Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.09.2022, RV/7102404/2022

Besonderer Progressionsvorbehalt (§ 3 Abs. 2 EStG 1988): Anwendung der „Kontrollrechnungsvariante“, wenn diese für die (den) Abgabepflichtige(n) günstiger ist

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog im streitgegenständlichen Jahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der ***X*** GmbH (Bezugszeitraum: 5. Februar bis ) in Höhe von 440,00 €, von der ***Z*** (ganzjährig) in Höhe von 9.403,68 € sowie vom ***Y*** (Bezugszeitraum: 24. August bis ) in Höhe von 4.671,38 € (jeweils Kennzahl 245 des Lohnzettels). Darüber hinaus bezog die Bf. im Streitjahr für einen Teil des Kalenderjahres Arbeitslosengeld in Höhe von 6.897,94 € und Krankengeld in Höhe von 3.669,84 € (jeweils vom 16. Jänner bis , vom 15. Juni bis , vom 18. Oktober bis und vom 2. Dezember bis zum ).

Am erging der Bezug habende Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagungsbescheid) für 2020, in dem das Finanzamt hinsichtlich der Einkünfte den besonderen Progressionsvorbehalt gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 anwendete; da die aufgrund der Kontrollrechnung berechnete Einkommensteuer in Höhe von 2.618,00 € günstiger (niedriger) war als die aufgrund der Hochrechnung berechnete Einkommensteuer in Höhe von 2.750,47 €, wendete die Abgabenbehörde gesetzeskonform die günstigere "Kontrollrechnungsvariante" an und setzte die Einkommensteuer mit 2.618,00 € fest.

Der angeführte Bescheid weist folgende Begründung auf:

"Sie haben steuerfreie Leistungen wie zB Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder bestimmte Bezüge als Soldat oder Zivildiener bezogen. In diesem Fall sieht das Einkommensteuergesetz 2 Berechnungsvarianten vor (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Die für Sie günstigere Kontrollrechnung haben wir angewendet und ein Einkommen von 24.226,29 € zu Grunde gelegt.

Welche Berechnungsvarianten gibt es?

1. Die Umrechnungsvariante: Hier rechnen wir Ihre steuerpflichtigen Einkünfte auf einen Jahresbetrag um und berücksichtigen Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge. Dadurch ergibt sich ein Durchschnittssteuersatz, den wir auf Ihr Einkommen anwenden.

2. Die Kontrollrechnung: Hier werden die steuerfreien Bezüge direkt dem steuerpflichtigen Einkommen hinzugerechnet und besteuert."

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. am Beschwerde, die folgenden Wortlaut aufweist:

"Sehr geehrtes Team,

da ich telefonisch nicht wirklich Auskunft erhalten habe und ich [mich] mit der Nachzahlung nicht wirklich auskenne, bitte ich um Neuberechnung meiner Arbeitnehmerveranlagung 2020.

Ich war im Jahr 2020 arbeitslos und dachte, AMS-Geld und ÖGK wird nicht besteuert und dadurch erscheint mir die Nachzahlung etwas zu hoch."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:

Begründend führte es darin aus, dass eine nochmalige Überprüfung der Berechnung ergeben habe, dass aufgrund der Bezüge des Arbeitsmarktservices sowie der Österreichischen Gesundheitskasse die Berechnung der Steuernachforderung korrekt erfolgt sei. Die eingebrachte Beschwerde sei daher abzuweisen gewesen.

In ihrem Vorlageantrag vom führte die Bf. Folgendes aus:

"[…] ich möchte gegen diesen Bescheid für das Jahr 2020 noch mal eine Nachrechnung, da ich mir nicht erklären kann, wenn man AMS und Krankengeld erhält, so eine große Nachzahlung hat, wie wenn man ein Einkommen hat. Ich dachte immer, AMS ist lohnsteuerfrei. Ich zahle mehr zurück als sonst."

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Bezug habenden Vorlagebericht führte die Abgabenbehörde aus, im Jahr 2020 seien steuerfreie Leistungen bezogen worden. Das Finanzamt habe daraufhin die Berechnungen gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 durchgeführt und die Einkommensteuer in entsprechender Höhe veranlagt. Beantragt werde die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 3 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung lautet:

"(2) Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Finanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muß. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen."

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass das Finanzamt im angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2020 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld sowie von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch die Bf. in diesem Jahr rechtskonform auf deren Einkünfte den besonderen Progressionsvorbehalt gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 angewendet hat. Da gemäß dieser Gesetzesbestimmung die festgesetzte Steuer nicht höher sein darf als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde ("Schutzbestimmung": Jakom/Laudacher EStG, 2021, § 3 Rz 123), hat die belangte Behörde die Einhaltung dieser Regelung rechtsrichtig mit einer Kontrollrechnung überprüft (zB ). Dabei ergab sich, dass die aufgrund der Kontrollrechnung berechnete Einkommensteuer in Höhe von 2.618,00 € günstiger (niedriger) war als die aufgrund der Hochrechnung berechnete Einkommensteuer in Höhe von 2.750,47 €, weshalb die belangte Behörde gesetzeskonform die günstigere "Kontrollrechnungsvariante" angewendet und die Einkommensteuer richtig mit 2.618,00 € festgesetzt hat.

Der festgesetzte Einkommensteuerbetrag von 2.618,00 € ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid. Der aus der Hochrechnung resultierende, höhere Betrag von 2.750,47 € (den das Finanzamt zu Gunsten der Bf. dem angefochtenen Bescheid nicht zu Grunde gelegt hat) ermittelt sich wie folgt (im Detail S 21 f. BFG-Akt):

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der ***X*** GmbH (440,00 €): Werden nicht nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 hochgerechnet, weil die Bf. während deren Bezugszeitraums (5. Februar bis ) Arbeitslosengeld erhalten hat.

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der ***Z*** (9.403,68 €): Werden nicht nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 hochgerechnet, weil sie von der Bf. ganzjährig bezogen wurden.

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vom ***Y*** (4.671,38 €, Bezugszeitraum 24. August bis , sohin 51 Tage): Werden auf einen Jahresbetrag (366 Tage) gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 hochgerechnet; dies ergibt einen Betrag von 33.524,02 €.

Zuzüglich der ganzjährig bezogenen Einkünfte von der ***Z*** ergibt sich ein Betrag von 42.927,70 € (= steuerpflichtige Bezüge aufgrund der Hochrechnung). Abzüglich des Werbungskostenpauschales von 132,00 € und der von der Bf. beantragten Sonderausgaben ("Sonderausgabenviertel" von 2.898,19 €, sohin 724,55 €) ergibt sich ein hochgerechnetes Einkommen von 42.071,15 €. Die Tarifversteuerung dieses hochgerechneten Einkommens von 42.071,15 € führt - nach Abzug des Verkehrsabsetzbetrags von 400,00 € - zu einer Jahressteuer von 10.199,88 €, was einem Durchschnittssteuersatz von 24,244357% (gerundet 24,24%) entspricht.

Die Anwendung dieses Steuersatzes auf ein Einkommen von 13.658,51 € (= die tatsächlich erhaltenen, steuerpflichtigen Bezüge von 14.515,06 € (440,00 € + 9.403,68 € + 4.671,38 €, siehe oben) abzüglich des Werbungskostenpauschales von 132,00 € und der von der Bf. beantragten Sonderausgaben ("Sonderausgabenviertel" von 2.898,19 €, sohin 724,55 €)) ergibt einen Einkommensteuerbetrag von 3.311,42 €, zu dem die auf die sonstigen Bezüge entfallende Lohnsteuer (60,24 €) hinzugerechnet und die anrechenbare Lohnsteuer (621,19 €) abgezogen wird.

Daraus resultiert der oa. Einkommensteuerbetrag von 2.750,47 € (= aufgrund der Hochrechnung), den die belangte Behörde, wie bereits ausgeführt, zu Gunsten der Bf. dem angefochtenen Bescheid nicht zu Grunde gelegt hat. Vielmehr hat sie gesetzeskonform den aufgrund der Kontrollrechnung berechneten, günstigeren Einkommensteuerbetrag von 2.618,00 € dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam; die Rechtsfolgen ergaben sich vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz. Die (ordentliche) Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Jakom/Laudacher EStG, 2021, § 3 Rz 123
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102404.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at