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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.11.2022, RV/5100465/2022

Beurteilung des mangelnden groben Verschuldens bei Festsetzung eines dritten Säumniszuschlages

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100465/2022-RS1
Maßgeblicher Beurteilungszeitraum für Feststellung, ob eine Nichtentrichtung von Abgaben entschuldbar iSd § 217 Abs. 7 BAO ist, ist beim zweiten und dritten Säumniszuschlag jener der lang andauernden Säumnis iSd. § 217 Abs. 3 BAO. Im gegenständlichen Fall ist daher entscheidend, ob die beschwerdeführende Partei kein grobes Verschulden an der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer(nach)forderungen nach Eintritt der Vollstreckbarkeit bzw. nach Eintritt der Verpflichtung des zweiten Säumniszuschlages trifft.
RV/5100465/2022-RS2
Die Pflicht zur Entrichtung von Abgaben endet erst mit Entrichtung (vgl. ) oder Abschreibung (§§ 235, 236 BAO) der Abgabenschuldigkeiten. Sie trifft bei einer GmbH die Geschäftsführer (§§ 18 ff GmbHG), da diese die nach § 80 Abs. 1 BAO zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen sind.
RV/5100465/2022-RS3
Mit der Verhinderung des faktischen Geschäftsführers kann kein mangelndes grobes Verschulden der beschwerdeführenden Partei dargetan werden, da den faktischen Geschäftsführer keine Pflicht zur Erfüllung der Abgabenzahlungspflicht traf und damit seine Verhinderung in Bezug auf die Abgabenentrichtung nicht relevant ist. Zudem würde eine Behinderung der tatsächlichen Geschäftsführerin durch einen faktischen Geschäftsführer, der sie an der Entrichtung der Abgaben aus den vorhandenen Mitteln behindert, per se ein pflichtwidriges Verhalten darstellen (vgl. etwa ). Eine derartige Einschränkung der gesetzlichen Vertreterin der GmbH durch einen faktischen Geschäftsführer wäre vielmehr eine grob schuldhafte Pflichtverletzung und steht der Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 217 Abs. 7 BAO entgegen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend die dritten Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 01/2011 (1.057,50 €), Umsatzsteuer 02/2011 (493,76 €) und Umsatzsteuer 12/2011 (116,53 €) zu Steuernummer ***1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge einer Außenprüfung kam es zu Feststellungen und in der weiteren Folge zu Umsatzsteuerfestsetzungen, weil überwiegend geltend gemachte Vorsteuern nicht anerkannt wurden. Gegen diese Festsetzungen wurden Beschwerden erhoben.

Mit den Bescheiden vom wurden folgende dritte Säumniszuschläge gem. § 217 Abs. 1 und 3 BAO festgesetzt, weil Abgabenschuldigkeiten nicht spätestens drei Monate nach dem Tag, an dem der jeweils zweite Säumniszuschlag verwirkt wurde, entrichtet wurden.


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Abgabe
Betrag in Euro
Säumniszuschlag in Euro
Umsatzsteuer 11/2010
7.942,35
79,42
Umsatzsteuer 12/2010
201.073,44
2.010,73
Umsatzsteuer 01/2011
105.749,94
1.057,50
Umsatzsteuer 02/2011
49.375,94
493,76
Umsatzsteuer 12/2011
11.652,94
116,53
3.757,94

In der Beschwerde vom wurde auf das bisherige Vorbringen in der Berufungssache verwiesen. Zudem wurden Anträge nach § 217 Abs. 7 und 8 BAO gestellt.

Mit dem am beim Unabhängigen Finanzsenat eingelangten Vorlagebericht wurde unter anderem die Berufung vom gegen die Säumniszuschlagsbescheide vom eingebracht.

Die Berufung blieb bis unerledigt und ging mit an das Bundesfinanzgericht über, wo sie in der Gerichtsabteilung 6037 als Bescheidbeschwerde anhängig wurde.

Mit dem im Zuge eines Verfahrens nach § 300 der Bundesabgabenordnung erlassenen Bescheides betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer 2010 wurde die mit Bescheid vom festgesetzt mit -17.680,61 €, bisher war vorgeschrieben 351.988,36 €.

Die Bescheidbeschwerde vom blieb weiterhin unerledigt und wurde mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes der inzwischen unbesetzten Gerichtsabteilung 6037 abgenommen und mit Wirksamkeit der Gerichtsabteilung 6008 zugeteilt.

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100364/2013 wurde der Beschwerde vom dahingehend statt gegeben, dass die Bescheide betreffend dritte Säumniszuschläge 11/2010 (79,42 €) und 12/2010 (2.010,73 €) werden ersatzlos aufgehoben wurden. Die Beschwerde betreffend die dritten Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 01/2011 (1.057,50 €), Umsatzsteuer 02/2011 (493,76 €) und Umsatzsteuer 12/2011 (116,53 €) blieb unerledigt.

In weiterer Folge wurde der beschwerdeführenden Partei mit Beschluss vom zum Antrag auf Aufhebung der Säumniszuschlagsfestsetzung gemäß § 217 Abs. 7 der Bundesabgabenordnung (BAO die Möglichkeit eingeräumt, binnen vier Wochen Gründe für diesen Antrag nach § 217 Abs. 7 BAO näher auszuführen.

Dazu führte die beschwerdeführende Partei im Anbringen vom aus:
Die USt 1 bis 11/201 1 sei noch nicht abschließend entschieden. Das Bundesfinanzgericht hätte vermeint, dieses antragsgebundene Verfahren mit einer formlosen iS von nicht rechtsmittelfähigen Verständigung vom , RV/5100588/2013 erledigen zu können. Es sei sowohl ein Fristsetzungsantrag beim VwGH gestellt als auch VfGH-Beschwerde erhoben worden. Beide Rechtsbehelfe seien noch unerledigt (und damit ist es die USt 2011 als Ganzes).

Angesichts der Komplexität dieser Sache werde auf Details vorerst nicht eingegangen. Jedoch lasse würden erforderliche Unterlagen "auf ersten Zuruf" kurzfristig vorgelegt. Zur gegenständlichen Umsatzsteuer wurde vorgebracht:

Die USt-Festsetzung 1 und 2/2011 sei Gegenstand derselben USt-Sonderprüfung gewesen, die für 2010 zu einer vollinhaltlich stattgebenden Erledigung geführt hat, und zwar sowohl in der Sache selbst als auch beide Säumniszuschläge. Bei den Fremdleistem für die ersten beiden Monaten handle es sich um dieselben Subfirmen wie 11 und 12/2010. Insoweit sei die Sache zwar materiell zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei entschieden worden, jedoch aus rein prozessualen Gründen aber noch offen. Solcherart gelte insoweit dasselbe wie für 2010.

Bei der USt 2012 sei schon deshalb jegliches Verschulden ausgeschlossen, weil der damals faktische Geschäftsführer ***2*** am bis zum in Untersuchungshaft genommen worden ist und sich vom Gefängnis aus um die steuerlichen Belange der beschwerdeführenden Partei nicht kümmern hätte können.

Der Stellungnahme beigelegt wurden der Bescheid vom betreffend Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2010 vom , der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom , die Verständigung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100588/2013.

Mit Beschluss vom wurde die beschwerdeführende Partei davon in Kenntnis gesetzt, dass nach Mitteilung der belangten Behörde die Abgabenforderungen an Umsatzsteuer 01/2011 in Höhe von (iHv) 105.749,94 €, Umsatzsteuer 02/2011 iHv 49.375,94 € und Umsatzsteuer 12/2011 iHv 13.313,49 € nach wie vor im Rechtsbestand sind und nachträglich nicht herabgesetzt wurden.

Dazu teilte die beschwerdeführende Partei im Anbringen vom mit, das Finanzamt sei im Recht, wenn es darauf hinweist, dass die USt 2011 noch streitverfangen ist und solcherart die nötige Bescheidkorrektur noch aussteht. Deshalb erweise sich dieser Antrag (gemeint wohl der Antrag nach § 217 Abs. 8 BAO) als unberechtigt, sodass er zurück gezogen werde.

Das gelte aber nicht für den Antrag auf Berichtigung gemäß § 217 Abs 7 BAO. Das Finanzamt hätte die beantragte Berichtigung unter diesem Titel längst durchführen müssen. Die Hauptgründe dafür seien:

"2.1. Für die ersten beiden Monate des Jahres 2011 gilt das für 2010 Gesagte angesichts der gleichen Sach- und Rechtslage analog. Dazu sei auf das Bescheidkonvolut vom verwiesen (liegt bei). Zumal die damalige - die "erste" - USt-Sonderprüfung den Zeitraum 11/2010 bis 2/2011 und dort dieselben beanstandeten Lieferanten umfasst hat. Solcherart strahlt die vollinhaltliche Stattgabe für 2010 auf die Folgemonate 1 und 2/2011 nahtlos aus.

2.2. Bei der USt 12/ 2011 bleibt festzuhalten, dass der damalige faktische Geschäftsführer meiner Mandantin, ***2***, am bis Anfang April 2012 in U-Haft genommen worden ist und sich von dort aus um die (umsatz-)steuerlichen Belange der ***Bf1*** logischerweise nicht kümmern konnte. Solcherart ist aufgrund faktischer Unmöglichkeit ein grobes Verschulden völlig ausgeschlossen.Dieser Antrag bleibt aufrecht und erwarten wir insoweit eine vollinhaltliche Stattgabe."

Der beschwerdeführenden Partei wurde mit Beschluss vom Gelegenheit gegeben zu folgender Aktenlage Stellung zu nehmen:

Die Umsatzsteuer 01/2011 und 02/2011 wurde mit Bescheiden vom festgesetzt. Die Umsatzsteuer 12/2011 iHv 13.313,49 € wurde nach Mitteilung der belangten Behörde vom mittels Umsatzsteuer-Voranmeldung am gemeldet und selbstberechnet. Die Umsatzsteuer-Voranmeldung 12/2011 wurde am gebucht und in weiterer Folge nicht entrichtet.

In der Stellungnahme vom teilte die beschwerdeführende Partei mit, die im Beschluss geschilderte Aktenlage geht in Ordnung. Jedoch fehle bei der USt 12/2011 der aus unserer Sicht entscheidende Hinweis, dass der für die steuerlichen Belange zuständige ***2*** am für mehrere Monate in U-Haft genommen worden und zudem das Rechenwerk der beschwerdeführenden Partei sichergestellt worden ist. Solcherart liege aus ein Fall von "höherer Gewalt" vor, der ein grobes (schweres) Verschulden auf Seiten der beschwerdeführenden Partei insoweit ausschließe.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Abgabenforderungen an Umsatzsteuer 01/2011 in Höhe von (iHv) 105.749,94 €, Umsatzsteuer 02/2011 iHv 49.375,94 € und Umsatzsteuer 12/2011 iHv 13.313,49 € sind nach wie vor im Rechtsbestand und wurden nachträglich nicht herabgesetzt. Zudem wurden die Abgaben Folge bislang noch nicht entrichtet.

Die Umsatzsteuern 01/2011 und 02/2011 wurden mit Bescheiden vom festgesetzt. Die Umsatzsteuer 12/2011 iHv 13.313,49 € wurde nach Mitteilung der belangten Behörde vom mittels Umsatzsteuer-Voranmeldung am gemeldet und selbstberechnet. Die Umsatzsteuer-Voranmeldung 12/2011 wurde am gebucht und in weiterer Folge bislang noch nicht entrichtet.

Der für die steuerlichen Belange zuständige ***2*** ist am bis Anfang April 2012 in Untersuchungshaft genommen worden und zudem ist das Rechenwerk der beschwerdeführenden Partei sichergestellt worden ist.

Aus dem Firmenbuch (Abfrage mit historischen Daten vom zu FN ***3*** v) ergibt sich, dass ***2***, geb. ***Datum***, die beschwerdeführernde Partei seit selbständig vertritt. Davor war Frau ***4***, geb. ***Datum1***, vom bis handelsrechtliche Geschäftsführerin der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Akten und ist unstrittig.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 217 der Bundesabgabenordnung (BAO) IdF BGBl I 2018/62 lautet:

"(1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

(3) Ein zweiter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit (§ 226) entrichtet ist. Ein dritter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten Säumniszuschlages entrichtet ist. Der Säumniszuschlag beträgt jeweils 1% des zum maßgebenden Stichtag nicht entrichteten Abgabenbetrages. Die Dreimonatsfristen werden insoweit unterbrochen, als nach Abs. 4 Anbringen oder Amtshandlungen der Verpflichtung zur Entrichtung von Säumniszuschlägen entgegenstehen. Diese Fristen beginnen mit Ablauf der sich aus Abs. 4 ergebenden Zeiträume neu zu laufen.

(4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als

a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,

b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,

c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,

d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.

(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

(6) Wird vor dem Ende einer für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist ein Vollstreckungsbescheid (§ 230 Abs. 7) erlassen, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 erst mit dem ungenützten Ablauf dieser Frist, spätestens jedoch einen Monat nach Erlassung des Vollstreckungsbescheides ein und beginnt erst ab diesem Zeitpunkt die Dreimonatsfrist des Abs. 3 erster Satz zu laufen.

(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

(8) Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen; dies gilt sinngemäß

a) für bei Veranlagung durch Anrechnung von Vorauszahlungen entstehende Gutschriften und

b) für Nachforderungszinsen (§ 205), soweit nachträglich dieselbe Abgabe betreffende Gutschriftszinsen festgesetzt werden.

(9) Im Fall der nachträglichen rückwirkenden Zuerkennung oder Verlängerung von Zahlungsfristen hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung der zuerkannten oder verlängerten Zahlungsfrist zu erfolgen.

(10) Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Dies gilt für Abgaben, deren Selbstberechnung nach Abgabenvorschriften angeordnet oder gestattet ist, mit der Maßgabe, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist."

Die Festsetzung von Säumniszuschlägen, setzt (lediglich) den Bestand einer formellen Zahlungsverpflichtung voraus (). Bemessungsgrundlage ist daher die nicht rechtzeitig entrichtete formelle Abgabenzahlungsschuld. Der Abgabenzahlungsanspruch ist die Verpflichtung, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten (vgl ). Durch die Einführung eines zweiten und dritten Säumniszuschlags durch BGBl I 2000/142 sollte erreicht werden, dass bei lang andauernder Säumnis die Entrichtung vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten beschleunigt wird (vgl ME BBG 2001, 311/ME BlgNR 21. GP). Die beiden Dreimonatsfristen sind gesetzliche Fristen und daher gem § 110 Abs 1 BAO nicht verlängerbar (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I, § 217 Rz. 6).

Nach § 226 BAO sind Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, in dem von der Abgabenbehörde festgesetzten Ausmaß vollstreckbar; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete und der Abgabenbehörde bekanntgegebene Betrag.

Die Vollstreckbarkeit setzt grundsätzlich die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe und die Nichtentrichtung der Abgabe voraus. Die Rechtskraft der Abgabenvorschreibung ist hingegen keine Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit (vgl ). Die Umsatzsteuer 01/2011 und 02/2011 wurde mit Bescheiden vom festgesetzt. Im Zeitpunkt der Festsetzung war die Umsatzsteuer bereits fällig und wurde daher mit der Festsetzung vollstreckbar (§ 226 BAO). Die Vollstreckbarkeit hinsichtlich des über die Selbstbemessung hinausgehenden Mehrbetrags setzt noch die bescheidmäßige Festsetzung voraus (), was im gegenständlichen Fall mit den Bescheiden vom erfolgt ist. Somit trat die Vollstreckbarkeit mit Wirksamkeit dieser Bescheide im September 2011 ein.

Die Umsatzsteuer 12/2011 iHv 13.313,49 € wurde nach Mitteilung der belangen Behörde vom mittels Umsatzsteuer-Voranmeldung am gemeldet und selbstberechnet. In diesem Fall ergibt sich schon aus § 226 zweiter Teisatz BAO, dass an die Stelle des festgesetzten Betrags der selbst berechnete oder der Abgabenbehörde bekanntgegebene Betrag tritt. Somit trat die Vollstreckbarkeit mit ein.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 217 Abs. 3 zweiter Satz BAO ist ein dritter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten Säumniszuschlages entrichtet ist. Die Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten Säumniszuschlages tritt ein, soweit die Abgabe nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) entrichtet ist.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer 01/2011 und 02/2011 trat die Verpflichtung zur Entrichtung eines zweiten Säumniszuschlages im Dezember 2011 ein. Drei Monate danach, also im März 2012 trat die Verpflichtung zur Entrichtung des dritten Säumniszuschlages ein, da die festgesetzte Umsatzsteuer 01/2011 und 02/2011 bislang nicht entrichtet wurde.

Die Vollstreckbarkeit der Umsatzsteuer 12/2011 trat am ein. Die Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten Säumniszuschlages trat somit mit Ablauf des ein. Drei Monate danach, also mit Ablauf des trat die Verpflichtung des dritten Säumniszuschlages ein, zumal die Umsatzsteuer 12/2011 bislang noch nicht entrichtet wurde. Somit ist die Verpflichtung zur Entrichtung der dritten Säumniszuschläge grundsätzlich eingetreten.

Beschwerdeerledigungen haben grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erlassung Bedacht zu nehmen. Daher können Anträge nach § 217 Abs 7 BAO auch in einem Rechtsmittel gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden und die Erledigung dieses Antrages erfolgt in der abschließenden Rechtsmittelerledigung.

Die beschwerdeführende Partei beruft sich darauf, dass kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliege (§ 217 Abs. 7 BAO). Dieser Grund könnte nur bei der Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages in Zusammenhang mit der Umsatzsteuer 01/2011 und 02/2011 maßgeblich sein, zumal die Abgabennachforderungen auf Abgabenfestsetzungen basieren und bei der Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Festsetzung regelmäßig die Fälligkeit schon vor der Festsetzung eingetreten ist.

Maßgeblicher Beurteilungszeitraum für Feststellung, ob eine Nichtentrichtung von Abgaben entschuldbar iSd § 217 Abs. 7 BAO ist, ist beim zweiten und dritten Säumniszuschlag jener der lang andauernden Säumnis iSd. § 217 Abs. 3 BAO. Im gegenständlichen Fall ist daher entscheidend, ob die beschwerdeführende Partei kein grobes Verschulden an der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer(nach)forderungen nach Eintritt der Vollstreckbarkeit bzw. nach Eintritt der Verpflichtung des zweiten Säumniszuschlages trifft. Diesbezüglich wurde lediglich vorgebracht, dass der faktische Geschäftsführer vom bis Anfang April 2012 in Untersuchungshaft gewesen wäre. Dazu ist zu bemerken, dass nach § 80 Abs. 1 BAO die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen haben, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Die Pflicht zur Entrichtung von Abgaben endet erst mit Entrichtung (vgl. ) oder Abschreibung (§§ 235, 236 BAO) der Abgabenschuldigkeiten. Sie trifft bei einer GmbH die Geschäftsführer (§§ 18 ff GmbHG), da diese die nach § 80 Abs. 1 BAO zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen sind. Mit dem Einwand der beschwerdeführenden Partei, es liege kein grobes Verschulden an der Nichtentrichtung vor, da sich der "faktische Geschäftsführer" in Untersuchungshaft befunden hätte, kann nichts gewonnen werden. Mit der Verhinderung des faktischen Geschäftsführers kann somit kein mangelndes grobes Verschulden der beschwerdeführenden Partei dargetan werden, da den faktischen Geschäftsführer keine Pflicht zur Erfüllung der Abgabenzahlungspflicht traf und damit seine Verhinderung in Bezug auf die Abgabenentrichtung nicht relevant ist. Zudem würde eine Behinderung der tatsächlichen Geschäftsführerin durch einen faktischen Geschäftsführer, der sie an der Entrichtung der Abgaben aus den vorhandenen Mitteln behindert, per se ein pflichtwidriges Verhalten darstellen (vgl. etwa ). Eine derartige Einschränkung der gesetzlichen Vertreterin der GmbH durch einen faktischen Geschäftsführer wäre vielmehr eine grob schuldhafte Pflichtverletzung und steht der Ausnahmebestimmung des § 217 Abs. 7 BAO entgegen. Eine nähere Untersuchung dieser Umstände erübrigt sich, zumal nicht behauptet wurde, dass die tatsächliche Geschäftsführerin kein grobes Verschulden an der unterbliebenen Abgabenentrichtung getroffen hat. Die Regelung des § 217 Abs 7 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand, somit tritt der Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund (vgl ; ; ). Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen all jener Umstände aufzuzeigen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann. Aus dieser erhöhten Behauptungs- und Beweislast des Antragstellers folgt, dass es seine Sache ist, ein fehlendes grobes Verschulden an der Säumnis aufzuzeigen (). Ein fehlendes grobes Verschulden an der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 01/2011, Umsatzsteuer 02/2011 und Umsatzsteuer 12/2011 nach Eintritt der Vollstreckbarkeit wurde seitens der beschwerdeführenden Partei nicht schlüssig dargelegt. Dem Gericht obliegt es auch nicht weitere Ermittlungen durchzuführen, um die tatsächlichen Gründe für die Nichtentrichtung der vollstreckbaren Abgaben(nach)forderungen zu ermitteln. Damit hat die beschwerdeführende Partei eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht darlegen können.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes basiert auf der ständigen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und ist Ergebnis einer Beweiswürdigung. Es lag somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 226 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
Fischerlehner/Oberlaber in BFGjournal 2023, 21
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100465.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at