Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.11.2022, RV/4100335/2022

Familienbeihilfe für einen im Ausland besuchten Sprachkurs

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Gottfried Tazol, Hauptplatz 24, 9100 Völkermarkt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) beantragte mit Eingabe vom die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre Tochter ***1***, geb. am ***2*** 2000. ***1*** absolviere einen Sprachkurs an einer französischen Universität, welcher unabdinglich für ein weiterführendes Studium in Frankreich sei.

Mit Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom wurde der Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2018 bis September 2019 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, ***1*** habe die Reifeprüfung ***3*** im Juni 2018 abgeschlossen und sich für das Studienjahr 2018/2019 an der ***4*** in ein Sprachstudium in Französisch eingeschrieben. Der Sprachkurs sei für ausländische Erwachsene, die nicht Französisch als Muttersprache haben, gedacht, um eine Sekundarabschlussprüfung zu erhalten, die den Zugang zu einer französischen Universität ermöglicht. Ab dem Wintersemester 2019/2020 studiere ***1*** an der Medizinischen Universität Wien ***5***, das Sprachstudium in Frankreich werde dabei nicht angerechnet.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, ihre Tochter habe das Sprachstudium ab September 2018 bis einschließlich April 2019 absolviert. Es sei ein Studium in Frankreich, allenfalls das Studium der Romanistik bzw. Französisch in Österreich geplant gewesen. Die Änderung der Berufsausbildung, im konkreten die Entscheidung das Studium der Medizin in Österreich und nicht in Frankreich zu beginnen, könne ihr nicht zur Last gelegt werden. Parallel zu ihrem Sprachstudium habe ***1*** im Februar 2019 und April 2019 Vorbereitungskurse zur Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium absolviert. Auch diese Kurse seien anspruchsbegründend im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG).

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Klagenfurt vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Besuch eines Sprachkurses sei keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG, da keine Ausbildung für einen bestimmten Beruf erfolgt. Auch die einer tatsächlichen Ausbildung vorangehenden Schritte, einschließlich Aufnahmetests, würden keine Berufsausbildung darstellen.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Tochter der Bf, ***1***, geboren am ***2*** 2000, maturierte im Juni 2018 am ***3***. Von bis absolvierte sie in Frankreich einen Sprachlehrgang an der ***4***. Der Lehrgang im Ausmaß von 20 Wochenstunden richtet sich an nicht Französisch sprechende Personen und vermittelt diesen Kenntnisse in der Fremdsprache Französisch. Sie beabsichtigte, in der Folge in Frankreich zu studieren. Der Sprachlehrgang ist Zugangsvoraussetzung zum Studium an einer französischsprachigen Universität. ***1*** erreichte dabei das Sprachniveau B1+.

Von 4. bis und 13. bis nahm die Tochter der Bf an Vorbereitungskursen für die Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium teil. Am ist sie zu dieser Aufnahmeprüfung angetreten und hat diese positiv absolviert. Im Oktober 2019 hat ***1*** mit dem Studium der ***5*** an der Medizinischen Universität in Wien begonnen.

Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Der festgestellte Sachverhalt ist unbestritten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit.b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Gemäß § 2 Abs.1 lit.d erster Satz FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Gegenstand der Beschwerde ist die Gewährung der Familienbeihilfe von Juli 2018 bis September 2019. Entscheidungswesentlich ist, ob sich die Tochter der Bf im beschwerdegegenständlichen Zeitraum in Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs.1 lit.b FLAG befand. Strittig ist, ob die Absolvierung des Sprachlehrganges an der Universität in Frankreich und/oder die Vorbereitung für den Aufnahmetest für das Medizinstudium als Berufsausbildung zu werten sind.

Das FLAG enthält keine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung". Nach der Rechtsprechung des VwGH fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (vgl. ; ; ; ; ua.).

Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des im § 2 Abs.1 lit.b FLAG besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 Studienförderungsgesetz (der ausschließlich inländische Universitäten bzw. vergleichbare Einrichtungen umfasst) nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen (vgl. , , , ).

Zum absolvierten Sprachlehrgang:

Die Frage, ob die Absolvierung eines Sprachlehrganges eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG darstellt, wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt erörtert. Im Erkenntnis sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, der Zusammenhang zwischen dem vom anspruchsvermittelnden Kind ins Auge gefassten Studium in Spanien und dem von ihm besuchten Sprachkurs beschränke sich darauf, dass Kenntnisse der Landessprache für das Studium in einem fremden Land erforderlich seien, um den in der Landessprache gehaltenen Lehrveranstaltungen folgen zu können. Ein solcher Zusammenhang reiche jedoch nicht aus, um einen deshalb absolvierten mehrmonatigen Sprachkurs selbst zur "Berufsausbildung" werden zu lassen und für die Zeit seines Besuches den Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen. Ein dem Studium vorangehender Sprachkurs zählt dem Grunde nach nicht zur "Berufs-ausbildung" iSd FLAG (vgl. ; hier: Deutschkurs).

Bei dem von der Tochter der Bf absolvierten Sprachlehrgang an der ***4*** handelt es sich um kein Sprachstudium. Der Lehrgang richtet sich an nicht Französisch sprechende Personen und vermittelt diesen Kenntnisse in der Fremdsprache Französisch.

Der in Frankreich besuchte Französischkurs stellt im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des VwGH für sich allein betrachtet keine Berufsausbildung im oben dargelegten Sinn dar, weil dadurch keine Ausbildung in einem selbständigen Beruf erfolgte.

Überdies muss die Ausbildung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen, wobei nach Rechtsprechung und Literatur eine Berufsausbildung iSd FLAG in zeitlicher Hinsicht nur vorliegt, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von mindestens 30 Stunden auf Kurse und Vorbereitungen auf eine Prüfung entfällt (vgl. Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz § 2, Rz 36, 39f).

Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass für den Zeitraum, da die Tochter den Sprachkurs absolvierte, keine Berufsausbildung iSd FLAG vorliegt und demnach keine Familienbeihilfe zuzuerkennen war.

Zum Vorbereitungslehrgang für Humanmedizin:

Weder der Aufnahmetest zur Zulassung zum Medizinstudium, noch die von der Tochter der Bf besuchten Vorbereitungslehrgänge erfüllen die Kriterien des Begriffes Berufsausbildung. Die fachliche Qualifikation für die Ausübung des Berufes als Arzt und das dafür erforderliche medizinische Fachwissen wird erst im Medizinstudium vermittelt. In den Vorbereitungslehrgängen zur Aufnahmeprüfung werden Basiskenntnisse in den Fächern Mathematik, Chemie, Biologie und Physik gelehrt. Der Vorbereitungskurs dient damit dem Test und allenfalls der "Auffrischung" der in den höheren Schulen bis zur Reifeprüfung erworbenen Kenntnisse in diesen Fächern. Die kognitiven Fähigkeiten sind zwar für jedes Studium ebenso von Bedeutung wie die dargestellten sozial-emotionalen Kompetenzen, stellen aber keine fachspezifische Wissensvermittlung im Sinne einer konkreten Berufsausbildung dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stellen einer tatsächlichen Ausbildung vorangehende Schritte einschließlich eines Tests und eines Bewerbungsgespräches noch keine Ausbildung im Sinne des FLAG dar (vgl. Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz, § 2 Rz 45 zu Aufnahmeprüfungen; ; ).

Da die von der Tochter der Bf besuchten Vorbereitungskurse zum Aufnahmetest für das humanmedizinische Studium somit schon grundsätzlich keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstellen, kommt es auch nicht auf den zeitlichen Umfang dieser Vorbereitungskurse an. Die Vorbereitung auf eine Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium ist (unabhängig von ihrem zeitlichen Umfang) nicht als eigenständige Berufsausbildung im Sinne des FLAG zu werten (, , RV/5101372/2019).

Zum Beihilfenanspruch gemäß § 2 Abs.1 lit.d FLAG:

Das Studium der ***5*** an der Medizinischen Universität Wien wurde von der Tochter der Bf erst im Studienjahr 2019/2020 und somit nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt (Wintersemester 2018/2019) begonnen. Der Bf steht daher für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum auch aus diesem Rechtstitel kein Beihilfenanspruch zu.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.4100335.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at