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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.09.2022, RV/7101676/2019

Verluste aus nicht verbrieften Derivaten bei ausländischer auszahlender Stelle

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Am Heumarkt 7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des vormaligen ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Einkommensteuer für das Jahr 2016 mit - € 11.798,00 (Abgabengutschrift) festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabengutschrift sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (idF Bf.) hat im Jahr 2016 Verluste iHv EUR 244.188,74 aus nicht verbrieften Derivaten mit ausländischer auszahlender Stelle erlitten. Bei den nicht verbrieften Derivaten handelt es sich konkret um Fremdwährungstermingeschäfte, die über einen in London ansässigen und von der britischen Finanzmarktaufsicht regulierten Broker (***1*** Ltd) abgewickelt worden sind. Die Verluste wurden durch den Bf. im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2016 unter Offenlegung der nachfolgend näher ausgeführten unionsrechtlichen Bedenken von den positiven Einkünften aus Kapitalvermögen iSd § 27 EStG im Rahmen des Verlustausgleichs gemäß § 27 Abs 8 EStG abgezogen.

Mit ergänzenden Schriftsatz vom wurde durch den steuerlichen Vertreter des Bf. zur Erläuterung des geltend gemachten Verlustes in der Einkommensteuererklärung der belangten Behörde eine Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen vorgelegt, ergänzt durch einen Einzelbeleg von ******, auf dem die relevanten Beträge ersichtlich sind. Zudem wurde dem Finanzamt eine Kopie der Verlustausgleichsbescheinigung 2016 der ***2*** Bank übermittelt und darauf hingewiesen, dass gemeinsam mit der Berechnung aus der Verlustausgleichsbescheinigung entnommen werden könne, dass noch nicht berücksichtigte positive Einkünfte aus Kapitalvermögen iHv € 42.903,32 vorliegen. Über diesen Betrag sei von der ***2*** Bank eine KESt iHv € 11.798,41 einbehalten worden.

Mit Einkommensteuerbescheid vom hat das Finanzamt einen Verlustausgleich mit der Begründung versagt, dass auf Basis des Gesetzeswortlautes des § 27a Abs 2 Z 7 EStG iVm § 27 Abs 8 Z 3 EStG Verluste aus nicht verbrieften Derivaten nicht mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs 1 EStG anwendbar ist, ausgeglichen werden dürfen. Aus Sicht der belangten Behörde verstoße die Norm des § 27a Abs. 2 Z 7 EStG nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit iSd Art 63 AEUV.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde mit dem Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung und Direktvorlage an das Bundesfinanzgericht sowie dem Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 BAO und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Sinne des § 275 Abs. 3 Z 1 BAO.

Als Begründung wird in der Beschwerde folgendes vorgebracht:

"Gemäß § 27a Abs 2 Z 7 EStG sind Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten iSd § 27 Abs 4 EStG vom Anwendungsbereich des Sondersteuersatzes von 27,5 % und damit auch vom Verlustausgleich gem. § 27 Abs 8 Z 3 EStG ausgenommen. Dies gilt jedoch nicht, wenn eine österreichische auszahlende Stelle eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer von den positiven Einkünften aus nicht verbrieften Derivaten freiwillig einbehält und abführt. Diesfalls unterliegen die Einkünfte der Endbesteuerung nach § 97 EStG und daher im Ergebnis einer finalen Besteuerung mit 27,5 %. In einem solchen Fall sind auch negative Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten im Rahmen des Verlustausgleichs nach § 93 Abs 6 iVm § 27 Abs 8 Z 3 EStG zu berücksichtigen und kürzen somit die positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem Sondersteuersatz von 27,5 % unterliegen.

Die vom Finanzamt unter Berufung auf den Gesetzeswortlaut vertretene Rechtsauffassung, die Verluste aus nicht verbrieften Derivatgeschäften mit ausländischer auszahlender Stelle iHv EUR 244.188,74 nicht in den Verlustausgleich nach § 27 Abs 8 Z 3 EStG einzubeziehen, widerspricht der unionsrechtlich gebotenen Kapitalverkehrsfreiheit iSd Art 63 AEUV. In ständiger Rechtsprechung des EuGH kommt dem Unionsrecht Anwendungsvorrang zu, weshalb die die Kapitalverkehrsfreiheit verletzende nationale Norm vom Unionsrecht verdrängt wird.

Gemäß Art 63 AEUV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs sowie des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Die Nichtzulässigkeit des Verlustausgleiches im gegenständlichen Fall ergibt sich nur dadurch, dass die auszahlende Stelle im Ausland und nicht im Inland liegt. Würde die auszahlende Stelle im Inland liegen, so würde bei freiwilligem Einbehalt der Kapitalertragsteuer durch die inländische auszahlende Stelle ein Verlustausgleich möglich sein. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung zwischen in- und ausländischen auszahlenden Stellen führt uE zu einer nicht zu rechtfertigenden Diskriminierung und stellt daher einen Verstoß gegen Art 63 AEUV dar.

In unionsrechtskonformer Auslegung des § 27a Abs 2 Z 7 EStG iVm § 27 Abs 8 Z 3 EStG sind daher Verluste aus nicht verbrieften Derivatgeschäften mit ausländischer auszahlender Stelle im Rahmen des Verlustausgleichs mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, die dem Sondersteuersatz von 27,5 % unterliegen, zu verrechnen.

Im Detail ergibt sich die uE nicht zu rechtfertigende Diskriminierung basierend auf dem vom EuGH angewandten Prüfungsschema wie folgt:

2.1 Persönlicher Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

Aufgrund der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in Österreich ist der persönliche Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet. Durch die Veranlagung des Kapitals in nicht verbriefte Derivate mit einer in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat ansässigen Vertragspartei des jeweiligen Derivatgeschäfts liegt konkret ein grenzüberschreitender Sachverhalt und somit ein Kapitalverkehr mit Berührung zu einem Mitgliedstaat und/oder einem Drittstaat vor. Davon abgesehen liegt eine grenzüberschreitende Kapitalbewegung im Verhältnis zu einem Mitgliedstaat bereits deswegen vor, weil das Kapital an einen in UK ansässigen Broker zwecks Veranlagung überwiesen wird und dieser eine Auszahlung der Kapitalerträge an den in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen vornimmt.

2.2 Sachlicher Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

Der Begriff des Kapitalverkehrs ist zwar im AEUV nicht definiert, nach der Rsp des EuGH sowie der hM ist jedoch für Zwecke der Auslegung die Kapitalverkehrsrichtlinie (RL 88/361/EWG) samt der Nomenklatur heranzuziehen. Gemäß Anhang 1 zur Kapitalverkehrsrichtlinie umfasst der Kapitalverkehr "nicht nur die Kassageschäfte, sondern alle zur Verfügung stehenden Geschäftsformen, wie Termingeschäfte, Optionsgeschäfte oder Geschäfte mit Optionsscheinen, Tauschgeschäfte gegen andere Vermögenswerte usw."

Die beschwerdegegenständlichen Termingeschäfte fallen daher unter den Begriff des Kapitalverkehrs und sind somit vom sachlichen Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit erfasst.

2.3 Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Nach stRsp des EuGH wirkt eine nationale Maßnahme bzw Vorschrift beschränkend, wenn sie die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindert oder weniger attraktiv machen kann.

Einkünfte aus nicht verbrieften Derivatgeschäften bei ausländischen auszahlenden Stellen unterliegen dem Gesetzeswortlaut zufolge stets dem progressiven Einkommensteuersatz und sind daher auch stets vom Verlustausgleich nach § 27 Abs 8 Z 3 EStG mit sondersteuersatzbesteuerten Kapitaleinkünften ausgeschlossen. In einer Gewinnsituation erfolgt bei einer ausländischen auszahlenden Stelle eine Besteuerung mit dem individuellen progressiven Steuersatz und nicht mit dem bei einer qualifizierten inländischen auszahlenden Stelle anwendbaren Steuersatz von 27,5 %. In einer Verlustsituation - wie in der gegenständlichen Situation - können die Verluste aus nicht verbrieften Derivaten nicht mit positiven Kapitaleinkünften, die dem Steuersatz von 27,5 % unterliegen, ausgeglichen werden, während dies bei einer qualifizierten inländischen auszahlenden Stelle möglich wäre. Demnach kommt es zu einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem innerstaatlichen Sachverhalt.

Weil sich im konkreten Fall die auszahlende Stelle in Großbritannien befindet, besteht die Möglichkeit des freiwilligen Kapitalertragsteuerabzugs mit Endbesteuerungswirkung nicht. Durch die Anknüpfung an die inländische auszahlende Stelle kommt es im Ergebnis zu einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts, die dazu führt, dass Anleger aufgrund der nachteiligen Besteuerungsfolgen von der Abwicklung von Derivatgeschäften über ausländische Zahlstelle und somit generell einer Kapitalveranlagung im Ausland (konkret: Großbritannien) abgehalten werden.

Die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet jedoch grundsätzlich die Schlechterstellung von ausländischen Kapitalveranlagungen gegenüber inländischen Kapitalveranlagungen. Dies hat der EuGH zu ausländischen Kapitalanlagen eines inländischen Steuerpflichtigen mehrfach festgestellt. Auch die Schlechterstellung hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Einkünften aus Kapitalvermögen, die über eine ausländische auszahlende Stelle bezogen werden, sind nach Auffassung des EuGH nicht mit den Grundfreiheiten des Unionsrechts vereinbar. Die benachteiligende steuerliche Behandlung von nicht verbrieften Derivaten bei ausländischen auszahlenden Stellen im Vergleich zum Bezug über inländische auszahlende Stellen wird daher auch im Schrifttum als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art 63 AEUV gesehen.

Für die Schlechterstellung dieses grenzüberschreitenden Sachverhalts sind auch keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich, die den Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen würden.

Dazu im Detail wie folgt:

2.4 Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen

Gemäß Art 65 Abs 1 lit a AEUV dürfen Mitgliedstaaten, ungeachtet der Kapitalverkehrsfreiheit die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts weiterhin anwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Darüber hinaus dürfen Mitgliedstaaten die unerlässlichen Maßnahmen treffen, um Zuwiderhandlungen gegen nationale steuerliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind (Art 65 Abs 1 lit b AEUV).

Nach stRsp des EuGH ist die Norm des Art 65 AEUV jedoch eng auszulegen. Somit kann eine nationale Regelung mit der Kapitalverkehrsfreiheit nur vereinbar sein, wenn die unterschiedliche steuerliche Behandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich ein in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger, der nicht verbriefte Derivatgeschäfte über eine - in einem anderen Mitgliedstaat gelegene - auszahlende Stelle abwickelt, in einer objektiv vergleichbaren Situation zu einem unbeschränkt steuerpflichtigen Anleger befindet, der sich für diese Zwecke einer inländischen auszahlenden Stelle bedient. Gemäß den EB zur RV sollte mit dem AbgÄG 2012, mit dem die einschlägige Bestimmung des § 27a Abs 2 Z 7 EStG (Rückausnahme für inländische auszahlende Stellen) in das EStG aufgenommen worden ist, die Möglichkeit der Steuerabgeltung für Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten geschaffen werden, sofern eine der in § 95 Abs 2 Z 2 lit b EStG genannten Einrichtungen freiwillig eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer einhebt. Die Anwendung des Sondersteuersatzes von 27,5 % (§ 27a Abs 2 Z 7 zweiter Satz EStG) und der daran anknüpfende Verlustausgleich mit anderen sondersteuersatzbesteuerten Einkünften (§ 27 Abs 8 EStG) hängt somit ausschließlich davon ab, ob es sich um eine inländische auszahlende Stelle handelt, die den freiwilligen Kapitalertragsteuerabzug vornimmt, oder ob eine ausländische auszahlende Stelle vorliegt, die von der Möglichkeit eines derartigen Kapitalertragsteuerabzugs ausgeschlossen ist. Auf die Person des Steuerpflichtigen oder die Kapitalveranlagung kommt es nicht an.

Im konkreten Fall sind auch keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses ersichtlich, die die ungünstige steuerliche Behandlung von - im Rahmen einer ausländischen auszahlenden Stelle abgewickelten - nicht verbrieften Derivaten rechtfertigen können. Der EuGH hat im Rahmen seiner Rechtsprechung zu den direkten Steuern folgende Rechtfertigungsgründe anerkannt, die uE gegenständlich allesamt nicht herangezogen werden können:

  1. Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle

  2. Kohärenz des Steuersystems

  3. Territorialitätsprinzip

  4. Aufteilung der Besteuerungsrechte

  5. Vermeidung von Missbrauch

  6. Neutralisierung im anderen Staat

Zwar könnte argumentiert werden, dass die Steuereinhebung für Einkünfte aus nicht verbrieften Derivatgeschäften mit einem inländischen Kreditinstitut nur durch das Verfahren des Kapitalertragsteuerabzugs gewährleistet und somit zur Sicherstellung der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle erforderlich ist. Allerdings ist nicht erkennbar, warum der Kapitalertragsteuerabzug diesfalls und im Gegensatz zu - über eine ausländische auszahlende Stelle bezogenen - Einkünften aus Derivaten mit Endbesteuerungswirkung verbunden sein muss, zumal auch im Fall von nicht öffentlich angebotenen Forderungswertpapieren der Kapitalertragsteuerabzug lediglich Vorauszahlungs- und keine Endbesteuerungswirkung entfaltet (§ 97 Abs 1 iVm § 27a Abs 2 EStG). Davon abgesehen war die Intention des Gesetzgebers im Rahmen des AbgÄG 2012 ausschließlich auf die Beseitigung der (behaupteten) asymmetrischen steuerlichen Behandlung von nicht verbrieften Derivaten im Verhältnis zum Steuerabkommen zwischen Österreich und der Schweiz (BGBl III 192/2012) gerichtet. Ein Hinweis auf die Bekämpfung der Steuerhinterziehung lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.

Ebenso wenig ist die Notwendigkeit der Kohärenz des Steuersystems als möglicher Rechtfertigungsgrund argumentierbar. Vergleicht man die steuerliche Behandlung der im Ausland bezogenen Einkünfte aus Kapitalvermögen in seiner Gesamtheit mit dem - auf inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen - anwendbaren Steuersystem, so unterscheiden sich beide Systeme lediglich in der Besteuerung der Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten. Sämtliche anderen Elemente - konkret: Steuersatz, Bemessungsgrundlage - sind davon unabhängig, ob sich die auszahlende Stelle im In- oder Ausland befindet. Dem Nachteil des progressiven Steuersatzes und des fehlenden Verlustausgleichs mit sondersteuersatzbesteuerten Einkünften steht im Auslandsfall auch kein Steuervorteil gegenüber, der im Rahmen der inländischen auszahlenden Stelle nicht gegeben wäre. Auch gleicht die steuerliche Begünstigung für im Inland bezogene Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten keinen steuerlichen Nachteil aus der Sicht des Anlegers aus, der im Rahmen einer ausländischen Zahlstelle nicht existiert.

Auch das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip würde als möglicher Rechtfertigungsgrund ausscheiden, weil die Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten unabhängig von der Zahlstelle der österreichischen Besteuerungshoheit unterliegen.

Letztlich ist auch hinsichtlich der vom EuGH bereits in anderen Fällen anerkannten Rechtfertigungsgründen der Aufteilung der Besteuerungsrechte, der Vermeidung von Missbrauch und der Neutralisierung im anderen Staat kein Anwendungsbereich ersichtlich.

2.5 Schlussfolgerung

In unionsrechtskonformer Auslegung des § 27a Abs 2 Z 7 EStG iVm § 27 Abs 8 Z 3 EStG sind daher Verluste aus nicht verbrieften Derivatgeschäften mit ausländischer auszahlender Stelle im Rahmen des Verlustausgleichs mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, die dem Sondersteuersatz unterliegen, zu verrechnen.

Der EuGH hat in der die österreichische Rechtslage des Jahres 1996 betreffenden Rs Lenz bereits entschieden, dass es einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellt, wenn österreichische Kapitalerträge dem flachen Steuersatz von 25 % mit Endbesteuerungswirkung bzw der normalen Einkommensteuer unter Anwendung des Hälftesteuersatzes unterliegen, ausländische Kapitaleinkünfte hingegen stets mit dem normalen progressiven Steuersatz besteuert werden. Rechtfertigungsgründe für die unterschiedliche Behandlung sind dem EuGH zufolge in der Rs Lenz nicht vorgelegen. Der gegenständliche Fall ist mit der Rs Lenz grundsätzlich vergleichbar. UE unterscheidet er sich nur dahingehend von der Rs Lenz, dass im gegenständlichen Fall die Besteuerung mit dem flachen Steuersatz von 27,5 % daran geknüpft ist, dass die inländische auszahlende Stelle eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer freiwillig einbehält und abführt. Hält die inländische auszahlende Stelle keine der Kapitalertragsteuer entsprechenden Steuer ein, so unterliegen auch die Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten, die über inländische auszahlende Stellen gehalten werden, der Besteuerung mit dem progressiven Steuersatz. Demnach hängt es von der jeweiligen inländischen auszahlenden Stelle ab, ob ein Einbehalt einer der Kapitalertragsteuer entsprechenden Steuer erfolgt. Der Anleger kann bei Auswahl einer "adäquaten" inländischen auszahlenden Stelle jedenfalls eine finale Besteuerung der Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten mit 27,5 % bzw einen Verlustausgleich mit positiven Kapitaleinkünften, die dem Steuersatz von 27,5 % unterliegen, sicherstellen, während bei Wahl einer beliebigen ausländischen auszahlenden Stelle jedenfalls eine Besteuerung mit dem progressiven Steuersatz bzw kein Verlustausgleich mit positiven Kapitaleinkünften, die dem Steuersatz von 27,5 % unterliegen, zu erfolgen hat.

Sollte das erkennende Gericht Zweifel iSd "acte-claire" Doktrin haben, ob das Unionsrecht eine steuerliche Gleichbehandlung von nicht verbrieften Derivaten mit ausländischer auszahlender Stelle gebietet, schlagen wir die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH vor. Die Vorlagefrage könnte dabei wie folgt formuliert sein:

Steht Art 63 AEUV einer Regelung entgegen, wie sie § 27a Abs 2 Z 7 EStG iVm § 27a Abs 1 iVm § 27 Abs 8 Z 3 EStG vorsieht, nach welcher dem Steuerpflichtigen bei nicht verbrieften Derivaten, die über eine österreichische auszahlende Stelle abgewickelt werden, eine Besteuerung mit dem pauschalen Steuersatz von 27,5 % gesetzlich ermöglicht wird und daher auch ein Verlustausgleich mit anderen pauschal besteuerten Kapitaleinkünften erfolgen kann, während Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten, die über eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige auszahlende Stelle abgewickelt werden, stets mit dem progressiven Einkommensteuersatz versteuert werden und vom Verlustausgleich mit pauschal besteuerten Kapitaleinkünften ausgeschlossen sind?

2.6 Zulässigkeit Revision

Sollte das Bundesfinanzgericht keine Unionsrechtswidrigkeit erkennen, so ist uE gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts eine Revision an den VwGH zulässig, da sie gemäß Art 133 Abs 4 B-VG eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betrifft, weil eine Rechtsprechung zur Rechtsfrage der unionsrechtskonformen Auslegung des § 27a Abs 2 Z 7 EStG iVm § 27 Abs 8 Z 3 EStG bislang fehlt."

In dem sachverhaltsmäßig und bezüglich der zu beurteilenden Rechtsfrage gleichgearteten Beschwerdeverfahren (GZ. RV/5100491/2019), in welchem die identische Rechtsfrage aufgeworfen wurde, nämlich ob der Ausschluss vom Anwendungsbereich des Sondersteuersatzes von § 27,5% und damit auch vom Verlustausgleich gemäß § 27 Abs 8 Z 3 EStG von über Banken in einem anderen Mitgliedstaat abgewickelten Einkünften aus nicht verbrieften Derivaten eine Verletzung der unionsrechtlich gebotenen Kapitalsverkehrsfreiheit iSd Art 63 AEUV darstellt, erging am zur Zl. Ro 2019/15/0184 ein die BFG-Entscheidung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufhebendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes. Der VwGH hat darin die Rechtsauffassung vertreten, dass dem in Österreich ansässigen Beschwerdeführer in Anwendung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten der besondere Steuersatz des § 27a Abs 1 Z 2 EStG 1988 bei der Einkommensteuerveranlagung nicht versagt werden kann.

Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 274 Abs 1 Z 1 iVm § 275 Abs 3 Z 1 BAO) und Entscheidung durch den gesamten Senat iSd § 272 Abs 1 Z 1 BAO vom Bf. unter dem Vorbehalt zurückgezogen, dass die Gutschrift der beschwerdegegenständlichen Kapitalertragsteuer iHv € 11.798,41 antragsgemäß erfolgt

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der in Österreich ansässige Bf. erlitt im Jahr 2016 Verluste aus Kapitalvermögen aus nicht verbrieften Derivaten iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von 244.188,74 €. Er hat diese Fremdwährungstermingeschäfte über einen in London ansässigen und von der britischen Finanzmarktaufsicht regulierten Broker abgewickelt.

Der Bf. hat die ausländischen Verluste im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2016 von den positiven Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27 EStG im Rahmen des Verlustausgleichs gemäß § 27 Abs 8 EStG abgezogen.

Das Finanzamt hat jedoch den Verlustausgleich mit der Begründung versagt, dass auf Basis des Gesetzeswortlautes des § 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988 iVm § § 27 Abs 8 Z 3 EStG 1988 Verluste aus ausländischen nicht verbrieften Derivaten nicht mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, auf die der besondere Steuersatz des § 27a Abs 1 EStG 1988 anwendbar ist, ausgeglichen werden dürfen.

Der festgestellte Sachverhalt ist insoweit unstrittig und ergibt sich aus dem oben dargestellten Verfahrensgang.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Der Verwaltungsgerichtshof hat -wie bereits ausgeführt- in seinem zur gleichen Rechtsfrage ergangenen Erkenntnis vom , Ro 2019/15/0184, erkannt, dass dem Beschwerdeführer in Anwendung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten der besondere Steuersatz des § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 bei der Veranlagung zur Einkommensteuer nicht versagt werden kann und dazu in seinen Entscheidungsgründen folgendes ausgeführt:

"Der in Österreich ansässige Revisionswerber erzielte im Jahr 2017 Einkünfte aus Kapitalvermögen aus nicht verbrieften Derivaten iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von 1,590.429,92 € (vor Berücksichtigung von Werbungskosten). Er hat diese Geschäfte über eine Bank in Dänemark (X Bank) abgewickelt, und zwar unter Einschaltung der von dieser Bank zur Verfügung gestellten Handelsplattform, über die per Internetzugang rasch Finanzinstrumente gekauft und verkauft werden können. Bei den Derivaten handelt es sich um Contracts of Difference auf Unternehmensaktien, Contract Futures auf Indizes, Optionen auf Währungspaare und Termingeschäfte mit Währungen. Die Contracts of Difference auf Unternehmensaktien werden außerbörslich abgeschlossen, wobei die X Bank als Gegenpartei auftritt. Die anderen Derivate werden über Termin- und Optionsbörsen gehandelt. Dem Revisionswerber wird der Gewinn aus den Geschäften über sein Verrechnungskonto bei der X Bank in Dänemark gutgeschrieben bzw. wird sein Verrechnungskonto bei Verlusten belastet. Die von der dänischen Bank angebotene Handelsplattform kann nur genutzt werden, wenn bei der Bank ein entsprechendes Verrechnungskonto zur Abwicklung der Handelsgeschäfte geführt wird.

Im Einkommensteuerbescheid 2017 erfasste das Finanzamt - neben Einkünften aus selbständiger Arbeit - die in Rede stehenden Einkünfte aus Kapitalvermögen zum progressiven Steuertarif. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988 brachte es den vom Revisionswerber für die Einkünfte aus Kapitalvermögen beantragten besonderen Steuersatz nach § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 von 27,5 % nicht zur Anwendung. Allerdings zog es Werbungskosten von 131.704,50 € ab und ermittelte die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem Betrag von 1,458.725,43 €.

Der Revisionswerber erhob Beschwerde und beantragte die Anwendung des besonderen Steuersatzes nach § 27a Abs. 1 EStG 1988 von 27,5 % auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Nach der Regelung des § 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988 komme der besondere Steuersatz von 27,5 % nur zur Anwendung, wenn eine österreichische auszahlende Stelle iSd § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer von den positiven Einkünften aus nicht verbrieften Derivaten freiwillig einbehalte und abführe. Für positive Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten, die von einer Stelle im Ausland ausbezahlt würden, bestehe diese Möglichkeit generell nicht; solche über das Ausland erzielten Einkünfte unterlägen daher stets der progressiven Einkommensbesteuerung. Dies führe zu einer Diskriminierung der im Ausland abgewickelten, nicht verbrieften Derivate ohne auszahlende Stelle in Österreich. Dafür gebe es keine Rechtfertigungsgründe. Vielmehr liege ein nicht gerechtfertigter Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor. Die diskriminierende Besteuerung von im Ausland ausbezahlten Einkünften aus Derivaten iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988 halte inländische Steuerpflichtige davon ab, Geschäfte mit nicht verbrieften Derivaten bei Banken im Ausland abzuwickeln, weil die Möglichkeit des freiwilligen KESt-Abzugs mit Endbesteuerungswirkung und damit der Anwendung des besonderen Steuersatzes des § 27a Abs. 1 EStG 1988 nicht bestehe. Umgekehrt sei es auch ausländischen Banken erschwert, Kunden im Inland zu akquirieren, weil im Ausland ausbezahlte Erträge aus nicht verbrieften Derivaten jedenfalls dem progressiven Steuersatz unterworfen würden. Zwar könnten die Grundfreiheiten beschränkende Maßnahmen gerechtfertigt sein, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt werde, wenn sie geeignet seien, die Erreichung des Ziels zu gewährleisten und wenn sie nicht über das hinausgingen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels nötig sei. Diese engen Voraussetzungen lägen jedoch hier nicht vor. Dem Argument, dass die gegenständliche Besteuerungsregelung zur Sicherstellung der wirksamen steuerlichen Kontrolle und der wirksamen Steuereinhebung erforderlich sei, sei entgegenzuhalten, dass das KESt-Abzugsverfahren für die gegenständlichen Derivate auch im Inland nur freiwillig sei, eine Nichtbesteuerung von Derivaten also auch bei inländischen auszahlenden Stellen nicht ausgeschlossen sei. Weiters weise der Revisionswerber darauf hin, dass die aktuelle Fassung des § 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988 nicht die Steuerhinterziehung bekämpfen wolle, sondern auf das Steuerabkommen zwischen Österreich und der Schweiz zurückzuführen sei.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab."

In seiner rechtlichen Beurteilung hat der Verwaltungsgerichtshof hiezu folgendes erwogen:

"§ 27 Abs. 1 und 4 EStG 1988 lauten:

"(1) Einkünfte aus Kapitalvermögen sind Einkünfte aus der Überlassung von Kapital (Abs. 2), aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen (Abs. 3) und aus Derivaten (Abs. 4), soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 gehören. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

[...]

(4) Zu den Einkünften aus Derivaten gehören

1.der Differenzausgleich,

2.die Stillhalterprämie,

3.Einkünfte aus der Veräußerung und

4.Einkünfte aus der sonstigen Abwicklung

bei Termingeschäften (beispielsweise Optionen, Futures und Swaps) sowie bei sonstigen derivativen Finanzinstrumenten (beispielsweise Indexzertifikaten)."

14 § 27a EStG 1988 lautet auszugsweise:

"27a. (1) Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen

1.im Fall von Geldeinlagen und nicht verbrieften sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten, ausgenommen Ausgleichzahlungen und Leihgebühren gemäß § 27 Abs. 5 Z 4, einem besonderen Steuersatz von 25 %,

2.in allen anderen Fällen einem besonderen Steuersatz von 27,5 %

und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 5) anzuwenden ist.

[...]

(2) Abs. 1 gilt nicht für

[...]

7.Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 4. Dies gilt nicht, wenn eine der in § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b genannten Einrichtungen eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer freiwillig einbehält und abführt; diesfalls sind § 95 Abs. 1 und § 97 sinngemäß anzuwenden.

[...]"

15Bis zu der mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012 (AbgÄG 2012), BGBl. I Nr. 112/2012, vorgenommenen Änderung lautete § 27a Abs. 2 EStG 1988 auszugsweise wie folgt:

"(2) Abs. 1 gilt nicht für

[...]

7Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 4.

[...]"

16In den Erläuterungen zum AbgÄG 2012 wird hierzu ausgeführt (vgl. 1960 der Beilagen 24. GP 28):

"Nach § 27a Abs. 2 Z 7 kommen für Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten die Bestimmungen des § 27a Abs. 1 nicht zur Anwendung. Damit unterliegen diese Einkünfte nicht dem besonderen Steuersatz von 25 % und dem Kapitalertragsteuerabzug. Zukünftig sollen diese Einkünfte allerdings abweichend davon einem besonderen Steuersatz von 25 % unterliegen, wenn eine der in § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b genannten Einrichtungen freiwillig eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer einhebt. Die freiwillige Einhebung dieser - der Kapitalertragsteuer nachgebildeten - Steuer soll dieselben Wirkungen entfalten wie der Kapitalertragsteuerabzug. Einrichtungen, die freiwillig den Steuerabzug vornehmen, sollen entsprechend den Bestimmungen des § 95 Abs. 1 für die Abfuhr der Steuer haften. Die Möglichkeit des freiwilligen Abzugs soll erstmals ab dem bestehen.

Die Möglichkeit des freiwilligen Steuerabzugs bei Einkünften aus nicht verbrieften Derivaten soll insbesondere im Hinblick auf das Quellensteuerabkommen mit der Schweiz geschaffen werden. Der durch schweizerische Banken vorzunehmende anonyme Steuerabzug bei diesen Einkünften hätte damit - ebenso wie bei Steuerabzug im Inland - Abgeltungswirkung."

17 § 95 Abs. 2 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"(2) Abzugsverpflichteter ist:

[...]

2.Bei Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und bei Einkünften aus Derivaten:

a)Die inländische depotführende Stelle.

b)Die inländische auszahlende Stelle, wenn keine inländische depotführende Stelle vorliegt, es sich bei der depotführenden Stelle um eine Betriebsstätte der auszahlenden Stelle oder ein konzernzugehöriges Unternehmen handelt und die auszahlende Stelle in Zusammenarbeit mit der depotführenden Stelle die Realisierung abwickelt und die Erlöse aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen, aus dem Differenzausgleich, aus der Veräußerung von Derivaten oder die Stillhalterprämie gutschreibt.

Als inländische depotführende oder auszahlende Stellen kommen in Betracht:

-Kreditinstitute im Sinne des Bankwesengesetzes (§ 1 BWG),

-Zweigstellen eines Kreditinstituts aus Mitgliedstaaten (§ 9 BWG),

-Zweigstellen eines Dienstleisters mit Sitz in einem Mitgliedstaat, der auf Grund der Richtlinie 2013/36/EU, ABl. Nr. L 176 vom S. 338, oder auf Grund der Richtlinie 2004/39/EG, ABl. Nr. L 145 vom S. 1, in der Fassung der Richtlinie 2010/78/EU, ABl. Nr. L 331 vom S. 120, zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen im Inland berechtigt ist."

18In der Revision wird vorgebracht, die derzeit geltende Regelung, wonach bei nicht verbrieften Derivaten der besondere Steuersatz des § 27a Abs. 1 EStG 1988 dann zur Anwendung kommt, wenn die inländische auszahlende Stelle einen freiwilligen KESt-Abzug vornimmt, gehe auf das AbgÄG 2012 zurück; mit dieser Novellierung der Z 7 des § 27a Abs. 2 EStG 1988 sollte im Hinblick auf Regelungen im Steuer-Abkommen mit der Schweiz, BGBl III Nr. 192/2012 (ausgelaufen mit ), erreicht werden, dass der durch Schweizer Banken vorzunehmende Abzug der Abgeltungssteuer auf nicht verbriefte Derivate in Österreich die Endbesteuerungswirkung erhalten. Denn nach Art. 17 Abs. 3 DBASchweiz gelte die österreichische Einkommensteuer mit dem anonymen Abzug der Quellensteuer durch die Schweizer Bank nur dann als abgegolten, wenn das österreichische EStG 1988 für diese Erträge eine abgeltende Wirkung vorsehe.

19 § 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988 erlaube den freiwilligen KESt-Abzug nur den in § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 genannten Einrichtungen. Aufgrund dieses Verweises auf § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 könnten nur inländische auszahlende Stellen, im Wesentlichen also inländische Kreditinstitute sowie inländische Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute, den freiwilligen KESt-Abzug vornehmen und damit dem Kapitalanleger den (niedrigeren) besonderen Steuersatz vermitteln.

20Der besondere Steuersatz für Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten hänge also bei durch inländische Zahlstellen verwalteten bzw. abgewickelten Derivaten von der Ausübung der KESt-Option durch die inländische auszahlende Stelle (idR eine inländische Bank) ab. Bei gleichartigen Einkünften aus nicht verbrieften Derivaten, die über eine ausländische auszahlende Stelle abgewickelt würden, bestehe diese Möglichkeit nicht, was eine steuerliche Ungleichbehandlung bedeute.

21Die steuerliche Ungleichbehandlung ergebe sich nicht aus der Art der Einkünfte als solche, sondern aus der Abwicklung/Einschaltung einer inländischen oder einer ausländischen auszahlenden Stelle. Die Diskriminierung wurzle in der Einschränkung der Möglichkeit des freiwilligen KESt-Abzuges auf Einrichtungen iSd § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988, also auf inländische auszahlende Stellen. Inländischen Banken sei die Möglichkeit gegeben, durch den freiwilligen KESt-Abzug die begünstigte Besteuerung zu vermitteln, ausländischen Banken stehe diese Möglichkeit nicht offen. Daher liege eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV und eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV vor. Der Rechtfertigungsgrund der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle durch den KESt-Abzug greife im Falle eines optionalen KESt-Abzuges nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die höhere Besteuerung der im Ausland ausbezahlten Kapitaleinkünfte zu einer wirksameren Besteuerung im Verhältnis zu im Inland abgewickelten Erträgen aus Derivaten führen sollte.

22Das Finanzamt führt in der Revisionsbeantwortung aus, den inländischen auszahlenden Stellen sei das Wahlrecht eingeräumt, den freiwilligen KESt-Abzug vorzunehmen und damit ihren Kunden die Besteuerung zum besonderen Steuersatz des § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zu vermitteln, während ausländischen auszahlenden Stellen diese Möglichkeit nicht eingeräumt sei. Das Finanzamt bringt weiters vor, dass die in Rede stehende Regelung nicht danach differenziere, ob die Veranlagung in inländische oder ausländische Produkte, also in inländische oder ausländische Derivate erfolge. Die Regelung differenziere nur danach, ob die Kapitalveranlagung über eine inländische auszahlende Stelle oder eine ausländische auszahlende Stelle erfolge (also im Ergebnis über eine inländische oder eine nicht inländische Bank).

23Somit ist festzustellen, dass für Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten, die über eine inländische Bank (als auszahlende Stelle iSd § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988) abgewickelt und bezogen werden, die inländische Bank durch einen freiwilligen KESt-Abzug die Besteuerung zum besonderen Steuersatz des § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 von 27,5 % vermitteln kann, der zudem auch die Endbesteuerungswirkung iSd § 97 EStG 1988 herbeiführt. Werden hingegen gleichartige Kapitaleinkünfte über eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Bank abgewickelt und bezogen, besteht diese Möglichkeit nicht.

24Wie das Finanzamt in der Revisionsbeantwortung deutlich aufzeigt, unterscheidet die in Rede stehende Regelung danach, ob der Erbringer der Dienstleistung (Abwicklung der Produkte) die Inlandseigenschaft erfüllt oder nicht.

25Diese steuerliche Regelung ist damit dazu geeignet, österreichische Anleger davon abzuhalten, Dienstleistungen von Banken aus anderen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen und von diesen Banken die Abwicklung der nicht verbrieften Derivate vornehmen zu lassen, weil in diesem Fall nicht die Möglichkeit besteht, durch einen freiwilligen KESt-Abzug die Besteuerung zum besonderen Steuersatz des § 27a Abs. 1 EStG 1988 zu erreichen. Zudem ist diese Regelung auch geeignet, Personen, die eine Veranlagung in nicht verbriefte Derivate bei einer in Österreich ansässigen Bank vorgenommen haben, davon abzuhalten, ihre Veranlagungsprodukte auf eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Bank zu übertragen.

26Bankleistungen stellen Dienstleistungen im Sinne von Art. 57 AEUV dar. Art. 56 AEUV steht jeder nationalen Regelung entgegen, die geeignet ist, die Tätigkeiten eines Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern (vgl. idS Maria Eugenia Van der Weegen, C-580/15, Rn 27; Kommission/Königreich Belgien, C-383/10, Rn 43).

27Die in Rede stehende steuerliche Regelung stellt grundsätzlich eine nach Art. 56 Abs. 1 AEUV verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, indem sie den Zugang von Dienstleistungserbringern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zum österreichischen Markt mit Wettbewerbsnachteilen verknüpft.

28Es ist allerdings noch zu prüfen, ob eine solche Beschränkung gerechtfertigt sein kann. Nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, können zulässig sein, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. Maria Eugenia Van der Weegen, C-580/15, Rn 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29In der Revisionsbeantwortung hält das Finanzamt die Differenzierung zwischen inländischen Kreditinstituten und ausländischen Kreditinstituten für gerechtfertigt, weil inländische Banken durch die Einbindung in das KESt-System gleichzeitig eine Haftung für die Kapitalertragsteuer übernehmen. Damit ist aber nicht dargetan, warum die Möglichkeit des freiwilligen Steuerabzugs nicht auch Banken in anderen Mitgliedstaaten eingeräumt ist.

30Daher ist nicht erkennbar, dass für die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, zu der die Anwendung der in Rede stehenden Regelung des § 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988 wegen der mit dem AbgÄG 2012 vorgenommenen Ergänzung führt, Rechtfertigungsgründe greifen. Es liegt daher ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit vor (vgl. Stangl, RdW 2013, 568; kritisch auch Kirchmayr in Doralt et al, EStG16, § 27a Tz 67).

31Damit erübrigt sich die Prüfung, ob die Regelung auch in Konflikt mit der Kapitalverkehrsfreiheit steht (vgl. hiezu Maria Eugenia Van der Weegen, C-580/15, Rn 25).

32Zur einkommensteuerlichen Erfassung von Dividendenerträgen aus anderen Mitgliedstaaten, auf die nach der seinerzeitigen innerstaatlichen Rechtslage der besondere Steuersatz (und auch der halbe Durchschnittssteuersatz) nicht anwendbar war, was einen Verstoß gegen die unionsrechtlichen Grundfreiheiten bedeutete, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass der besondere Steuersatz (bzw. der halbe Durchschnittssteuersatz) in Anwendung des Unionsrechts zur Anwendung zu bringen ist, falls dieser für einen Steuerpflichtigen tatsächlich günstiger sein sollte (vgl. ; , 2002/13/0187; , 2004/14/0078; , 2003/13/0080; und , 2002/14/0076).

33Belastendes nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale gesetzliche Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Die Verdrängung erreicht dabei bloß jenes Ausmaß, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (vgl. ; und , 2008/15/0064).

34Im gegenständlichen Fall ist die Besteuerung der Einkünfte nach § 27 Abs. 4 EStG 1988 nach den allgemeinen Regeln (Ermittlung der Einkünfte unter Berücksichtigung der Werbungskosten, Besteuerung nach dem Einkommensteuertarif) der Besteuerung mit dem besonderen Steuersatz des § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nach den hierfür geltenden Regeln, also ohne Abzug von Werbungskosten (vgl. § 20 Abs. 2 EStG 1988) gegenüberzustellen. Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten stellen sicher, dass der Steuerpflichtige nicht der höheren Besteuerung unterworfen werden darf.

35Kommt der besondere Steuersatz nach § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zur Anwendung, ist - gleich wie bei Steuerpflichtigen mit zum KESt-Abzug optierenden inländischen Zahlstellen - im Hinblick auf § 20 Abs. 2 EStG 1988 der Abzug von Werbungskosten ausgeschlossen (vgl. hierzu nochmals ).

36Dass eine andere Bestimmung des § 27a Abs. 2 EStG 1988 der Anwendbarkeit des Steuersatzes nach § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 entgegen stünde (vgl. dazu Kirchmayr in Doralt et al, EStG16, § 27a Tz 68), wurde im Revisionsfall nicht festgestellt. Sind die streitgegenständlichen Kapitalveranlagungen aber solche, bei denen der Steuersatz nach § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zur Anwendung käme, wenn die Abwicklung über eine zum KESt-Abzug optierende inländische auszahlende Stelle vorgenommen worden wäre, kann nach dem Gesagten in Anwendung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten dieser besondere Steuersatz dem Revisionswerber bei der Veranlagung zur Einkommensteuer nicht versagt werden.

37Da das Bundesfinanzgericht die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

Die verfahrensgegenständliche Rechtslage verstößt nach der dargelegten Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Ergebnis gegen die unionsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit (Art 56 AEUV). Zu einem allfälligen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit - wie in der gegenständlichen Beschwerde ausführlich begründet - äußert sich das Höchstgericht allerdings nicht (vgl. Rz 31 des o.a. VwGH-Erkenntnis).

Nachdem es sich gegenständlich (im Beschwerdejahr 2016) um einen Sachverhalt handelt, der ausschließlich zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft, hat die Frage, welche der unionsrechtlichen Grundfreiheiten zur Anwendung gelangt, letztlich aber keine Auswirkung auf das Ergebnis. Demnach ist aus der VwGH-Entscheidung jedenfalls abzuleiten, dass bei Abwicklung von nicht verbrieften Derivatgeschäften durch eine auszahlende Stelle innerhalb der europäischen Union der besondere Steuersatz zur Anwendung gelangen kann.

Erfolgt in unionsrechtskonformer Auslegung des § 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988 die Besteuerung der Einkünfte nicht verbriefter Derivate im Ausland zum besonderen Steuersatz von 27,5 %, sind Verluste aus nicht verbrieften Derivaten mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen des Verlustausgleichs gemäß § 27 Abs 8 Z 3 EStG 1988 zu verrechnen.

Demzufolge war dem Beschwerdebegehren antragsgemäß Folge zu geben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2019/15/0184, nicht mehr vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 27 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 56 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 63 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Schlagworte
Verluste
Versagung des Verlustausgleichs
ausländische auszahlende Stelle
Unionsrechtswidrigkeit
Verlustausgleich
Derivatgeschäfte
Kapitalverkehrsfreiheit
Dienstleistungsfreiheit
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101676.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at