Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.09.2022, RV/7101280/2017

Säumniszuschlag - § 217 Abs. 7 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Beschwerdesache ***Bf*** über deren Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe) vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag 10/2016 zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Mit Bescheid vom erließ das Finanzamt Wien 1/23 einen (Sammel-)Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag 10/2016 iHv insgesamt € 188,12, da diese Abgabenschuldigkeiten nicht bis zum entrichtet worden seien.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom frist- und formgerecht Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass das Abgabenkonto am Anfang und Ende des Jahres ein beträchtliches Guthaben ausgewiesen habe, das durchschnittliche Guthaben während des gesamten Jahres 2016 rund € 25.000,00 betragen habe und aus der am abgegebenen berichtigten Umsatzsteuererklärung 2015 bereits ein Guthaben iHv €°28.377,65 ersichtlich gewesen sei, mit Fälligkeit jedenfalls vor dem unstrittigen Zeitpunkt der Fälligkeit der streitgegenständlichen Abgabenschulden.

Aus diesen Gründen werde daher der Antrag auf Aufhebung des Säumniszuschlages und Neufestsetzung mit € 0,00 gestellt, dies mit der weiteren Begründung, dass mit Überweisung per Verrechnungsanweisung vom ein Betrag von € 30.835,63 angewiesen worden sei, zu diesem Zeitpunkt auch das Guthaben aus der berichtigten Umsatzsteuererklärung von €°28.377,65 erkennbar gewesen sei, dem eine Abgabenschuld von € 9.996,78 und € 3.202,45 aus den streitgegenständlichen Abgabenschulden gegenübergestanden sei und sich deshalb ein rechnerisches Guthaben auf dem Steuerkonto ergeben hätte und dies in das Gesamtbild passe, dass im Regelfall ein Guthaben ausgewiesen gewesen sei. Es treffe ihr daher kein grobes Verschulden an der Säumnis in Bezug auf den Tagessaldo.

Weiters werde in eventu der Antrag auf Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages gestellt, da ihr kein grobes Verschulden an der Säumnis treffe, weil das Jahr über ständig ein Guthaben ausgewiesen gewesen sei und die berichtigte Umsatzsteuer 2015 etwas zu spät festgesetzt worden sei, um mit der Lohnsteuer und den Dienstgeberbeitrag 10/2016 verrechnet werden zu können.

Zudem werde in eventu auch der Antrag auf Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages für die Abgabenart Dienstgeberbeitrag 10/2016 gestellt, da der Abgabepflichtigen bei einem Tagessaldoguthaben von € 3.793,43 am und somit auch am Fälligkeitstag für eine Abgabenschuld iHv € 3.202,45 für Dienstgeberbeitrag 10/2016 mit Fälligkeit kein Säumniszuschlag vorgeschrieben werden könne.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Wien 1/23 die Beschwerde als unbegründet ab und führte als Begründung im Wesentlichen aus, dass die Entrichtung hinsichtlich eines Teilbetrages der Lohnsteuer 10/2016 iHv € 6.203,35 und betreffend des Dienstgeberbeitrages 10/2016 iHv € 3.202,45 erst mit Zahlung vom und somit verspätet erfolgt sei, aufgrund der mehr als 5-tägigen Verspätung auch eine Stornierung des Säumniszuschlages gem. § 215 Abs. 5 BAO nicht in Betracht komme, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit befindliche Guthaben iHv € 3.793,43 bei der Lohnsteuer 10/2016 berücksichtigt worden sei, die am eingebrachte, gutschriftbringende Körperschaftsteuererklärung 2015 (gemeint wohl Umsatzsteuererklärung 2015) für die Fälligkeit als verspätet eingebracht anzusehen sei, die Überweisung von €°30.835,63 per laut Verrechnungsweisung für die Umsatzsteuer 09/2016 verwendet worden sei und daher auch bei Vorliegen eines expliziten Antrages gem. § 217 Abs. 7 BAO von einer leichten Fahrlässigkeit nicht ausgegangen werden könne. Zudem wäre auch eine Nachsicht nach § 236 BAO nicht erfolgsversprechend.

Mit Schriftsatz vom brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Vorlageantrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht ein und stellte zugleich auch einen Antrag auf Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages gem. § 217 Abs. 7 BAO, da ihr an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe. Als Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass das Abgabenkonto das ganze Jahr über ein durchschnittliches Guthaben iHv rund € 25.000,00 aufgewiesen habe, die Lohnabgaben- und Umsatzvoranmeldungen bzw. -erklärungen jeweils von einer anderen Mitarbeiterin bearbeitet worden seien, weshalb es bei einer Nachschau am Abgabenkonto mit einem Guthaben, nicht auffallen musste, dass sich bei gleichzeitiger Fälligkeit ein Fehlbetrag am Abgabenkonto bilden werde. Zudem seien alle sonstigen Abgabenverpflichtungen im Jahr 2016 jeweils pünktlich erfüllt worden, betrage die Säumnis nur einen Tag, weise mit heutigem Datum das Abgabenkonto wie zumeist ein Guthaben auf und sei die gutschriftenbringende Umsatzsteuererklärung innerhalb der vom Gesetzgeber selbst eingeräumten 5-Tagesfrist (§°217 Abs. 5 BAO) eingereicht worden.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Festgestellter Sachverhalt

Von der Beschwerdeführerin wurden die Lohnsteuer 10/2016 iHv € 9.996,78 und der Dienstgeberbeitrag 10/2016 iHv € 3.202,45 dem Finanzamt rechtzeitig gemeldet. Da sich am Abgabenkonto ein Guthaben iHv €°3.793,43 befand, wurde die Lohnsteuer 10/16 mit diesem Guthaben verrechnet. Daraus folgt, dass Lohnsteuer 10/16 iHv € 6.203,35 und Dienstgeberbeitrag 10/16 iHv € 3.202,45 nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet wurden.

Am wurde der berichtigte Umsatzsteuerbescheid 2015 aufgrund der am eingereichten Umsatzsteuererklärung 2015 erlassen und noch am selben Tag die daraus resultierende Gutschrift iHv € 28.377,65 gutgeschrieben. Das Abgabenkonto wies daher am ein Guthaben von iHv € 18.971,85 auf.

Für die Lohnabgaben und die Umsatzsteuer waren verschiedene Mitarbeiterinnen der Beschwerdeführerin tätig. Es erfolgte im Zuge der Meldung der Lohnabgaben 10/2016 keine gegenseitige Abstimmung hinsichtlich der Entrichtung der Lohnabgaben und der Umsatzsteuer.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich dieser aus den vorgelegten Akten, insbesondere aus den Auszügen des Abgabenkontos der Beschwerdeführerin. Dass keine gegenseitige Abstimmung bei der Entrichtung den streitgegenständlichen Lohnabgaben mit der Umsatzsteuer erfolgte, schließt das Bundesfinanzgericht aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag, wonach diese angab, dass es nicht auffallen musste, dass sich bei gleichzeitiger Fälligkeit von Lohnabgaben und Umsatzsteuer ein Fehlbetrag am Abgabenkonto bilden werde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gem. § 323b Abs. 1 BAO treten das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

Gem. § 217 Abs. 1 BAO sind im Falle, dass eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, Säumniszuschläge zu entrichten.

Gem. § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Gem. § 217 Abs. 4 BAO sind Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist, ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist, ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt oder ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.

Gem. § 217 Abs. 5 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

Gem. § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Gem. § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung (§ 213) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

Gem. § 214 Abs. 2 zweiter Satz BAO hat im Falle das mehrere Abgabenschuldigkeiten denselben Fälligkeitstag oder denselben davon abweichenden Zahlungstermin haben und ein zu verrechnender Betrag zur Tilgung aller gleichzeitig zu entrichtenden Abgabenschuldigkeiten nicht ausreicht, die Verrechnung bei demselben Zahlungstermin auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten und bei demselben Fälligkeitstag auf die früher verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu erfolgen.

Gem. § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an sein Finanzamt abzuführen.

Gem. § 43 Abs. 1 FLAG ist der Dienstgeberbeitrag für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats an das Finanzamt zu entrichten.

Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht (zB ). Sein Zweck liegt darin, die pünktliche Tilgung von Abgabenschulden sicherzustellen (; ). Den Grundsätzen des § 4 Abs 1 BAO entsprechend entsteht der Säumniszuschlag - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - unmittelbar kraft Gesetzes (abstrakter Abgabenanspruch). Er ist die objektive Rechtsfolge für die verspätete Entrichtung einer Abgabe (Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO Stoll Kommentar Digital First § 17 Rz 4).

Daher sind die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, grundsätzlich unbeachtlich (zB ). Zudem setzt die Verwirkung von Säumniszuschlägen kein Verschulden des Abgabepflichtigen voraus (zB ).

Der Säumniszuschlag sanktioniert somit die Nichtentrichtung von Abgaben spätestens zum Fälligkeitstag. Wann Abgabenschuldigkeiten fällig sind, ergibt sich primär aus den Bestimmungen der jeweiligen Abgabengesetze. Gegenständlich ergab sich die Fälligkeit der Lohnsteuer aus § 79 Abs. 1 EStG und des Dienstgeberbeitrages aus § 43 Abs. 1 FLAG, wonach diese jeweils spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats fällig werden. Demnach trat die Fälligkeit für die Lohnsteuer und des Dienstgeberbeitrages für Oktober 2016 mit Dienstag, dem ein.

Wie dem Abgabenkonto zu entnehmen ist, wurde die Lohnsteuer iHv € 9.996,78 und der Dienstgeberbeitrag iHv € 3.202,45 für Oktober 2016 von der Beschwerdeführerin zwar dem Finanzamt gemeldet, nicht aber bis zum (zur Gänze) abgeführt bzw. entrichtet. Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

Da sich am Abgabenkonto am Tag der Fälligkeit ein Guthaben iHv € 3.793,43 befand, wurde von der belangten Behörde auch richtigerweise dieses Guthaben gem. § 215 Abs. 1 BAO zur (Teil)Tilgung der Lohnsteuer verwendet, sodass eine nichtentrichtete Lohnsteuer für Oktober 2016 iHv € 6.203,35 verblieb. Der dahingehende Einwand der Beschwerdeführerin das Guthaben mit dem Dienstgeberbeitrag zu verrechnen, widerspricht den Regeln des § 214 Abs. 1 zweiter Satz BAO. Im Übrigen hätte sich dadurch die Höhe des Säumniszuschlages nicht verändert, sodass die Beschwerdeführerin im Ergebnis nichts gewonnen hätte.

Es lagen somit alle Voraussetzungen für die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages iHv 2% der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbeträge, nämlich Lohnsteuer Oktober 2016 iHv € 6.203,35 (ergibt Säumniszuschlag € 124,07) und Dienstgeberbeitrag Oktober 2016 iHv €°3.202,45 (ergibt Säumniszuschlag € 64,05) vor. Zudem sind auch keine Ausnahmetatbestände gem. § 217 Abs. 4 BAO gegeben und handelt es sich bei diesen Abgaben um keine Nebengebühren (vgl. § 217 Abs. 1 BAO).

Die Einwände der Beschwerdeführerin, dass Abgabenkonto habe durchschnittlich ein Guthaben von rund € 25.000,00 ausgewiesen oder es hätte sich unter Berücksichtigung der noch nicht verbuchten Umsatzsteuer 2015 ein rechnerisches Guthaben ergeben, gehen allein schon deshalb ins Leere, da für die Säumnis entscheidend ist, ob am Fälligkeitstag, somit am , die Abgaben vollständig entrichtet wurden, allenfalls durch Gegenverrechnung mit einem auf dem Abgabenkonto befindlichen Guthaben. Dies war gegenständlich nicht der Fall.

Weiters ist dem Abgabenkonto zu entnehmen, dass am eine Gutschrift iHv €°28.377,65 gebucht wurde und entsprechend des § 215 Abs. 1 BAO mit den offenen Abgabenschulden Lohnsteuer Oktober 2016 iHv € 6.203,35 und Dienstgeberbeitrag Oktober 2016 iHv € 3.202,45 verrechnet wurden. Somit erfolgte die tatsächliche vollständige Entrichtung dieser Abgaben mit diesem Tage. Die dreitätige Respirofrist gem. § 211 Abs 2 BAO war entgegen den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung nicht zu berücksichtigen, da sich diese Bestimmung aufgrund des eindeutigen Wortlautes nur auf die Fälle des § 211 Abs. 1 Z 1 BAO (Überweisung) bezieht (vgl. Ritz, BAO7, § 217 Rz 36).

Ergänzend wird ausgeführt, dass die Gutschrift vom aus der von der Beschwerdeführerin am eingereichten berichtigten Umsatzsteuererklärung für 2015 beruht. Da der dahingehende Umsatzsteuerbescheid am erlassen wurde, ist die Gutschrift frühestens an diesen Tag wirksam geworden (vgl. Ritz, BAO7, § 210 Rz 5, "im Zeitpunkt der Bekanntgabe des betreffenden Abgabenbescheides"). Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dieses Guthaben sei vor den gegenständlichen Abgabenschulden fällig geworden, ist daher unrichtig.

Weiters war zu prüfen, ob eine ausnahmsweise Säumnis iSd § 217 Abs. 5 BAO vorlag. Diese setzt voraus, dass auf einem Abgabenkonto die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und innerhalb der letzten sechs Monate vor Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten zeitgerecht entrichtet wurden, wobei in die Frist von fünf Tagen Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen (§ 217 Abs. 5 zweiter Satz BAO) sind. Da - wie bereits oben ausgeführt - die vollständige Entrichtung der Lohnsteuer und des Dienstgeberbeitrages Oktober 2016 erst am erfolgte, betrug die Säumnis nicht wie von der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag behauptet einen Tag, sondern jedenfalls mehr als fünf Tage und waren somit auch die Voraussetzungen für § 217 Abs. 5 BAO nicht gegeben.

Nachdem Beschwerdeerledigungen grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erlassung Bedacht zu nehmen haben, können Anträge nach § 217 Abs 7 BAO auch in einem Rechtsmittel gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (; ) und ist diesfalls in der Beschwerde erledigenden Entscheidung zu berücksichtigen. Dies ist gegenständlich der Fall, da spätestens im Vorlageantrag der Wille der Beschwerdeführerin einen solchen Antrag zu stellen, klar und ohne jeden Zweifel zum Ausdruck gekommen ist.

Die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von der Anlastung eines Säumniszuschlages ganz oder teilweise Abstand zu nehmen ist, wenn ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Ein derartiges Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, wird vom Antragsprinzip beherrscht. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. ; ). Der Begünstigungswerber hat daher die Voraussetzungen für das fehlende grobe Verschulden aus Eigenem überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. ,0059, mwN).

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (vgl. ). Eine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (zB ; ).

Grobes Verschulden liegt beispielsweise vor, wenn der Abgabepflichtige Überweisungen erst am letzten Tag der Respirofrist durchführen lässt ().

Das (grobe) Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (vgl zu § 308 zB -0008). Dies gilt auch für Organe juristischer Personen (vgl ).

Hingegen ist grobes Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden, anzulasten ist (Ritz, BAO7, § 217 Rz 46).

Streitgegenständlich ist zunächst auszuführen, dass für die Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens allein die Umstände zu berücksichtigen sind, die zur Säumnis geführt haben. Daher gehen die Argumente der Beschwerdeführerin, dass die Säumnis in zeitlicher Hinsicht nur geringfügig war, sich fast durchgehend am Abgabenkonto ein Guthaben befunden habe und die abgabenrechtlichen Verpflichtungen immer eingehalten worden seien, ins Leere.

Bezogen auf die Ursache der Säumnis führt die Beschwerdeführerin (lediglich) aus, dass "die Lohnabgaben und Umsatzvoranmeldungen / Erklärungen jeweils von einer anderen Mitarbeiterin bearbeitet worden seien, weshalb es bei einer Nachschau am Abgabenkonto mit einem Guthaben, nicht auffallen musste, dass sich bei gleichzeitiger Fälligkeit ein Fehlbetrag am Abgabenkonto bilden würde."

Dieses Vorbringen ist nicht nachvollziehbar, da gegenständlich der Fehlbetrag nicht aufgrund einer gleichzeitig fälligen und nicht entrichteten Umsatzsteuer entstanden ist, sondern schlichtweg aus den nicht entrichteten Lohnangaben 10/2016, welche ohnehin teilweise mit dem am Abgabenkonto befindlichen Guthaben verrechnet wurden.

Zudem wäre diese Argumentation auch nicht ausreichend um einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen des fehlenden groben Verschuldens darzulegen, da es einerseits die Beschwerdeführerin mit dieser Formulierung offenlässt, ob nun tatsächlich der Fehlbetrag am Abgabenkonto nicht aufgefallen ist und andererseits die Beschwerdeführerin nicht darlegt, welche Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen sie getroffen hat, um gerade dies zu verhindern. Vielmehr indiziert dieses Vorbringen geradezu ein grobes Verschulden, kann sich doch die für die Lohnabgaben zuständige Mitarbeiterin nicht einfach auf ein (mögliches) Guthaben aus der Umsatzsteuer bzw. am Abgabenkonto verlassen ohne entsprechende Erkundigungen einzuholen bzw. Veranlassungen zu treffen und hätte ein sorgfältiger Dienstgeber durch organisatorische und betrieblichen Maßnahmen entsprechende Vorkehrungen getroffen, damit dies nicht eintreten kann (zB zwingende Abstimmung, Verhinderung durch EDV).

Andere Gründe hinsichtlich des fehlenden groben Verschuldens brachte die Beschwerdeführerin nicht vor und wäre es aufgrund des Begünstigungstatbestandes an ihr gelegen solche einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels darzulegen (vgl. ,0059, mwN), zumal sie in der Beschwerdevorentscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin hat daher hinsichtlich des § 217 Abs. 7 BAO die ihr treffende Behauptungslast und Konkretisierungspflicht nicht ausreichend erfüllt (vgl. ).

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Säumniszuschlages folgt die Entscheidung der höchstgerichtlichen Judikatur. Somit wurden im Beschwerdefall Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht berührt, weshalb eine (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101280.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at