Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2022, RV/7101096/2022

Diverse Krankheitskosten (Gleitsichtbrille, Medikamente, Rezeptgebühren, Facharztrechnungen etc.) als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Krankengelder von der ***X***). In ihrer Arbeitnehmerveranlagungserklärung für 2020, die am elektronisch am Finanzamt einlangte, machte sie an außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt Krankheitskosten von 8.968,14 € geltend.

Am erging ein Ergänzungsersuchen des Finanzamts an die Bf. "betreffend Ihre Arbeitnehmerveranlagung für 2020", das folgenden Wortlaut aufweist:

"Ergänzungspunkte:

Bitte senden Sie uns die genaue Aufstellung Ihrer beantragten außergewöhnlichen Belastungen mit den folgenden Details:

- Rechnung inkl. Rechnungsdatum

- Bezeichnung der Aufwendung

- Einzelpreise und Summe über alle Aufwendungen

- Abzüglich erhaltener Ersätze (Krankenkasse, Versicherung, Fonds usw.)

Zum Nachweis Ihrer beantragten Aufwendungenlegen Sie bitte alle Belege bei.

Hinweis: Bei stationären Aufenthalten, wie zB Krankenhaus oder Kur, ist eine Haushaltsersparnis von 5,23 € pro Tag von den beantragten Aufwendungen abzuziehen."

Im Zuge der Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens, die am am Finanzamt einlangte, übermittelte die Bf. eine "Aufstellung Krankheitskosten 2020" sowie diverse Belege (Honorarnoten, Rezeptgebührenbestätigungen, Apothekenrechnungen etc.). Diese Aufstellung beinhaltet folgende Positionen:

1) Psychotherapie Mag. ***A***: 2.450,00 €.

2) Apotheke - ***B*** Apotheke: 642,15 €.

3) Honorarnoten Dr. ***C***: 500,00 €.

4) ***D***-Apotheke: 2.800,78 €.

5) Gleitsichtbrille und Lesebrille Optiker ***E***: 1.287,00 €.

6) Spagyrik gegen Allergie - Apotheke ***F***: 354,21 €.

7) Kuraufenthalt Kurhaus ***G*** (wegen Schlafstörungen, Erschöpfung, nach Belastungen durch Corona): 1.034,00 €.

8) Mundhygiene Dr. ***H*** (): 120,00 €.

9) Diverse: 109,60 €.

Gesamt: 9.297,74 €.

Am erließ das Finanzamt den Bezug habenden Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagungsbescheid) für 2020, mit dem es von den seitens der Bf. geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen lediglich die Ausgaben für eine Gleitsichtbrille und eine Lesebrille (Optiker ***E***) von 1.287,00 € sowie die Ausgaben für Medikamente und Rezeptgebühren (***B*** Apotheke) von 642,15 €, sohin einen Gesamtbetrag von 1.929,15 €, mit Anwendung des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 anerkannte.

Begründend führte das Finanzamt dazu aus, als Kosten der Heilbehandlung seien grundsätzlich nur ärztlich verordnete Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien abzugsfähig. Die von der Bf. beantragten Aufwendungen (Nahrungsergänzungsmittel, Psychotherapie, Kuraufenthalt) hätten daher nicht berücksichtigt werden können.

Gegen den angeführten Bescheid erhob die Bf. am Beschwerde, in der sie ausführte, sie beantrage die Überprüfung des Bescheides hinsichtlich der Gutschrift von 503,00 € bzw. der Höhe der außergewöhnlichen Belastungen/Krankheitskosten.

Begründend führte sie dazu aus, sie habe folgende Krankheitskosten geltend gemacht, die jedenfalls zu berücksichtigen seien:

1) Gleitsichtbrille, Lesebrille mit Belegen: 1,287,00 €.

2) Psychotherapie bei Mag. ***A*** mit Beleg und Nachweis der ***X***, dass kein Ersatz geleistet wurde und warum: 2.450,00 €.

3) Rechnung ***F*** Apotheke für ärztlich verschriebene Spagyrik gegen Pollenallergie, Lebensmittelallergien mit Belegen: 115,80 €.

4) Medikamente und Rezeptgebühren ***B*** Apotheke mit Beleg: 642,15 €.

5) Ärztlich verordnete Medikamente ***D*** Apotheke mit Beleg: 2.800,78 €.

Diese Position habe die Sachbearbeiterin am Telefon komplett abgelehnt. Dazu sei zu sagen, dass die Bf. diese Medikamente auf ärztliche Verschreibung kaufe, die gäbe es aber nicht auf Rezept. Was die Bf. aber va. hervorheben wolle: Sie habe zu 98% genau diese Präparate 2019 auch über die ***D*** Apotheke erworben und einen Betrag für 2019 in Höhe von 2.715,25 € geltend gemacht und der sei anerkannt worden. Belege dazu müssten in ihrem Steuerakt enthalten sein, könnten aber gerne ergänzt werden. Es könne also nicht sein, dass Kosten in einem Jahr zur Gänze anerkannt und ein Jahr später von einem anderen Sachbearbeiter zur Gänze abgelehnt würden, wenn sich die gesetzlichen Bestimmungen nicht geändert hätten.

6) Arzthonorare Dr. ***C***, Psychiater, 5 x 100,00 €, in Summe 500,00 €, abzüglich Kostenerstattung ***X*** von 151,10 € mit Belegen: 348,90 €.

Summe an Krankheitskosten somit jedenfalls: 7.644,63 €.

Am erging ein weiteres Ergänzungsersuchen des Finanzamts an die Bf. "betreffend Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020", das folgenden Wortlaut aufweist:

"Ergänzungspunkte:

Um Ihre Beschwerde bearbeiten zu können, sind noch folgende Unterlagen erforderlich:

Vorlage der ärztlichen Verordnung zur Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sowie die Verordnung für die Psychotherapie sowie den Kuraufenthalt.

Können keine derartigen Verordnungen innerhalb obiger Frist vorgelegt werden, ist Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Als Fristende zur Beantwortung dieses weiteren Ergänzungsersuchens wurde vom Finanzamt der festgelegt.

Soweit aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht elektronisch vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich, wurde dieses weitere Ergänzungsersuchen von der Bf. nicht beantwortet.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, wobei es begründend dazu ausführte, dass die von der Abgabenbehörde angeforderten ärztlichen Verordnungen bis dato nicht nachgereicht worden seien.

Mit Schreiben vom beantragte die Bf. die Vorlage ihrer Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht. Diesem Vorlageantrag waren beigeschlossen:

- Eine Bestätigung des Dr. ***C***, Facharzt für Psychiatrie, vom , wonach die Bf. an einer rezid. Depression und an Panikattacken leide und sie seit 2019 bei ihm in regelmäßiger fachärztlich-psychiatrischer Behandlung stehe. Er könne bestätigen, dass eine begleitende Psychotherapie bei einem Psychotherapeuten auf jeden Fall für den Zeitraum von 2019 bis jetzt indiziert war und ist.

- Vier Therapiepläne (Verschreibungen) der Dr. ***I***, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom , , und , betreffend diverse Medikamente bzw. Nahrungsergänzungsmittel.

- Eine Verordnung der Dr. ***J***, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom , betreffend diverse Nahrungsergänzungsmittel. Auf dieser Verordnung befindet sich ein Vermerk ("Zu Nahrungsergänzungsmittel") der Dr. ***J***, wonach Dr. ***I*** 2019 in Pension gegangen sei; ihre Verordnungen hätten für 2020 weitergegolten. Coronabedingt habe es länger gedauert, eine neue Ärztin dafür zu finden. Neue Ärztin sei Dr. ***J***.

Am erging ein nochmaliges Ergänzungsersuchen des Finanzamts an die Bf. "betreffend Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht", das folgenden Wortlaut aufweist:

"Ergänzungspunkte:

Sehr geehrte Frau [Name der Bf.],

zu dem von Ihnen gestellten Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht […] werden Sie ersucht, nachstehende Fragen zu beantworten bzw. Unterlagen vorzulegen.

Vorweg wird bekannt gegeben, dass das Finanzamt davon ausgeht, dass Sie mit der Beschwerde vom ,eingelangt am , Ihr Begehren auf Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen auf die dort angeführten Positionen und den dort angeführten Betrag in der Höhe von 7.644,63 € eingeschränkt haben.

Für die Anerkennung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung ist erforderlich, dass nachweislich eine Krankheit vorliegt, die Behandlung in direktem Zusammenhang mit dieser Krankheit steht und eine taugliche Maßnahme zur Linderung oder Heilung der Krankheit darstellt. Die Aufwendungen müssen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zur verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert. Nicht abzugsfähig sind daher Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten. Liegt eine Krankheit vor, so sind ua. abzugsfähig

- Arzt- und Krankenhaushonorare,

- Aufwendungen für Medikamente und Heilbehandlungen (einschließlich medizinisch verordnete homöopathische Präparate),

- Rezeptgebühren, Behandlungs-, Kostenbeiträge und Selbstbehalte (einschließlich Akupunktur und Psychotherapie), soweit sie der Steuerpflichtige selbst zu tragen hat,

- Aufwendungen für Heilbehelfe (Zahnersatz, Sehbehelfe einschließlich Laserbehandlung zur Verbesserung der Sehfähigkeit, Hörgeräte, Prothesen, Gehbehelfe, Bruchbänder).

Nahrungsergänzungsmittel (Vitaminpräparate etc.) sind in der Regel nicht abzugsfähig; Ausnahme bei ärztlicher Verordnung oder wenn sich medizinische Gründe aus medizinischer Fachliteratur und ärztlichen Befunden ergeben.

Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nichtärztliches Personal sind grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung ersetzt werden.

Sowohl die Aufwendungen für die Gleitsichtbrille (1.287,00 €), die beantragten Rezeptgebühren (642,15 €) als auch die psychiatrischen Facharzthonorare des Dr. ***C*** (348,90 € nach Abzug des ***X***-Ersatzes), insgesamt also 2.278,05 €, werden vom Finanzamt außer Streit gestellt.

Folgende Fragen im Zusammenhang mit den geltend gemachten Aufwendungen werden Sie dennoch ersucht, zu beantworten:

1) Verfügen Sie im Streitzeitraum über einen Behindertenpass? Gegebenenfalls wird um Vorlage ersucht.

2) Welche konkrete(n) Krankheit(en) haben Sie? Beschreiben Sie diese und legen Sie bitte die entsprechenden Befunde vor.

3) Welche Wirkungen zur Heilung Ihrer Krankheit(en) wurden mit den von Dr. ***I*** laut den Therapieplänen vom , , und sowie der Verordnung von Dr. ***J*** vom erzielt?

Inwieweit war die Einnahme dieser Medikamente erfolgreich?

4) Werden die von Dr. ***I*** laut den Therapieplänen vom , , und sowie der Verordnung von Dr. ***J*** vom verschriebenen und im Streitzeitraum 2020 gekauften Medikamente aufgrund der vorgelegten Rechnungen (***D*** Apotheke) summiert, so ergibt das einen Gesamtbetrag in der Höhe von 1.338,00 € und nicht wie beantragt in der Höhe von 2.800,78 €.

Nehmen Sie dazu Stellung.

5) Sie beantragen 150,80 € (***F*** Apotheke) für ärztlich verschriebene Spagyrik nach Dr. Zimpel. Weder in den Therapieplänen von Dr. ***I*** noch in der Verordnung von Dr. ***J*** scheint dieses Medikament auf und kann daher nach Ansicht des Finanzamtes nicht berücksichtigt werden.

Nehmen Sie dazu Stellung.

6) Sie beantragen 2.450,00 € für Aufwendungen für Einzeltherapieleistungen als außergewöhnliche Belastung - Mag. ***A***.

Welche Wirkungen zur Heilung Ihrer Krankheit verfolgen Sie mit dieser Behandlung?

Legen Sie den Zahlungsnachweis vor."

Als Fristende zur Beantwortung dieses nochmaligen Ergänzungsersuchens wurde von der Abgabenbehörde der festgelegt. Jenes Ergänzungsersuchen wurde der Bf. am nachweislich zugestellt.

Soweit aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht elektronisch vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich, wurde auch dieses nochmalige Ergänzungsersuchen von der Bf. nicht beantwortet.

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Bezug habenden Vorlagebericht führte die Abgabenbehörde - nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen des § 34 Abs. 1 bis 4 EStG 1988 - stellungnehmend zur Beschwerde aus, Krankheitskosten seien nach allgemeiner Rechtsauffassung außergewöhnlich und auch aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Abzugsfähig seien beispielsweise Aufwendungen für Arzt und Krankenhaus, Medikamente, einschließlich "medizinisch verordneter" homöopathischer Präparate, Ambulanzgebühren, Behandlungsbeiträge, Psychotherapie, Rezeptgebühren, Selbstbehalte, Zuzahlungen etc. (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2021, § 34 Rz 90 Stichwort "Krankheitskosten").

Liege eine Krankheit vor, seien ua. Aufwendungen für Heilbehelfe (Zahnersatz, Sehbehelfe einschließlich Laserbehandlung zur Verbesserung der Sehfähigkeit, Hörgeräte, Prothesen, Gehbehelfe, Bruchbänder) abzugsfähig (siehe auch Rz 902c LStR 2002).

Aber nicht alle Kosten, die bei der Behandlung einer Krankheit entstünden, seien einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung zugänglich. Nach der Judikatur würden nur Kosten anerkannt, die mit einer Heilbehandlung bzw. -betreuung typischerweise verbunden seien. Nicht absetzbar seien Ausgaben, die nur mittelbar mit einer Krankheit in Zusammenhang stünden, auch wenn sie sich auf den Krankheitsverlauf positiv auswirken können ().

Nicht abzugsfähig seien nach einhelliger Rechtsmeinung Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten sowie für die Erhaltung der Gesundheit (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78 Stichwort "Krankheitskosten"). Zu derartigen allgemeinen Gesundheitsvorsorgemaßnahmen zählten Aufwendungen für allgemeine Stärkungsmittel, Vitaminpräparate, Nahrungsergänzungsmittel, funktionelle Lebensmittel oder Körperpflegeprodukte, außer die Verwendung sei im Einzelfall medizinisch indiziert, was der Steuerpflichtige nachzuweisen habe (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 16. EL, § 34 Anm. 78 Stichwort "Krankheitskosten"). Nahrungsergänzungsmittel (Vitaminpräparate etc.) seien somit in der Regel nicht abzugsfähig, es sei denn, sie seien ärztlich verordnet oder wenn sich medizinische Gründe aus medizinischer Fachliteratur und ärztlichen Befunden ergeben (vgl. Jakom/Peyerl, § 34 Rz 90 Stichwort "Nahrungsergänzungsmittel").

Ausgehend von dieser Rechtslage werde vom Finanzamt zu den einzelnen Positionen wie folgt Stellung genommen:

1) Nachstehende Aufwendungen würden außer Streit gestellt und das Bundesfinanzgericht werde ersucht, diese als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen:

a) Gleitsichtbrille [Anm.: und Lesebrille] (Optiker ***E***): 1.287,00 €.

b) Medikamente und Rezeptgebühren (***B*** Apotheke): 642,15 €.

c) Dr. ***C***, Facharzt für Psychiatrie: 348,90 € (= 500,00 € abzüglich Kostenerstattung ***X*** von 151,10 €).

Somit ergebe sich eine Summe von 2.278,05 €.

2) Aufwendungen Mag. ***A***, klinischer Psychologe:

Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nichtärztliches Personal seien grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung ersetzt würden (siehe auch Rz 902b LStR 2002).

Der Homepage des Mag. rer. nat. ***A*** sei zu entnehmen, dass es sich um einen in Ausbildung befindenden Psychotherapeuten handle. Das therapeutische Angebot umfasse laut Homepage Psychotherapie/Verhaltenstherapie, klinisch-psychologische und gesundheitspsychologische Behandlung sowie psychologische Diagnostik.

In seiner Stellungnahme vom bestätige Dr. ***C***, Facharzt für Psychiatrie, dass die Bf. seit dem Jahr 2019 bei ihm in regelmäßiger fachärztlich-psychiatrischer Behandlung stehe. Er könne bestätigen, dass eine begleitende Psychotherapie bei einem Psychotherapeuten auf jeden Fall für den Zeitraum von 2019 bis jetzt indiziert sei. Nach Ansicht des Finanzamts sei diese Bestätigung nur sehr allgemein gehalten. Es handle sich jedenfalls um keine Verordnung von psychotherapeutischen Behandlungen.

Von der Bf. seien - trotz Aufforderung - weder Befunde, Operationsberichte noch Diagnoseberichte vorgelegt worden. Die Bf. habe auch nicht erläutert, welche Wirkung zur Heilung welcher Krankheit mit den Maßnahmen verfolgt worden sei.

Mit Schreiben vom sei von der ***X*** ein Kostenzuschuss abgelehnt worden. Eine Zahlungsbestätigung sei - trotz Aufforderung - nicht vorgelegt worden.

Das Finanzamt beantrage daher, die Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

3) Medikamente ***D*** Apotheke:

Würden die von Dr. ***I*** laut ihren Therapieplänen sowie der Verordnung von Dr. ***J*** verschriebenen und im Streitzeitraum 2020 gekauften Medikamente aufgrund der vorgelegten Rechnungen (***D*** Apotheke) summiert, so ergebe dies einen Gesamtbetrag von 1.338,00 €. Für die übrigen strittigen Präparate lägen keine ärztlichen Verschreibungen vor, weshalb beantragt werde, 1.338,00 € als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

4) Spagyrik nach Dr. Zimpel - ***F*** Apotheke:

Die Bf. habe 115,80 € für ärztlich verschriebene Spagyrik nach Dr. Zimpel beantragt. Weder in den Therapieplänen von Dr. ***I*** noch in der Verordnung von Dr. ***J*** scheine dieses Medikament auf. Für die strittigen Präparate lägen keine ärztlichen Verschreibungen vor, weshalb sie nach Ansicht des Finanzamts nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnten.

Zusammenfassend beantrage das Finanzamt daher, der Beschwerde teilweise stattzugeben und Aufwendungen von 3.616,05 € als außergewöhnliche Belastung unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 anzuerkennen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 34 Abs. 1 bis 4 EStG 1988 lautet:

"§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7.300 Euro 6%.

mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro 8%.

mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro 10%.

mehr als 36.400 Euro 12%.

[…]"

Vorweg ist festzuhalten, dass, wie die belangte Behörde, auch das Bundesfinanzgericht davon ausgeht, dass die Bf. mit der Beschwerde vom ihr Begehren auf Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen auf die dort von ihr selbst angeführten Positionen und den dort von ihr selbst angeführten Betrag von 7.644,63 € eingeschränkt hat (siehe dazu das dritte Ergänzungsersuchen vom , mit dem der Bf. dies ausdrücklich vorgehalten wurde und das von der Bf. (auch) nicht beantwortet wurde).

Weiters ist festzuhalten, dass das Finanzamt die Aufwendungen der Bf. für die Gleitsichtbrille und die Lesebrille (Optiker ***E***, 1.287,00 €), für die Medikamente und Rezeptgebühren (***B*** Apotheke, 642,15 €) sowie für die Arzthonorare des Dr. ***C***, Facharzt für Psychiatrie (348,90 € nach Abzug des ***X***-Ersatzes), gemäß § 34 EStG 1988 anerkannt und damit außer Streit gestellt hat (siehe dazu das Ergänzungsersuchen vom und Punkt 1) des Vorlageberichts). Seitens des Bundesfinanzgerichts ist dazu auszuführen, dass hinsichtlich dieser Positionen im Betrag von 2.278,05 € (gesamt) die Voraussetzungen für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen vorliegen und der Beschwerde somit betreffend diese Punkte stattgegeben wird.

Im Übrigen ist seitens des Bundesfinanzgerichts festzuhalten, dass die sorgfältige Beweiswürdigung der belangten Behörde, wie sie in deren Vorlagebericht vom zum Ausdruck kommt, nicht zu beanstanden ist, weshalb es im Wesentlichen genügt, auf diesen Vorlagebericht zu verweisen und ihn zum integrierenden Bestandteil dieses verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses zu erklären (mit Ausnahme des unter Punkt 3) des Vorlageberichts ("Medikamente ***D*** Apotheke") angeführten Betrags von 1.338,00 €, der richtig mit 1.403,47 € festzusetzen ist, woraus sich ein als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennender Gesamtbetrag von richtig 3.681,52 € (anstatt, wie vom Finanzamt angeführt, 3.616,05 €) ergibt (dazu gleich unten)).

Zu Punkt 2) des Vorlageberichts ("Aufwendungen ***1***, klinischer Psychologe") ist seitens des Bundesfinanzgerichts noch festzuhalten, dass sich die Nichtanerkennung des Bezug habenden Betrags von 2.450,00 € va. daraus ergibt, dass die Bf. keine diesbezügliche Zahlungsbestätigung (keinen Zahlungsnachweis) vorgelegt hat, obwohl sie mit dem dritten Ergänzungsersuchen vom ausdrücklich dazu aufgefordert wurde und ihr die Nichtvorlage der Bezug habenden Zahlungsbestätigung - trotz Aufforderung - im Vorlagebericht vom - dem wie etwa einer Beschwerdevorentscheidung (ebenfalls) Vorhaltscharakter zukommt () - ausdrücklich vorgehalten wurde.

Zu Punkt 3) des Vorlageberichts ("Medikamente ***D*** Apotheke") ist festzuhalten, dass der diesbezügliche, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennende Betrag statt mit - wie von der belangten Behörde beantragt - 1.338,00 € richtig mit 1.403,47 € festzusetzen ist, da das Finanzamt übersehen hat, dass die in den Rechnungen der ***D*** Apotheke vom , Rechnungsnummer R14031845048, und vom , Rechnungsnummer R14037956819, angeführten Mariendistel-Präparate 500 mg über 25,67 € und 39,80 € (sohin gesamt 65,47 €) mit der Verordnung der Dr. ***J*** vom der Bf. ärztlich verschrieben wurden und somit als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

Zu Punkt 4) des Vorlageberichts ("Spagyrik nach Dr. Zimpel - ***F*** Apotheke") ist festzuhalten, dass, wie von der belangten Behörde im Vorlagebericht vom richtig ausgeführt, hinsichtlich dieser Präparate keine ärztlichen Verschreibungen vorgelegt wurden und jene daher nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind (der Bf. vorgehalten mit - unbeantwortet gebliebenem - Ergänzungsersuchen vom ).

Zum Beschwerdevorbringen der Bf., dass es nicht sein könne, dass Kosten in einem Jahr zur Gänze anerkannt und ein Jahr später von einem anderen Sachbearbeiter zur Gänze abgelehnt würden, wenn sich die gesetzlichen Bestimmungen nicht geändert hätten, ist anzumerken, dass aus einer (eventuell) unrichtigen Rechtsausübung in den Vorjahren kein Rechtsanspruch für die Folgejahre abgeleitet werden kann.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich somit ein als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt anzuerkennender Gesamtbetrag von 3.681,52 € (2.278,05 € gemäß Punkt 1) des Vorlageberichts zuzüglich 1.403,47 € gemäß Punkt 3) des Vorlageberichts).

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Das Erkenntnis folgte vielmehr der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die (ordentliche) Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101096.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at