Haftung (§ 9 BAO): Insolvenzgerichtliche Entschuldung des Geschäftsführers ist bei der Ermessensentscheidung für die Haftungsinanspruchnahme durch Beschränkung des Haftungsausspruches auf die Quote zu berücksichtigen
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2100650/2022-RS1 | Im Falle des Zustandekommens einer insolvenzgerichtlichen Entschuldung des Geschäftsführers hat sich seine spätere Haftungsinanspruchnahme für zeitlich davor entstandene Abgabenschuldigkeiten der GmbH betragsmäßig an der Quote zu orientieren. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den ***Einzelrichter*** über die Beschwerde des ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG, Ludersdorf 201, 8200 Gleisdorf, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Oststeiermark vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO beschlossen:
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer der ***X-GmbH*** (siehe Firmenbuchauszug OZ 6).
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom (OZ 1) zog die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer mit der Begründung, die Abgaben seien an den Fälligkeitstagen nicht entrichtet worden, womit die schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten als Vertreter der GmbH gegeben sei, zur Haftung für folgende Abgaben der GmbH heran (Gesamtbetrag: 1.795,40 €):
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag in Euro |
Körperschaftsteuer | 10-12/2018 | 439,00 |
Umsatzsteuer | 2017 | 34,70 |
Körperschaftsteuer | 01-03/2019 | 437,00 |
Pfändungsgebühr | 2019 | 10,00 |
Barauslagenersatz | 2019 | 0,70 |
Körperschaftsteuer | 04-06/2019 | 437,00 |
Körperschaftsteuer | 07-09/2019 | 437,00 |
Mit Schreiben vom (OZ 3) erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsanwalt die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und beantragte dessen Aufhebung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die GmbH per geschlossen worden sei und ab diesem Zeitpunkt keine Liquidität mehr vorhanden gewesen sei und auch keine Zahlungen mehr geleistet worden seien, sodass die Verbindlichkeiten beim Finanzamt nicht schlechter behandelt worden seien als andere Verbindlichkeiten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 4) wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung verwies die Abgabenbehörde auf die bestehende Mindestkörperschaftsteuerpflicht. Auf das (für den Haftungsfall beachtenswerte) Vorbringen des Beschwerdeführers ging die Abgabenbehörde hingegen nicht ein.
Mit Schreiben vom (OZ 5) stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsanwalt ohne weiteres Vorbringen gegen die Beschwerdevorentscheidung den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag)
Mit Vorlagebericht vom (OZ 11) legte die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In ihrer Stellungnahme führte die Abgabenbehörde aus, in der Beschwerde werde lediglich behauptet, dass keine Barmittel mehr zur Verfügung gestanden seien. Mit den vorgelegten Unterlagen (Bankauszug) lasse sich diese Behauptung nicht verifizieren. Der Beschwerdeführer hätte dies nachzuweisen. Im gegenständlichen Fall sei dieser Nachweis nicht erbracht worden bzw. "spricht die Überweisung auf das Abgabenkonto gegen das Fehlen jeglicher Mittel".
Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:
Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können (§ 9 Abs. 1 BAO).
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO).
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde (). Dem Bundesfinanzgericht ist in Ermessensfragen volle Kognition eingeräumt ().
Wie das Bundesfinanzgericht durch Einsichtnahme in die Ediktsdatei festgestellt hat, war unter der Aktenzahl 25 S 33/19v ein Konkursverfahren des Beschwerdeführers anhängig. Der Beschluss über die Bestätigung des angenommenen Zahlungsplanes wurde am bekanntgemacht und damit am rechtskräftig, womit der Beschwerdeführer gemäß § 59 IO zu diesem Zeitpunkt wieder in das Recht eingetreten ist, über sein Vermögen frei zu verfügen. Der an den Beschwerdeführer gerichtete angefochtene Bescheid wurde diesem am zugestellt, womit er bescheidwirksam wurde.
Im Hinblick auf die (aufhebenden) Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0173, und vom , 2005/15/0116, wonach sich im Falle des Zustandekommens einer insolvenzgerichtlichen Entschuldung des Geschäftsführers seine spätere Haftungsinanspruchnahme für zeitlich davor entstandene Abgabenschuldigkeiten der GmbH betragsmäßig an der Quote zu orientieren hat, wäre die Haftungsinanspruchnahme im Beschwerdefall wegen der Geringfügigkeit des (im Rahmen der Ermessensentscheidung zulässigen) Haftungsbetrages von 143,63 € (8% von 1.795,40 €) nicht zweckmäßig, weil die Abgabenbehörde im weiteren Verfahren (unter allfälliger Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers) bezüglich des Verschuldens des Beschwerdeführers an der Nichtentrichtung der Abgaben noch zu ermitteln hätte, ob noch Geldmittel vorhanden waren (im Hinblick auf die mit der Offenlegung des Bankkontos gezeigte Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Mitwirkung und Nachweisung war es nämlich nicht zulässig, die Bestätigung des Haftungsausspruches ohne Weiteres darauf zu stützen, dass das Vorbringen, es seien keine Barmittel mehr zur Verfügung gestanden, sich mit den vorgelegten Unterlagen [Bankauszug] nicht verifizieren lasse) und aus welcher Vermögenssphäre die angesprochene Zahlung auf das Abgabenkonto stammt. Der dabei entstehende Kostenaufwand steht - wie die Abgabenbehörde selbst auch vorbringt (siehe Schreiben vom , OZ 24) - nicht im Verhältnis zum Haftungsbetrag von 143,63 €.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung im Hinblick auf die oben angeführte Rechtsprechung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100650.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at