Verständigung gemäß § 281a BAO wegen nicht eingebrachtem Vorlageantrag
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RV/5100496/2022-RS1 | Die Bestimmung des § 281a BAO kann nicht dergestalt interpretiert werden, dass dadurch Beschlüsse über die Einstellung des Beschwerdeverfahrens, in denen die in § 281a BAO angeordnete Verständigung erfolgt, untersagt werden (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Auflage (2021), § 281a, Tz 11; in diesem Sinne auch sowie vom , RV/6100159/2022). |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Mehrkindzuschlag 2021 zur Steuernummer ***Bf-StNr*** beschlossen:
I. Die Parteien werden gemäß § 281a BAO formlos darüber verständigt, dass nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde.
II. Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang
A. Antrag, Bescheid
Mit Eingabe vom wurde seitens der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Mehrkindzuschlag betreffend das Jahr 2021 eingebracht. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom stattgegeben und es wurde ein Mehrkindzuschlag von EUR 100,00 (das sind EUR 20,00 pro Monat für den Zeitraum August bis Dezember 2021) festgesetzt.
B. Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde - im Wesentlichen - ausgeführt, dass der Betrag nicht angemessen sei, da die Beschwerdeführerin im gesamten Jahr 2021 Alleinerzieherin von 3 Kindern gewesen sei.
Diese Beschwerde wurde mittels Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, wobei begründend - nach Hinweis auf die einschlägigen Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - wie folgt ausgeführt wurde:
Voraussetzung für die Gewährung des Mehrkindzuschlages ist entsprechend, dass Ihnen für mindestens 3 Kinder Familienbeihilfe gewährt wird. Für ***Kind1*** und ***Kind2*** wurden Ihnen aber im Jahr 2021 nur 5 Monate Familienbeihilfe gewährt. Somit wurde im Jahr 2021 aber nur in 5 Monaten für 3 Kinder Familienbeihilfe bezogen. Ein Zusammenrechnen der Zeiträume, in welchen Ihr Ex-Ehegatte die Familienbeihilfe bezogen hat, mit den Zeiträumen, in welchen Sie die Familienbeihilfe bezogen haben, ist nicht zulässig (vgl. Kuprian in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 9c, I. Voraussetzungen für den Anspruch auf Mehrkindzuschlag Rz 2).
Der Erstbescheid, in welchem € 100 (= 20 x 5) gewährt wurden, erweist sich somit als rechtmäßig. Ihre Beschwerde war entsprechend als unbegründet abzuweisen.
C. Vorlageantrag, Beschwerdevorlage
Obwohl gegen die obig angeführte Beschwerdevorentscheidung vom kein Vorlageantrag eingebracht wurde, hat das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht die Beschwerdesache mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vorgelegt.
II. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist Mutter der unten angeführten Kinder und hat für diese im streitgegenständlichen Jahr 2021 wie folgt Familienbeihilfe bezogen:
***Kind1*** (geboren am XX.09.2012) - Familienbeihilfebezug ab August 2021
***Kind3*** (geboren am XX.09.2017) - Familienbeihilfebezug ab September 2017
***Kind2*** (geboren am XX.05.2014) - Familienbeihilfebezug ab August 2021
Das Finanzamt hat über den Antrag auf Gewährung eines Mehrkindzuschlages vom mit Bescheid vom abgesprochen und den Mehrkindzuschlag für die Monate August bis Dezember 2021 (entspricht EUR 20,00/Monat, somit EUR 100,00 in Summe) gewährt. Die dagegen erhobene Beschwerde vom wurde mittels Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen (Begründung siehe oben, Punkt "I. B."). Ein Vorlageantrag gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde durch die Beschwerdeführerin nicht eingebracht. Das Finanzamt hat die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht dennoch mittels Beschwerdevorlage (Vorlagebericht) vom zur Entscheidung vorgelegt.
III. Rechtliche Grundlagen und Erwägungen
§ 264 BAO idgF lautet:
(1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt
a) der Beschwerdeführer, ferner
b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.
(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.
(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:
a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),
b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),
c) § 255 (Verzicht),
d) § 256 (Zurücknahme),
e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),
f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).
(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.
(6) Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten.
(7) Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.
Gemäß § 265 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
§ 281a BAO idgF lautet:
Wenn das Verwaltungsgericht nach einer Vorlage (§ 265) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, hat es die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.
Das Finanzamt hat - obwohl durch die Beschwerdeführerin kein Vorlageantrag eingebracht wurde - die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mittels Vorlagebericht vom gemäß § 265 BAO vorgelegt.
Gemäß der Rechtsprechung des VwGH (vgl. ) darf das Bundesfinanzgericht über einen rechtsunwirksamen Vorlageantrag nicht entscheiden, es darf aber ebenso wenig einen Beschluss zur Feststellung der eigenen Unzuständigkeit zur Entscheidung über die vorgelegte Beschwerde erlassen.
Ähnliches normiert der obig zitierte § 281a BAO, der in solchen Fällen (fehlende Beschwerdevorentscheidung oder nicht eingebrachter Vorlageantrag) eine formlose Verständigung der Parteien vorsieht. Nach der in der Literatur (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Auflage (2021), § 281a, Tz 11) vertretenen Auffassung kann die Bestimmung des § 281a BAO allerdings nicht dergestalt interpretiert werden, dass dadurch Beschlüsse über die Einstellung des Beschwerdeverfahrens, in denen die in § 281a BAO angeordnete Verständigung erfolgt, untersagt werden (in diesem Sinne auch sowie vom , RV/6100159/2022). Vielmehr wird vertreten, dass auch im Anwendungsbereich des § 281a BAO das Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen ist, wobei der Verständigungspflicht des § 281a BAO in der Begründung nachzukommen ist (vgl. wiederum Ritz/Koran, BAO, 7. Auflage (2021), § 278, Tz 1a). Diese Vorgehensweise fügt sich außerdem in die durch die Bestimmungen der §§ 278, 279 BAO vorgegebenen Entscheidungsformen ein, wonach Verwaltungsgerichte grundsätzlich entweder durch Erkenntnis oder Beschluss zu entscheiden haben (vgl. Koran, ZSS 2019, 96). Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Richter an.
IV. Formlose Verständigung gemäß § 281a BAO:
Das Bundesfinanzgericht ist in der Beschwerdesache ***Bf*** (***Bf-Adr***) zur Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Mehrkindzuschlag 2021 zur Steuernummer ***Bf-StNr*** zur Auffassung gelangt, dass ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde (siehe den unter Punkt "II." festgestellten Sachverhalt).
Gemäß § 281a BAO werden die Parteien davon formlos in Kenntnis gesetzt.
Den Erläuternden Bemerkungen zum Jahressteuergesetz 2018 ist zur formlosen Verständigung gemäß § 281a BAO Folgendes zu entnehmen:
Wenn wegen einer fehlenden Beschwerdevorentscheidung oder wegen eines fehlenden Vorlageantrages eine Zuständigkeit zur Erledigung der Bescheidbeschwerde oder des Vorlageantrages trotz erfolgter Vorlage (§ 265 BAO) nicht auf das Verwaltungsgericht übergehen konnte, besteht kein Erfordernis, dass das Verwaltungsgericht darüber einen Unzuständigkeitsbeschluss fasst (vgl. Ro 2015/15/0001). Auch aus Gründen des Rechtsschutzes ist es nicht erforderlich, über eine Unzuständigkeit durch das Verwaltungsgericht mittels eines Feststellungsbeschlusses abzusprechen.
Im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens soll das Verwaltungsgericht eine ihm von der Abgabenbehörde (zumeist nur irrtümlich) vorgelegte Beschwerde, über die es seiner Ansicht nach in Ermangelung einer Beschwerdevorentscheidung oder eines Vorlageantrages nicht zu entscheiden hat, der Abgabenbehörde ohne unnötigen Aufschub zurückschicken und den Beschwerdeführer davon verständigen. Die neue Verständigungspflicht gemäß § 281a BAO soll, insbesondere im Hinblick auf die Verständigung des Beschwerdeführers vom Zeitpunkt und Inhalt der zunächst erfolgten Vorlage, gewährleisten, dass beide Parteien rasch und einfach mittels formloser Mitteilung des Verwaltungsgerichtes davon Kenntnis erlangen, dass sich das Verwaltungsgericht für unzuständig hält.
Im beschwerdegegenständlichen Fall hat das Finanzamt am eine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Da gegen diese Entscheidung kein Vorlageantrag eingebracht wurde, ist das Beschwerdeverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Die obige Mitteilung gemäß § 281a BAO führt nicht zu einer Weiterführung des Verfahrens vor dem Finanzamt.
Um das beim Bundesfinanzgericht anhängige Verfahren zu beenden, ergeht der gegenständliche Beschluss über die Einstellung des Verfahrens.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der gegenständliche Beschluss enthält die explizit im Gesetz (§ 281a BAO) vorgesehene formlose Verständigung, dass nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde. Die ordentliche Revision war demnach nicht zuzulassen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100496.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at