht, der Antrag sei verspätet eingebracht worden. Dies begründete das Finanzamt im Wesentlichen damit, dass die steuerliche Vertretung spätestens im Zusammenhang mit der Erstellung der Beschwerdeergänzung vom und der gebotenen Überprüfung der fristgerechten Einbringung der Beschwerde feststellen hätte müssen, dass die Beschwerde ursprünglich verspätet eingebracht worden wäre. Bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt hätte die Fristversäumnis sogar schon bei der Rückkehr der zuständigen Auftragspartnerin aus dem Urlaub auffallen müssen. Aus diesem Grund sei die Frist gem. § 308 BAO bereits spätestens am abgelaufen.
Ebenfalls unter Verweis auf zahlreiche VwGH-Erkenntnisse und Kommentarstellen führte das Finanzamt im Zurückweisungsbescheid im Wesentlichen aus, dass es auf die Erkennbarkeit einer Fristversäumung ankomme. Wenn das Hindernis in einem Irrtum bestehe, so beginne die Frist mit dem Wegfall des Irrtums oder jener Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehender Weise vorwerfbar sei. Der Erkennbarkeit jener Umstände sei gleichzustellen, wenn diese Umstände bei gehöriger Aufmerksamkeit erkannt werden hätten müssen. Dass es sich um ein besonders heikles Verfahren handle, ergebe sich allein schon aus der gegenständlichen Nachforderung in Höhe von € 1.245.448,00. Die außerordentliche Bedeutung der gegenständlichen Angelegenheit sei auch aus dem Umstand ersichtlich, dass die zuständige Sachbearbeiterin während Ihrer urlaubsbedingten Abwesenheit mit der Kanzlei in Kontakt gestanden sei, um die dringend erforderliche Einbringung der Beschwerde abwickeln zu lassen. In dem in der Beschwerde angeführten Kundeninformationssystem der steuerlichen Vertretung war neben dem Briefdatum auch das Ausgangsdatum mit dem vermerkt. Aufgrund der besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit hätte es die Sorgfaltspflicht eines steuerlichen Vertreters geboten, unmittelbar nach der Rückkehr aus dem Urlaub bzw. aus dem Homeoffice nachzuprüfen, ob die Beschwerde so wie angeordnet auch tatsächlich fristgerecht abgefertigt worden sei. Bei einer kurzen Überprüfung im Klienteninformationssystem wäre der steuerlichen Vertretung die verspätete Abfertigung aufgefallen. Auch aufgrund der Versendung der Beschwerde mittels Einschreibsendung wäre die verspätete Einbringung erkennbar gewesen. Aus der Vornahme einer Einschreibsendung ergebe sich auch, dass die Verfolgbarkeit der Postsendung von der steuerlichen Vertretung ausdrücklich gewollt gewesen sei. Spätestens im Rahmen der Bearbeitung der Ergänzung hätte der steuerlichen Vertretung auffallen müssen, dass die Beschwerde verspätet abgefertigt worden sei. Unter Berücksichtigung der gebotenen Sorgfalt hätte die Fristversäumnis der steuerlichen Vertretung somit bereits nach der Rückkehr der zuständigen Bearbeiterin aus dem Urlaub, spätestens jedoch am Tag der Versendung der ergänzenden Beschwerdeausführungen () auffallen müssen. Aus diesem Grund sei die Frist zur Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung spätestens am abgelaufen, weshalb gegenständlicher Antrag auf Wiedereinsetzung verspätet eingebracht worden sei.
In der gegen den Zurückweisungsbescheid vom eingebrachten Bescheidbeschwerde vom gab die Bf. zunächst den bereits angeführten Verfahrensgang wieder. Die Bf. gestand dabei einleitend auch zu, dass die Beschwerdefrist aufgrund der Rechtsprechung des VwGH zu § 245 Abs. 4 BAO versäumt worden sei.
Nach Ansicht der Bf. könne aber aus der Wichtigkeit und Komplexität eines Verfahrens keine erhöhte gebotene Sorgfalt abgeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des VwGH habe die Außergewöhnlichkeit eines Falles grundsätzlich keinen Einfluss auf den anzulegenden Sorgfaltsmaßstab. Die Dringlichkeit, Wichtigkeit und Komplexität das dem Antrag auf Wiedereinsetzung zugrundeliegenden Beschwerdeverfahrens begründe daher keine besonderen Sorgfaltspflichten der steuerlichen Vertretung. Wenn das Finanzamt darauf hinweise, dass die Beschwerdeführerin bzw. deren steuerliche Vertretung verpflichtet gewesen wäre, nach der Rückkehr aus dem Urlaub nachzuprüfen, ob die Beschwerde so wie angeordnet auch tatsächlich abgefertigt worden sei, sei dazu anzumerken, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ein Parteienvertreter mit einem ordnungsgemäßen Kanzleibetrieb sich im allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zur persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt werde, darauf verlassen dürfe, dass sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung befolge, sodass eine ausdrücklich angeordnete Postaufgabe nicht auf ihr tatsächliches Stattfinden kontrolliert werden müsse. Die vom Finanzamt geforderte Nachkontrolle bedeute nach der Judikatur des VwGH, dass das Maß der dem Parteienvertreter obliegenden gehörigen Aufmerksamkeit überspannt werde. Ein Rechtsvertreter dürfe rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Es sei daher festzuhalten, dass die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin über einen ordnungsgemäßen Kanzleibetrieb verfüge und im Zusammenhang mit der Einreichung der gegenständlichen Beschwerde ausschließlich langjähriges, erfahrenes Personal befasst gewesen sei. Es hätte daher weder Grund noch Veranlassung gegeben, die Postaufgabe der Bescheidbeschwerde einer Nachkontrolle zu unterwerfen. Es sei daher auch unerheblich, dass die Verfristung unter zu Hilfenahme des Postaufgabescheins oder des Klienteninformationssystem oder auch per Sendungsverfolgung theoretisch ersichtlich gewesen wäre. Im Zusammenhang mit dem Verfassen einer Beschwerdeergänzung ergebe sich erst recht keine Veranlassung oder Verpflichtung die Postaufgabe der Beschwerde zu kontrollieren. Im Ergebnis konnte die steuerliche Vertretung der Bf. von der Fristversäumnis erst im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom Kenntnis erlangen und die versäumte Frist auch nicht früher erkennen.
Das Finanzamt wies die Beschwerde der Bf. mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom als unbegründet ab. Nochmals wurde ausgeführt, dass nach Ansicht der Behörde die verspätete Einbringung der Bescheidbeschwerde bereits ab dem mit der Eintragung des Postausgangs der Beschwerde im Klienteninformationssystem der Kanzlei, spätestens jedoch mit Einbringung des ergänzenden Beschwerdevorbringens am auffallen hätte müssen. Unter Verweis auf zahlreiche VwGH-Erkenntnisse führte das Finanzamt abermals aus, dass für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist allein auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums ankomme. Entscheidend sei somit der Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums, somit der Wegfall des Irrtums oder jener Umstände, untere denen er nicht in einen der Wiedereinsetzung und gegenstehender Weisung vorwerfbar sei. Zu den Organisationserfordernissen einer Kanzlei eines berufsmäßigen Parteienvertreters gehöre, dass eine Endkontrolle stattfinde, die sicherstelle, das fristwahrende Schriftsätze tatsächlich gefertigt und abgesandt werden würden. Für diese Ausgangskontrolle sei ein Fristenkalender unabdingbar. In diesem müsse das Fristende vermerkt und dieser Fristeintrag dürfe erst gestrichen werde, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden sei. Der Parteienvertreter selber habe die Fristen festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie ihre richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Diese Verpflichtungen würden ihn auch dann treffen, wenn der Mitarbeiter überdurchschnittlich qualifiziert sei und deshalb unter selbstständigen Besorgung bestimmte Kanzleiarbeiten einschließlich der Führung des Fristenvormerks betraut worden sei und es bisher zu keinerlei Beanstandungen gekommen sei. Nach der Judikatur des VwGH handle es sich um keine überspitzte und lebensfremde Forderung an den Kanzleibetrieb eines Parteienvertreters, wenn dieser selbst jede einzelne Frist festsetzen und ihre Eintragung bzw. Streichung vornehmen bzw. entsprechend überwachen müsse. Der Gerichtshof halte es durchaus für zumutbar, dass ein Parteienvertreter seiner übernommen Verpflichtung und Verantwortung persönlich nachkomme. Nimmt er die ihn selbst treffenden Verpflichtungen nicht wahr oder unterlaufen ihm dabei Fehler, treffe ihn ein Verschulden, dass sich auf die von ihm vertretene Partei auswirke. Eine Partei, die sich eines Boten zur Übermittlung bediene, komme ihrer Überwachungspflicht nur dann nach, wenn die tatsächliche Ausführung des Auftrages durch entsprechende Nachfrage gesichert sei. Ein Hindernis sei nämlich schon dann weggefallen, wenn der Beschwerdevertreter die Fristversäumnis nur deshalb nicht erkannt habe, weil er die Rechtzeitigkeit der Beschwerde nicht überprüft habe. Wann immer ein Parteienvertreter einen Akt zur eigenen Bearbeitung vorgelegt erhalten würde, sehe der OGH keinen minderen Grad des Verschuldens, wenn dem Parteienvertreter selbst bei der Bearbeitung des Aktes ein Fehler der Angestellten nicht auffallen würde oder er selbst einen Fehler begehe. Auch nach der einschlägigen deutschen Judikatur müsse die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft werden. Zwar dürfe ein Parteienvertreter grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe, eine konkrete schriftliche Einzelweisung befolge. Deshalb sei er im Allgemeinen auch nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Erteilt er hingehend nur die mündliche Anweisung eine Rechtsmittelfrist einzutragen so müssten ausreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, damit diese nicht in Vergessenheit gerät und die Eintragung der Frist nicht unterbleibe. Immer wenn dem Parteienvertreter ein Akt zur Bearbeitung oder aus welchem Grund auch immer vorgelegt werde oder er in irgendeiner Form diesen zur Kenntnis gelange, treffe ihn die Verpflichtung zu einer selbstständigen Überprüfung der vorgemerkten Fristen.
So hätte der VwGH auch in seiner Entscheidung vom , 2012/15/0097, auch eine besondere Sorgfaltspflicht sehr wohl anerkennt. (Anm. d. Berichterstatters: die angemerkten Aussagen können dem VwGH Erkenntnis nicht entnommen werden.)
Entscheidend sei gegenständlich, zu welchem Zeitpunkt der Wegfall des Hindernisses erkennbar gewesen sei. Dies sei jedenfalls mit der Eintragung des Beschwerdeausgangs mit in das Klienteninformationssystem der Fall gewesen.
Aus allen Eingaben der Bf. ergebe sich, dass den bei der steuerlichen Vertretung der Bf. handelndenen Personen die Bedeutung und Dringlichkeit der Frist bewusst gewesen sei. Somit sei das wesentliche Interesse der zuständigen Bearbeiterinnen an der Rechtzeitig der Postaufgabe und deren Intention, der rechtzeitigen Versand der Bescheidbeschwerde auch selbst zu kontrollieren, dokumentiert. Der tatsächliche Postausgang mit wäre im Klienteninformationssystem leicht einsehbar gewesen. Da nach der skizierten Rechtsprechung betreffend die Sorgfaltspflichten rechtsberatender Berufe der Rechtsberater selbst für die Einhaltung der Fristen verantwortlich sei und eine entsprechende Endkontrolle des Ausgangs vorzunehmen habe, wäre es der steuerlichen Vertretung jedenfalls im Rahmen der Bearbeitung des am abgefertigten ergänzenden Berufungsvorbringens zumutbar gewesen, den tatsächlichen rechtzeitigen Versand der Beschwerde zu überprüfen. Auch nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes treffe den Parteienvertreter beim Postverstand mittels Einschreiben eine Nachforschungspflicht betreffend den Zugang einer abgeschickten Erklärung. Nach dem gesamten Vorbringen der Bf. habe es keinerlei Kontrolle der Fristwahrung gegeben.
Am brachte die Bf einen Vorlageantrag ein (ohne wesentliche weitere Angaben zur Sache).
Im Vorlagebericht vom schildert das Finanzamt zunächst den bisherigen Verfahrensgang. In weiterer Folge wird der unglückliche Ablauf, wie er seitens der Bf geschildert wurde und der zur verspäteten Eingabe der Beschwerde geführt hat, seitens des Finanzamtes nicht bestritten. Allerdings meint das Finanzamt (Anm. d. Ri.: letztlich widersprüchlich, siehe unten), dass dieser Umstand aufgrund der Anmerkungen im digitalen Klienteninformationssystem (KIS) der steuerlichen Vertretung nach Rückkehr der zuständigen Mitarbeiter aus dem Urlaub bzw spätestens bei der Abfassung der Beschwerdeergänzung vom auffallen hätte müssen.
Verwaltungsgerichtliches Verfahren
Nach dem Studium der Rechtsprechung des VwGH zur Frage des Beginns der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages kam der zuständige Richter zu dem Ergebnis, dass diese ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem die verspätete Einbringung bei der nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Aufmerksamkeit zumutbar erkennbar gewesen wäre. Solange die Verspätung nur aufgrund eines minderen Grades des Versehens nicht erkannt wird, beginnt die Frist nicht zu laufen. Hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Fristenwahrung erforderlichen Aufmerksamkeit ergibt sich aus der Judikatur des VwGH, dass der Parteienvertreter selbst die Frist zu ermitteln, festzusetzen und für deren Einhaltung grundsätzlich zu sorgen hat. Wenn diese Aufgaben delegiert werden, bestehen weitere Kontrollpflichten. Hinsichtlich der rein manipulativen Durchführung (Kuvertierung, zur Post bringen usw.) der angeordneten fristenwahrenden Handlung trifft den Parteienvertreter, wenn keine besondere Veranlassung dafür besteht, keine Überwachungs- oder Kontrollpflicht.
Da dem bisherigen Akteninhalt nicht zu entnehmen war, wer, wann und wie die Berechnung der Frist und deren Wahrung im konkreten Fall übernommen hatte, wurde der Vertreter der Bf zunächst telefonisch und in weiterer Folge auch in der Ladung zur mündlichen Verhandlung ersucht, darzulegen,
dass die Fristversäumung nicht die Folge einer groben Sorgfaltsverletzung der steuerlichen Vertretung der Bf war
durch wen die Fristenberechnung und die Setzung von Maßnahmen zur Einhaltung der Rechtsmittelfrist erfolgte
dass die Säumnis lediglich auf Fehlern bei der manipulativen Durchführung der sorgfältig erfolgten Anweisungen erfolgte
und ob sich unter den besonderen Umständen des gegenständlichen Einzelfalles nicht eine besondere Kontrollpflicht nach der Rückkehr der Parteienvertreterin aus dem Urlaub ergeben könnte.
Der Vertreter der Bf beantwortete die gestellten Fragen mit einer Eingabe vom ergänzend im Wesentlichen wie folgt:
Dem Argument der belangten Behörde, dass bei jedem Aufrufen des Aktes der Bf im KIS der steuerlichen Vertretung der Bf als Tag der Abfertigung der Beschwerde der aufgeschienen und somit die Verspätung spätesten am bei der Abfassung der Beschwerdeergänzung erkennbar gewesen wäre, sei zu widersprechen. Beim elektronischen Postausgangsbuch handle es sich um ein spezielles Modul des KIS, welches nicht bei jedem Aufruf des elektronischen Klientenaktes sondern nur bei einem gesonderten Einstig in das Modul sichtbar werde. Ohne gezielte Abfrage nach dem Ausgangsdatum werde dieses niemandem angezeigt. Vor dem Erhalt der Zurückweisung vom habe es keine Veranlassung gegeben, das Ausgangsdatum abzufragen. Die verspätete Abfertigung der Beschwerde sei somit niemandem bekannt gewesen.
Es seien auch keinerlei Sorgfalts- oder Nachforschungspflichten gegeben, aus deren Nichteinhaltung sich eine grobe Sorgfaltsverletzung ergeben könne. Solange keine besonderen Gründe dafür vorliegen würden, müsse auch nicht kontrolliert werden, ob eine ausdrücklich angeordnete Postaufgabe tatsächlich stattgefunden habe. Dies gelte auch für die Abfassung der Beschwerdeergänzung, für die ebenfalls keine Verpflichtung zur Überprüfung der Rechtzeitigkeit der ursprünglichen Beschwerde bestehe. Auch dem , sei nicht - wie von der belangten Behörde behauptet- zu entnahmen, dass das fristgerechte Einlangen der Beschwerde bei der belangten Behörde zu überprüfen gewesen wäre. Dieses Urteil sei aufgrund des unterschiedlichen Sachverhaltes und der unterschiedlichen Rechtslage gegenständlich nicht anwendbar. Demgegenüber habe der VwGH in näher bezeichneten Rechtssachen ausgesprochen, dass eine derartige Überprüfungspflicht nicht bestehe. Sowohl der im Büro anwesende Partner hätte sich noch am Abend des als auch die Auftragspartnerin hätte sich am bei dem Kollegen, der nach den erfolgten Anweisungen für die rechtzeitige Postaufgabe zuständig gewesen sei, erkundigt, ob diese weisungsgemäß erfolgt sei. Dieser hätte dies -wenn auch irrig- bestätigt. Es liege daher kein Verstoß gegen Sorgfaltsverpflichtungen vor und alle Beteiligten hätten davon ausgehen können, dass die Beschwerde fristgerecht am zur Post gegeben worden wäre. Die widrigen Umstände, die letztlich erst zur Aufgabe der Beschwerde am führten, würden allenfalls auf einem minderen Grad des Verschuldens beruhen.
Im Ergebnis hätte die Bf bzw. deren steuerliche Vertretung erst mit der Zurückweisung der Beschwerde als verspätet von der Fristversäumnis erfahren.
Ergänzend sei festzuhalten, dass es sich um einen Sonderfall handle, bei dem eine Rechtsmittelfrist nicht vorweg berechnet und in Evidenz genommen worden sei. Vielmehr sei hier mit Bescheid vom ein Antrag vom auf Verlängerung der Frist bis zum für die Einbringung einer Beschwerde abgelehnt worden. Für den Fall einer Ablehnung eines Fristverlängerungsantrages könne kein Fristende in Evidenz genommen werden, da dieses vom Einlangen des Ablehnungsbescheides und der ggfs zur Verfügung stehenden Restfrist abhänge. In einem solchen Fall könne nur die Eingangspost sorgfältig überwacht und gegebenenfalls rasch reagiert werden. Genau dies sei hier geschehen. Es sei sofort die erforderlichen Kontakte hergestellt und von den zuständigen Vertretern gewissenhaft das Fristende ermittelt und die Absendung der Beschwerde am fristwahrenden veranlasst worden. Im Ergebnis sei die Fristversäumnis auf ein Versehen bei der manipulativen Tätigkeit des "Zur-Post-Bringens" zurückzuführen.
Auch aus der urlaubsbedingten Abwesenheit der zuständigen Partnerin der steuerlichen Vertretung der Bf könnten keine speziellen Kontrollpflichten abgeleitet werden. Durch die Abwesenheit der Partnerin sei der ordentliche Geschäftsbetrieb der steuerlichen Vertreterin der Bf nicht beeinträchtigt gewesen. An den konkreten Abläufen, die letztlich zur Säumnis geführt hätten, hätte sich auch bei einer Anwesenheit der Partnerin nichts geändert. Bei einer Steuerberatungskanzlei mit 70 Mitarbeitern und acht Partnern sei nicht auf den einzelnen Partner sondern auf die Kanzlei als solches abzustellen. Es spiele dabei keine Rolle, wenn ein Partner bzw. ein Mitarbeiter im Urlaub oder im Home-Office sei, solange die Büroorganisation reibungslos funktioniere.
Ebenso müsse der Behauptung der belangten Behörde widersprochen werden, dass sich aus der besonderen Wichtigkeit des gegenständlichen Beschwerdefalles besondere Sorgfaltspflichten ergeben würden. Nach der WTBG, der RAO und auch der Rechtsprechung seien die Pflichten der vertretenden Berufe unabhängig von der Wichtigkeit eines Falles gleich gelagert.
In dem Schreiben wird die Stelligmachung verschiedener Zeugen durch die Bf angekündigt. Diese mögen hinsichtlich der gegebenen Weisungen, deren Durchführung und der der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt und zur Kenntnis von der Versäumung befragt werden.
Folgende Unterlagen waren der Eingabe beigefügt:
1. Auszug aus dem KIS, aus dem sich ergebe, dass die Sachbearbeiterin auf Weisung der Auftragspartnerin nach Einlangen des Abweisungsbescheides das Ende der Frist für die Einbringung der Beschwerde berechnet und das Rechtsmittel erstellt habe. Dabei wird in der Unterlage auf eine Excel-Datei verwiesen.
2. In dieser Excel-Datei ist offensichtlich die Ermittlung der Rechtslage anhand von BFG bzw VwGH Erkenntnissen und deren Auswirkung auf die gegenständliche Fristermittlung dargelegt.
Das Schreiben der Bf vom wurde am (nach der Rückkehr des Richters von einem mehrwöchigen Urlaub) dem Amtsvertreter per Mail übermittelt. Dieser teilte noch am selben Tag mit, dass man dem Vorbringen sachverhaltsmäßig derzeit nichts entgegensetzen könne, man sich aber die Befragung der Zeugen der Bf bei der mündlichen Verhandlung vorbehalte und jedenfalls aus rechtlichen Überlegungen, welche ebenfalls in der mündlichen Verhandlung näher dargelegt werden würden, beim bisherigen Antrag auf Abweisung der Beschwerde bleibe.
3. Mündliche Verhandlung
Am fand die von der Bf beantragte mündliche Verhandlung statt. Dabei ergab sich zusammengefasst, dass die Parteien ihr bisheriges Vorbringen wie folgt ergänzten:
Der Amtsvertreter teilte mit, dass die von der Bf geschilderten Vorgänge im Zusammenhang mit der Postmappe unstrittig ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis darstelle. Es werde aber nun neben der Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiedereinsetzung auch das Vorliegen eines bloßen Verschuldens minderen Grades bestritten. Da eine Sekretärin die Postmappe weisungswidrig nicht um 14:00 zur Postausgangsstelle mitgenommen hätte und der Bote die Beschwerde sodann ebenfalls weisungswidrig (entgegen den Vorgaben des Handbuches und den Gepflogenheiten in der Kanzlei der steuerlichen Vertreterin) nach 14:00 in die Mappe eingelegt hätte, statt diese selbst zur Postaufgabestelle zu bringen, liege ein grobes Verschulden der steuerlichen Vertreterin vor. Aus dem Erkenntnis des , ergebe sich, dass bei Vorliegen einer doppelten Fehlleistung in einer Kanzlei das Vorliegen eines Verschuldens minderen Grades ausgeschlossen sei. Eine derartige doppelte Fehlleistung liege hier vor.
Die Vertreter der Bf erwiderten darauf nach kurzer Internet-Recherche bezüglich des genannten VwGH Erkenntnisses, dass es sich zugestanden gegenständlich um zwei Verstöße von zwei Personen gegen die organisatorischen Vorgaben gehandelt habe. Aber lediglich das unglückliche und für die beteiligten Personen unvorhersehbare Zusammenspiel dieser jeweils auf einem minderen Grad des Versehens beruhender Fehler habe letztlich zu der Fristversäumnis geführt. Aus der Rz 21 des genannten VwGH Erkenntnisses ergebe sich zudem, dass bei dem vom VwGH beurteilten Sachverhalt die doppelte Fehlleistung darin bestanden hätte, dass eine Sekretärin ein Rechtsmittel einmal weisungswidrig nicht per E-Mail und in weiterer Folge dieses auch wiederum entgegen den erhaltenen Anweisungen nicht per Post versandt habe. Die Ausführungen des VwGH seien daher nicht auf den gegenständlichen Fall anzuwenden.
Der als Zeuge vernommene Bote bestätigte auf Befragung durch den Vorsitzenden, der Beisitzer und des Amtsvertreters glaubwürdig das bisherige Vorbringen der Bf. Er selbst sei seit Beginn 2018 in der Kanzlei beschäftigt und es seien ihm keine weiteren derartigen Säumnisse bekannt. Er gestand ein, die Beschwerde entgegen den grundsätzlichen Anordnungen nach 14:00 (ca um 15:00 Uhr) in die leere Postmappe eingelegt zu haben. Er habe einfach nicht daran gedacht, dass diese möglicherweise an diesem Tag nicht mehr abgeholt werde. Er sei irrig davon ausgegangen, dass die Beschwerde noch am selben Tag zur Post gekommen sei. Die Bedeutung des fristgerechten Versandes sei ihm bewusst gewesen und er hätte auch noch am selben bzw. am folgenden Tag gegenüber dem im Büro anwesenden Partner bzw. gegenüber der Auftragspartnerin telefonisch den fristgerechten Postversand auf Rückfrage bestätigt. Grundsätzlich seien ihm die Vorschriften bezüglich des Postversandes und des Umganges mit der Postmappe bekannt gewesen. Warum es dennoch zu der Fehlleistung kam, könne er nicht sagen. Um 15:00 Uhr hätte die Mappe nicht mehr dort liegen dürfen. Im Zeitpunkt des Einlegens der Beschwerde hätte er nicht bewusst an die Uhrzeit und den Postschluss gedacht. Wenn die Mappe nicht aufgelegen wäre, hätte er das Schriftstück selber zur Postaufgabestelle gebracht. Nach diesen Vorgängen hätte es keinerlei Hinweise gegeben, an der Rechtzeitigkeit des Versandes zu zweifeln. Das Postausgangsmodul im KIS der steuerlichen Vertreterin, in dem der tatsächlich erst am erfolgte Versand eingetragen war, öffne sich nicht automatisch bei jeder Bearbeitung des Aktes sondern müsse gesondert aufgerufen werden. Er sei erst nach dem Einlangen der zurückweisenden BVE zu den Vorgängen am wieder befragt worden. Es hätte in der auf mehreren Stockwerken verteilten Kanzlei der steuerlichen Vertreterin 4 oder 5 Postmappen gegeben. Im Stockwerk, in dem sich die Abteilung der Auftragspartnerin befand, hätte es aber nur die eine Mappe gegeben. Obwohl sich im Normalfall ca 15 Schriftstücke in der Mappe befanden, sei es in der Urlaubszeit und auch aufgrund der coronabedingten Heimarbeit der Mitarbeiter schon erklärbar gewesen, dass die Postmappe leer war.
Auch die bei der Verhandlung anwesende Auftragspartnerin, welche nach der Zurücknahme des ursprünglichen Beweisantrages nicht als Zeugin sondern als Parteienvertreterin aussagte, erläuterte nochmals die Abläufe rund um den und bestätigte die Ausführungen des Zeugen. Weiters gab sie auf Befragung durch den Amtsvertreter an, dass es in der Kanzlei eine im KIS auch ein Fristenvormerkbuch gebe und dieses im Regelfall, zB. bei Zustellung eines Abgabenbescheides und einer normalen Rechtsmittelfrist im Fall der Säumnis auch Alarm gebe. In diesem Fall der Ablehnung eines Fristverlängerungsantrages habe man aber am unmittelbar reagieren müssen und habe auch die entsprechenden Weisungen für den Versand erteilt. Ein Eintrag in das Fristenvormerkbuch sei daher in diesem Fall nicht in Betracht gekommen. Der Ablehnungsbescheid sei zwar in die Databox eingelegt worden, habe aber keine Befristung enthalten, sodass auch die Sekretärinnen keine Frist eintragen hätten können.
Auch der Parteienvertreter ergänzte diese Ausführungen und führte aus, dass eine am 12.7. berechnete und am selben Tag ablaufende Frist gar nicht in das Fristenvormerkbuch eingetragen werden könne.
Der Amtsvertreter sah in der Nichtaufnahme der Frist in das Fristvormerkbuch und die dadurch erfolgte Umgehung des alarmierenden Schutzmechanismus ein weiteres grobes Verschulden der steuerlichen Vertreterin. Hinsichtlich des Verschuldens an der verspäteten Eingabe des Wiedereinsetzungsantrages verwies der Amtsvertreter auf sein bisheriges Vorbringen und ergänzte, dass das Postmodul in der Kanzlei allgemein bekannt gewesen sei und es naheliegend gewesen wäre, dort Einsicht zu nehmen.
Nach Ansicht des Amtsvertreters habe in der Kanzlei eventuell überhaupt die irrige Meinung geherrscht, dass noch elf Tage für die Eingabe der Beschwerde zur Verfügung stehen würden. Dies ergebe sich aus einem diesbezüglichen Anruf der Auftragspartnerin bei ihm.
Die Auftragspartnerin erwiderte, dass dieser Anruf lediglich ein "letzter Versuch" gewesen sei, die Möglichkeiten des Finanzamtes zur Vermeidung der Säumnis abzuklären. Es sei aber schon allen klar gewesen, dass am das Fristende gewesen sei. Ergänzend führte sie noch aus, dass man die Säumnis tatsächlich erst mit dem Einlangen der zurückweisenden BVE erkannt habe, ansonsten hätte man schon viel früher den Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt.
Der Vertreter der Bf teilte mit, dass der Bescheid betreffend die in der Beschwerde beantragte Aussetzung der Einhebung am der Bf zugestellt worden sei. Daraus ergebe sich, dass einerseits auch dem Finanzamt nicht sofort die Fristversäumnis aufgefallen sei und andererseits, dass auch dieser Umstand bei der steuerlichen Vertreterin der Bf zusätzlich den Eindruck der fristgerechten Einbringung der Beschwerde bestätigt bzw. zumindest keinen Grund daran zu zweifeln gegeben hätte.
Seitens des Amtsvertreters wurde das Datum und die zeitnahe Erledigung des Antrages auf Aussetzung bestätigt, die Beschwerde und deren Rechtzeitigkeit sei zu diesem Zeitpunkt keiner näheren Prüfung unterzogen worden. Dies sei erst nach Durchführung umfangreicher Koordinierungsaufgaben bei der endgültigen Bearbeitung der Beschwerde erfolgt.
Der Amtsvertreter wies auch darauf hin, dass eine Einsicht in das Postausgangsmodul auch deshalb insbesondere bei der Abfassung der Beschwerdeergänzung zu erwarten gewesen wäre, weil dieses auch wichtige Grunddaten zur Beschwerde enthalten würde. Dabei hätte man den erfolgten Versand per feststellen können.
Der Parteienvertreter hielt dem entgegen, dass alle erforderlichen Grunddaten der in Papierform vorliegenden (Rumpf-) Beschwerde entnommen hätten werden können. Es hätte keinen Grund gegeben, deshalb in das KIS oder das Postausgangsmodul Einsicht zu nehmen.
III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das BFG legt seiner rechtlichen Beurteilung folgenden Sachverhalt zugrunde, wobei sich dieser im Wesentlichen aus der oben geschilderten Aktenlage und insbesondere aus den Darstellungen im Wiedereinsetzungsantrag, der Eingabe vom und den Ausführungen bei der mündlichen Verhandlung ergibt:
Die steuerliche Vertreterin der Bf stellt grundsätzlich durch ihr elektronisches Klienteninformationssystem (KIS) sowie ihr Organisationshandbuch die Einhaltung der Fristen sicher. Bei Einlangen einer behördlichen Erledigung, welche eine Frist auslöst, wird diese Frist in das Fristenvormerkbuch eingetragen. Im Fall einer drohenden Säumnis wird automatisch ein Alarmsystem ausgelöst. Für die gegenständlich erforderliche Beurteilung des Einzelfalles sind aber alleine die konkreten Abläufe zwischen dem Eingang des Bescheides, mit dem die Verlängerung der Rechtsmittelfrist abgelehnt wurde (, 13:49), und dem tatsächlich am stattgefundenen postalischen Versand der Beschwerde sowie die in der Folge gesetzten oder nicht gesetzten Kontrollmaßnahmen relevant. Ein Bescheid, der eine Fristverlängerung auslöst, enthält selbst keine Befristung. Die sonst üblicherweise geltenden Kanzlei-Regelungen zur Fristeinhaltung sind hier somit nur bedingt von Bedeutung.
Die Auftragspartnerin der Bf war im Zeitraum zwischen dem Einlangen des die Fristverlängerung ablehnenden Bescheides (Freitag, , nach 14:00) und dem Ende der Folgewoche (dem ) urlaubsbedingt nicht im Büro der steuerlichen Vertretung. Sie hat allerdings, nachdem sie am Urlaubsort Kenntnis vom ablehnenden Bescheid erhalten hat, am Montag, dem die Berechnung der verbleibenden Beschwerdefrist und in der Folge die unverzügliche Unterfertigung durch einen vertretungsbefugten Partner sowie die fristgerechte Versendung einer den wesentlichen Anforderungen entsprechenden Bescheidbeschwerde veranlasst. Da die Fristberechnung, die Fertigstellung der vorbereiteten Beschwerde, deren Unterfertigung und Versand nach dem Erhalt des die Fristverlängerung versagenden Bescheides am erfolgte, erübrigte sich zwar grundsätzlich die sonst übliche Eintragung eines Fristendes in einen Fristenkalender oder dergleichen. Anhand der erfolgten Eintragungen in das KIS der steuerlichen Vertreterin lassen sich aber die Angaben der Bf verifizieren.
Aufgrund unglücklicher Umstände, welche ein auf einem minderen Grad des Verschuldens beruhendes unvorhersehbares Ereignis darstellen, kam es erst am zur tatsächlichen Postaufgabe. Der mit den Angelegenheiten der Bf an sich nicht befasste Bote war der irrigen Meinung, dass er mit der Einlage der Beschwerde in die Postausgangsmappe weisungsgemäß für die postalische Versendung der Beschwerde am gesorgt hätte. Da die Mappe noch an ihrem vorgesehenen Ort lag, war er der Meinung, diese werde noch an diesem Tag abgeholt. Tatsächlich war die Mappe aber, da sich in ihr kein Ausgangsstück befand bei der zuvor bereits routinemäßig erfolgten "Abholung" liegen geblieben und wurde mit der einliegenden Beschwerde erst am folgenden abgeholt.
Üblicherweise und den bestehenden Anweisungen entsprechend, hätte die zuständige Sekretärin die Postausgangsmappe um 14:00, gleichgültig ob voll oder leer, abholen und am folgenden Tag mit den Posteingangsstücken wieder in der Abteilung ablegen müssen. Auch dem Boten war grundsätzlich bekannt, dass ab 14:00 keine Postmappe mehr in der Abteilung liegen dürfte und er das Ausgangsstück zur Postausgangsstelle bringen müsste. Unglücklicherweise hat die Sekretärin an diesem Tag die leere Mappe um 14:00 entgegen den bestehenden Anweisungen in der Abteilung belassen und der Bote hat ohne an die Uhrzeit und den Postschluss zu denken das Ausgangsstück in die aufliegende leere Postmappe im Glauben, diese werde noch am selben Tag abgeholt, eingelegt. Beide Fehlleistungen für sich beruhen auf einem minderen Grad des Versehens und können insbesondere auch in den schwierigen Zeiten der Pandemie und deren Folgen auch jedem gewissenhaften Mitarbeiter unterlaufen. Erst durch die unglückliche "Verquickung" beider Fehlleistungen kam es zur Fristversäumung. Diese war aber allenfalls vom Boten zu erkennen, keinesfalls von den Entscheidungsträgern der Kanzlei. Der Bote hat diese Fehlleistung auch zugestanden und bei seiner Vernehmung auch glaubhaft ausgeführt, dass er im Zeitpunkt seiner Handlung einfach nicht daran gedacht habe, welche Folgen diese haben könnten. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Beschwerde infolge der Einlage in die Postmappe rechtzeitig zum Postversand gelangt sei, und hat dies so auch noch am auf Nachfrage dem im Büro anwesenden Partner und am nächsten Tag der Auftragspartnerin telefonisch mitgeteilt.
Alle beteiligten Personen gingen davon aus, dass der Versand weisungsgemäß am erfolgt sei. Der Vertragspartnerin und damit der steuerlichen Vertreterin war auch bekannt, dass dies der letzte Tag für eine fristgerechte Versendung war. Kenntnis von der tatsächlich erst am erfolgten Versendung hatten allenfalls jene Sekretärinnen, die den Postausgang in das elektronische Ausgangsbuch des KIS eintrugen. Diese Mitarbeiterinnen haben aber keinerlei Kenntnis von Fristen sondern tragen lediglich die von ihnen wahrgenommenen tatsächlichen Vorgänge ein. Das elektronische Ausgangsbuch des KIS ist ein eigenes Modul des KIS, welches nicht bei jedem Aufruf des elektronischen Klientenaktes sichtbar wird. Nur bei einem speziellen Aufruf des Moduls kann das Ausgangsdatum geprüft werden. Da die relevanten Entscheidungsträger der steuerlichen Vertreterin der Bf vom weisungsgemäß erfolgten fristgerechten Versand ausgingen und keinen Grund erkannten, daran zu zweifeln, wurde der fristgerechte Versand nicht kontrolliert.
Der in der Kanzlei üblicherweise einsetzende Schutzmechanismus der Alarmierung bei einer Säumnis konnte hier nicht wirken. Wenn ein Abgabenbescheid oder ein sonstiges Schriftstück mit einer Frist einlangt, wird das Fristende in das Fristvormerkbuch eingetragen und bei Säumnis wird die zuständige Sachbearbeiterin alarmiert. Hier langte aber ein eine Fristverlängerung ablehnender Bescheid ohne eigene Fristsetzung am Freitag Nachmittag ein. Am folgenden Montag, dem wurde das Fristende mit eruiert. Ein Eintrag in das Fristenvormerkbuch war eventuell am selben Tag gar nicht mehr möglich, zumindest nicht sinnvoll und unterbleib daher. Stattdessen wurden sämtliche zumutbaren Maßnahmen getroffen, damit die Beschwerde noch an diesem Tag mit der Post versandt wird.
Es hat auch keine sonstigen Hinweise für die gegenständliche Säumnis gegeben. Aus den genannten Gründen (keine Hinweise, gerechtfertigtes Vertrauen auf die weisungsgemäße Durchführung) wurde die Rechtzeitigkeit auch bei der Erstellung der Beschwerdeergänzung vom nicht gesondert geprüft. Eine automatische Anzeige des tatsächlichen Versendungsdatums, wie vom Finanzamt angeführt, erfolgte nicht.
Auch der Erhalt des Bescheides mit der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung am musste bei den zuständigen Entscheidungsträgern der steuerlichen Vertreterin den Eindruck der rechtzeitig beim Finanzamt eingelangten Beschwerde bekräftigen.
Auch bei der Erstellung der Beschwerdeergänzung war eine Einschau in das Postausgangsmodul, etwa zur Eruierung erforderlicher Grunddaten, nicht erforderlich. Die für die Ergänzung der Beschwerde erforderlichen Daten, waren tatsächlich alle der bereits eingebrachten und in Schriftform vorliegenden Beschwerde zu entnehmen.
Erst nach dem Einlangen der Beschwerdevorentscheidung vom , mit der die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen wurde, erkannte die Vertragspartnerin die Problematik und befasste sich mit dem oben dargestellten Grund für die Verspätung.
Dass sie daraufhin mit dem Finanzamt Kontakt aufnahm und sich erkundigte, warum nicht die Rest-Beschwerdefrist (siehe oben: 11 Tage Restfrist nach Stellung des ersten Fristverlängerungsantrages und Hemmung des Fristablaufes) zu berücksichtigen sei, kann nur als letzter Versuch einer doch möglichen "Fristenwahrung" gewertet werden. Ansonsten ergibt dieser Anruf keinen Sinn, da das tatsächliche Fristende der Sachbearbeiterin und auch der Auftragspartnerin bekannt war.
Die Bf bzw. deren steuerliche Vertretung unterlag somit nicht vorwerfbar bzw. allenfalls aufgrund eines minderen Grad des Versehens dem Irrtum, dass die Beschwerde am fristgerecht eingebracht worden wäre. Dass die Einbringung tatsächlich erst am und somit verspätet erfolgte, wäre zwar jederzeit bei einem Aufruf des Postausgangs-Moduls erkennbar gewesen. Eine diesbezügliche oder sonstige Kontrolle erfolgte aber nicht. Man hatte in der Kanzlei der steuerlichen Vertretung gar nicht an die Möglichkeit einer Fristsäumnis gedacht und daher auch keine Kontrolle vorgenommen.
Derartige oder ähnliche Fehler, die bereits öfter zu Fristversäumungen geführt hätten, sind nicht bekannt und wurden auch seitens der Amtspartei nicht vorgebracht.
Nach den erforderlichen Veranlassungen, den erfolgten Bestätigungen des rechtzeitigen Versandes durch den als Boten fungierenden verlässlichen und langjährigen Bilanzbuchhalter der steuerlichen Vertreterin, infolge der Genehmigung der Aussetzung der Einhebung durch das Finanzamt sowie auch dem Fehlen sonstiger Hinweise auf eine Fristversäumnis dachten die Entscheidungsträger der steuerlichen Vertreterin nicht daran, die tatsächliche Fristeinhaltung zu kontrollieren.
Der Senat hält es durchaus für möglich, dass ein überaus vorsichtiger Parteienvertreter in einer vergleichbaren Situation an die Möglichkeit einer Säumnis gedacht und entsprechende Kontrollen vorgenommen hätte. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass eine Vielzahl gewissenhafter Parteienvertreter in einer vergleichbaren Situation auch nicht an die Möglichkeit einer Säumnis gedacht hätten und auch keine derartigen Kontrollen vorgenommen hätten. Eine Verpflichtung zu derartigen Kontrollen ist weder den gesetzlichen oder standesrechtlichen Bestimmungen noch der bisherigen Judikatur zu entnehmen.
Festzuhalten ist nach Ansicht des Senates auch, dass die urlaubsbedingte Abwesenheit der Auftragspartnerin keine besonderen Umstände des Einzelfalles darstellen, die besondere Kontrollpflichten begründen würden. Gerade seit dem Ausbruch der Pandemie ist es üblich, dass auch bei den rechtsvertretenden Berufen von zu Hause aus Weisungen erteilt werden und sich die Entscheidungsträger auf die weisungsgemäße Durchführung der Anordnungen verlassen. Insofern ist kein Unterschied zu erkennen, ob die Auftragspartnerin ihre Anordnungen vom Urlaubsort oder vom Home-Office aus trifft. Letztlich wäre selbst bei Anwesenheit der Auftragspartnerin im Büro kein anderer Ablauf zu erwarten gewesen.
2. Beweiswürdigung
Die oben getroffenen Feststellungen zu den Abläufen zwischen dem und dem Einlangen der zurückweisenden BVE beruhen auf dem sachverhaltsmäßig unbestrittenem Vorbringen der Bf im Wiedereinsetzungsantrag, in der Beschwerde gegen dessen Zurückweisung als verspätet. auf den Angaben in der Eingabe vom sowie den Ausführungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung. Insbesondere ist unbestritten, dass die unglücklich erfolgten Abläufe mit der Postmappe am ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis darstellen. Dass dieses lediglich auf einem minderen Grad des Versehens beruht und somit eine Wiedereinsetzung grundsätzlich gerechtfertigt ist, ist eine Schlussfolgerung des Senates. Die unglücklichen Abläufe am beruhen auf der "Verquickung" zweier Fehlleistungen bei der manipulativen Abwicklung des angeordneten Versandes. Dabei konnte der Senat keinen Hinweis für das Vorliegen eines groben Verschuldens der steuerlichen Vertreterin erkennen. Gleiches gilt für das Nichterkennen des verspäteten Versendens der Beschwerde. Es gab keine rechtliche Verpflichtung für derartige nachträgliche Kontrollen- Dass man an die Möglichkeiten einer nachträglich eventuell ratsamen Kontrolle in der konkreten Situation nicht dachte, erschien dem Senat plausibel und konnte der Senat auch hier kein grobes Verschulden erkennen. Insgesamt war der Senat der Ansicht, dass eine derartige Fristversäumnis und deren Nichterkennen auch jederzeit einer anderen gewissenhaft agierenden Kanzlei unterlaufen könnte.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Rechtsgrundlagen
Unstrittig zwischen den Parteien ist das ursprüngliche Vorliegen eines unabwendbaren und unvorhergesehenen Ereignisses als Wiedereinsetzungsgrund und dass die Bf durch die Versäumung einen Rechtsnachteil (Rechtskraft eines die Bf belastenden Bescheides) erleidet. Ebenso unstrittig ist mittlerweile, dass aufgrund der Bestimmung des § 245 BAO und der VwGH Judikatur dazu lediglich die zuletzt offene Rechtsmittelfrist nach der Fristhemmung anzurechnen ist und somit die hier maßgebliche Beschwerdefrist am endete. Strittig ist der Grad des Verschuldens am Eintreten des unabwendbaren und unvorhergesehenen Ereignisses und, wann das Hindernis zur Wahrnehmung der Frist aufhörte und somit die dreimonatige Antragsfrist zu laufen begann. Da davon auszugehen ist, dass die Fristversäumnis tatsächlich erst mit dem Erhalt der zurückweisenden BVE bekannt wurde, stellt sich die Frage, ob die steuerliche Vertreterin bzw. die Bf diese Versäumnis aufgrund eines Verschuldens, welches über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, nicht früher erkannte.
§ 308 Abs. 1 BAO normiert generell zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
§ 308 Abs. 3 BAO normiert zur diesbezüglichen Antragstellung:
Abs. 3 Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.
Ab "Aufhören des Hindernisses" bedeutet nach der Judikatur des VwGH ab Wegfall jenes Ereignisses, das die Fristeinhaltung verhindert hat.
Nach beginnt im Fall eines Rechtsirrtums die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Wegfall dieses Irrtums oder jener Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist (zur vergleichbaren Bestimmung des § 71 Abs. 2 AVG vgl. ). Musste die Partei ihren Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit schon früher erkennen, kommt es daher nicht auf den darauffolgenden Zeitpunkt an, zu dem die Entscheidung über die Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Verspätung zugestellt wurde. Entscheidend ist nach die zumutbare Erkennbarkeit des Irrtums bzw nach : ob die Verspätung "bei gehöriger Aufmerksamkeit" erkannt werden konnte und musste.
: Wenn der Irrtum auffallend sorglos und somit in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Vorwerfbarkeit nicht erkannt wird, beginnt die Frist in dem Moment zu laufen, in dem bei Einhaltung der nach den Fähigkeiten des berufsmäßigen Parteienvertreters und den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Sorgfalt der Irrtum erkennbar wäre.
Analog müssen diese Ausführungen des VwGH für die gegenständliche Fallkonstellation bedeuten, dass die Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages zu laufen beginnt, wenn der Irrtum aufgrund eines Verschuldens, welches über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, nicht erkannt wird. Solange der Irrtum aufgrund eines minderen Grades des Versehens nicht erkannt wird, ist er nicht in einer die Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar und beginnt die Frist nicht zu laufen. Wenn der Irrtum somit nicht entdeckt wird, weil Fehler unterlaufen, die gelegentlich auch einem sorgfältigen steuerlichen Vertreter unterlaufen, beginnt die Frist nicht zu laufen. Nur wenn der steuerliche Vertreter auffallend sorglos handelt und die ihm im Zusammenhang mit der Fristenverwaltung zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt, wäre das Nichterkennen der Säumnis vorwerfbar und die Frist würde ab der bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt gegebenen Erkennbarkeit des Irrtums zu laufen beginnen. An rechtskundige Vertreter ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen (2004/16/0204; 2009/15/0096; 2009/16/0098; 2012/13/0051, 95/14/0140; 96/14/0072).
Welche Aussagen hat der VwGH bisher zu diesem für rechtskundige Vertreter geltenden strengeren Maßstab oder zur für diese geltende "gehörige Aufmerksamkeit" bzw. der "zumutbaren Erkennbarkeit" im Zusammenhang mit der Fristeneinhaltung getroffen?
Dazu hat der VwGH wiederholt ausgesprochen, dass der berufsmäßige Parteienvertreter für die Fristenberechnung und die Vormerkung der Frist selbst verantwortlich ist (zB ). Delegiert er diese Aufgaben, treffen ihn bestimmte Aufsichts- und Kontrollpflichten (zB ; , ; ).
Die regelmäßige Kontrolle rein manipulativer Tätigkeiten einer erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikraft wird als nicht zumutbar nicht gefordert (; ; ;). Der Parteienvertreter darf rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (). Zu derartigen Tätigkeiten gehört zB die Kuvertierung oder das "zur Post Bringen" nicht aber die Fristenberechnung bzw die Vormerkung der Frist ().
: Es hieße nämlich das Maß der insoweit dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers obliegenden "gehörigen Aufmerksamkeit" zu überspannen, wollte man ihm abverlangen, anhand des Postaufgabescheines nachträglich die rechtzeitige Aufgabe der Sendung zu überprüfen. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 89/03/0213) zum Ausdruck gebracht, dass der Rechtsvertreter "rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken" ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen darf.
: Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Die Kontrolle, ob eine zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zumutbar. Das weisungswidrige Verhalten von Angestellten eines Rechtsanwaltes ist der Partei jedoch unter diesen Umständen nicht zuzurechnen.
Der VwGH führte in dem vom Amtsvertreter in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Beschluss () aus:
15 Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (; , Ra 2015/04/0098; , Ra 2015/08/0013 und 0014, uvm).
16 Wenn allerdings - wie im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag - in keiner Weise dargelegt wird, ob jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Daher sind bereits mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erfüllt ( bis 0112; , 2013/05/0115, uvm).
18 Nach der eigenen Darstellung des Revisionswerbers war an diesem Nachmittag nur eine von üblicherweise drei Kanzleiangestellten anwesend und habe "eine über die normalen Maße hinausgehende Betriebsamkeit" geherrscht. Es lagen demnach besondere Umstände vor. Nun ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerade in jenen Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen (hier: eine Kanzleikraft arbeitet für drei), jedoch fristgebundene Schriftsätze dringend einzubringen sind, das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems, insbesondere ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich (bereits) zur Post gegeben und versendet wurden, nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten (; , Ra 2015/02/0222, jeweils mwN).
19 Gegen eine solche Beurteilung spricht auch der Umstand, dass der Parteienvertreter - nach dem eigenen Vorbringen des Revisionswerbers - erst ca. zwei Stunden vor Ende der möglichen Übermittlungszeit per E-Mail den Auftrag zur zeitgerechten Übermittlung erteilte; er war daher in Kenntnis, dass die Revision knapp vor dem Ende der für Übermittlungen auf diesem technischem Weg zur Verfügung gestandenen Einbringungszeit noch nicht eingebracht worden war. Auch in solchen Fällen besonderer Dringlichkeit erhält das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems besondere Bedeutung (zu einer ähnlichen Fallkonstellation vgl. nochmals , mwN).
20 Im Übrigen hat ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter seine Kanzlei so zu organisieren, dass nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist. Dazu gehört nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch, dass sich der Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben im elektronischen Weg vergewissert, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar. Diese in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben per E-Mail übertragen (vgl. zu Übertragungen per WebERV: , mwN).
21 Dazu kommt fallbezogen, dass nach der eigenen Darstellung des Revisionswerbers der Kanzleikraft nicht nur eine einzige Fehlleistung unterlaufen ist, sondern deren zwei. So wurde nicht nur - entgegen der Anweisung des Parteienvertreters - das E-Mail mit der außerordentlichen Revision zu spät übermittelt, sondern auch die fristwahrende Postaufgabe auftragswidrig gar nicht vorgenommen. Eine doppelte Fehlleistung wie diese kann aber - ungeachtet der oben zum fehlenden Kontrollsystem genannten Überlegungen - keinesfalls mehr als minderer Grad des Versehens gewertet werden.
Rechtliche Würdigung
Die dreimonatige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages beginnt im Fall eines Rechtsirrtums mit dem Wegfall dieses Irrtums oder jener Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist. Mit anderen Worten beginnt die Frist, wenn der Irrtum aufgrund eines Verschuldens, welches über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, nicht erkannt wird.
Die Fristenberechnung und die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung der Frist wurden am von der steuerlichen Vertretung der Bf gesetzt. Das die Versäumung der Frist verursachende Ereignis erfolgte bei der manipulativen Abwicklung des "zur Post Bringens". Diesbezüglich trifft den Parteienvertreter im Allgemeinen keine Kontrollpflicht, sofern es keine Hinweise auf bereits eingetretene Unzuverlässlichkeiten gibt. Gegenständlich ist aber insbesondere zu beurteilen, ob die steuerliche Vertretung durch die Nichtvornahme der Kontrolle der fristgerechten Versendung in der Folge auffallend sorglos gehandelt hat und ihr das Nichterkennen der Säumnis somit aufgrund eines Verschuldens vorwerfbar ist, welches über den minderen Grad des Versehens hinausgeht. Eine gesetzliche oder standesrechtlich oder aufgrund der Judikatur vorgeschriebene Kontrollpflicht ist nicht gegeben. Wenn sich ein Parteienvertreter ohne gegensätzliche Hinweise auf die weisungsgemäße Durchführung manipulativer Tätigkeiten ohne nachträgliche Kontrollpflichten verlassen kann, darf er auch darauf vertrauen, dass diese wie aufgetragen durchgeführt wurden. Wenn es keinerlei Hinweise gab, dass es zu einer Fristversäumnis gekommen sein könnte, ist es nicht auffallend sorglos, wenn ein Parteienvertreter nicht von sich aus die Einhaltung seiner Anordnungen überprüft. Auch ein überaus sorgfältiger steuerlichen Vertreter wird nur bei Vorliegen von Hinweisen die ansonsten immer ordnungsgemäße Durchführung seiner Weisungen im Zusammenhang mit rein manipulativen Tätigkeiten überprüfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses eingebracht werden. Ab "Aufhören des Hindernisses" bedeutet nach der Judikatur des VwGH im gegenständlichen Zusammenhang ab Wegfall des Irrtums, dass die Beschwerde fristgerecht eingebracht worden sei. Da die Unkenntnis von der Säumnis der steuerlichen Vertretung und der Bf bis zum Erhalt der zurückweisenden BVE nicht vorwerfbar ist, beginnt die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages mit der Zustellung dieser BVE am .
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde am und somit innerhalb der dreimonatigen Frist eingebracht.
Zu dem vom Amtsvertreter in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Beschluss () ist festzuhalten, dass das bestehende allgemeine Kontrollsystem, für dessen Nichtfunktionieren es im übrigen auch keinerlei Hinweise gäbe, gegenständlich nicht von Bedeutung sein kann. Wie bereits ausgeführt, enthält ein Bescheid, mit dem eine beantragte Fristverlängerung abgelehnt wird, keine eigene Frist. Es geht vielmehr darum, auf einen solchen Bescheid richtig zu reagieren und die erforderlichen Maßnahmen gewissenhaft zu setzen. Dies erfolgte, in dem am folgenden Werktag das Fristende mit genau diesem Tag festgestellt wurde und sofort die fristgerechte Versendung der Beschwerde veranlasst wurde. In dieser besonderen Situation wurde die stattgefundene Versendung von zwei Partnern der Kanzlei durch telefonische Rückfragen auch "überwacht".
Eine elektronische Übermittlung per E-Mail, die im Anwendungsbereich der BAO auch gar nicht wirksam wäre, sollte gegenständlich auch gar nicht stattfinden. Nach dem Sachverhalt, der vom VwGH im angeführten Beschluss zu beurteilen war, war es überdies zur angeordneten Postaufgabe gar nicht gekommen. Allein dadurch unterscheidet sich der gegenständlich zu beurteilende Fall eklatant.
Insgesamt bestehen aber gewisse Ähnlichkeiten, als nach dem VwGH-Beschluss eine doppelte Fehlleistung das Vorliegen eines minderen Grades des Verschuldens ausschließt. Nach Ansicht des Senates ist der Grad des Verschuldens bei den hier eingetretenen Fehlleistungen nicht vergleichbar und gegenständlich wesentlich geringer und geprägt von unglücklichen Zufällen, während beim "VwGH-Fall" das zweimalige Nichtversenden doch einen gravierenden Fehler darstellt.
Andererseits scheint der Beschluss auch in einem gewissen Widerspruch mit den anderen oben angeführten Entscheidungen des VwGH zu stehen, nach denen ein berufsmäßiger Parteienvertreter zwar für die Fristenberechnung und die weiteren Veranlassungen zur Fristeneinhaltung verantwortlich ist, er aber die rein manuelle Umsetzung seiner Weisungen ohne besonderen Anlassfall (wie zB bereits stattgefundene Unzuverlässlichkeiten der ausführenden Mitarbeiter) nicht überwachen oder kontrollieren muss.
Nach dem gegenständlichen Sachverhalt wurde die manipulative Umsetzung der veranlassten fristgerechten Versendung sogar telefonisch überwacht. Eine nur zufällige unglückliche Verkettung zweier Fehlleistungen, die jeweils allenfalls auf einem minderen Grad des Verschuldens beruhen und auch sorgfältig agierenden Mitarbeiter:innen fallweise unterlaufen können, kann dann nach Ansicht des Senates auch in Summe zu keinem groben Verschulden führen.
Da die Bf auch glaubhaft gemacht hat, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten und dies allenfalls aufgrund eines minderen Grades des Versehens beruhte, und auch das spätere Nichterkennen der Säumnis nicht als grob verschuldet vorwerfbar ist, war der angefochtene Bescheid abzuändern und dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Aus dem oben angeführten Beschluss des VwGH zur GZ Ra 2018/07/0355 ergeben sich mehrere Gründe für die Zulässigkeit der Revision. Zu folgenden auch gegenständlich relevanten Fragen scheint es keine höchstgerichtliche eindeutige Rechtsprechung zu geben: Stellt eine zB urlaubsbedingte Abwesenheit der zuständigen Mitarbeiterin einer steuerlichen Vertretungsgesellschaft im Zeitpunkt des Versands einer Beschwerde einen besonderen Umstand dar, der zu erhöhten Kontrollpflichten nach deren Rückkehr führt? Kann das zufällige Zusammentreffen mehrerer geringfügiger Fehlleistungen bei der manipulativen Abwicklung eines gewissenhaft angeordneten Versands insgesamt zu einem relevanten und die Wiedereinsetzung ausschließenden groben Verschulden führen?
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101651.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at